Der Amnesie als Gedächtnisverlust über einen bestimmten, begrenzten Zeitraum können verschiedene Erkrankungen, Verletzungen oder Vergiftungen zugrunde liegen. Je nach Gedächtnislücke vor oder nach dem auslösenden Ereignis, bzw. vor sowie danach, spricht man von einer retrograden, einer anterograden, oder einer globalen Amnesie. Die Episode der Amnesie ist üblicherweise begrenzt, kehrt jedoch nicht wieder ins Gedächtnis zurück. Behandeln lassen sich höchstens die zugrunde liegenden Erkrankungen, jedoch nicht die Amnesie selbst.
Die Amnesie ist eine meist vorübergehende Störung des Gedächtnisses für die zeitliche Orientierung oder die inhaltliche Erinnerung. Die Amnesie ist ein Symptom, das bei einer Vielzahl auslösender Störungen oder Faktoren auftreten kann und ist abzugrenzen von dementiellen Erkrankungen (Demenz), bei denen die Störung des Gedächtnisses langsam fortscheitet und beständig vorhanden ist.
Bei vielen störenden Einflüssen auf das Gehirn kann eine Beeinträchtigung von Bewusstsein und Erinnerung auftreten, was z.B. durch den Einfluss von Giften, in Form von Alkohol, Medikamenten (z.B. Tranquilanzien), aber auch von Drogen zu beobachten ist. Des Weiteren führen Gewalteinwirkungen aller Art (mechanisch, elektrisch) auf das Gehirn zu Gedächtnislücken, die bei der Gehirnerschütterung als mildeste Form des Schädel-Hirn-Traumas auch diagnostisch wegweisend ist. Erkrankungen des Gehirns, wie Epilepsie, Schlaganfall oder Entzündungen verschiedenster Ursache sowie Migräne können ebenso zu einer Amnesie führen. Weiterhin können psychiatrische Erkrankungen wie Persönlichkeitsstörungen, dissoziative Störungen und Hypnose eine Amnesie auslösen, bei denen es auch zu Störungen von Bewusstsein bzw. Erinnerung kommen kann.
Kommt es durch die Gewalteinwirkung im Rahmen eines Unfalls zu einer Verletzung des Gehirns so spricht man von einem Schädel-Hirn-Trauma. Dies kann auch durch einen Sturz auf den Kopf bedingt sein. Aufgrund der Dauer der Bewusstlosigkeit kann man unterschiedliche Schweregrade unterscheiden. Die schwächste Form des Schädelhirntraumas ist eine Gehirnerschütterung. Hierbei ist der Patient nur für eine kurze Zeit bewusstlos (bis maximal 10 Minuten). Ein typisches Symptom ist eine retrograde Amnesie. Der Patient kann sich nicht an den exakten Unfallhergang erinnern. Als Begleitsymptome treten Übelkeit und Erbrechen auf.
Ein Gedächtnisverlust für zukünftige Ereignisse, der anterograde Amnesie genannt wird, tritt bei leichtgradigen Hirnverletzungen eher nicht auf. Zu dieser Form der Amnesie kann es bei schwerwiegenderen Hirnverletzungen kommen, wenn Nervenzellen durch Blutungen oder Ödeme komprimiert werden. Ist es durch den Unfall zu einer großflächigen irreversiblen Schädigung der Nervenzellen gekommen, dann bleibt die Amnesie im Verlauf bestehen. Gedächtnistraining kann helfen andere Gehirnareale zu aktivieren um den Funktionsverlust etwas zu kompensieren.
Auch durch Stress kann eine Amnesie ausgelöst werden. Zum einen kann es zu einer dissoziativen Amnesie kommen. Bei dieser Form der Amnesie kommt es zu selektiven Gedächtnislücken im Bezug auf autobiografische Erinnerungen. Die Fachwelt versteht die dissoziative Amnesie als eine Art Schutzfunktion der Psyche, um sich nicht wiederholt mit belastenden Ereignissen auseinandersetzen zu müssen. Allerdings ist hiermit nicht "normaler Alltagsstress" gemeint, sondern schwere psychische Traumata wie Erleben von Gewalt oder Misshandlung.
Nach übermäßigem Alkoholkonsum kann es zu einem sogenannten Blackout kommen. Der Betroffene hat eine Erinnerungslücke von bis zu mehreren Stunden. Hierbei handelt es sich um eine temporäre Amnesie, d.h. das Gedächtnis erholt sich im Verlauf wieder. Dabei ist individuell sehr verschieden, ab welcher Alkoholmenge eine Amnesie auftritt.
Bei langjährigem übermäßigem Alkoholkonsum kann es durch Thiamin (Vitamin B1) Mangel zur Schädigung der sogenannten Corpora mamillaria im Gehirn und als Folge zur Ausbildung eines Korsakow-Syndroms kommen. Das Leitsymptom dieser Erkrankung ist die Amnesie, welche teilweise global auftritt, d.h. sowohl erlebte Ereignisse als auch neue Inhalte können nicht mehr abgerufen werden. Oft sind alte Gedächtnisinhalte aber gut erinnerlich und nur neu Erlebtes kann nicht abgespeichert werden. Unbewusst füllen die Betroffenen diese Erinnerungslücken mit Phantasieinhalten, was als Konfabulieren bezeichnet und sehr typisch für das Korsakow-Syndrom ist.
Ein Gedächtnisverlust bzw. Gedächtnisstörungen nach einem Schlaganfall sind relativ häufig. Art und Ausmaß hängen davon ab, welches Hirnareal wie schwerwiegend betroffen ist. Bei Patienten mit einem Schlaganfall in der linken Gehirnhälfte bestehen oft Probleme mit dem semantischen Gedächtnis, Betroffene können sich nicht mehr gut an Faktenwissen erinnern. Die Erinnerung an persönliche Erlebnisse ist hingegen nicht gestört. Dies ist nach einem Schlaganfall in der rechten Gehirnhälfte häufiger; hier ist das episodische Gedächtnis lokalisiert. Oft sind diese Störungen nur vorübergehend bzw. bilden sich zumindest teilweise zurück. Ist es durch den Schlaganfall jedoch zum Absterben von Nervenzellen in großflächigen Arealen gekommen ist die Amnesie von Dauer.
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Epileptische Anfälle gehen sehr häufig mit einer Amnesie einher. Art und Ausmaß können von Patient zu Patient stark variieren. Meist ist die Amnesie nach einem epileptischen Anfall nur vorübergehend und bildet sich rasch zurück. Bei einer seltenen Form der Temporallappenepilepsie ist die Amnesie das einzige Symptom. Hier kommt es zu rezidivierenden Gedächtnisstörungen ohne weitere Begleitsymptomatik. Der epileptogene Fokus wird im Hippocampus vermutet. Hier können im EEG auch Auffälligkeiten festgestellt werden. Die wichtigste Differentialdiagnose ist eine transiente globale Amnesie.
Nach chirurgischen Eingriffen werden bei Patienten postoperativ häufig Gedächtnisstörungen beobachtet. Diese sind in der Regel von kurzer Dauer und beziehen sich meist auf Ereignisse unmittelbar vor oder nach dem Eingriff. Dies hängt mit den gegebenen Medikamenten, insbesondere den Benzodiazepinen zusammen, die Gedächtnislücke sogar gewünscht, schließlich empfinden viele Patienten diese Erlebnisse zum Teil als traumatisch. Nach neurochirurgischen Eingriffen am Schädel kann die Amnesie auch über die unmittelbar postoperative Phase hinausgehen. Auch bei älteren Patienten wird immer wieder beobachtet, dass Gedächtnisstörungen auch längere Zeit nach der Operation fortbestehen. Ob dies als Vorboten für die Entwicklung einer Demenzerkrankung zu werten ist, ist unklar.
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Eine Amnesie nach dem Aufwachen besteht oft im Rahmen einer Schlaftrunkenheit. In diesem Zustand ist der Betroffene nach dem Aufwachen hinsichtlich Ort und Zeit desorientiert. Dies geht auch mit einer psychomotorischen Verlangsamung einher. Meist hält dieser Zustand bis 15 Minuten maximal an. Die Erinnerung an diese Zeit ist bruchstückhaft. Charakteristisch für diese Schlafstörung ist, dass sie aus dem Tiefschlaf heraus auftritt. Sie kann durch Wecken provoziert werden, kommt aber auch bei spontanem Erwachen vor.
Die verschiedenen Arten der Amnesie lassen sich aufgrund folgender Merkmale unterschieden:
Zunächst unterscheidet man nach dem Zeitraum des Gedächtnisverlusts. Bei einer anterograden Amnesie geht die Merkfähigkeit bezüglich zukünftiger Ereignisse verloren. Bei einer retrograden Amnesie kann sich der Patient nicht mehr an Dinge zurückerinnern, die vor dem auslösenden Ereignis passiert sind. Oft sind nur Erinnerungen unmittelbar vor dem Ereignis verloren gegangen. Bei einer anterograden Amnesie sind die Alltagseinschränkungen für den Patienten daher schwerwiegend, da er sich keine neuen Inhalte mehr merken kann.
Darüber hinaus kann man die Amnesie nach ihrem Umfang unterscheiden. Bei der dissoziativen Amnesie kommt es nur zu einem unvollständigen Gedächtnisverlust, der sich auf das auslösende Ereignis bezieht. Eine globale Amnesie liegt dann vor, wenn der Patient sich nicht mehr an lange zurückliegende Ereignisse erinnert und zudem keine neuen Inhalte mehr abspeichern kann. Dies ist die schwerste Form der Gedächtnisstörung. Diese kann vorübergehend sein. Dann spricht man von einer transient globalen Amnesie. Des Weiteren kann man die Amnesien noch Anhand ihrer Ursache einteilen. Neben organischen Störungen wie Schlaganfällen, Hirnblutungen, Schädelhirntraumata kann eine Amnesie auch psychogen, z.B. durch ein traumatisches Erlebnis, bedingt sein.
Bei einer anterograden Amnesie leidet der Patient an einer Gedächtnisstörung in Bezug auf neue Inhalte. Erinnerungen, die nach Beginn des auslösenden Ereignisses liegen, können nicht gespeichert werden und gehen nach kurzer Zeit wieder verloren. Anterograd bedeutet nach vorne gerichtet; hier im Bezug auf die zeitliche Dimension. Die Ursachen für eine anterograde Amnesie sind zahlreich: Gehirnerschütterungen, epileptische Anfälle, Demenz, Schlaganfälle, Gehirntumore oder Vergiftungen mit neurotoxischen Substanzen.
Art und Ausmaß der Amnesie können je nach Auslöser stark variieren. Dies gilt auch für entsprechende Begleitsymptome. Für die Behandlung der anterograden Amnesie ist es entscheidend ihre Ursache zu kennen. Oberstes Behandlungsziel sollte es daher sein, die Grunderkrankung zu behandeln. Durch Gedächtnistraining kann versucht werden andere Areale im Gehirn zu aktivieren um so den Funktionsausfall besser kompensieren zu können. Ist es jedoch zu einem großflächigen Absterben von Nervenzellen gekommen, so ist die Amnesie oft von Dauer. Eine Heilung gibt es dann nicht.
Bei einer retrograden Amnesie kommt es zu einem Gedächtnisverlust im Bezug auf ein zurückliegendes Ereignis. Die betroffene Person hat keine Erinnerung mehr an Dinge, die vor dem auslösenden Ereignis passiert sind. Die Gedächtnislücke ist allerdings meist relativ klein, d.h. es handelt sich nur um den kurzen Zeitraum unmittelbar vor dem auslösenden Ereignis. Weiter zurückliegende Ereignisse werden oft gut erinnert. Es besteht auch kein Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Hirnschädigung und der Dauer des Gedächtnisverlusts. Als Auslöser für eine retrograde Amnesie sind verschiedene Faktoren bekannt. Häufig ist dies nach einem Schädelhirntrauma der Fall. Der Betroffene erinnert sich nicht an den Unfallhergang.
Auch psychogene Auslöser kommen in Frage. Nach einem traumatischen Lebensereignis kommt es zum Gedächtnisverlust. Das Erlebte ist nicht erinnerlich. Im Rahmen von neurochirurgischen Eingriffen sind ebenfalls retrograde Amnesien aufgetreten. Dies kann auch nach einer Elektrokrampftherapie der Fall meist. Meistens handelt es sich bei einer retrograden Amnesie um einen kurzfristigen Zustand, das Langzeitgedächtnis im Bezug auf zukünftige Erinnerung ist meistens nicht betroffen.
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Die transiente globale Amnesie (kurz TGA) ist eine neurologische Erkrankung mit bisher unbekannter Ursache, Stress wird als ein Auslöser diskutiert. Die betroffenen Patienten haben über einen Zeitraum von ca. 24 Stunden starke Erinnerungslücken und fallen durch eine ausgeprägte Ratlosigkeit auf. Sie wissen nicht, warum sie gerade wo sind, allerdings erinnern sie sich an ihren Namen und ihre Biographie. Nach ende der TGA ist die Gedächtnisfunktion wieder völlig uneingeschränkt, es treten keine Spätfolgen auf.
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Bei der dissoziativen Amnesie kommt es zu selektiven Gedächtnislücken im Bezug auf autobiografische Erinnerungen. Diese Gedächtnislücken können mehrere Minuten bis Jahrzehnte umfassen. Um die Diagnose einer dissoziativen Amnesie stellen zu können müssen diverse organische Ursachen für eine Amnesie ausgeschlossen werden. Eine Bildgebung des Gehirns ist unerlässlich um keine hirnorganischen Störungen zu übersehen. Auch Intoxikationen können zur Amnesie führen und sollten ausgeschlossen werden. Bei einer dissoziativen Amnesie gibt es einen engen Zusammenhang zwischen der Gedächtnislücke und belastenden oder traumatischen Erlebnissen. Deshalb beschränkt sich die Störung auch auf das autobiografische Gedächtnis.
Erworbene Fähigkeiten werden erinnert. Die Fachwelt versteht die dissoziative Amnesie als eine Art Schutzfunktion der Psyche, um sich nicht wiederholt mit belastenden Ereignissen auseinandersetzen zu müssen. Daher ist eine Psychotherapie für Betroffene sinnvoll. Hier lernen sie unter psychotherapeutischer Anleitung die belastenden Erlebnisse in ihrer Biografie zu bearbeiten.
Die betroffene Person berichtet, sich an bestimmte Abläufe des Tagesgeschehens nicht mehr erinnern zu können. Je nach dem, ob die Amnesie vor, nach, während, oder vor und nach einem auslösenden Ereignis eingetreten ist, spricht man von einer retrograden Amnesie (keine Erinnerung an Dinge vor dem Ereignis), einer anterograden Amnesie (keine Erinnerung an Dinge ab dem Ereignis), oder einer globalen Amnesie, bei der vor, als auch nach einem auslösenden Ereignis ein Erinnerungsdefizit besteht. Das Bewusstsein einer entsprechenden Person kann in dem Zeitraum, der im Nachhinein nicht mehr erinnert wird, normal erscheinen, allerdings ist bei entsprechender Beeinträchtigung des Gehirns häufig auch das aktuelle Bewusstsein gestört. Motorische Handfertigkeiten (Gehen, Radfahren) können von den Personen auch bei zum Teil beeinträchtigtem Bewusstsein ausgeübt werden.
Die Feststellung einer Amnesie erfolgt in der Regel nur über die Befragung eines Patienten darüber, ob ihm Lücken in seiner Erinnerung aufgefallen sind und ob auslösende Faktoren vorgelegen haben. Durch eine Fremdanamnese (Befragung Dritter) kann die Einschätzung vervollständigt werden, ob der Patient trotz (teil-)erhaltenem Bewusstsein bestimmte Defizite in der Erinnerung aufweist.
In der Regel ist die Episode der Amnesie begrenzt, weshalb eine direkte Therapie nicht möglich und nötig ist. Lediglich die verursachende Störung oder Erkrankung kann gesucht, behandelt, bzw. vermieden werden, wie z.B. eine Epilepsie, Vergiftungserscheinungen und weitere Hirnerkrankungen.
Ob eine Amnesie bei einem Patienten von Dauer ist entscheidet in erster Linie die Ursache für die Amnesie. Besteht bei dem Patienten eine Demenz so wird der Gedächtnisverlust im Verlauf weiter fortschreiten. Nach leichtgradigem Schädelhirntrauma ist eine Amnesie oft nur kurzzeitig und das Erinnerungsvermögen kehrt zurück. Bei Gehirnblutungen oder Tumoren muss das Nervengewebe vom mechanischen Druck entlastet werden, dadurch kommt es auch oft zur Verbesserung der Amnesie. Gedächtnistraining kann helfen andere Gehirnareale zu aktivieren um den Funktionsverlust etwas zu kompensieren. Ist es jedoch zu einem großflächigen Absterben von Nervenzellen gekommen, so ist die Amnesie oft von Dauer. Eine Heilung gibt es dann nicht.
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