Eine Nervenwurzelentzündung ist ein entzündlicher Prozess an den Austrittspunkten der Nerven aus der Wirbelsäule. Sie kann degenerative oder auch infektiöse Ursachen haben. Die Therapiemöglichkeiten reichen von operativen Maßnahmen bis hin zu Physiotherapie.
Eine Nervenwurzelentzündung, auch Radikulopathie, Radikulitis oder Wurzelneuritis genannt, beschreibt die Schädigung und Reizung einer Nervenwurzel an der Wirbelsäule.
Zwischen jedem Wirbel tritt ein Nervenwurzelpaar aus: Links und rechts jeweils ein Paar. An diesem Austrittspunkt kann die Nervenwurzel geschädigt werden. Dies kann ein akutes oder chronisches Geschehen sein. Häufig treten Nervenwurzelentzündungen im Hals- und Lendenwirbelsäulenbereich auf. Ursachen können u.a. orthopädischer aber auch infektiologischer Natur sein.
Als Ursache für eine Nervenwurzelentzündung gibt es unterschiedliche Möglichkeiten.
Eine liegt in den degenerativen Veränderungen der Knochen und hier vor allem der Wirbelkörper. Bei Abnutzung und Zerstörung des knöchernen Gewebes und der Knorpel wird die Nervenwurzel durch Reibung gereizt. Außerdem findet aufgrund der Abnutzung ein Entzündungsprozess an der Wirbelsäule statt. Diese Entzündung nimmt auch Einfluss auf die umliegenden Strukturen, wie z.B. die Nervenwurzeln.
Eine weitere Möglichkeit ist ein Bandscheibenvorfall, der durch Druck auf die Nervenwurzel zu einer akuten oder chronischen Entzündung führt. Auch sollten Raumforderungen in und an der Wirbelsäule in Betracht gezogen werden, also z.B. Blutergüsse (Hämatome) oder Tumore.
Eine weitere Gruppe von auslösenden Ursachen sind Infektionserkrankungen. Zu nennen ist hier vor allem die Borreliose (Infektion, die durch Zecken übertragen wird), die Nervenwurzel- und Hirnnervenentzündungen nach sich ziehen kann. Ebenfalls auslösend kann die Reaktivierung des Windpocken-Virus (Varizella-Zoster-Virus) bei der Gürtelrose sein.
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Der betroffene Patient klagt häufig über sensible Störungen in dem Gebiet, welches von der entsprechenden entzündeten Nervenwurzel versorgt wird. Es wird über Kribbeln, Taubheitsgefühle und Schmerzen berichtet. Je nach Stärke der Entzündung kann nicht nur die Sensibilität, sondern auch die Motorik ausfallen. Mit der Motorik, also die Fähigkeit einen Muskel anzuspannen, kann auch der Reflex des entsprechenden Muskels ausfallen.
Wenn nicht nur eine Nervenwurzel, sondern gleich mehrere betroffen sind, dann begrenzen sich die Symptome nicht auf ein Areal, sondern auf ein größeres Gebiet. Die Schmerzen, die durch eine Nervenwurzelentzündung entstehen, sind nicht zu unterschätzen. Sie können in ihrer Stärke so extrem sein, dass der Patient nicht mehr in der Lage ist, seinen alltäglichen Betätigungen nachzugehen und starke Schmerzmittel benötigt. Je nachdem welche Nervenwurzeln betroffen sind, können auch grundlegende Körperfunktionen eingeschränkt sein, wie bespielswiese die Atmung. In diesen Fällen muss schnell gehandelt und die Patienten intensiv-medizinisch betreut werden.
Bei der Nervenwurzelentzündung aufgrund des Herpes Zoster (Gürtelrose) finden sich entlang des Verlaufs des Nervs über mehrere Tage erst eine Rötung und dann Bläschen, die mit der Zeit eintrocknen. Zuvor klagen die Patienten häufig über Müdigkeit und Abgeschlagenheit.
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https://www.dr-gumpert.de/?id=10226Jeder Nervenwurzel kann ein sensibel versorgtes Gebiet, bestimmte Muskeln und auch deren Reflexe zugeordnet werden. Der untersuchende Arzt kann anhand dieser Zuordnung erkennen, welche Nervenwurzeln betroffen sind und wie stark die Entzündung ist. Gegebenenfalls kann eine Provokation durchgeführt werden, bei der bewusst versucht wird, die Nervenwurzel zu komprimieren und den Schmerz auszulösen. Dadurch kann die Diagnose gesichert werden. Es kommt vor, dass der Schmerz von anderen Strukturen (z.B. dem Nervus ischiadicus (Ischias-Nerv)) kommt und unbewusst in die Region der Nervenwurzel projiziert wird. Eine ausführliche Befragung und genaue Beschreibung über Art und Lokalisation der Schmerzen ist daher von hoher Relevanz.
Im Zuge der Diagnosefindung sollte bei neu aufgetreten Beschwerden ein CT oder MRT (siehe: MRT der Wirbelsäule) durchgeführt werden, um einen Bandscheibenvorfall oder Tumor auszuschließen. Zunächst hilft auch ein Röntgen der Wirbelsäule, da hier entzündliche und degenerative Umbauprozesse (Arthrose, Bandscheibenschäden) an den Wirbelkörpern sichtbar gemacht werden können.
Bei Verdacht auf eine Neuroborreliose (Befall der Nerven bei der Lymeborreliose) sollte eine Liquorpunktion (Punktion des Hirnwassers) durchgeführt werden, um den Nachweis einer Entzündung des Hirnwassers zu erbringen.
Sollten sich entlang des Verlaufs des betroffenen Nerven Bläschen zeigen, die mit einem Herpes Zoster (Gürtelrose) vereinbar sind, dann sollte zur Sicherung der Diagnose eine Punktion der Bläschen erfolgen. Bei einem eindeutigen klinischen Bild (d.h. für den Arzt ist die Diagnose durch ein typisches Aussehen der Infektion sicher) kann auch direkt therapiert werden.
Die Therapie der Nervenwurzelentzündung ist stark abhängig von ihrer Ursache. Wenn der Grund in einer Infektion liegt (Borrelien oder Herpes), ist es wichtig, dass eine adäquate Therapie mit Antibiotika oder Virustatika durchgeführt wird, um die Erreger abzutöten und das Fortschreiten der Entzündung zu verhindern. Bei einer Herpesentzündung kann zusätzlich eine Therapie mit Schmerzmitteln und auch Neuroleptika indiziert sein, um chronische Schmerzen zu verhindern.
Sollte ein Hämatom (Bluterguss) oder ein Tumor Grund für die Nervenwurzelentzündung sein, dann liegt die Therapie darin, dass diese, wenn möglich und nötig, operativ entfernt werden. Wenn nicht operiert werden kann, sollte versucht werden, die Beschwerden mit konservativen Mitteln (Physiotherapie, manuelle Therapie, Schmerzmittel) zu lindern.
Bei Bandscheibenvorfällen entscheidet die Art und Stärke der Beschwerden bzw. des Vorfalls darüber, ob dieser operiert wird. Wenn keine Operation indiziert ist, wird mit Physiotherapie und Schmerzmitteln gegen die Nervenwurzelentzündung vorgegangen. Grundsätzlich gilt, dass eine ausreichende Versorgung des Betroffenen mit Schmerzmitteln wichtig ist. Beispielsweise lindern Medikamente aus der Gruppe der nichtsteroidalen Antirheumatika (Ibuprofen, Diclofenac oder Voltaren) den Schmerz und wirken zusätzlich auch gegen die Entzündung.
Lesen Sie mehr zum Thema unter: Behandlung eines Bandscheibenvorfalls.
Es ist auch möglich, die betroffene Nervenwurzel epidural zu infiltrieren. Damit ist gemeint, dass lokal an die entzündete Nervenwurzel Cortison oder/und lokale Betäubungsmittel (Lidocain) gespritzt werden. Dies ist aber nicht bei jedem Patienten möglich und birgt zudem Gefahren, welche nicht zu unterschätzen sind. Ob eine Infiltration angebracht ist, muss mit dem behandelnden Arzt individuell besprochen werden.
Lesen Sie mehr zum Thema unter: Epidurale Infiltration.
Nervenwurzelentzündungen im Bereich der HWS sind häufig sehr unangenehm und mit teils sehr starken Schmerzen verbunden. Die Betroffenen haben je nach Stelle der Entzündungen Verspannungen im Nacken, der Schulter oder auch zwischen den Schulterblättern. Die Verspannungen können so weit gehen, dass es schwierig und schmerzhaft ist, den Kopf in unterschiedliche Richtungen zu bewegen. Zusätzlich können starke Kopfschmerzen durch die Verspannungen im Nacken entstehen. Die Kopfschmerzen können im hinteren Bereich, aber auch an den Schläfen liegen. Ein weiteres Problem sind Taubheitsgefühle bzw. Lähmungen in den Armen und Händen. Diese entstehen, da die Nerven, die die Arme und Hände sowohl sensibel als auch motorisch versorgen, aus der HWS abgehen und bei einer Nervenwurzelentzündung die Weiterleitung von Reizen über diese Nerven gestört ist.
Da in der HWS auch Nerven für die sympathische Innervierung der Augenmuskulatur abgehen, kann ein sogenanntes Horner-Syndrom auftreten. Weiterhin findet auch die Regelung der Schweißsekretion an der oberen Extremität über Nervenfasern aus der HWS statt. Bei einer Nervenwurzelentzündung in der HWS kann daher die Schweißsekretion gestört sein und auch Schweißausbrüche sind möglich.
In der Lendenwirbelsäule (LWS) gehen die Nerven ab, die die untere Extremität, sprich die Beine, motorisch und sensibel versorgen. Bei einer Nervenwurzelentzündung kann es in den Muskeln und Hautgebieten, die durch den betroffenen Nervenast versorgt werden, zu Störungen kommen, also z.B. zu Muskelschwäche, Missempfindungen und Lähmungserscheinungen. Diese fühlen sich häufig an, als zögen sie aus der LWS bis in das Bein herunter. In der LWS sind Nervenwurzelentzündungen häufig durch Bandscheibenvorfälle und degenerative Veränderungen bedingt.
In der LWS können verschiedene Tests durchgeführt werden, um eine Entzündung bzw. Reizung von Nervenwurzeln zu diagnostizieren. Dabei wird z.B. am liegenden Patienten das gestreckte Bein angehoben (Laségue-Test) und zusätzlich noch der Fuß zum Schienenbein gedrückt (Bragard-Test). Lösen diese Tests beim Patienten Schmerzen aus, ist dies ein Zeichen dafür, dass in der Lendenwirbelsäule ein Problem vorliegt, das genauer untersucht werden sollte, wie z.B. eine Nervenwurzelentzündung oder ein Bandscheibenvorfall.
https://www.dr-gumpert.de/?id=7440Die Dauer der Entzündung und der Beschwerden kann sehr unterschiedlich sein. Die Akutphase einer Entzündung kann einige Tage bis Wochen dauern. In dieser Zeit ist eine ausreichende Therapie mit Schmerzmedikamenten sehr wichtig.
Sollte die Nervenwurzelentzündung durch eine Borreliose entstanden sein, kann es sein, dass die Schmerzen bestehen bleiben und ein dauerhafter Nervenschmerz bestehen bleibt. Bei Verdacht auf eine Borreliose sollte daher so früh wie möglich behandelt werden, um langfristige Folgen zu verhindern.
Bei einem Herpes Zoster (Gürtelrose) heilen die Nervenschmerzen nach einigen Wochen bei richtiger Behandlung ab. Hier bleiben aber bei ca. 10% der Patienten dauerhafte Schmerzen bestehen (sogenannte Post-Zoster-Neuralgie). Bei diesen Patienten kann es von Nöten sein, auch höher dosierte Morphin-Medikamente und Medikamente aus der Klasse der Antipsychotika (z.B. Amitryptilin, Gabapentin) zu nutzen um gegen die chronischen Schmerzen vorzugehen.
Lesen Sie mehr zum Thema: Dauer einer Nervenentzündung - Das sollten Sie beachten!
Nach einem Bandscheibenvorfall bilden sich die Nervenbeschwerden mit einer entsprechenden Therapie im Idealfall langsam zurück. Dies dauert in der Regel mehrere Wochen und erfordert aktive Beteiligung des Patienten bei der Physiotherapie und dem Muskelaufbau. Bei unzureichender Mitarbeit des Patienten können die Schmerzen bestehen bleiben.
Lesen Sie mehr zum Thema unter: Wie lange ist die Dauer eines Bandscheibenvorfalls?
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