Riesenzellarteriitis

Die Riesenzellarteriitis gehört zu den entzündlichen Erkrankungen der Gefäße. Die Riesenzellarteriitis gehört damit zum Formenkreis der rheumatischen Erkrankungen (Rheuma). Von der Riesenzellarteriitis betroffen sind ausschließlich Aorta und Arterien, nicht aber Venen oder Kapillaren. (Daher auch der Name Arteriitis = Entzündung der Arterien.) Dabei wird zwischen zwei verschiedenen Formen unterschieden:

Riesenzellarteriitis

Synonyme

Arteriitis temporalis, Arteriitis cranialis, Horton-Arteriits, Morbus Horton

Definition

Die Riesenzellarteriitis gehört zu den entzündlichen Erkrankungen der Gefäße. Sie gehört damit zum Formenkreis der rheumatischen Erkrankungen (Rheuma). Betroffen sind ausschließlich Aorta und Arterien, nicht aber Venen oder Kapillaren. (Daher auch der Name Arteriitis = Entzündung der Arterien.)

Dabei wird zwischen zwei verschiedenen Formen unterschieden:

  1. Die klassische Form stellt eine Entzündung der außen am Kopf verlaufenden Schläfenarterie (lat. A. temporalis) dar. Typischerweise wird die gesamte von der Schlüsselbeinregion in den Kopf ziehende Halsschlagader (lat. A. carotis) mitsamt den abzweigenden Arterien in den Entzündungsprozess einbezogen. Selten können auch Beinarterien oder Arterien der Eingeweide betroffen sein.
  2. Die eine Form befällt bevorzugt die Aorta und ihre großen Äste.

Epidemiologie

Die Krankheit trifft meistens ältere Patienten über 50 Jahre.
Häufiger sind Frauen als Männer betroffen.
Mit etwa 30 Neuerkrankungen pro Jahr unter 100.000 Einwohnern ist die Riesenzellarteriitis die häufigste Entzündung der Gefäße (Vaskulitis). Sie tritt besonders häufig in Kombination mit rheumatischen Erkrankungen (Rheuma) auf.

Ursachen

Die Ursache der Riesenzellateriitis (Ateriitis temoralis Horton) ist weitgehend unbekannt. Möglicherweise spielt Veranlagung (genetische Disposition) eine Rolle. Es besteht ein Zusammenhang mit Erkrankungen, bei denen sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper richtet (Autoimmunerkrankungen = Rheuma; vgl. griech. autos = selbst). Begünstigt wird der Ausbruch der Erkrankung durch bakterielle oder virale Vorschädigung der Gefäße.

Symptome

Im Vordergrund stehen Symptome sind Kopfschmerzen. Die Schläfenarterie am Schädel ist verdickt (von außen sichtbar) und sehr druckempfindlich. in den meisten Fällen ist nur eine Seite des Schädels, gelegentlich sind sowohl die linke als auch die rechte Seite betroffen. Generell besteht ein starkes Krankheitsgefühl mit Abgeschlagenheit, eventl. Fieber, Depression, Appetitlosigkeit und Gewichtsabnahme. Außerdem sind im Blut Zeichen der Entzündung nachweisbar (erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) und das C reaktive Protein (CRP)).
Bei Fortschreiten der Erkrankung treten weitere Komplikationen auf: Befall der das Auge versorgenden Arterie (Arteria ophtalmica) kann bis zum Verschluss des Gefäßes führen. Dann wird das Auge (insbesondere die für einen Seheindruck unentbehrliche Netzhaut (Retina)) nicht mehr oder nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt. Die Folgen reichen von Sehstörungen bis hin zu Erblindung (bei etwa der Hälfte aller Erkrankten).

Bei Patienten über 65 Jahre treten gehäuft weitere Beschwerden in Form von Schulterschmerzen und / oder morgendlicher Gliedersteifigkeit auf (was als Polymyalgia rheumatica bezeichnet wird). Grund ist eine begleitende Entzündung des die Gelenke von innen auskleidenden Bindegewebes (der Synovia, die Entzündung wird daher Synovitis genannt).

Krankheitsentstehung

Die entzündliche Zerstörung der Gefäße geschieht auf zwei verschiedene Arten, für die das eigene Immunsystem verantwortlich ist: Einerseits bilden Abwehrzellen (weiße Blutkörperchen, gr. Leukozyten) Eiweiße (sog. Antikörper), die sich an Strukturen der Gefäße heften und nachfolgend eine Kettenreaktion in Gang setzen, an der verschiedene körpereigene Zellen sowie die Gefäße zerstörende Enzyme und Botenstoffe (Mediatoren) beteiligt sind (sog. Immunreaktion Typ II). An der Entzündung sind typischerweise sog. Riesenzellen beteiligt (daher auch der Name), die sich bei der mikroskopischen Untersuchung betroffener Gefäße nachweisen lassen (s.u.).

Die zweite Möglichkeit der Gefäßschädigung ist die unerwünschte Verbindung der von überreagierenden Immunzellen gebildeten Eiweiße mit im Blut schwimmenden körpereigenen Strukturen (Antigene). Diese Verbindungen werden als Immunkomplexe bezeichnet und setzen ebenfalls die zerstörerische Kettenreaktion in Gang. Resultat ist in beiden Fällen eine Schädigung der

  1. inneren (als Intima bezeichneten) Gefäßschichten und
  2. der mittleren, aus kleinen, spezialisierten Muskelzellen bestehenden Schicht (Media).

Außerdem zerfällt die elastische Membran zwischen den beiden Gefäßwandschichten in Stücke. Diese charakteristischen Gefäßveränderungen erleichtern die eindeutige Feststellung (wenn die klinischen Symptome nicht ausreichen) der Riesenzellarteriitis (Morbus Horton) bei Betrachtung von Gewebsproben per Mikroskop. Dabei ist jedoch der eindeutige Nachweis bei vorhandenen Gefäßveränderungen einfacher als der sichere Ausschluss einer Erkrankung, da nicht das gesamte Gefäß betroffen sein muss. Dann ist das Material der Gewebsprobe scheinbar gesund und unauffällig, weil zufälligerweise eine nicht befallene Stelle des Gefäßes entnommen wurde (sog. skip lesions). Um dies zu vermeiden, werden oft mehr als zwei Zentimeter lange Gefäßstücke entnommen.

Erste Hinweise auf eine Riesenzellarteriitis (Morbus Horton) mit Verengung der Gefäße kann auch eine Ultraschalluntersuchung (Sonografie) geben. Bei einer Ultraschalluntersuchung kann die Gefäßdicke bestimmt werden. Besonders bei großen Gefäßen, lässt sich in die Dicke der Gefäßwand bis auf den Millimeter genau bestimmen. Eine verdeckte Gefäßwand in der Ultraschalluntersuchung kann auf einen Morbus Horton hinweisen. Jedoch können auch andere Gefäßerkrankungen, zum Beispiel die Arterienverkalkung, eine Verdickung der Gefäßwand verursachen.

Diagnose

Zur Sicherung der Diagnose kann in die Ultraschalluntersuchung oder eine Magnetresonanzsonographie vom Kopf (MRT vom Kopf). Auch in der Magnetresonanzsonographie kann in die entzündliche veränderte und verdeckte Gefäßwand dargestellt werden.
Die eindeutige Diagnose einer Riesenzellateritis kann jedoch nur mit einer Probeentnahme des entzündeten Gefäßes (Biopsie) und histologischer (feingeweblicher) Untersuchung gestellt werden.
Weitere Hinweise auf einen Morbus Horton kann die Blutuntersuchung mit erhöhten Entzündungswerten und gegebenenfalls Nachweis von Rheuma - typischen Veränderungen im Blut / Laborwerte (z.B. Rheumafaktoren oder antinukleäre Antikörper (ANA)) geben.

Therapie

Die Erkrankung ist schwerwiegend, daher sollte unmittelbar bei sich aus den typischen Beschwerden ergebenden Verdacht mit der Therapie begonnen werden, um ein Fortschreiten der Erkrankung zu vermeiden. Es werden hochdosierte Kortikosteroide (Cortison) gegeben, die die Entzündung eindämmen sollen. Bei Besserung wird die Dosis dann langsam reduziert und über ein bis zwei Jahre mit so geringen Mengen wie möglich fortgesetzt. Alternativ können die Kortikoisteroide (Cortison) bei Unverträglichkeit ganz oder teilweise durch Immunsuppressiva (z.B. Methotrexat) ersetzt werden.

Prognose

Ohne Therapie erblinden 30% der Betroffenen. Bei sofort begonnener und konsequent durchgeführter Therapie ist in der Regel jedoch bei fast allen Patienten Beschwerdefreiheit möglich.
Chronische Vorläufer sind eine Ausnahme.

Weiterführende Informationen

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Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 21.05.2007 - Letzte Änderung: 12.01.2023