Schleudertrauma - Ursachen, Symptome, Behandlung

Schleudertrauma

Synonyme

HWS – Schleudertrauma, Peitschenschlagphänomen, Beschleunigungs- verletzung der Halswirbelsäule, HWS-Syndrom, HWS-ST, HWS-Zerrung, HWS-Distorsion
Englisch: whiplash injury

Definition Schleudertrauma

Unter einem Schleudertrauma (HWS-Distorsion) versteht man eine - häufig durch einen Auffahrunfall hervorgerufene – Weichteilverletzung der Halswirbelsäule (HWS). Durch die hierdurch unvorhergesehene starke Beugung und Überstreckung der HWS entstehen Distorsionen, schmerzhafte Steilhaltungen und Muskelverspannungen im Bereich der Nacken- und Halsmuskulatur, unter Umständen können auch Einrisse des vorderen Längsbandes, bzw. Verletzungen der Bandscheibe hervorgerufen werden.
Beim Schleudertrauma liegt stets eine Zerrung (Stauchung, Verrenkung) der HWS zu Grunde.

Ursache

Wie bereits erwähnt stellt die häufigste Ursache für die Entstehung eines Schleudertraumas ein Verkehrsunfall dar. Dabei wird der Kopf von vorne nach hinten oder umgekehrt bewegt, ohne dass die Person entgegen wirken kann. Nach dem Aufprall wird der Kopf bei einem Schleudertrauma erneut ruckartig bewegt und zwar in die entgegengesetzte Richtung.

Schleudertrauma beim Auffahrunfall

 

Durch die ruckartigen Kräfte, die dabei auf die Muskulatur und die beteiligten Halswirbelpartien wirken, können unter Umständen komplexe Verletzungen bewirken.

Nicht immer lässt sich ein Schleudertrauma äußerlich nachweisen, so dass dieses Krankheitsbild hinsichtlich der Schmerzensgeldklagen immer wieder stark umstritten erscheint. Es gibt Tendenzen, das Krankheitsbild nicht als „Schleudertrauma“, sondern als HWS-Distorsion zu bezeichnen, um die psychosomatischen Begleiterscheinungen („wenn ich ein Schleudertrauma habe, dann …“) von den körperlichen Verletzungen besser differenzieren zu können.

Natürlich bleibt das Krankheitsbild des Schleudertraumas nicht auf Autounfälle beschränkt. Immer dann, wenn ruckartige Bewegungen unbeabsichtigt erfolgen, ist die Gefahr eines Schleudertraumas vorhanden, so zum Beispiel bei den Kampfsportarten, aber beispielsweise auch beim Besuch von Freizeitparks oder ähnlichem (Achterbahn, …).

Symptome

Nach einem relativen Zeitraum ohne Beschwerden treten nach einigen Stunden, unter Umständen auch wenigen Tagen bei einem Schleudertrauma Schmerzen im Bereich der Nackenpartie, verbunden mit einem Steifheitsgefühl der Muskulatur und Kopfschmerzen, auf. Ausstrahlen der Schmerzen bis in den Hinterkopf und eine empfundene Schwere des Kopfes treten unter Umständen als Begleiterscheinungen auf. Je nach Schwere des Traumas sind über die „gängigen“ Symptome hinaus weitere Symptome möglich, die nachfolgend ohne jegliche Beschreibung aufgelistet wurden:

Lesen Sie auch mehr zu dem Thema: Bandscheibenvorfall HWS Symptome

Schwindel

Nach einem Schleudertrauma ist das Auftreten von Schwindel häufig. Dieser hält häufig einige Tage bis Wochen an und kann unterschiedliche Ursachen haben. Tritt der Schwindel beispielsweise bei Kopfdrehungen oder Änderungen der Körperlage auf, handelt es sich um einen sogenannten paroxysmalen Lagerungsschwindel. Dieser entsteht durch Irritationen im Gleichgewichtsorgan und kann durch Lagerungsübungen leicht und effektiv behandelt werden.
In seltenen Fällen kann der Schwindel jedoch auch durch eine schwerwiegendere Schädigung des Gehirns verursacht werden. Daher sollte beim Auftreten von Schwindel ein Arzt aufgesucht werden, um die Ursache abzuklären.

Lesen Sie mehr zu dem Thema: Schwindel

Tinnitus

In einigen Fällen kann es nach einem Schleudertrauma auch zu einem Tinnitus, also Geräuschen im Ohr ohne äußere Ursache für den Laut, kommen. Die Ursachen hierfür sind Reizungen der Muskulatur und Nerven, die am Hören direkt beteiligt sind oder in unmittelbarer Umgebung liegen.

Der Tinnitus kann nach einem Schleudertrauma auch chronisch werden und über Jahre hinweg immer wieder auftreten. Daher ist eine frühzeitige Erkennung und Behandlung der Beschwerden wichtig. Hierfür werden vor allem bestimmte Infusionen verwendet, die für eine bessere Durchblutung des Innenohrs sorgen.

Ausführliche Informationen finden Sie in unserem Hauptartikel: Tinnitus

Behandlung

Bei einem Schleudertrauma gibt es verschiedene Behandlungsmöglichkeiten. Die Therapie ist in der Regel konservativ, es muss also meist keine Operation erfolgen. Abhängig von den Symptomen und deren Ausprägung stehen unterschiedliche Behandlungen im Vordergrund.

Kommt es durch das Schleudertrauma zu Schmerzen im Bereich des Nackens, können verschiedene Schmerzmittel dagegen eingenommen werden. Hierzu gehören gängige Medikamente, wie Ibuprofen oder Diclofenac. Bei länger anhaltenden Schmerzen kann durch einen Arzt lokal ein Betäubungsmittel oder ein Muskelrelaxans (ein die Muskeln entspannender Stoff) verabreicht werden. Dies geschieht mit Hilfe einer Spritze in unmittelbarer Nähe des schmerzenden Bereichs.

Um die überstrapazierte Muskulatur wieder zu kräftigen und Verspannungen zu reduzieren, können Wärmebehandlungen und Massagen hilfreich sein. Abhängig von den Symptomen kommen auch Elektrotherapie, bei der über die Haut die geschädigten Nerven aktiviert werden, oder Psychotherapie bei länger anhaltendem emotionalen Stress in Frage.

Die Beweglichkeit der Gelenke und Kräftigung der Muskeln kann durch Physiotherapie unterstützt werden. Dies ist außerdem wichtig, um langfristige Schädigungen zu vermeiden und sollte stets - in Abhängigkeit der Symptome - einen Teil der Behandlung darstellen.

Finden Sie ausführliche Informationen unter: Therapie eines Schleidertraumas

Physiotherapie

Die Physiotherapie ist ein wichtiger Bestandteil der Behandlung eines Schleudertraumas, da sie langfristige Schädigungen der Muskeln und Gelenke verhindern kann. Hierzu gehören die Massage der durch das Schleudertrauma verspannten Muskulatur und die gezielte Behandlung der sogenannten Triggerpunkte, von denen der stärkste Schmerz im betroffenen Bereich ausgeht.
Des Weiteren wird die Bewegung der Gelenke der Halswirbelsäule durch Übungen gefördert, die begleitend zur Physiotherapie auch in Absprache mit dem Therapeuten daheim durchgeführt werden können. Um durch zu früh beginnende Physiotherapie eventuell entstehende Schäden zu vermeiden, sollte die Therapie immer in Absprache mit dem behandelnden Arzt geschehen.

Übungen

Es gibt verschiedenen Übungen, die nach einem Schleudertrauma dazu beitragen können, dass die Muskulatur der Schultern und des Nackens wieder gestärkt wird. Dabei ist zum einen die Dehnung der Muskeln zur Verbesserung der Beweglichkeit und zum anderen eine Kräftigung der Muskeln wichtig. Die Übungen können auch durch Physiotherapeuten angeleitet werden oder in einem Fitnessstudio mit einem Trainer geübt werden.
Eine mögliche Übung ist beispielsweise das Ineinander-Falten der Hände hinter dem Rücken mit gestreckten Armen.

Wärme

Bei vielen Menschen, die an einem Schleudertrauma leiden, wirkt eine Behandlung mit Wärme entspannend und schmerzlindernd. Ein Wärmekissen, das in heißem Wasser oder der Mikrowelle erhitzt werden kann und anschließend in den Nacken gelegt wird, ist eine einfache und effektive Möglichkeit der Wärmebehandlung. Durch die erhöhte Temperatur wird die Durchblutung in dem Bereich der Anwendung gesteigert, wodurch die Muskulatur besser versorgt wird und sich entspannen kann. Hinzu kommt der beruhigende Effekt der Wärme auf den ganzen Körper.

Diagnose

Insbesondere wenn Bewusstlosigkeit, Gedächtnisschwund, Übelkeit und / oder Erbrechen auftreten, sollte der Patient den Arzt SOFORT aufsuchen. Der Arzt wird versuchen, im Rahmen der Diagnosestellung eine Anamnese zu erstellen, in deren Verlauf der Patient den „Unfall“ und die begleitende Symptomatik darlegt.

Im Anschluss daran veranlasst der Arzt bei einem Schleudertrauma die körperliche Untersuchung, bei der das genaue Ausmaß der Erkrankung ermittelt und gegebenenfalls weiter reichende Erkrankungen, wie beispielsweise Verletzungen der Wirbelsäule mit Knochenbeteiligung oder Schädel- und Hirnverletzungen bestätigt oder negiert werden. Um dies genau beurteilen zu können, wird in den allermeisten Fällen die Halswirbelsäule geröntgt. Hierbei kann insbesondere eine eventuelle knöcherne Beteiligung der Halswirbelsäule erkannt und diagnostiziert werden.

Liegt der Verdacht darüber hinaus auf einer Beteiligung der Bandstrukturen der HWS (Halswirbelsäule), so kann über das Röntgenbild hinaus eine Magnetresonanztomographie (MRT) der HWS als weiteres Bild gebendes Verfahren hinzu gezogen werden. Eine Magnetresonanztomographie stellt allerdings kein Standardverfahren bei einer solchen Erkrankung dar. Nur in Ausnahmefällen und hinsichtlich des oben beschriebenen Verdachtes kann ein MRT (Magnetresonaztomographie) der HWS weiteren Aufschluss vermitteln.
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie auch unter: MRT der HWS

Neben der körperlichen und röntgenologischen Untersuchung, sollte stets der Nervstatus überprüft werden. Auch die Augenbeweglichkeit ist beim Schleudertrauma von großer Bedeutung, da sie unter Umständen hinweise auf eine Gehirnerschütterung liefern kann. Dies ist besonders in den Fällen der Fall, in denen der Kopf nicht nur zweimal ruckartig in verschiedene Bewegungen „geschleudert „ wurde, sondern zusätzlich der Kopf gegen einen Gegenstand geknallt wurde.

Die Überprüfung der körperlichen Statur, die Anfertigung eines Röntgenbildes, sowie die Überprüfung von Nervenstatus, Augenbeweglichkeit und des Gleichgewichtsorganes gehören routinemäßig zur Abgrenzung des Krankheitsbildes dazu.

In Fällen, bei denen eine Verletzung des Nervensystems nicht ausgeschlossen werden kann, können weitere diagnostische Maßnahmen notwendig werden. Zu solchen Untersuchungen zählen unter anderem Untersuchungen aus dem Bereich der Neurologie wie die Messung der Nervenleitgeschwindigkeit (NLG), die Elektromyographie (EMG) oder auch ein MRT der Halswirbelsäule. MRT´s werden vor allen Dingen dann erstellt, wenn Hinweise auf Weichteilverletzungen vorliegen.

In seltenen Fällen kann die Darstellung des Gehirns mittels MRT oder CT, eine Ultraschalluntersuchung der großen Halsarterie oder eine Liquordiagnostik (Untersuchung des Hirnwassers / Nervenwassers) notwendig werden. Diese Untersuchungen werden nur in Ausnahmefällen angewendet, weshalb an dieser Stelle nicht weiter darauf eingegangen werden soll.

 

Ablauf der HWS-Distorsion

Die Abbildung verdeutlicht den zeitlichen Ablauf bei einem Schleudertrauma / HWS-Distorsion bei einem Auffahrunfall.

Klassifikation

Abhängig der Symptome wird das Schleudertrauma in verschiedene Schweregrade nach der sogenannten Quebec-Klassifikation eingeteilt, wobei Grad 0 bedeutet, dass keine Beschwerden vorliegen.
Bei Grad 1 stehen Nackenschmerzen im Vordergrund, die in der Regel einige Tage bis Wochen andauern. Muskelverspannungen sind Teil von Grad 2, wobei die Dauer hier meist länger ist und oft mehrere Wochen anhält. Bei Grad 3 kommt es zusätzlich zu Schädigungen der Nerven, was die Dauer wesentlich beeinflusst. Abhängig von der Stärke und frühzeitigen Behandlung der Schädigung können die Beschwerden hier sogar mehrere Jahre bestehen.
Der 4. und letzte Grad beschreibt die stärkste Art der Verletzung mit Beteiligung der Knochen, beispielsweise einem Bruch. Hierfür kann nur schwer eine Aussage über Dauer gemacht werden, da diese sehr stark variieren kann.

Für den Alltag viel gebräuchlichere Einteilung des Schleudertrauma´s nach Dr. Gumpert

0. Grad = physikalisches Schleudertrauma erlitten, keine Folgesymptome
1. Grad = mäßiger Muskelhartspann
2. Grad = ausgeprägter Muskelhartspann
3. Grad = mäßige neurologische Begleitsymptome, wie pseudoradikuläre Schmerzen in den Arme, Kribbeln, Spannungskopfschmerzen, Schwankschwindel, Sehstörungen
4. Grad = ausgeprägte neurologische Begleitsymptome, wie Tremor,Störung der Feinmotorik, etc.

Dauer eines Schleudertraumas

Ein Schleudertrauma kann unterschiedliche Ausprägungen haben, wodurch die Symptome unterschiedlich stark und lange anhalten. In der Regel beträgt die Dauer der Beschwerden nach den meisten Schleudertraumata zwischen zwei und vier Wochen. Bestehen länger Symptome, sollte erneut ein Arzt aufgesucht werden, um abzuklären, ob eine möglicherweise stärkere Verletzung vorliegt, als ursprünglich vermutet wurde. Die Beschwerden treten meist innerhalb der ersten paar Stunden nach dem Schleudertrauma auf. In einigen Fällen können aber auch noch nach 3 Tagen weitere Symptome hinzukommen.

Sie interessieren sich für dieses Thema? Lesen Sie ausführliche Informationen unter: Dauer eines Schleudertraumas

Folgen eines Schleudertraumas

Ein Schleudertrauma kann verschiedenste Folgen haben. Diese hängen wesentlich von der Art und Schwere des Traumas selbst und von den dadurch entstandenen Symptomen ab. Bei mehr als der Hälfte aller Betroffenen sind nach wenigen Monaten keine Beschwerden mehr vorhanden. Oft bleibt das Schleudertrauma folgenlos und es entstehen keine langfristigen Schädigungen, die beeinträchtigend wirken können.

Bei einem schwereren Schleudertrauma können sich jedoch auch länger anhaltende Symptome entwickeln. Zu den häufigsten entstehenden Folgen gehören langfristige Schulter- oder Nackenschmerzen und Reizungen der Muskulatur und Nerven.

Sehr schwere Schleudertraumata können auch zu Brüchen und Verletzungen im Bereich der Halswirbelsäule führen, wodurch schwerwiegende und zum Teil lebensbedrohliche Folgen entstehen können.

Einige Menschen leiden nach einem Schleudertrauma unter emotionalem Stress, da das Trauma durch einen Verkehrsunfall eine gefährliche Situation darstellt. Bei länger anhaltenden Zuständen, die durch Stress und Angst geprägt sind, sollte daher gegebenenfalls eine Psychotherapie in Erwägung gezogen werden.

Prognose

Spätfolgen infolge eines Schleudertraumas sind eher selten. In Studien konnte aufgezeigt werden, dass nur ein sehr geringer Prozentsatz von etwa 2 bis 3 % noch zwei Jahre nach der Verletzung starke Beschwerden haben, die sie bei der Ausübung ihres Berufes hindern, bzw. stark beeinträchtigen. Die meisten Patienten verkraften somit ein Schleudertrauma ohne spätere Beeinträchtigungen.

Da der Nackenschmerz allerdings eine gewisse Zeit persistent ist und sich auch nur langsam zurück bildet. In einer weiteren Studie konnte darüber hinaus bestätigt werden, dass gewisse Faktoren, wie beispielsweise:

  • höheres Lebensalter
  • weibliches Geschlecht
  • Druckempfindlichkeit der Hals-Nackenmuskulatur
  • Kopfschmerzen

den Heilungsprozess verlängern. In der Regel geht man – bei allen Schweregraden des Schleudertraumas – von einer Rückbildungszeit von etwa einem Monat aus. Bei nur ca. 10 % dehnt sich der Schmerzzeitraum über einen Zeitraum von etwa einem halben Jahr aus.

Weiterführende Informationen

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Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 17.05.2007 - Letzte Änderung: 30.03.2024