Gelenkschmerzen sind nichts Seltenes und sollten abgeklärt werden. Falls die Organe mitbeteiligt sind, ist der Morbus Still zu vermuten. Im folgenden Artikel erfahren Sie, wie Sie einen Morbus Still bei sich erkennen können.
Der Morbus Still wird auch als systemische juvenile idiopathische Arthritis bezeichnet. Hierbei handelt es sich um eine rheumatische Erkrankung, die nicht nur die Gelenke, sondern auch die Organe befällt. Der Wortteil juvenil bedeutet, dass es sich hierbei um eine Krankheit des Kindesalters handelt, auf 100.000 Kinder in Europa erkrankt weniger als eines pro Jahr an einem Morbus Still. Es handelt sich also um eine seltene Erkrankung.
Andere Varianten des kindlichen Rheumas sind häufiger und treten etwa bei 10 von 100.000 Kindern auf. Der Morbus Still – auch als Still-Syndrom bezeichnet – tritt auch bei Erwachsenen auf und wird dann als adulter Morbus Still bezeichnet. Auch hieran erkrankt pro Jahr weniger als einer auf 100.000 Menschen.
Bei entsprechender Therapie hat der Morbus Still eine relativ gute Prognose, es gibt jedoch auch schwere Verläufe.
Wir empfehlen Ihnen zunächst sich mit den Hauptthemen zu beschäftigen, um allgemeine Informationen zu erhalten:
Bei allen Erkrankungen aus dem sogenannten rheumatischen Formenkreis – zu denen auch der Morbus Still zählt – tritt typischerweise eine Entzündungsreaktion verschiedener Gelenke auf. Besonders häufig betroffen sind die größeren Gelenke wie Sprunggelenk, Kniegelenk, Hüftgelenk, Ellenbogengelenk, Schultergelenk oder Handgelenk.
Es kommt zu Schmerzen, Schwellung, Rötung und Überwärmung in dem / den betroffenen Gelenk/en. Bei Kindern kann sich dies beispielsweise durch Verweigerung des Laufens zeigen. Beim Morbus Still treten diese typischen Gelenkbeschwerden jedoch oftmals erst Monate nach Krankheitsbeginn auf. Das erschwert die Diagnosefindung.
Die Erkrankung beginnt meist mit Schüben hohen Fiebers um die 40°C, das vor allem morgens und abends auftritt. Das Fieber lässt sich durch herkömmliche fiebersenkende Medikamente nicht ausreichend senken. Die Betroffenen fühlen sich oftmals matt und abgeschlagen,
Kinder können durch reduziertes essen und trinken, vermehrtes Schlafbedürfnis und vermehrtes Schreien auffallen.
Zu Beginn imponiert der Morbus Still daher oftmals wie ein akuter Infekt. Begleitend kommt es zu einem lachsfarbenen feinfleckigen Ausschlag im Bereich von Bauch, Brust und Rücken sowie Oberarmen und Oberschenkeln. Der Ausschlag juckt häufig. Zu Beginn der Erkrankung kann es zu Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule kommen, welche beispielsweise beim Drehen des Kopfes auftreten.
Beim Morbus Still kommt es typischerweise auch zu einer entzündlichen Organbeteiligung. Diese kann sich – je nachdem welche Organe betroffen sind – sehr unterschiedlich manifestieren. Es treten Symptome wie Schmerzen beim Durchatmen durch entzündliche Beteiligung des Lungenfells, Herzbeschwerden durch Entzündung des Herzbeutels und Bauchschmerzen durch Entzündung des Bauchfells auf.
Außerdem kommt es typischerweise zu einer Schwellung von zahlreichen über den Körper verteilten Lymphknoten (generalisierte Lymphknotenschwellung) und zu einer Vergrößerung von Milz und Leber (Hepatosplenomegalie), welche bei einer Ultraschalluntersuchung des Bauchs (Abdomen-Sonographie) auffällig werden können.
Eine Lymphknotenschwellung kann auch auf weitere gefährliche Erkrankungen hinweisen und sollte bei Anhalten umgehend vom Arzt untersucht werden. Lesen Sie hierfür den Artikel unter: Chronische Lymphknotenschwellung - was steckt dahinter?
Charakteristisch für den Morbus Still ist, dass neben der Gelenkbeteiligung auch innere Organe betroffen sind. Verschiedene Organe können sich im Rahmen der Erkrankung entzünden und somit zu Beschwerden führen.
Am häufigsten sind von der Entzündungsreaktion das Bauchfell (Peritonitis), der Herzbeutel (Perikarditis) und das Lungenfell (Pleuritis) betroffen. Mögliche Symptome sind dementsprechend Bauchschmerzen, Herzbeschwerden oder Schmerzen beim tiefen Einatmen.
Häufig treten außerdem eine Vergrößerung von Milz und Leber auf. Diese Vergrößerung ist allerdings nicht auf eine direkt entzündliche Beteiligung dieser Organe zurückzuführen.
Selten kann es beim Morbus Still des Erwachsenen zu einer entzündlichen Beteiligung der Hirnhäute (Meningitis) kommen.
Lesen Sie ergänzende Informationen zu den oben genannten Erkrankungen unter:
Es gibt keine kausale Therapie, die den Morbus Still heilen kann. Es gibt jedoch zahlreiche Medikamente, die dazu beitragen können, Schäden an Gelenken und Organen, die durch die ständige Entzündung entstehen würden, zu vermeiden oder zumindest zu minimieren.
Insbesondere bei Kindern, die noch im Wachstumsprozess sind, ist eine solche entzündungshemmende Therapie essentiell, da es sonst zu dauerhaften Bewegungseinschränkungen oder Fehlstellungen kommen kann. Doch auch für Erwachsene spielt die entzündungshemmende Therapie zur Erhaltung der Lebensqualität natürlich eine wichtige Rolle.
Medikamente, die zur Behandlung des Morbus Still eingesetzt werden, sind nicht-steroidale Entzündungshemmer (NSAR) wie Ibuprofen, Naproxen oder Diclofenac, Glucocorticoide wie Prednisolon oder sogenannte Basistherapeutika bzw. Disease modifying anti rheumatic drugs (DMARDs) wie Methotrexat, Sulfasalazin oder Azathioprin.
Meist wird zu Beginn ein Behandlungsversuch mit NSAR über einige Wochen unternommen da es sich hierbei um die Medikamente mit den wenigsten schwerwiegenden Nebenwirkungen handelt. Kann hierunter keine ausreichende Besserung erreicht werden, kommen Medikamente aus einer der anderen Gruppen zum Einsatz. Glucocorticoide sind zwar oftmals hocheffektiv, werden aufgrund ihrer zahlreichen unerwünschten Wirkungen bei einer Langzeittherapie, wenn möglich, immer nur so kurz wie möglich verabreicht.
Oftmals ist es notwendig, zunächst eine Therapie mit Glucocorticoiden zu beginnen bis die Wirkung der Basistherapeutika eingesetzt hat. Diese haben einen verzögerten Wirkeintritt von einigen Wochen bis zu 3 Monaten. Sie müssen oftmals über mehrere Jahre verabreicht werden.
Als relative neue Therapieoption beim Morbus Still treten sogenannte Biologika wie beispielsweise Anakinra immer mehr in den Vordergrund. Hierbei handelt sich um Antikörper, die an bestimmte Rezeptoren oder Mediatoren der Entzündungsreaktion binden und somit zu einer Entzündungshemmung führen.
Neben der medikamentösen Therapie spielen – vor allem beim juvenilen Morbus Still – regelmäßige Physio- und Ergotherapie eine wichtige begleitende Rolle.
Mehr Informationen bezüglich der einzelnen Medikamente finden Sie unter:
Um zur richtigen Diagnose zu gelangen ist die genaue Anamnese, also die Erhebung Krankheitsgeschichte, entscheidend. Wichtig sind die hierbei insbesondere die Symptome.
Außerdem erfolgen verschiedene Bluttests. Charakteristisch für einen Morbus Still ist eine deutliche Erhöhung der Entzündungsparameter im Blut. Hierzu zählen die Werte CRP und Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) sowie die Anzahl der weißen Blutkörperchen (Leukozytose). In den meisten Fällen tritt außerdem häufig eine Erhöhung der Zahl der Blutplättchen (Thrombozytose) sowie eine Blutarmut (Anämie) auf.
Typischerweise sind im Blut keine für Autoimmunerkrankungen typische Antikörper nachweisbar. Diese Befunde sind jedoch nicht spezifisch für die Erkrankung. Es gibt keinen speziellen Test, der einen Morbus Still nachweisen kann. Vielmehr führt ein Zusammentragen und Auswerten verschiedener Untersuchungen am Ende zu der Diagnose.
Bei der kindlichen Form des Morbus Still werden in der Regel zur weiteren Diagnosefindung auch die Augen genau untersucht da bei verschiedenen kindlichen Rheuma-Arten eine Augenbeteiligung auftreten kann die – unbehandelt – zu Sehverlusten führen kann. Typischerweise ist eine Augenbeteiligung beim Morbus Still nicht nachzuweisen.
Zur Diagnosesicherung kommen weitere Untersuchungen wie Ultraschall des Bauches oder Ultraschall- / Röntgen- / MRT-Aufnahmen bestimmter Gelenke in Frage.
Weitere ausführliche Informationen zur Diagnostik vom Morbus Still lesen Sie unter: Ablauf eines MRT
Bisher ist die Ursache des Morbus Still nicht umfänglich geklärt. Es handelt sich um eine sogenannte multifaktorielle Erkrankung, also eine Erkrankung die aus einem Zusammenspiel vieler Faktoren entsteht.
Es ist anzunehmen, dass bestimmte genetische Voraussetzungen das Risiko, an einem Morbus Still zu erkranken, erhöhen. Kommen dann weitere Faktoren hinzu, bricht die Krankheit aus.
Der aktuelle Stand der Forschung lässt vermuten, dass es sich beim Morbus Still um eine Autoimmunerkrankung handelt. Das bedeutet, dass das körpereigene Immunsystem fälschlicher Weise Strukturen im eigenen Körper angreift und so zu wiederholten starken Entzündungsreaktionen führt.
Lesen Sie mehr hierzu unter: Autoimmunerkrankungen - Was versteht man darunter?
Die Lebenserwartung ist durch einen Morbus Still – sofern er adäquat behandelt wird – in der Regel nicht eingeschränkt. Durch die Fortschritte in der antientzündlichen und immunsuppressiven Therapie ist die Rate an letalen (tödlichen) Komplikationen in den letzten Jahrzehnten deutlich gesunken.
Nur noch selten gibt es hochkomplikative Verläufe mit tödlichem Ausgang.
Die Erkrankung beginnt in den meisten Fällen mit wiederkehrenden Fieberschüben und Ausschlag sowie Mattigkeit und Abgeschlagenheit. Gelenkbeschwerden manifestieren sich oftmals erst Monate nach Auftreten der ersten Symptome.
Der Krankheitsverlauf und die Prognose sind individuell sehr unterschiedlich. In manchen Fällen bildet sich die Erkrankung im Kindes- und Jugendalter vollständig zurück, in anderen bleibt sie lebenslang bestehen. Man unterscheidet dann zwischen einem Verlauf, bei dem die Symptome in immer wiederkehrenden Schüben auftreten, zwischen denen symptomfreie Wochen, Monate aber auch Jahre liegen können und einem chronischen Verlauf bei dem die Symptome dauerhaft bestehen.
Bei etwa 20-30% der betroffenen Patienten kommt es zu einer dauerhaften Unterdrückung der Erkrankung (Remission). Etwa 40% der Erkrankten leiden unter einer nur milden chronischen Gelenkentzündung, die unter einer medikamentösen Therapie und unterstützenden Physiotherapie gut führbar ist.
Symptome an den Organen können schubweise wieder auftreten, jedoch auch jahrelang vollständig fehlen. Es gibt zusätzlich auch Fälle, in denen die Erkrankung durch die Therapie kaum kontrollierbar ist und die mit einer zunehmenden Gelenkzerstörung und Komplikationen im Bereich der Organe einhergeht.
Ein Morbus Still kann nicht geheilt werden. Zumindest nicht im herkömmlichen Sinne.
Es gibt Patienten, die durch eine Therapie in ein Stadium der Remission überführt werden können. Remission bedeutet in diesem Fall, dass keine Symptome mehr auftreten, die Erkrankung also vollständig unter Kontrolle ist. Da sie aber jederzeit wieder aufflammen kann, kann nicht von einer Heilung im herkömmlichen Sinne gesprochen werden.
Ja. Es gibt Komplikationen im Krankheitsverlauf, die einen tödlichen Verlauf nach sich ziehen können.
Hierzu zählt insbesondere das sogenannte Makrophagen-Aktivierungssyndrom, auch als hämophagozytische Lymphohistiozytose bezeichnet. Hierbei kommt es im Rahmen des Morbus Still oder aber im Rahmen einer Virusinfektion unter einer immunsuppressiven Therapie des Morbus Still zur einer massiv überschießenden entzündlichen Reaktion des Immunsystems.
Es kommt zu anhaltendem Fieber, Milzvergrößerung (Splenomegalie) sowie verschiedenen Blutbildveränderungen. Die Diagnosefindung ist nicht immer leicht, da die genannten klinischen Symptome, also Fieber und Milzvergrößerung, auch bei einem nicht-komplikativen Morbus Still auftreten. Erst die Blutbildveränderungen weisen dann in Richtung eines Makrophagen-Aktivierungssyndroms. Therapeutisch kommen eine Hochdosis-Cortison-Stoßtherapie, Immunsuppressiva und Biologika zum Einsatz. Die Letalität des Makrophagen-Aktivierungssyndroms ist ohne entsprechende Therapie ausgesprochen hoch. Doch auch unter einer Therapie liegt die Letalität bei bis zu 40%.
Ergänzende Informationen rund um das Thema finden Sie auch unter: