Unter einer infantilen Cerebralparese versteht man eine frühkindliche Hirnschädigung, die verschiedene Ursachen haben kann. Auch die Symptome einer infantilen Cerebralparese können sehr unterschiedlich sein. Sie können von Bewegungsanomalien bis zu Intelligenzminderung reichen. Eine Heilung ist derzeit nicht möglich.
Die Bezeichnung „infantile Cerebralparese“ kommt aus dem Lateinischen und bedeutet soviel wie „Gehirn-Lähmung“, sie wird häufig als ICP abgekürzt.
Die infantile Cerebralparese gehört zu der Gruppe der Bewegungsstörungen und ist eine Erkrankung, die einer frühkindlichen Hirnschädigung zugrunde liegt. Sie äußert sich meist in Störungen des Muskels- und Nervensystems, es können jedoch auch andere Systeme im Gehirn betroffen sein. So können beispielsweise die Sprache, das Denken oder auch das Hören beeinträchtigt sein. Im Vordergrund stehen jedoch eher die Bewegungsstörungen und nicht unbedingt mögliche Intelligenzminderungen. Bei leichten Formen können letztere sogar entfallen oder zu vernachlässigen sein. Je nach Schwere des Falls kann eine normale Schule ohne besondere integrative Schwerpunkte besucht werden.
Das Gehirn ist die Schaltzentrale des Körpers. Es kontrolliert alle Sinne im Körper und verarbeitet Informationen. Wird ein Teil des Gehirns zerstört, kann das Gehirn verschiedene Befehle nicht mehr geben und der Körper sie somit nicht mehr ausführen.
Die Symptome der infantilen Cerebralparese können sehr unterschiedlich sein und von schwerwiegenden zu kaum bemerkbaren Symptomen schwanken.
Das hängt unter anderem mit der Ursache und der Lokalisation der Gehirnschädigung bei der infantilen Cerebralparese zusammen. Je größer beispielsweise die Blutung, desto stärker fallen die Symptome aus. Es kann jedoch auch schon eine kleine Blutung starke Auswirkungen haben, wenn sie an einer wichtigen Lokalisation im Gehirn liegt. Am häufigsten kommt es zu Störungen des Bewegungsapparates. Die betroffenen Kinder haben Schwierigkeiten ihre Muskeln zu kontrollieren, es kommt zu Verkrampfungen und zu einer erhöhten Muskelspannung (Spastik). Eine Sonderform hierbei ist die so genannte Tetraspastik.
Am Neugeborenen wird häufig erst nichts bemerkt. Beim Hochheben kann sich anfangs eine geringe Körpersteifkeit zeigen. Dieses wird in der Medizin als „floppy infant“ bezeichnet und kann ein erster Hinweis auf eine infantile Cerebralparese sein. Oft wird die infantile Cerebralparese jedoch erst bemerkt, wenn die Kleinen anfangen sich zu drehen, zu krabbeln oder zu laufen und sie dabei Schwierigkeiten haben. Das liegt am niedrigen bzw. zu hohen Muskeltonus. Die Kinder verfügen über eine geringe Muskelkraft und Muskelkontrolle und können somit Bewegungsabläufe nicht gut koordinieren.
Es gibt verschiedene Formen der Bewegungsanomalien. Dazu zählen beispielsweise:
Hemiplegie: die Kinder können nur die rechte oder linke Hälfte des Körpers normal bewegen, die andere ist entweder schlaff oder hat einen zu hohen Muskeltonus
Diplegie: die Kinder können die obere Hälfte des Körpers gut bewegen, die untere hat Schwierigkeiten
Tetraplegie: die Kinder können ihren Körper kaum bewegen und haben häufig auch eine mentale Behinderung, können aber auch einen normalen IQ aufweisen.
Bei Muskelbewegungsanomalien kann man häufig beobachten, dass die Hüfte und die Arme der Kinder nach innen gedreht und gebeugt sind, die Füße in einer sogenannten Spitzfußstellung gedreht sind und die Wirbelsäule krumm ist.
Es können auch folgende Symptome auftreten:
Auffällig ist somit alles, was nicht im Rahmen der üblichen frühkindliche Entwicklung abläuft.
Genauso wie die Einschränkungen in der Bewegungsfähigkeit kann es auch Probleme bei der Intelligenz geben. Dies ist jedoch keinesfalls zwingend vorhanden und betroffene Kinder können auch komplett ohne geistige oder kognitive Defizite aufwachsen, wenn die entsprechenden Bereiche im Gehirn nicht geschädigt werden. In diesem Fall kann das gleiche Intelligenzniveau wie bei nicht-erkrankten Gleichaltrigen erreicht werden. Durch die Breite an Ursachen und der Variabilität der betroffenen Gehirnbereiche können die Schwere und somit die Beschwerden stark variieren.
Als erstes sollte jeder Untersuchung erst einmal eine gründliche Anamnese vorausgehen. Ihr Arzt wird Fragen zum Geburtsverlauf und zur Schwangerschaft stellen. Es ist wichtig, dass auch Sie berichten was Ihnen an ihrem Kind aufgefallen ist. Beispielsweise können Trinkverhalten, Teilnahmslosigkeit und Unruhe Hinweise auf eine Erkrankung geben.
Dann folgt eine körperliche Untersuchung des Kindes. Es werden die Nerven und Muskeln getestet, außerdem wird auf die Bein-, Arm- und Rumpfstellung geachtet. Um die Diagnose "infantile Cerebralparese" zu stellen werden auch Blut, Urin und Nervenwasser (Lumbalpunktion) untersucht. Außerdem kann noch ein Röntgenbild angefertigt werden, die Hirnströme gemessen werden, eine Probe (Biopsie) des Muskels genommen werden und die Augen und Ohren untersucht werden.
Am wichtigsten ist jedoch die Untersuchung des Gehirns mit einem MRT. Bei Säuglingen kann auch ein Ultraschall durch die Fontanelle gemacht werden. Die Fontanelle ist die Stelle am Schädel, die bei Säuglingen noch nicht verwachsen ist und somit per Ultraschall eine gute Einsicht in den Schädel bietet. Diese Untersuchung ist komplett schmerzfrei.
Zur Ursachenforschung kann auch eine Stoffwechseldiagnostik und Chromosomenanalyse gemacht werden.
Die Magnetresonanztomographie (MRT) des Gehirns gehört zum typischen Diagnosespektrum der infantilen Zerebralparese. Mit dieser Form der Bildgebung können Durchblutungsstörungen des Gehirns, wie Blutungen oder Sauerstoffmangelsituationen dargestellt werden. Ebenfalls kann es als Folge der Erkrankung zu einer Erweiterung der Gehirnwasserkammern kommen, was gut durch die MRT-Untersuchung sichtbar wird.
Durch spezielle Formen der Magnetresonanztomographie kann zwischen geschädigten und funktionsfähigen Nervenzellen, Zentren und Nervenbahnen differenziert werden.
Eine eindeutige Diagnose kann mittels der MRT-Untersuchung allerdings nicht gestellt werden, sie dient vielmehr dazu, andere mögliche Ursachen auszuschließen und kann den Verdacht einer infantilen Zerebralparese erhärten.
Es gibt konservative und operative Therapien für die infantile Cerebralparese. Es gibt jedoch keine Heilung für diese Erkrankung, Symptome können nur gelindert werden.
Zu den konservativen Therapien gehören folgende Möglichkeiten:
Krankengymnastik: Durch tägliche Übungen können verkrampfte Muskeln gelockert werden und somit die Muskelbewegung gebessert werden.
Ergotherapie: Dabei werden alltagsübliche Handlungen geübt.
Medikamente: Bei der ICP kommen Beruhigungsmittel (Psychopharmaka) und krampflösende Mittel zum Einsatz.
Ess- und Sprachtherapie
Orthopädische Behandlung: Für Kinder mit auffälligen Fuß- oder Beinanomalien gibt es spezielle Schienen und Gehhilfen.
Bevor eine operative Maßnahme in Betracht gezogen wird, sollten erst alle konservativen Maßnahmen ausprobiert werden, denn jede Operation birgt Risiken.
Zu den operativen Maßnahmen gehören:
Operation an Knochen: Hier werden schon verbogene Knochen operiert, indem sie gebrochen und in eine Normalstellung gebracht werden
Operation an Sehnen: Hierbei werden Sehnen, wie zum Beispiel die Achillessehne, verlängert um die Spannung im Muskel runterzusetzen. Man kann Muskeln auch verlagern um die Spannung zu reduzieren
Operation am Nerven oder Muskeln, die konstant unter Spannung stehen, können große Schmerzen verursachen. Falls keine konservative Behandlung Erfolg hat, kann man die Nerven zum Muskel durchtrennen. Danach wird der Muskel schlaff, die Schmerzen werden besser, der Muskel ist danach jedoch nicht mehr bewegungsfähig.
Operation an Gelenken: Sind die Gelenke sehr instabil kann man sie versteifen.
Einbau einer Medikamentenpumpe: Hierbei wird eine Pumpe mit Medikamenten in der Nähe des Rückenmarkes eingebaut. Die Medikamente wirken hemmend auf das Rückenmark, somit wird die Spannung im Muskel reduziert, da die Signale vom Gehirn nicht mehr durch das Rückenmark zum Muskel gelangen können.
Die infantile Cerebralparese gehört zu den Krankheiten, für die es bislang keine Heilung gibt. Die beschwerdenverbessernde Therapie kann jedoch abhängig vom Schweregrad der Krankheit ein großes Stück Lebensqualität zurückgeben.
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Eine physiotherapeutische Behandlung der Patienten ist unerlässlich. Dabei wendet man vor allem die Verfahren nach Bobath und Vojta an, die normale Bewegungsabläufe für die Betroffenen wieder zugänglich machen sollen.
Mit der Behandlungsmethode nach Bobath wird für jeden Patienten ein individuelles Behandlungskonzept entwickelt, mit dem normale Bewegungsmuster gefördert werden sollen und falsche Bewegungsmuster unterdrückt werden sollen. Hintergrund der Therapie ist die Annahme, dass das Gehirn sich durch repetitive Tätigkeiten umgestalten lässt, sodass gesunde Hirnregionen, die Funktion von erkrankten Regionen übernehmen können.
Bei der Therapie nach Vojta werden durch den Therapeuten gezielt mechanische Reize gesetzt, die zur Auslösung eines Bewegungskomplexes führen sollen. Dies soll Bewegungsabläufe wieder zugänglich machen, die bei Gesunden im Prinzip automatisch/reflexartig erfolgen. So kann es den Betroffenen zum Beispiel wieder möglich sein, sich aufzurichten.
Wichtig ist, die Eltern oder sonstige Kontaktpersonen in die physiotherapeutischen Behandlungsansätze mit einzubeziehen, damit die Therapie nicht nur in der Therapiesitzung des Physiotherapeuten erfolgt, sondern täglich über den gesamten Tag verteilt ihre Anwendung finden.
Die Ergotherapie dient vor allem zur Erlernung von alltagsrelevanten Tätigkeiten, die es den Betroffenen ermöglichen ihre Selbstständigkeit zu fördern und mehr am Leben teilzunehmen. Die Lebensqualität soll durch die Behandlung gesteigert werden.
Zu den Anwendungen der Ergotherapie zählt zum Beispiel die Verwendung von speziellen Schreibhilfen oder sonstiger alltagsunterstützender Hilfstechniken, denn bei Patienten mit infantiler Zerebralparese ist häufig die Motorik der Hände massiv beeinträchtigt.
Eine logopädische Behandlung ist in den meisten Erkrankungsfällen erforderlich. Meist treten bei Betroffenen sprachliche Einschränkungen auf, da auch die Muskulatur, die für die Produktion von Sprache zuständig ist von der Erkrankung betroffen ist. Erkrankte sind dann häufig nur schwer zu verstehen, ohne dass eine Intelligenzminderung vorliegen muss.
Die Sprachproduktion kann durch eine logopädische Behandlung verbessert werden und so die Kommunikation mit der Umwelt erleichtert werden.
Zusätzlich fördert die Logopädie die Nahrungsaufnahme, da die Erkrankung weiterhin meist mit Schluckbeschwerden einher geht.
Es gibt viele verschiedene Ursachen für die Infantile Cerebralparese. Häufig kann nicht genau geklärt werden, warum es zu einer Hirnschädigung gekommen ist.
Zu den Ursachen gehören:
In der Literatur wird die Häufigkeit mit 0,02% bis 0,2% angegeben.
Die Häufigkeit hat über die Jahre zugenommen. Das hat zwei verschiedene Gründe. Erstens werden ICPs immer häufiger überlebt und zweitens nimmt die Frühgeburtenrate immer mehr zu. Je früher ein Kind geboren wird, desto anfälliger ist es für Krankheiten und beispielsweise Gehirnblutungen.
Der Verlauf hängt maßgeblich von der Form und dem Schweregrad sowie vom Zeitpunkt der Diagnosestellung und Therapie der infantilen Zerbralparese ab. Je früher die Erkrankung therapiert wird, desto eher können Funktionen geschädigter Nervenzellen von anderen gesunden Hirnzellen übernommen werden.
Mehr als 90 Prozent der betroffenen Kinder erreichen mit der Erkrankung das Erwachsenenalter. Die meisten Betroffenen können eine normale Schule besuchen.
Die Entwicklung des Bewegungsapparates ist häufig eingeschränkt und macht die Benutzung von Krücken o.ä. erforderlich. Je schneller neue Bewegungen erlernt werden können, desto besser scheint die Prognose zu sein.
Die Lebenserwartung hängt maßgeblich vom Ausmaß und der Form der infantilen Zerebralparese ab. Die meisten Kinder (über 90%) erreichen das Erwachsenenalter. Kinder mit nur einer geringen Beeinträchtigung erreichen für gewöhnlich ein normales Lebensalter und können im besten Fall ein annähernd normales Leben mit nur leichten körperlichen Behinderungen führen.
Bei sehr schweren Formen der Erkrankung, die eine Schwerbehinderung zur Folge haben, ist mit einer deutlich reduzierten Lebenserwartung zu rechnen - sie versterben häufig als Folge einer Lungenentzündung. Kinder, die komplett bewegungseingeschränkt sind und künstlich ernährt werden müssen, erreichen meist nicht das zehnte Lebensjahr.
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