Weichteilverletzungen

Weichteilverletzungen sind Verletzungen von Muskeln, Sehnen, Bändern oder Unterhautgewebe, also die Knochen umgebende Strukturen. Weichteilverletzungen werden in verschiedene Stufen unterteilt. Grundsätzlich unterscheidet man offene und geschlossene Weichteilverletzungen. Entscheidend ist, ob die umgebende Haut auch verletzt ist oder nicht.

Weichteilverletzungen

Definition

Bei einer Weichteilverletzung handelt es sich um eine Verletzung durch Gewalteinwirkung. Zu den Weichteilen zählen hierbei den Knochen schützende und umgebende Gewebe, wie Muskeln, Sehnen, Bänder, Haut, Unterhautgewebe, Fettgewebe, inklusive Gefäß- und Nervengewebe. Statistisch am häufigsten sind hierbei Verletzungen der Achillessehne, Kniescheibensehne oder auch Bizepssehne.

Bei den Weichteilverletzungen unterscheidet man prinzipiell in offene und geschlossene Verletzungen. Wenn sich noch unverletzte Haut über der Verletzung befindet, handelt es sich um eine geschlossene Verletzung. Sollte es dagegen schon zu einer Verletzung der Haut gekommen sein, handelt es sich um eine offene Verletzung.

Einteilung nach nach Tscherne und Oestern

Um das Ausmaß der Verletzung besser einschätzen zu können, entwarf man eine Klassifikation der Weichteilverletzung, welche offene und geschlossene Verletzung unterscheidet.

Offene Weichteilverletzung
Die offene Weichteilverletzung lässt sich in vier Grade einteilen:

  • Grad 1: Bei Grad 1 handelt es sich um eine Durchspießung der Haut von innen nach außen.
  • Grad 2: Bei Grad 2 handelt es sich um eine größere Weichteilverletzung, mit Gewalteinwirkung von innen nach außen. Hierbei ist die Entzündungsgefahr erhöht.
  • Grad 3: Bei Grad 3 handelt es sich um eine offenliegende Fraktur mit zusätzlichen Verletzungen an Gefäßen und Nerven.
  • Grad 4: Amputationsverletzung

Geschlossene Weichteilverletzung
Die Schwierigkeit bei geschloßenen Weichteilverletzungen ist, dass man leicht schwerwiegende Verletzungen übersehen kann oder das Ausmaß der Verletzung zunächst unklar ist.

  • Grad 0: einfache Frakturverletzung, keine oder kaum Weichteilverletzung durch indirekten Gewalteinfluss
  • Grad 1: einfache bis mittelschwere Frakturverletzung mit oberflächlicher Hautverletzung oder Quetschung durch Knochenfragmente
  • Grad 2: mittelschwere bis schwere Frakturverletzung, es handelt sich um eine tiefe oft verunreinigte Wunde mit Hautabschürfung, Quetschung durch direkten Gewalteinfluss und einem gefürchteten Kompartmentsyndrom (beim Kompartmentsyndrom kommt es zu einer Druckerhöhung im Gewebe, beispielsweise durch eine Blutung ins Gewebe. Durch die Druckerhöhung kommt es zu einer Abquetschung der Gefäße und Nerven und dadurch zu einer Durchblutungsstörung und Absterben des Gewebes.)
  • Grad 3: Schwere Frakturverletzung mit hoher Hautquetschung und/oder Verletzung der Muskulatur, Ablederungswunden (Decollement: hierbei werden obere Hautschichten von tieferen Weichteilschichten getrennt werden durch tangentiale Gewalteinwirkungen), Kompartmentsyndrom (s.o.) und Gefäßverletzungen

Ursache

Weichteilverletzungen entstehen häufig durch Stürze, direkte oder indirekte Gewalteinwirkungen. Oft kommt es auch bei Sportverletzungen zu Weichteilverletzungen. Bei Verkehrsunfällen oder Stürzen aus großer Höhe kann es zu schwerwiegenden Weichteilverletzungen kommen.

Diagnostik

Bei der Diagnostik ist eine gründliche Betrachtung (Inspektion) der Wunde wichtig, um nichts zu übersehen. Ein Augenmerk sollte man auf Rötungen, Schwellungen, Blutungen, Blutergüße, Überwärmungen, Farbe, Geruch und nach ausdringender Flüssigkeit der Wunde legen. Bei Rötungen, Schwellungen, Überwärmungen, Schmerzen, Funktionseinschränkungen handelt es sich um sogenannte Entzündungszeichen.
Auch eine körperliche Untersuchung mit orthopädischen Untersuchungstechniken sind wichtig um Gelenkverletzungen, Einblutungen, und andere Begleitverletzungen nicht zu übersehen.

Daneben sind bildgebende Diagnostikmethoden wichtig um Schwere und Lokalisation von Brüchen und Verletzungen feststellen zu können. Man sollte sich vor einer direkten MRT-Diagnostik in Acht nehmen, da es bei metallischen Fremdkörpern zur Anziehung ans MRT-Gerät kommt, was zu weiteren schwerwiegenden Verletzungen und Komplikation führen kann. Zwar ist eine MRT-Diagnostik bei komplizierte Weichteilverletzungen sehr aufschlussreich, jedoch sollte man wie gesagt metallische Fremdkörper vorher ausgeschlossen haben. Zudem ist die MRT-Diagnostik teuer im Gegensatz zu alternativen Röntgen und CT-Darstellungen. Wobei Röntgen und CT den Nachteil einer Strahlenbelastung mit sich bringen und eine weniger genaue Weichteilbeurteilung im Gegensatz zum MRT stattfindet. Somit sollte man sich nach sorgfältigen Abwägen bei Bedarf für eine sinnvolle Bildgebung entscheiden.

Therapie

Je nach Ausmaß der Verletzung muss man konservative und/oder operative Schritte einleiten.

Konservative Maßnahmen
Keinesfalls sollte man als Erstmaßnahme tief liegende Fremdkörper ohne genaues Wissen von umliegenden Gefäßen und Nerven manuell entfernen. Diese Fremdkörper werden später operativ entfernt. Zu den Erstmaßnahmen zählen dagegen:

  • eine vorübergehende erste Blutstillung durch Abdrücken
  • eine medikamentöse Schmerzlinderung
  • Ruhigstellung der Gelenke durch Schienungen

Weitergehende Maßnahmen beeinhalten dann eine klassische Wundversorgung mit Wundreinigung, Spülung, Desinfektion, Salben und sterilen Verbände durch Mullbinden. Bei den Salben unterscheidet man je nach Wundsalben für zu trockene Wunden oder Salben für zu feuchte Wunden.
Ebenfalls sollte ein der Verletzung entsprechender Verbandswechsel erfolgen. Der erste Verbandwechsel nach einer Operation erfolgt frühestens 48 Stunden danach, wenn der Verband nicht durchgeblutet ist.

Bei konservativen Maßnahmen kann es auch zur Anwendung von Schienen und Gipsen zur Ruhigstellung und Schmerzmilderung kommen. Dies kann essentiell für die Wundheilung sein. Dennoch sollte man auf eine mögliche kleinschrittige Bewegung der Gelenke Wert legen, da es sonst zur Muskel- und Sehnenschrumpfung kommen kann.
Zur konservativen Therapie gehört auch die Überprüfung des Tetanusimpfstatus, der insbesondere bei Weichteilverletzung unbedingt aufgefrischt werden sollte. Die prophylaktische Impfung erfolgt 5-12 Stunden nach der Verletzung. Die Tetanusprophylaxe wird bei großen Wunden oder weit zurückliegender Impfauffrischung zum Einsatz.

In manchen Fällen kann es bei großen Wunden auch zur Anwendung von prophylaktischen Antibiotikagaben kommen. Dies sollte man immer je nach Schwere der Verletzung und der Verschmutzung der Wunde beurteilen. Auch kann es aber zu einer therapeutischen Antibiotikagabe kommen, wenn es zu einer Entzündung der Weichteilverletzung kommt. Bei Schmerzen sollten Schmerzmittel und Anti-Entzündungsmittel verabreicht werden. Bei sehr starken Schmerzen oder extrem großen Wunden kann auch eine lokale Betäubung oder die Einleitung einer Narkose hilfreich sein.

Operative Maßnahmen
Abhängig von Art der Verletzung kann es zunächst nötig sein eine operative Reinigung der Wunde durchzuführen. Auch sollten nach einer passenden Diagnostik und Lokalisation von Fremdkörpern, Fremdkörper operativ entfernt werden. Zudem kann eine direkte Ligatur von Gefäßen zur Blutstillung von Nöten sein.
Bei septischen Wunden (also Wunden die bereits entzündet sind) muss man entweder eine sorgfältige Wundausschneidung vornehmen oder eine sogenannte Wundtoilette, bei welcher man nach Reinigung der Wunde eine gründliche Abtragung von abgestorbenem Gewebe vornimmt.

Je nach Verletzung kann es für die Therapie von Sehnen- Muskel- und Bandverletzungen zur Anwendung von direkten Nähten, Refixierungen an den Knochen (hier gibt es verschiedene Nahtfäden, Anker, Bohrlöcher für die Anker oder indirekte Nähte) aber auch bei komplizierten Rekonstruktionen zur Entnahme von Geweben aus anderen Körperregion und Wiedereinsetzen an der betroffenen Region kommen. Auch Gefäß- und Nervenverletzungen müssen durch Nähte und Rekonstruktionen versorgt werden.

Zum Wundverschluss gibt es verschiedene Möglichkeiten der Anwendung: Hierbei gibt es das simple Annähern der Wundränder durch Pflasterstreifen. Weitere Alternativen dazu sind das Kleben, Klammern oder auch Nähen in verschiedenen Techniken je nach betroffenem Weichteilgewebe.

Prognose

Die Prognose der Weichteilverletzung hängt von mehreren Faktoren ab. Zum einen spielt es eine Rolle ob es sich um eine direkte oder indirekte Gewalteinwirkung handelt, zudem sind die Schwere der Verletzung und Infektionen durch Verschmutzung wichtige Faktoren für die Prognose.

Die Prognose ist auch abhängig von der verletzen Körperregion. Bei Verletzungen der Bauch-, Brusthöhle und des Beckens kann es zu starken inneren Blutungen kommen.

Nicht zu unterschätzen ist auch der sonstige Allgemeinzustand des Patienten, wenn beispielsweise noch andere Erkrankungen vorliegen. Insbesondere gefährdet sind Patienten mit einer Immunerkrankung, Diabetes und Tumorerkrankungen.

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Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 13.10.2014 - Letzte Änderung: 18.09.2024