Gerinnungshemmer

Als Blutverdünner werden umgangssprachlich alle Medikamente bezeichnet, die in verschiedener Art in die Fähigkeit des Blutes zu gerinnen eingreifen. Das Blut wird jedoch nicht dünner, es gerinnt nur schwerer. Die Gerinnung ist eine essentielle Funktion des Blutes und sorgt dafür, dass es bei Verletzungen schnell zur Stillung der Blutung kommt.

Blutverdünner

Grundlagen

Als Blutverdünner werden umgangssprachlich alle Medikamente bezeichnet, die in verschiedener Art in die Blutgerinnung eingreifen.
Das Blut wird jedoch nicht dünner, es gerinnt nur schwerer. Die Gerinnung ist eine essentielle Funktion des Blutes und sorgt dafür, dass es bei Verletzungen schnell zur Stillung der Blutung kommt.

In manchen Situationen ist jedoch eine gezielte Hemmung der Gerinnung erwünscht, sodass hier der Einsatz der Blutverdünner sinnvoll ist. Ziel ist es also immer, die Bildung eines Blutgerinnsels (Thrombus), von dem grundsätzlich zwei Gefahren ausgehen, zu verhindern.
Die eine ist ein akuter Gefäßverschluss vor allem von Arterien.
Die Andere ist das Risiko, dass Thromben aus Venen verschleppt werden und an anderer Stelle ein Gefäß verschließen.

Blutverdünner werden zur Zeit von ca. 1 Million Menschen in Deutschland auf Dauer und von vielen weiteren kurzzeitig z.B. nach einem medizinischen Eingriff eingenommen. Innerhalb der Blutverdünner kann man verschiedene Wirkstoffe mit unterschiedlichen Mechanismen und Anwendungsgebieten unterscheiden. Blutverdünner werden vor allem prophylaktisch eingesetzt, um gefürchtete Komplikationen bei bestimmten Krankheiten zu verhindern, aber auch akut z.B. beim Herzinfarkt, um das Wachstum des entstandenen Blutgerinnsels zu hemmen. Medizinische Begriffe für Blutverdünner sind Antikoagulantien oder Thrombozyten-Aggregationshemmer.

Wirkmechanismus

Um den Wirkmechanismus der Blutverdünner zu verstehen, muss man sich kurz das Gerinnungssystem des Blutes in vereinfachter Form vor Augen führen. Es kann durch Verletzungen, Störungen des Blutflusses in den Gefäßen und vorgeschädigte Gefäßwände aktiviert werden.
Dabei spielt die Arteriosklerose, also die Verkalkung von Gefäßen, eine große Rolle. Unterteilen lässt sich die Blutgerinnung in zwei Abschnitte.

Primäre Gerinnung

Zunächst spielen die Blutplättchen (Thrombozyten) die Hauptrolle. Sie werden bei Bedarf durch bestimmte Signale aktiviert, heften sich an die Gefäßwand und verkleben untereinander. Durch Ausschüttung von Botenstoffen aktivieren sie weitere Blutplättchen, welche das Geflecht erweitern.
So kommt es zum ersten Blutgerinnsel (weißer Thrombus), der für eine provisorische Abdeckung der undichten Stelle sorgen soll.
Bei der Aktivierung und Verklebung spielen bestimmte Rezeptoren und Botenstoffe eine entscheidende Rolle. An diesen setzen eine Hauptgruppe der Blutverdünner an, sie sogenannten Thrombozyten-Aggregations-Hemmer. Der Name verrät, dass diese Blutverdünner die Anheftung und Verklebung der Blutplättchen hemmen und so die Ausbildung des Gerinnsels verhindern.
Der bekannteste Blutverdünner dieser Art ist die Acetylsalicylsäure, besser bekannt als ASS oder Aspirin. Es verhindert die Bildung eines wichtigen Botenstoffes zur Aktivierung der Blutplättchen.
Ebenfalls weit verbreitet ist das Clopidogrel, welches einen Rezeptor auf der Oberfläche der Blutplättchen blockiert, sodass es nicht aktiviert werden kann.

Lesen Sie mehr zum Thema Clopidogrel

Sekundäre/Plasmatische Gerinnung

Der andere Abschnitt der Blutgerinnung wird von bestimmten Proteinen im Blut, den Gerinnungsfaktoren getragen. Dieser ist etwas langsamer, sorgt aber für eine bessere Vernetzung und bildet einen stabileren roten Thrombus.
Die Blutverdünner, die hier eingreifen, setzen an den insgesamt 13 Gerinnungsfaktoren an.

Das bekannteste und weit verbreitete Mittel in diesem Rahmen ist das Marcumar®

. Es handelt sich im einen Vitamin-K-Antagonisten, welcher die Bildung von vier Gerinnungsfaktoren -den Faktoren 2,7,9 und 10- hemmt und so das System effektiv unterdrückt.

Ein anderes Mittel mit gleichem Mechanismus ist das Warfarin.

Seit einigen Jahren sind weitere Blutverdünner auf dem Markt, die an anderer Stelle in die plasmatische Gerinnung eingreifen. Es handeln sich um direkte Hemmer eines Gerinnungsfaktors:
Dabigatran, welches Faktor 2 blockt und Rivaroxaban, ein Hemmer von Faktor 10.
Zusätzlich dazu gibt es das ebenfalls oft eingesetzte Heparin, das allerdings nur kurzzeitig zur Behandlung von Gefäßverschlüssen oder zur Prophylaxe gegen diese eingesetzt wird. Es wirkt durch etwa 1000-fache Wirkverstärkung eines körpereigenen Proteins (Antithrombin 3), welches die Gerinnung kontrolliert. Der Komplex aus Antithrombin 3 und Heparin ist so ein kompetentes Antikoagulans.

Welches der genannten Mittel als Blutverdünner eingesetzt wird, hängt von der Indikation und der individuellen Situation des Patienten ab.

Labor

Eine wichtige Komponente bei der Langzeitbehandlung mit einem Blutverdünner ist die Laborkontrolle der Blutgerinnung. Der zentrale Blutwert ist der Quick- oder INR-Wert.
Die Bestimmung hiervon ist allerdings nur der Behandlung mit Marcumar®

Lesen Sie hier mehr zu dem Thema: INR

oder Warfarin sinnvoll.
Beide Werte geben über das Ausmaß der Blutverdünnung Auskunft, wobei der INR international vergleichbar ist und den Quick-Wert nach und nach ablöst. Ein Quick von 70-120% und eine INR von 0,9-1,2 sind normwertig.

Wichtig zu wissen ist, dass sich die Werte gegensätzlich verhalten. Das heißt, ein nur schlecht gerinnendes Blut hat einen niedrigeren Quick- und einen höheren INR-Wert.
Alle Patienten, die dauerhaft Marcumar® oder Warfarin einnehmen, sollten sich regelmäßigen Blutkontrollen unterziehen, um den richtigen Wirkstoffspiegel einschätzen zu können. Ist er zu niedrig, hat das Medikament nicht die gewünschte Wirkung, zu viel kann hingegen zu gefährlichen Blutungen führen. Für die verschiedenen Einsatzgebiete dieser Blutverdünner gibt es definierte Zielwerte.

Indikationen

Generell kann man sagen, dass die Thrombozyten-Hemmer wie ASS vor allem auf den arteriellen Schenkel mit hohem Blutdruck wirken, wohingegen die Antikoagulantien wie Marcumar® oder Heparin bei Erkrankungen des venösen Blutsystems und des Lungenkreislaufs einschließlich der Herzvorhöfe eingesetzt werden, in denen ein niedriger Blutdruck herrscht.

Blutverdünner des Typs der Thrombozyten-Aggregationshemmer kommen bei vielen Ausprägungen einer Durchblutungsstörung zum Einsatz. Typische Indikation ist dabei die Vorbeugung gegen einen erneuten Schlaganfall oder Herzinfarkt, die häufig durch den Verschluss eines arteriellen Gefäßes auf dem Boden einer vorgeschädigten Gefäßwand durch einen Thrombus entstehen.
Durch das Blockieren der Blutplättchen kann das Risiko für die Ausbildung eines Gerinnsels und somit dieser Ereignisse selbst deutlich gesenkt werden.
ASS ist hier Mittel der ersten Wahl, alternativ werden Clopidogrel oder Ticagrelor eingesetzt.

Auch im Rahmen der akuten Therapie eines Herzinfarkts werden immer Blutverdünner wie ASS verwendet, um den Thrombus, der ein Herz versorgendes Gefäß verstopft, am Wachsen zu hindern.

Für durch den selben Mechanismus hervorgerufene Schlaganfälle gilt das gleiche.

Eine andere wichtige Indikation, bei der Blutverdünner dieser Klasse unabdingbar sind, ist die Nachsorge nach einem Eingriff mit Stentimplantation. Ein Stent ist eine Gefäßstütze, mit der ein Gefäß, das zu verschließen droht, offen gehalten werden kann.
Da er jedoch Thrombozyten aktivieren würde, werden prophylaktisch ASS oder Clopidogrel, oft auch in Kombination, dauerhaft gegeben.
Außerdem können sie bei der Behandlung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (paVk) helfen, das Risiko eines erneuten Verschlusses zu senken.

Die Indikationen der Antikoagulantien sind ähnlich breit gefächert. Der häufigste Anlass für einen Blutverdünner dieser Kategorie ist die Thromboseprophylaxe bei Patienten mit Vorhofflimmern. Durch das Flimmern fließt das Blut in den Vorhöfen nicht regelrecht und verlangsamt, was die Wahrscheinlichkeit für eine Thrombusbildung erhöht.
Dieser kann im schlimmsten Fall durch den Herzschlag in ein Hirngefäß gepumpt werden und dort einen Schlaganfall verursachen. Um das zu verhindern, müssen Blutverdünner wie Marcumar gegeben werden.
Der Ziel-INR-Wert im Rahmen des Vorhofflimmerns liegt bei 2,0-3,0.

Eine andere große Indikation liegt in der Behandlung und Prophylaxe von venösen Thrombosen wie der tiefen Beinvenenthrombose (TVT).
Es handelt sich um einen Verschluss einer Vene, die lokal Beschwerden macht. Die große Gefahr liegt darin, dass der Thrombus gelöst und verschleppt wird, sodass er in der Lunge ein Gefäß verschließt (Lungenembolie).
Sowohl während der Akuttherapie als auch als Prophylaxe gegen ein Wiederauftreten für bis zu ein Jahr, in Einzelfällen auch auf Dauer, wird ein gerinnungshemmender Blutverdünner (Marcumar®) gegeben. Der Klappenersatz mit einer künstlichen Herzklappe berechtigt ebenso zur dauerhaften Therapie mit einem Blutverdünner, INR-Zielwert 3,0-4,0.

Heparin wird generell nicht als Dauertherapie eingesetzt sondern ist unerlässlich in Akutsituationen wie dem Herzinfarkt oder der TVT, da es schnell und zuverlässig wirkt. Im Gegensatz zu den anderen Mitteln aber, die oral genommen werden, muss Heparin gespritzt werden.
Es ist darüber hinaus Standard bei der Thromboseprophylaxe im Rahmen von operativen Eingriffen.
Da Blutverdünner wie Marcumar® oder Warfarin erst nach einigen Tagen wirken, wird diese Zeit mit Heparin überbrückt, um einen vollen Thrombose-Schutz sicher zu stellen.

Kontraindikation: Blutverdünner, egal welcher Art, sollten nicht bei erhöhtem Blutungsrisiko eingenommen werden. Dazu zählen zum Beispiel angeborene Krankheiten des Gerinnungssystems oder Magen-Darm-Blutungen.
Eine Operation sollte ebenfalls nicht unter Marcumar® durchgeführt werden, sodass 2 Wochen vor und nach geplanter OP darauf verzichtet werden muss.

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Kontraindikationen

Blutverdünner, egal welcher Art, sollten nicht bei erhöhtem Blutungsrisiko eingenommen werden. Dazu zählen zum Beispiel angeborene Krankheiten des Gerinnungssystems oder Magen-Darm-Blutungen.
Eine Operation sollte ebenfalls nicht unter Marcumar® durchgeführt werden, sodass 2 Wochen vor und nach geplanter OP darauf verzichtet werden muss.

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Komplikationen

Die Hauptkomplikation, die im Rahmen der Therapie mit einem Blutverdünner auftreten kann, ist eine Blutung. Da man das körpereigene Gerinnungssystem herunter fährt, ist das Risiko einer spontanen Blutung immer gegeben, auch wenn es natürlich bei richtig eingestellten Werten gering ist.
Dabei ist die Magenblutung, aber auch die lebensbedrohliche Hirnblutung möglich. Zusätzlich ist die Blutstillung bei banalen Verletzungen stark verzögert und die Haut neigt leicht dazu, blaue Flecken auszubilden.

Prognose

Blutverdünner gehören heute zu den wichtigsten Medikamentengruppen. Sie haben das Risiko für lebensgefährliche Thrombosen und Gefäßverschlüsse stark reduziert und die Zahl der erneuten Herzinfarkte oder Schlaganfälle gesenkt.
Langzeitstudien berichten eine erhöhte Lebenserwartung bei fast allen Patienten, die eine angemessene Therapie mit Thrombozyten-Aggregationshemmern oder Antikoagulantien erhalten.
Außerdem wäre die Therapieoption Stent ohne ASS nicht denkbar. Dennoch besteht ein gewisses Risiko, schwerwiegende innere Blutungen zu erleiden. Bei genauer Abwägung der Vor- und Nachteile ist der Nutzen der Blutverdünner jedoch unumstritten.

Weitere Informationen

Weitere Informationen zum Thema Blutverdünner finden Sie auf folgenden Seiten:

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 06.03.2015 - Letzte Änderung: 18.09.2024