In diesem Artikel geht es um die Nervenentzündung im Oberschenkel. Es werden unter anderem die Ursachen, Symptome, Diagnose und Therapieansätze besprochen. Auch die Dauer und Prognose werden thematisiert.
Nervenentzündungen und -erkrankungen am Oberschenkel sind relativ häufig, können aber verschiedenste Ursachen haben, diese reichen von Viren und Bakterien über chronisch-entzündliche bis hin zu Automimunerkrankungen. Auch sind verschiedene Nerven zu unterscheiden, es können sowohl sensible als auch motorische Nerven betroffen sein.
Zunächst muss man sich klar machen, welche Nerven am Oberschenkel relevant sind. Die Vorderseite wird zu einem Großteil durch die Rami cutanei anteriores des Nervus femoralis versorgt, das Gebiet am seitlichen Oberschenkel allerdings durch den Nervus cutaneus femoris lateralis. Die Rückseite versorgt der Nervus cutaneus femoris posterior, für die Innenseite ist der Nervus obturatorius zuständig.
Motorisch innerviert der Nervus femoralis die vordere Muskelgruppe - dies ist vor allem der vierbäuchige Musculus quadriceps femoris - sowie den Musculus sartorius. Die innere Gruppe der Adduktoren wird durch den Nervus obturatorius innerviert, die rückseitigen Oberschenkelbeuger durch den Nervus ischiadicus.
Prinzipiell sind die Ursachen für eine Entzündung in jedem Gewebe sehr ähnlich. Die Ursachen einer Nervenentzündung am Oberschenkel gleichen denen einer jeden Nervenentzündung an anderen Stellen des Körpers. Im Folgenden werden die häufigsten Ursachen aufgezählt.
Außerdem kann es durch eine Erkrankung der Wirbelsäule zu einem ausstrahlenden Nervenschmerz in den Oberschenkel kommen und ähnliche Symptome verursachen. Auch eine Entzündung zentraler Nerven, die den peripheren Nerven des Oberschenkels vorgeschaltet sind ist möglich. Wichtige zu nennende Erkrankungen sind sind die Multiple Sklerose und degenerative Wirbelsäulenerkrankungen wie die Spinalkanalstenose und der Bandscheibenvorfall.
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Es gibt einige sogenannte neurotrope Viren, die also hauptsächlich oder zumindest teilweise das Nervengewebe befallen. Die wichtigsten neurotropen Viren sind die Herpesviren, am Oberschenkel ist vor allem das Varizella-Zoster-Virus (HHV-3) relevant. Es löst bei Erstinfektion die Windpocken aus, verbleibt dann im Zellkörper der Nervenzellen und entzieht sich so dem Immunsystem, so dass es lebenslang im Körper verbleibt. Kommt es durch Stress, Erkrankungen, Medikamente oder andere Ursachen zu einer Schwächung des Immunsystems kann das Virus allerdings reaktivieren und löst nun die Gürtelrose (Zoster) aus. Diese breitet sich im Gegensatz zu den Windpocken segmental aus, sie folgt dabei einem sogenannten Dermatom, also einem scharf begrenzten Bereich, der dem Verlauf eines Spinalnerven entspricht. Die Gürtelrose manifestiert sich zwar meist im Bereich von Brustkorb und Armen, kann aber auch mal den Oberschenkel befallen.
Bakterien, die zu Nervenentzündungen führen sind vor allem Borrelien (Erreger der Lyme-Borreliose) und Treponemen (Erreger der Syphilis und der Leptospirose), aber auch andere, hierzulande eher seltene Erreger wie Brucella, Clostridium botulinum, Clostridium tetani, Mykobakterium leprae und Salmonella typhi. Diese Erreger können zwar Nerven befallen, allerdings betreffen sie nur äußerst selten isoliert die Nerven des Oberschenkels.
Autoimmune Prozesse sind häufige Ursachen von Nervenentzündungen. Die bekannteste ist wohl die Multiple Sklerose, diese betrifft aber ausschließlich das Zentrale Nervensystem, also Gehirn und Rückenmark. Zu einer Entzündung der peripheren Nerven kommt es im Rahmen des Guillain-Barré-Syndrom, auch als AIDP (akut inflammatorische demyelinisierende Polyradikuloneuropathie) bezeichnet. Das GBS tritt als Reaktion des Immunsystems vor allem nach Darminfekten auf, es kommt zur Antikörperproduktion gegen die Myelinscheide und somit zu deren Zerstörung. Da diese als Isolationsschicht die Funktion der Nerven garantiert, kommt es durch Ihre Zerstörung zur Störung der Nervenaktivität, was Lähmungen, Taubheit und Missempfindungen zur Folge hat. Im Verlauf kann es im schlimmsten Fall zur Lähmung der Atemmuskulatur mit Beatmungspflicht kommen, was als Landry-Paralyse bezeichnet wird.
Die gewissermaßen chronische Form des GBS ist die CIPD (chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie). Die CIDP ist zwar eine eigenständige Erkrankung, verursacht jedoch ähnliche Symptome wie das GBS, allerdings ist die Dauer deutlich länger.
Polyneuropathien sind multiple Schädigungen der Nerven durch verschiedenste Auslöser. Als häufigste Ursachen gelten übermäßiger Alkoholkonsum und Langzeitschäden durch Diabetes mellitus, doch auch oben genannte Viren und Bakterien, Autoimmunerkrankungen, angeborene Störungen, verschiedene Medikamente und viele weitere Ursachen kommen in Frage.
Die “klassische” PNP durch Alkohol und Diabetes mellitus betrifft zunächst die kleinen Nerven, typischerweise die der Füße, was dann als Burning-Feet-Syndrom bezeichnet wird. Doch bei anderen Ursachen kann es auch zu assymetrischen Befallsmustern auch einzelner Nerven kommen, zu denen auch die des Oberschenkels gehören.
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Die Meralgia paraesthetica ist ein Nervenengpasssyndrom des N. cutaneus femoris lateralis, bei der es zu Schmerzen, Taubheit oder Kribbeln am seitlichen Oberschenkel kommt. Grund der Schädigung des Nervus cutaneus femoris lateralis, der sensibel das Gebiet an der Außenseite des des Oberschenkels versorgt, ist sein besonderer Verlauf: Er tritt sehr weit außen unmittelbar neben der Darmbeinschaufel unter dem sogenannten Leistenband in den Oberschenkel ein und verläuft hier bereits sehr oberflächlich. Da er bei seinem Austritt direkt im Bereich von Hosenbund oder Gürtel verläuft kommt es hier schnell zur Druckschädigung.
In der Regel ist dies nur vorrübergehend und wird durch bestimmte Haltungen oder Umstände begünstigt. Hierzu zählen das Hocken, Tragen eines Gürtels oder engen Jeans sowie eine Schwangerschaft oder Übergewicht. Alle diese Faktoren führen zu einem Abdrücken bzw einer Kompression des Nervs unter dem Leistenband. Der Nerv wird daher auch als “Jeans Nerv” bezeichnet.
Wenn die Symptome nicht von alleine oder durch eine Haltungsänderung verschwinden, sollte ein Arzt aufgesucht werden.
Die Symptome einer Nervenentzündung sind vor allem Schmerzen in dem jeweiligen Innervationsgebiet. Diese Schmerzen können dumpf, brennend oder stechend ausfallen. Im fortgeschrittenen Stadium, wenn es zu einem vollständigen Funktionsverlust des Nervs kommt sind auch fehlende Schmerzen typisch.
Eine Taubheit oder Kribbeln der Haut spricht für eine Nervenentzündung eines sensiblen Nervs wie des N. cutaneus femoris lateralis. Bei Nerven, welche Muskeln versorgen kann es zu Lähmungen oder Ausfällen der Muskulatur kommen.
Infekte wie eine Gürtelrose gehen in der Regel mit weiteren Symptomen wie allgemeiner Abgeschlagenheit, Fieber oder in diesem Fall auch einem typischen Hautausschlag einher. Im Rahmen der MS (Multiple Sklerose) sind häufig andere Nerven wie der Sehnerv betroffen, was sich in Sehstörungen und Doppelbildern äußert.
Die Polyneuropathie bei einem Diabetes führt außer zum fehlenden Schmerz zum Sensibilitätsverlust und kann von den Symptomen einer Zuckerkrankheit wie häufiges Wasserlassen, Gewichtsabnahme oder einer Leistungsminderung begleitet werden. Da die Polyneuropathie eher im Verlauf des Diabetes auftritt ist dieser allerdings meist schon diagnostiziert und behandelt.
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Die Schmerzen bei einer Nervenentzündung sind Nervenschmerzen. Sie können von brennend und stechend bis zu einer dumpfen Schmerzqualität reichen.
Außerdem strahlen sie häufig in den Verlauf des Nervs aus also möglicherweise bis in den Unterschenkel. Typisch ist auch, dass normale Schmerzmittel wie Ibuprofen oder Aspirin kaum eine Wirkung haben, sondern nur spezielle Medikamente gegen Nervenschmerzen.
An der Außenseite des Oberschenkels findet sich primär der N. cutaneus femoris lateralis. Typisch wäre dementsprechend die Meralgia paraesthetica.
Es kann aber auch durch eine Polyneuropathie im Rahmen eines Diabetes, einer Nervenentzündung durch Viren und Bakterien oder Autoimmunerkrankungen zu Symptomen an der Außenseite des Oberschenkels kommen.
Der hintere Oberschenkel wird in erster Linie vom N. Ischiadicus versorgt.
Dieser kann ebenfalls durch muskuläre Verspannungen gereizt oder gar durch knöcherne Strukturen eingeklemmt werden. Bei dem Piriformis-Syndrom kommt es zu einer Reizung des Ischiasnervs durch den Piriformis Muskel in der Hüfte. Dieser Schmerz kann in den hinteren Oberschenkel ausstrahlen.
Ein Wirbelgleiten oder die klassische Lumboischialgie sowie ein LWS-Syndrom sind Erkrankungen der Wirbelsäule die zu Nervenschmerzen oder einer Nervenentzündung des Ischiasnervs führen können.
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Die Diagnostik der Nervenentzündung des Oberschenkels erfolgt zunächst durch eine gründliche Anamnese. Hierbei können bereits Auslöser eruiert und Risikofaktoren herausgearbeitet werden. Auch die Art der Symptome wie Schmerzen, Missempfindungen, Verlauf etc. liefern wichtige erste Hinweise. Anschließend führt der Arzt eine körperliche Untersuchung durch, um die Diagnose weiter einzugrenzen.
Oft reicht dies schon für eine gute Einschätzung, eventuell muss vor allem bei unklarer Erkrankung noch eine Elektroneurographie durchgeführt werden. Hierbei werden letztlich Nervenleitgeschwindigkeiten ermittelt, wodurch auf einen eventuellen Nervenschaden geschlossen werden kann.
Gerade bei Verdacht auf eine ursächliche Entzündung oder Autoimmunerkrankung wird auch eine Blutuntersuchung notwendig. Bei bestimmten Krankheiten - beispielsweise MS, Neuro-Borreliose oder Guillan-Barré-Syndrom - bietet sich zusätzlich eine Lumbalpunktion zur Diagnostik an.
Zur weiteren Ursachenforschung werden bei Bedarf zudem bildgebende Verfahren wie die MRT eingesetzt.
Die Gürtelrose kann anhand der klinischen Manifestation mit dem klassischen Ausschlag in Form von Bläschen in dem Dermatom des betroffenen Nervs diagnostiziert werden.
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Die Therapie unterscheidet sich je nach Ursache der Erkrankung. Bei einer Nervenkompression können Schmerzmittel aus der Gruppe der NSAR oder auch Glucocorticoide zur Abschwellung und Entzündungsminderung abhilfe schaffen.
Bei einer MS wird eine spezielle Therapie unter anderem mit Immunsuppressiva eingeleitet. Bei der Polyneuropathie steht eine optimale Einstellung des Blutzuckers und Behandlung des Diabetes im Vordergrund. Das Guillain-Barre-Syndrom wird unter anderem mit Immunglobulinen therapiert.
Physiotherapie, Massagen und Akupunktur können als unterstützende Maßnahmen angewandt werden und helfen insbesondere bei muskuloskeletalen Ursachen.
Eine Operation ist nur in seltenen Fällen bei einer akuten Erkrankung der Wirbelsäule oder einer fehlenden Besserung z.B. bei einer Nervenkompression wie der Meralgia paraesthetica indiziert.
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Die Gabe von Medikamenten ist bei Nervenentzündungen ein großer Bestandteil der Behandlung.
Schmerzmittel wie NSAR werden häufig bei Nervenentzündungen gegeben, da sie außer der Schmerzkontrolle eine antientzündliche Wirkung haben. Glucocorticoide wirken ebenfalls antientzündlich und abschwellend bei einem entzündeten Nerven.
Bei schweren Nervenschmerzen kommen Antiepileptika und Antidepressiva in niedriger Dosierung zum Einsatz. Hier sind vor allem Gabapentin und Amitryptilin zu nennen.
Autoimmunerkrankungen müssen durch eine Modulation des Immunsystems mit Immunglobulinen oder Immunsuppressiva therapiert werden.
Hausmittel eignen sich insbesondere zur Therapie der Nervenentzündung bei muskulären Erkrankungen. Hier helfen vor allem Wärmeanwendungen durch Wickel oder Kirschkernkissen, um Verspannungen zu lösen. Massagen oder Krankengymnastik können ebenfalls helfen. Bei einer aktuen Entzündung hingegen sollte eher mit Kälte gearbetet werden.
Es sollte außerdem auf eine ausgewogene Ernährung und ausreichend Bewegung geachtet werden. Insbesondere Vitamine wie Vitamin B12 sind für den Nervenstoffwechsel essentiell. Vitamin B12 haltig sind vor allem tierische Lebensmittel wie rotes Fleisch, Fisch, Eier und Milchprodukte.
Als Hausmittel kann auch Ginkgo biloba zur Unterstützung der Nervenzellen eingenommen werden. Am häufigsten werden Tabletten verwendet aber es auch in weiteren Darreichungsformen wie Pulver erhältlich.
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Homöopathie wird in der heutigen Zeit oft als letzte Rettung angesehen, wenn die sogenannte “Schulmedizin” scheinbar nicht helfen kann. Jedoch gibt es bis heute keine Studie, die eine Wirkung homöopathischer Mittel über den Placebo-Effekt nachweist. Homöpathische Mittel sollten daher vor allem bei schwereren Erkrankungen ausschließlich ergänzend eingesetzt werden.
Für Nervenentzündungen sollen Hypericum perforatum (Johanniskraut) oder Gnaphalium helfen. Auch Aranea diadema oder das Schüssler Salz Nr. 5 Kalium phosphoricum werden gerne verwendet.
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Die Dauer der Nervenentzündung hängt von der jeweiligen Ursache ab.
Bei einer Meralgia paraesthetica kann durch eine alleinige Haltungsänderung schon eine Besserung bewirkt werden und somit die Dauer Minuten bis Stunden betragen. Bei anderen Erkrankungen kann mithilfe von Medikamenten eine kurzfristige Linderung erreicht werden allerdings kommt es insbesondere bei Wirbelsäulenerkrankungen häufig zu erneuten Nervenentzündungen. Denen kann durch regelmäßige krankengymnastische Übungen vorgebeugt werden.
Die Polyneuropathie oder MS hingegen sind chronische Erkrankungen, die lebenslang behandelt werden müssen, um ein Fortschreiten der Symptomatik zu verhindern.
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Die Prognose ist wie bei der Dauer der Erkrankung abhängig von dem auslösenden Faktor.
Bei der Meralgia paraesthetica, die akut auftritt ist die Prognose sehr gut und es kommt in der Regel zu einem vollständigen Regeneration.
Bei den chronischen Erkrankungen hingegen ist insbesondere die Lebensqualität durch häufige Rezidive und Schmerzen eingeschränkt. Die MS bedarf einer lebenslänglichen Behandlung um die Schübe zu reduzieren und weitere Nervenausfälle zu vermeiden. Auch die Polyneuropathie sollte im Sinne von einer guten Blutzuckereinstellung behandelt werden, damit es nicht zu weiteren Folgeerkrankungen des Diabetes kommt, die die Lebenserwartung erniedrigen.
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