Die Neugeborenengelbsucht bezeichnet die Gelbfärbung der Haut, die nach der Geburt bei vielen Babys auftritt. In den meisten Fällen ist sie ungefährlich und geht auf den Wechsel des Blutfarbstoffes nach der Geburt des Kindes zurück. Dauert die Gelbsucht jedoch länger an, sollten mögliche krankhafte Ursachen abgeklärt werden.
Die Neugeborenengelbsucht – auch Neugeborenenikterus oder Icterus neonatorum (altgr. ikteros = Gelbsucht) genannt – beschreibt das Auftreten einer Gelbfärbung von Haut und Lederhaut der Augen ("Skleren") der Neugeborenen. Diese Gelbfärbung entsteht durch Einlagerung von Abbauprodukten des roten Blutfarbstoffes (Hämoglobin). Das dafür verantwortliche Abbauprodukt nennt sich Bilirubin.
Die Gelbsucht in den ersten Lebenstagen ist in der Regel ein physiologischer, unbedenklicher Prozess, der bei rund 60% der Neugeborenen auftritt.
Er wird hervorgerufen durch den Ersatz des roten Blutfarbstoffes (Hämoglobin) vom Fötus durch den adulten ("erwachsenen") Farbstoff des Neugeborenen.
Eine Neugeborenengelbsucht, die länger als zwei Wochen nach Geburt anhält, wird Ikterus prolongatus genannt.
Oftmals – in Abhängigkeit von der Schwere der Gelbsucht – kommt es lediglich zu einer sichtbaren Gelbfärbung der Haut und der Skleren des Neugeborenen, ohne dass weitere Symptome auftreten. Die Gelbfärbung selbst ist für den Säugling nicht spürbar. Dies ist in der Regel im Rahmen der physiologischen, ungefährlichen Neugeborenengelbsucht der Fall.
Fällt jedoch aus unterschiedlichen Gründen massiv Bilirubin an, welches nicht abgebaut und ausgeschieden werden kann, kann dieses in Nervenzellen des Gehirns eindringen und dort zum Zelluntergang führen (Kerninkterus). Dann können verschiedenste, vor allem neurologische, Symptome auftreten.
Hierzu zählen unter anderem eine auffallende Trinkschwäche und Müdigkeit bzw. Teilnahmslosigkeit des Neugeborenen, abgeschwächte Neugeborenenreflexe, schrilles Schreien, Verkrampfungen der Hals- und Rückenmuskulatur (Opisthotonus) sowie ein Abwärtsblick der Augen bei Öffnung der Augenlider (Sonnenuntergangsphänomen).
Bei über 50% aller Neugeborenen kommt es in den ersten Lebenswochen zu einer Neugeborenengelbsucht. In der Regel ist die Gelbfärbung der Haut auf ganz natürliche Prozesse in diesem Lebensalter zurückzuführen. Die Höhe des Bilirubins ist dabei ein Marker für den Ausprägungsgrad der Neugeborenengelbsucht. Beim Bilirubin handelt es sich um ein gelbes Abbauprodukt des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin. Ein Anstieg des Bilirubins über alterstypische Werte muss weiter abgeklärt und therapiert werden. Stark erhöhte Bilirubin-Werte können nämlich zu schweren Schädigungen des Neugeborenen führen. Die Bilirubin-Bestimmung kann nicht-invasiv über die Haut passieren. Über ein Lichtsignal wird der Gelbheitsgrad der Haut bestimmt und mit altersentsprechenden Normwerten verglichen. Zur genaueren Beurteilung bei erhöhten Werten erfolgt meist die Bestimmung des Gesamtbilirubins im Blut.
In der ersten Lebenswoche darf im Sinne einer normalen (physiologischen) Neugeborenengelbsucht die Höhe des Gesamtbilirubins nicht über 15mg/dl ansteigen. Alles darüber ist pathologisch, besitzt also Krankheitswert. Am ersten Lebenstag darf der Wert des Gesamtbilirubins nicht mehr als 7mg/dl betragen. Ist dies der Fall, spricht man von einer vorzeitigen Neugeborenengelbsucht (Icterus praecox). Zudem kann die Neugeborenengelbsucht als Icterus prolongatus auch über eine Woche hinweg anhalten. Zur Ursachenfindung muss neben dem Gesamtbilirubin eine weitere Aufschlüsselung im Blut in direktes und indirektes Bilirubin erfolgen.
Je nach Höhe der Werte wird eine entsprechende Therapie eingeleitet. Bei zum Termin geborenen Babys ist ab einem Wert von über 20mg/dl eine Phototherapie indiziert. Bei Frühgeborenen wird die Indikation für eine Phototherapie meist früher gestellt, da schon niedrigere Werte zu Schädigungen führen können. Bei reif geborenen Kindern mit einem Wert von über circa 25mg/dl muss in der Regel eine Blutaustauschtransfusion eingeleitet werden.
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Da die physiologische Neugeborenengelbsucht in der Regel nach circa einer Woche von alleine folgenlos abheilt, ist eigentlich keine Therapie notwendig.
Steigt die Bilirubinkonzentration im Blut des Neugeborenen jedoch zu hoch an, wird eine geeignete Therapie vor allem in erster Linie zur Verhinderung der gefürchteten Komplikation eines Kernikterus durchgeführt.
Die beiden gängigsten Therapieoptionen sind zum einen die Phototherapie und zum anderen die sogenannte Austauschtransfusion.
Bei der Fototherapie wird künstliches Licht im blauen Bereich (430-490nm Wellenlänge) benutzt, um das Neugeborene zu bestrahlen. Dies führt dazu, dass das Bilirubin aus seiner nicht wasserlöslichen Form ("unkonjugiert") in die wasserlösliche Form ("konjugiert") umgewandelt wird und somit eine Ausscheidung über die Galle und den Urin stattfinden kann. Es wird demnach der Schritt übernommen, den die unreifen Enzyme der kindlichen Leber nicht in aller Vollständigkeit bewältigen können.
Strengstens geachtet werden muss dabei allerdings auf einen adäquaten Schutz der Augen vor der Strahlung sowie auf eine ausreichende Flüssigkeitsgabe während der Phototherapie, da die Neugeborenen durch verstärktes Schwitzen Flüssigkeit verlieren.
Wird durch die Fototherapie kein zufriedenstellendes Ergebnis erzielt, wird in der Regel die Austauschtransfusion als weitere Behandlungsmöglichkeit empfohlen, vor allem im Rahmen eines Ikterus durch Blutgruppenunverträglichkeit zwischen Mutter und Kind. Dies geschieht meist dann, wenn die Mutter eine Rhesus-negative und das Kind eine Rhesus-positive Blutgruppe aufweist, sodass die Mutter Antikörper gegen das kindliche Blutgruppenmerkmal bildet, die dann zur Zerstörung der roten Blutkörperchen des Kindes führen.
Bei der Austauschtransfusion wird dem Neugeborenen über die Nabelvene Blut entnommen und Rhesus-negatives Blut verabreicht, so lange bis das gesamte Blut des Neugeborenen ausgetauscht ist. Ein weiterer Zerfall der Blutkörperchen und Anstieg der Bilirubinwerte soll dadurch verhindert werden.
Zu den angewandten Mitteln der homöopathischen Therapie bzw. zur Vorbeugung der Neugeborenengelbsucht gehören verschiedene Stoffe. Zum einen kann Phosphor gegeben werden, das als Hauptmittel gilt.
Des Weiteren kann China zur Anwendung kommen, ein homöopathisches Mittel aus der Chinabaumrinde, das gehäuft bei Blutgruppenunverträglichkeit eingesetzt wird, sowie Lycopodium (Pollen des Bärlappmooses) und Aconitum (Eisenhut).
Eine Neugeborenengelbsucht kann vielfältige Ursachen haben, zunächst muss dabei jedoch zwischen der physiologischen, unbedenklichen Gelbsucht und der Gelbsucht aufgrund von angeborenen oder erworbenen Stoffwechselstörungen im Bilirubinabbau unterschieden werden.
Die physiologische, harmlose Neugeborenengelbsucht ist durch einen vermehrten Abbau des vorgeburtlichen roten Blutfarbstoffes (fetales Hämoglobin) bedingt, der nach der Geburt durch adultes (erwachsenes) Hämoglobin ersetzt wird. Dadurch, dass die dafür zuständigen Enzyme in der Leber nicht vollständig aktiv sind, kann das Bilirubin nicht so schnell abgebaut werden, wie es anfällt, und lagert sich in der Haut und den Skleren ab.
Eine Neugeborenengelbsucht aufgrund von Störungen im Ablauf des Bilirubinstoffwechsels oder Mehranfall von rotem Blutfarbstoff abseits der normalen Hämoglobinumstellung nach Geburt kann ihrerseits wiederum zahlreiche Ursachen haben. Hierzu zählen z.B. Blutergüsse, die im Rahmen der Geburt bei den Neugeborenen aufgetreten sind und abgebaut werden müssen, Gallenstau aufgrund einer angeborenen Verengung oder eines Verschlusses des Gallengangs, Entzündungen der Leber (Hepatitis) oder ein Blutkörperchenzerfall (Hämolyse) aufgrund einer Blutgruppenunverträglichkeit zwischen kindlicher und mütterlicher Blutgruppe während der Schwangerschaft ("Rhesusfaktor-Unverträglichkeit" bzw. Morbus haemolyticus neonatorum).
Außerdem kann eine verlängerte Neugeborenengelbsucht ein Anzeichen für eine angeborene Schilddrüsenunterfunktion oder eine Neugeboreneninfektion sein.
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Die Ursachen der physiologischen Neugeborenengelbsucht sind nicht auf Infektionen zurückzuführen. Es besteht daher keine Ansteckungsgefahr. Die pathologische Neugeborenengelbsucht kann in seltenen Fällen durch eine infektiöse Hepatitis ausgelöst werden. Eine Ansteckung je nach Hepatitis-Typ ist dann potentiell möglich.
Die physiologische, harmlose Neugeborenengelbsucht beginnt in der Regel direkt in den ersten Lebenstagen (ca. 3.-6. Tag), hat oftmals ihren Höhepunkt um den 5. Lebenstag herum und bildet sich allmählich bis ca. zum 10. Lebenstag folgenlos zurück.
Kommen die Kinder allerdings bereits mit einem Neugeborenenikterus zur Welt oder tritt dieser schon innerhalb der ersten 24-36 Stunden auf, spricht man von einer frühzeitigen Gelbsucht (Ikterus praecox), der meist eine Blutgruppenunverträglichkeit zwischen Mutter und Kind als Ursache zugrunde liegt (Morbus haemolyticus neonatorum). Verfügt die Mutter über ein anderes Blutgruppenmerkmal (Rhesus-Faktor) als das Kind, kann es dazu kommen, dass die Mutter Antikörper gegen die „fremden“ Blutkörperchen des Kindes bildet und diese Antikörper in das Blutsystem des Kindes gelangen. Somit kann es zu einer Zerstörung der roten Blutkörperchen beim Kind und einem vermehrten Anfall des roten Blutfarbstoffes kommen. Hält der Neugeborenenikterus länger als zwei Wochen an, wird er als verlängerte Gelbsucht (Icterus prolongatus) bezeichnet. Dies kann unter Umständen ein Hinweis auf eine Störung des Bilirubinstoffwechsels sein, die angeboren oder erworben sein kann und einer weiteren Abklärung bedarf.
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Ein physiologischer, harmloser Neugeborenenikterus von leichter bis mittlerer Intensität heilt in aller Regel folgenlos und von alleine aus. Es resultieren demnach also keine (Spät-)Folgen.
Übersteigt die Bilirubin-Konzentration im Blut allerdings einen bestimmten Schwellenwert (Icterus gravis = mehr als 20 mg/dl), besteht die Gefahr, dass es zu einem „Übertritt“ des Bilirubins ins Gehirn und demnach zu einem Kernikterus mit Untergang von Nervenzellen kommt. Bevorzugt kommt es dabei zu einer Zellzerstörung in den sogenannten Basalganglien. Dies sind Gehirnstrukturen, die für die Regelung von Bewegungs-, Informations- und Emotionsverabeitungsprozessen von großer Bedeutung sind.
Erleidet ein Neugeborenes einen Kernikterus, muss schnellstmöglich eine adäquate Therapie eingeleitet werden (in der Regel bereits schon ab Bilirubinkonzentrationen von >15mg/dl), um eine nicht mehr rückgängig zu machende Gehirnschädigung zu verhindern.
Andernfalls kann es zu gravierenden Spätfolgen für das Kind kommen, die durch psychische und motorische Entwicklungsverzögerungen, epileptische Anfälle, Bewegungsstörungen (Spastiken im Rahmen einer infantilen Zerebralparese) und Taubheit gekennzeichnet sind.
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