Die Akupunktur ist ein Teilgebiet der traditionellen chinesischen Medizin. Nach ihr zirkuliert die Lebensenergie (Qi), auf definierten Energiebahnen (Meridiane) und steuert somit alle Körperfunktionen. Durch Störung dieses Energieflusses können Krankheiten entstehen. Durch die Akupunktur soll der Energiefluß reguliert werden.

Akupunktur

Synonyme

Chin. Originalbezeichnung: zhenjiu – Stechen und Brennen (Moxibustation)
Lat.: acus – Nadel, pungere – stechen „Therapie mit Nadeln“

Definition

„Die Akupunktur verwendet Einstiche mit Gold- oder Silbernadeln an genau festgelegten Hauptpunkten, die spontan- oder druckschmerzhaft sein können, bei funktionellen reversiblen Erkrankungen oder Störungen zu diagnostischen und/oder therapeutischen Zwecken.“
Diese Definition der Akupunktur nach De la Fuye gilt noch immer, mit einer Ausnahme: Heute werden hauptsächlich sterile Stahlnadeln verwendet. In China wird aber wieder vereinzelt mit Gold- und Silbernadeln gearbeitet.

Einleitung

Die Akupunktur und Moxibustion (Wärmebehandlung an vorgesehenen Punkten) ist nur ein kleiner Teilbereich der traditionell chinesischen Medizin (TCM), welche ihrerseits nur ein kleiner Teil eines philosophischen Systems darstellt. In unserer westlichen Medizin hat davon bisher allerdings nur die Akupunktur in größerem Ausmaß Eingang gefunden.
Dennoch ist Akupunktur immer noch umstritten. Auf der einen Seite gibt es Fanatiker, die die Akupunktur als Universaltherapie verkaufen, auf der anderen Seite wird sie von den Kollegen wütend als Scharlatanerie abgelehnt. Beides ist falsch. Die Akupunktur ist sicherlich kein Allheilmittel.
Sie ist eine Ordnungstherapie, deren Einsatz wohl bei Gestörtem, nicht aber bei Zerstörtem sinnvoll ist. Akupunktur kann somit zerstörte Organe und Gewebe nicht reparieren. Sie stößt aber die Selbstheilung des Körpers an und kann gestörte Funktionen wiederherstellen und Schmerzen lindern.

Wirkung

Was genau bei der Akupunktur im Körper geschieht, ist wissenschaftlich noch nicht zu hundert Prozent bewiesen. Dank moderner wissenschaftlicher Untersuchungsmethoden konnte die Akupunkturwirkung in den letzten Jahren aber viel besser erklärt werden. Dennoch fehlen Erklärungen für die Tatsache, dass zum Beispiel Schulterschmerzen von einem bestimmten Punkt auf dem Unterschenkel aus besonders gut behandelt werden können, von einem Punkt knapp daneben allerdings nicht. Wissenschaftlich erwiesen sind bisher folgende Wirkungen:

  • Nervös-reflektorisch
  • Humoral-endokrin: Einfluss auf die Endorphin-, Serotonin-, Cortisonproduktion
  • Vasoaktive Wirkung: direkt auf die Blutzirkulation und über die Aktivierung des vasoaktiven intestinalen Polypeptides (VIP)
  • Muskelwirkung
  • Wirkung auf das Immunsystem

Die meisten Patienten empfinden meist schon nach der ersten Behandlung ein angenehmes, wohltuendes und entspannendes Gefühl. Die heilende Wirkung kommt u.a. dadurch zustande, dass der stimulierende Reiz der Nadeln im Gehirn eine vermehrte Ausschüttung schmerzlindernder und stimmungsaufhellender Substanzen auslöst.
Bei diesen „Glückshormonen“ handelt es sich um:

  • Serotonin
  • körpereigene Morphine wie das
  • Endorphin sowie
  • Enkephaline.

Mit modernen Verfahren, wie zum Beispiel mit der fMRT (funktionelle Magnetresonanztomografie – Kernspin), lassen sich die Wirkungen der Akupunktur oder der Laserakupunktur über die Stoffwechselaktivität im Gehirn nachweisen. In den Hirnarealen, welche mit den stimulierten Akupunkturpunkten in Verbindung stehen, zeigen sich vermehrt erhöhte Aktivitäten.

Zur Linderung der Schmerzen bei Knochenödemen im Kniebereich, kann eine Akupunktur ebenfalls helfen. Lesen Sie hierzu unseren ArtikelKnochenödem am Knie

Historie

Möchte man das Prinzip und die Anwendung der Akupunktur verstehen, kommt man nicht umher sich mit der Geschichte und Herkunft dieser Heilkunst zu beschäftigen.
Die Akupunktur ist eine uralte Therapietechnik aus China. Damals wurden Schmerzen und Krankheiten noch mit Geistern und Dämonen in Verbindung gebracht. Zeitlich lassen sich die Anfänge auf mehr als 3000 Jahre v. Chr. datieren. Ausgrabungen belegen dies durch Funde von Stein- oder Bambusnadeln.
Oftmals werden große medizinische Durchbrüche und Errungenschaft durch Zufälle oder gar Unfälle entdeckt. Solche Glücksfälle gab es auch am Anfang der Akupunktur. Durch versehentlich Quetschungen, Hautabschürfungen oder Pfeilwunden verschwanden plötzlich Schmerzen und traten nicht wieder auf. Auch Reiben und Massieren sowie das Beklopfen bestimmter Körperstellen linderte Schmerzen. Mit der Zeit kristallisierten sich bestimmte Punkte heraus, die besonders effektiv waren und man begann diese Zusammenhänge zu erforschen und zu systematisieren.
Am Anfang punktierte man noch mit relativ dicken Steinnadeln und schnitt mit Steinsplittern. Später entstanden Nadeln aus Bambus, Knochen und in der Bronzezeit aus Metallen. Heute werden vorwiegend sterile Einmalnadeln benutzt.
Ähnlich verhielt es sich auch mit der Brennmethode (Moxibustion). Nachdem das Feuer entdeckt wurde, erkannte man dessen schmerzlindernde und wohltuende Wärme. Zunächst wurde einfache Kohle verwendet, später mit der Weiterentwicklung der Moxibustion das sogenannte Moxa-Kraut (Beifußkraut). Es kann z.B. als eine Art Zigarre gerollt werden und wird beim Abbrennen behutsam über der Haut (Verbrennungsgefahr!) gehalten und stimuliert zusätzlich verschiedene Punkte.
Das erste große Werk über Akupunktur entstand ca. 221 vor bis 220 nach unserer Zeitrechnung in der Han-Dynastie. Der Historiker Si Ma Jian (auch: Sima Qian) verfasste den „Innere Klassiker des gelben Fürsten“„Huangdi Neijing“. Der legendäre gelbe Kaiser (Huang ti) führt in diesem Werk einen Dialog mit seinem Minister Chi Po. Dieses Buch ist das Grundlagenwerk der Traditionellen Chinesischen Medizin im Allgemeinen und der Akupunktur und Moxibustion im Speziellen. In diesem Buch werden die wichtigsten Leitbahnen, verschiedene Nadeln, Stichtechniken und Indikationen für die Anwendung bestimmter Akupunkturpunkte beschrieben. Dieses Werk beschreibt 160 klassische Akupunkturpunkte. Grundsätzlich besteht es aus zwei Teilen. Zum einen beinhaltet es die „Unbefangenen Fragen“ (Suwen). Dieser Teil beschäftigt sich hauptsächlich mit der Theorie der Medizin. Zum anderen werden im Lingshu (Angelpunkt der Struktivkraft/Zentrum des Wirkvermögens) Akupunkturpraxis, Meridiane, Kollaterale, Punkte, Manipulationstechniken etc. beschrieben. Ein großes Problem stellt die Übersetzung dieses Werkes dar. Mittlerweile gibt es zahlreiche Varianten und Interpretationen. Gründe hierfür sind die verschiedenen Dialekte in China, der Wandel von Bedeutung, Grammatik und Aussprache im Laufe der Zeit, die Interpretation chinesische Bildschrift, unterschiedliche Betonungen einzelner Silben (gleich ausgesprochene Silben und gleiche Schriftzeichen können auch unterschiedliche Bedeutung haben), Synonyme der Akupunkturpunkte sowie deren Nummerierung im Meridianverlauf, usw. Man sieht also, dass sich hier einige Probleme beim Studium dieser Weisheiten auftuen. Deshalb sollte man sich einem „Nei Jing Experten“ anvertrauen, um die Inhalte exakt zu erarbeiten.
Ein weiterer Klassiker ist das „Nanjing“ (Klassiker der Einwendungen) von Qin Yue-Ren (auch Bian Que genannt). Er lebte 500 v. Chr. und greift auf das vorangegangene Werk zurück.In diesem Werk wird erstmals die Aku-Moxi-Therapie erläutert.
Auch Chirurgen bedienten sich der Akupunkturthechnik. So soll der berühmte (und erste bekannte) Chirurg Hua Tuo (110-207 n. Chr.) seine Patienten mit nur einer Nadel geheilt haben. Er betäubte sie zusätzlich mit einer Kräutermischung (Ma Fei San) aus Hanf und Wein.
Huang Fumi verfasste in der Jin Dynastie ca. 259 n. Chr. den „ Systematischen Aku-Moxi-Klassiker (zhenjiu jiayi jing)“ (Klassiker über das Stechen und Brennen oder das ABC der Akupunktur und Moxibustion), welches nach dem Buch des gelben Kaisers das zweit wichtigste Werk darstellt. Hierin wird die Akupunktur systematisiert und erstmals 349 Punkte erwähnt und beschrieben, die man im „Buch des gelben Fürsten“ noch nicht kannte.
Im Werk „Rezepte, die tausend Goldstücke wert sind“ (Qian jin Fang) schreibt Sun Si Miao darüber, dass ein wirklich guter Arzt Akupunktur nicht ohne Moxibustion anwendet und umgekehrt auch keine Kräutertherapie ohne Akupunktur ausübt.
Dem Arzt Wang Weiyi verdankt die TCM-Welt eine ganz besondere Erfindung. Zur Überprüfung seiner Schüler baute er zwei lebensgroße Bronzestatuen, füllte sie mit Wasser und überzog sie mit Bienenwachs. Trafen die Zöglinge die richtigen Punkte, so floss ein kleiner Wasserstrahl aus der Bronzefigur. Das dazugehörige Werk, welches 1027 n. chr. veröffentlicht wurde („tong ren shu xue zhen jiu tu jing“ – Illustriertes Handbuch über Punkte für Akupunktur und Moxibustion unter Verwendung einer Bronzestatue) setzte neue Meilensteine.
Im Laufe der Zeit wurden immer neue Erkenntnisse, neue Punkte und Meridiane hinzugefügt und das altbekannte zusammengefasst und erweitert. Vorläufiger Höhepunkt der Darstellung der Akupunktur und der TCM findet sich im 16. Und 17. Jahrhundert in „Summe der Aku – Moxi – Therapie“ (zhen jiu da cheng) von 1601. Yang Ji-Zhou fasste in diesem Werk alle bis zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehende Literatur zusammen, ergänzte neue Erkenntnisse und versah alles mit zahlreichen Kommentaren und Fallbeschreibungen, sowie geheimen Behandlungsmethoden.
Bis zu diesem Zeitpunkt der Ming-Dynastie entwickelte sich die Akupunktur stetig weiter. Unter der feudalen Herrschaft der Ching-Dynastie und dem Kolonialismus stagnierte diese Entwicklung jedoch. Ab dem 19. Jahrhundert wurde die westliche Medizin im Zuge der Modernisierung eingeführt und die Akupunktur und Moxibustion wurden aus den medizinischen Fakultäten ausgeschlossen. Nur im Volk konnte sich diese Kunst halten. Je mehr die westliche Medizin in China verbreitet wurde, desto mehr musste die TCM weichen. 1929 wurde sogar ein Antrag zum Verbot der traditionellen Heilmethoden gestellt. Erst nach der Machtübernahme der Kommunistischen Partei unter Mao Zedong erhielt die Akupunktur und Kräutertherapie neben der westlichen Medizin einen gleichwertigen Stellenwert. Das lag aber auch unter anderem daran, dass man erkannte, dass das Land zu wenige nach wissenschaftlichen Standards ausgebildete Mediziner besaß, um es ausreichend medizinisch versorgen zu können. Daher wurden ca. 500.000 TCM-Praktizierende als sogenannte „Barfußärzte“ ins staatliche Gesundheitssystem integriert. Man hatte die Hoffnung, dass sie mit der Zeit die westliche Medizin immer mehr übernehmen würde.
Heutzutage muss ein Medizinstudent in China in seinem 5-jährigen Studium mindestens ein Jahr die Traditionell Chinesische Medizin erlernen, auch wenn er nur die Schulmedizin betreiben möchte.

Entwicklung der Akupunktur außerhalb Chinas

Außerhalb von China gelangte ca. 600 n. Chr. die Akupunktur und die TCM (Traditionell chinesische Medizin) über Korea nach Japan. Der Mönch Zhi Cong brachte z.B. Bücher aus China nach Japan mit.
Im Abendland wurden durch Marco Polo erste Berichte im 14. Jahrhundert n. Chr. bekannt. Aber erst 1657 veröffentlichte der holländische Arzt Jakob de Bondt ein Werk über die Naturgeschichte und Medizin Ostasiens (Willem Pisos Werk „De utriusque Indiae“).
Der Begriff „Akupunktur“ wurde letztendlich von Pekinger Jesuitenmönchen im 17. Jahrhundert geprägt. Willem Ten Rhyne verfasste 1683 eine ausführliche Abhandlung über die klinische Wirkung der Nadelstichtherapie und das System der Leitbahnen, welches er aber irrtümlich als Blutgefäße interpretierte.
1712 schrieb Engelbert Kaempfer über die Therapie von Bauchschmerzen und verhalf der Akupunktur zu mehr Aufmerksamkeit. Sowohl Ten Rhyne als auch Kaempfer verfassten ihre Berichte aufgrund von Untersuchungen in Japan. Teils kannten sie nicht einmal die fundamentalen Unterschiede zur chinesischen Therapie.
1809 gab es erste klinische Versuche mit Akupunktur durch den Pariser Arzt Louis Berlioz, wobei diese fast ausschließlich in der Schmerztherapie eingesetzt wurde. In den folgenden Jahrzehnten kam eine regelrechte „Akupunktur-Euphorie“ in Paris auf. Die erste deutschsprachige Veröffentlichung über Akupunktur fand im Jahre 1824 durch eine Übersetzung von „A Treatise on Acupunkturation“ des Engländers James M. Churchill statt.
Weitere bekannte Namen, die der Akupunktur in Europa zu neuen Ehren verhalf sind: De la Fuye, Chamfrault und dann der in Frankreich lebende Vietnamese Nguyen van Nghi, während sich im deutschsprachigen Raum besonders Heribert Schmidt, Gerhard Bachmann, Erich Stiefvater und später Manfred Porkert für die Akupunktur und TCM (Traditionell chinesische Medizin) einsetzten.
In Amerika und Canada waren es vor allem die Auslandschinesen, die der Verbreitung der TCM (Traditionell chinesische Medizin) half, doch nachdem dann China seit den 80er Jahren die Türen für die Ausländer öffnete, wurde ein ganz neues Zeitalter der TCM im Westen vor allem in Bezug auf die Kräutertherapie eingeläutet. Heute reisen zahlreiche TCM-Studenten in das Reich der Mitte um direkt an den Wurzeln der TCM zu lernen.

Autor: Gerret Hochholz Veröffentlicht: 18.06.2010 - Letzte Änderung: 18.09.2024