Unterarmfraktur

Der Unterarm wird aus zwei langen Knochen, Elle und Speiche, gebildet. Je nach Lokalisation des Bruchs unterscheidet man verschiedene Formen. Vereinfacht kann man sagen, dass einfache, unkomplizierte Brüche konservativ behandelt werden können. Kompliziertere oder verschobene Brüche müssen meist operativ versorgt werden. Unabhängig davon welche Methode angewendet wurde, wird der Arm für etwa 6 Wochen eingegipst. Danach kann er meist wieder voll belastet werden.

Unterarmfraktur

Einleitung

Die knöcherne Struktur des Unterarms besteht aus zwei länglichen Knochen - der Elle (Ulna) und der Speiche (Radius). Dreht man die Handfläche nach oben, so befindet sich am Daumen anschließend der Radius, und am kleinen Finger anschließend die Ulna. Eine Unterarmfraktur kann proximal (in der Nähe des Ellenbogens), medial (in der Mitte zwischen Ellenbogen und Handgelenk) und distal (am Handgelenk) auftreten.

Die distale Radiusfraktur, also der handgelenksnahe Bruch der Speiche, stellt die häufigste Fraktur des Menschen überhaupt dar: Etwa 25 % aller Knochenbrüche gehen auf die sogenannte Colles-Fraktur am distalen Radius zurück. Da im Unterarm über 20 verschiedene Muskeln verlaufen, geht mit einem Bruch auch nach Abheilung oft eine Bewegungseinschränkung einher. Bei der Unterarmfraktur kann dies auch insbesondere durch Verletzung einer der vielen Nerven ausgelöst werden.

Je nach Lokalisation unterscheiden sich sowohl Komplikationen, Heilungsdauer, als auch primäre Versorgung des Bruches. 

Ursachen

Besonders häufige Ursachen einer Unterarmfraktur sind Stürze und Verletzung bei Sport und Arbeit. Beim kompletten Bruch von Radius und Ulna handelt es sich um eine sogenannte „komplette Unterarmschaftfraktur“. Meist ist jedoch nur einer der beiden Unterarmknochen betroffen.

Typisch für die distale Unterarmfraktur nach Colles ist der Sturz nach vorne auf die ausgestreckte Hand. Man spricht hier von einer Extensionsfraktur. Dieser Bruch gilt oft als relativ kompliziert, da die Knochenstruktur im Handgelenk und am Übergang von Radius, Ulna und Handgelenksknochen kompliziert aufgebaut ist.

Eine mediale Unterarmfraktur entsteht meist nach Traumen, also z.B. bei einem Autounfall oder infolge eines Sportunfalles. Während die Längsbelastung der Ulna und des Radius relativ hoch ausfallen kann, führt eine Querbelastung schnell zu einem Bruch. Aber auch hier sind Stürze – vor allem im höheren Alter eine gängige Ursache. Meist stürzen Patienten durch unpassendes Schuhwerk, „Stolperfallen“, Medikamenteneinnahme, oder altersbedingte Gebrechlichkeit zur Seite, und fangen den Sturz mit angewinkeltem oder ausgestrecktem Arm ab.

Findet der Bruch weiter proximal, also in der Nähe zum Ellenbogen statt, spricht man von einer proximalen Unterarmfraktur. Ursächlich für diese verhältnismäßig seltene Fraktur sind ebenfalls Traumen nach Verkehrsunfällen, oder Sportverletzungen. Hierbei kann es zu einer Absprengung des Olecranons kommen, des knöchernen Endstückes der Ulna. Es entspricht dem, was umgangssprachlich als „Ellenbogen“ bezeichnet wird.

Besondere Bruchformen

Als Galeazzi-Fraktur bezeichnet man die Kombination aus Fraktur des Radiusschaftes, Luxation der Ulna, und Riss der Membrana interossea – der Membran zwischen Radius und Ulna. Ihr geht meist ein Sturz auf den ausgestreckten Arm voraus. Da es sich um mehrere betroffene Knochenkompartimente handelt, ist eine alleinige Versorgung durch einen Gips nicht ausreichend. Meist wird mittels Platten oder Schrauben eine Osteosynthese angestrebt, so dass die getrennten Knochen wieder künstlich aneinander fixiert werden.
Lesen Sie mehr zu dieser Bruchform unter: Galeazzi-Fraktur

Als Monteggia-Fraktur bezeichnet man eine Fraktur der proximalen Ulna, mit Luxation des Radiuskopfes aus seiner Gelenkpfanne heraus. Hierbei muss zuerst der Radiuskopf reponiert werden, bevor eine Versorgung des Knochens eingeleitet werden kann.
Lesen Sie mehr zu dieser Bruchform unter: Monteggia-Fraktur

Typisch für eine Unterarmfraktur ist auch die sogenannte Grünholzfraktur. Es handelt sich hierbei um eine Biegungsfraktur des Knochens, bei der, ähnlich wie wenn man einen feuchten bzw. grünen Ast biegt, der Knochenkern gebrochen wird, die Rinde (oder beim Menschen: das Periost) allerdings erhalten bleibt. Bei geringem Biegungsgrad erfolgt die Versorgung dann konservativ mit Gips, bei einem stärkeren Achsenabweichungswinkel wird die gestauchte Seite initial ebenfalls gebrochen, bevor die Versorgung erfolgen kann.
Lesen Sie mehr zu dieser Bruchform unter: Grünholzfraktur

Symptome

Bei einem Knochenbruch unterscheidet man sichere und unsichere Frakturzeichen.

Unsichere Frakturzeichen sind:

  • Schmerz
  • Schwellung
  • Bluterguss
  • Bewegungseinschränkung
  • Überwärmung

Sichere Frakturzeichen sind:

  • Sichtbare Achsenfehlstellung des Knochens
  • „Krepitationsgeräusche“ (Knirschgeräusche bei Bewegung des Knochens)
  • sichtbare Knochenfragmente
  • abnormale Beweglichkeit

Patienten hören den Knochen auch oftmals brechen, im Moment des Bruches ist ein Knackgeräusch zu hören, wie wenn man ein Stück Holz auseinanderbricht. Da die Knochenhaut mit vielen Nervenfasern durchzogen ist, kommt es anfangs immer zu starken Schmerzen. Diese können nachlassen, wenn der Arm nicht mehr bewegt wird. Schmerzen treten generell nur auf, wenn die Knochenhaut berührt und gedehnt wird. Ein gebrochener Arm, der nicht bewegt wird, muss nicht zwangsläufig Schmerzen verursachen.

Zudem ist zu bedenken, dass direkt nach Auftreten des Traumas Adrenalin ausgeschüttet wird, welches den Schmerz moduliert und verringert. Man steht sprichwörtlich „unter Schock“. Ein gutes Beispiel, wie stark diese „Unterdrückungsreaktion“ sein kann, liefert eine Begebenheit aus der Armee: Da der Adrenalinspiegel im Gefecht zu hoch ist, gilt, dass sich Soldaten im Verdachtsfall gegenseitig, und nicht selbst nach Wunden untersuchen. Man versucht so auszuschließen, dass etwaige Verletzungen am eigenen Körper schlichtweg übersehen werden. Die Schockreaktion, bei der eine relative Schmerzlosigkeit auftritt, kann bis zu einer Stunde andauern. In dieser Zeit sollte bereits eine entsprechende Schmerzmedikation durch einen Arzt eingeleitet worden sein.

Diagnose

Das Mittel der Wahl zur Diagnosestellung einer Unterarmfraktur ist das Röntgen. Dabei wird für kurze Zeit Röntgenstrahlung auf die im Verdacht stehende Stelle gerichtet, wobei sich der dichtere Knochen vor dem wasserhaltigem Muskel und Fettgewebe hell abbildet. Frakturen sind auf Röntgenbildern relativ einfach zu erkennen, das Verfahren ist günstig und dauert nicht lange.
Zum Schutz des restlichen Körpers vor der Röntgenstrahlung wird eine Bleischürze getragen. Die Strahlenbelastung liegt im Bereich 0,5 Millisievert. Zum Vergleich: die Gesamtstrahlenbelastung pro Person in Deutschland lag 2005 bei rund 2,5 Millisievert.

Allerdings muss nicht unbedingt ein Röntgen angefertigt werden: Auch die klinische Untersuchung unter Beachtung der oben genannten Frakturzeichen kann einen Hinweis auf einen Bruch geben.

Therapie

Akutversorgung

An dieser Stelle noch ein paar Hinweise zur akuten Versorgung eines Knochenbruches: Wichtig ist in erster Linie etwaige Blutungen zu stoppen, da über den Unterarm bis zu ein halber Liter Blut verloren werden kann. Dies geschieht im Notfall meist über ein festes Abbinden des Oberarmes. Es muss unbedingt darauf geachtet werden, dass die Blutversorgung nicht soweit unterbunden wird, dass es zum Absterben von Gewebe kommt.

Ferner hält man sich am besten an das leicht einprägsame PECH-Schema:

1. Pause (Ruhigstellung)

2. Eis (Kühlen des Armes, um Schwellungen vorzubeugen)

3. Compression (Anlegen eines Druckverbandes)

4. Hochlagern (Um den Blutfluss aus der Wunde zu verringern)

Ferner sollte eine Reponierung unbedingt durch einen Arzt erfolgen, da bei unsachgemäßer Versorgung Gefäße und Nerven eingeklemmt werden können. Dies führt im Extremfall zum Absterben des Armes. Erste Anlaufstelle nach der notfallmäßigen Versorgung ist also die Krankenhausambulanz, oder der Arzt ihres Vertrauens!

Operation und konservative Therapie

Die Therapie kann konservativ oder operativ erfolgen. Zwar gibt es gewisse Leitlinien, allerdings liegt die schlussendliche Behandlungsmethode hauptsächlich im Ermessen des behandelnden Arztes – und natürlich des behandelten Patienten. Als Faustregel gilt, dass einfache und unkomplizierte Brüche ohne weiteres konservativ, also mit Gips, versorgt werden können, während Trümmerfrakturen und komplizierte Brüche mittels Osetosyntheseverfahren operativ versorgt werden müssen.

Bei der konservativen Therapie wird der Arm in eine sogenannte „Fingerfalle“ eingespannt: Die Finger werden über Kopf in der Fingerfalle fixiert und an den angewinkelten Oberarm Gewichte angehängt. Nach gut 10 Minuten ist einerseits das Gewebe so weit gedehnt, dass die beiden gebrochenen Knochenenden nicht mehr aufeinanderliegen. Andererseits ist nach dieser Zeit ein unwillkürliches Gegenspannen des Patienten nicht mehr zu erwarten, so dass der Bruch leichter reponiert werden kann. Ist dies geschehen, erfolgt oben beschriebene Versorgung mit einem Gips. Auch hier muss der Gips 6 Wochen lang getragen werden.

Eine Operation wird meist bei komplizierten Mehrfachbrüchen, älteren Patienten und Polytraumata angestrebt. Bei der Osteosynthese werden Schrauben oder Platten aus Titan verwendet, die so im Knochen verschraubt werden, dass die Bruchstücke wieder zusammengefügt und stabilisiert werden. Nach der Art des Bruches richtet sich auch die Verwendung der Materialien: Während bei einer Längsfraktur die beiden Knochen „einfach“ aufeinander geschraubt werden können, empfiehlt sich bei einem glatten Bruch eher eine Titanplatte, die die Knochenenden aneinander fixiert. Hierzu werden auch gerne sogenannte „Kirschnerdrähte“ verwendet, mit denen die beiden Knochen intramedullär – also im Mark liegend – aneinander gezogen werden. Kirschnerdrähte eignen sich ebenso zur Fixierung kleinerer, abgesprengter Knochenstücke am Knochen.
Eine Operation kann indes meist in örtlicher Betäubung durchgeführt werden. Speziell bei der Unterarmfraktur werden die Nervenfasern des Unterarmes mittels einer Lokalanästhesie, der sogenannten Plexus brachialis Anästhesie, betäubt. Dieses relativ komplikationsfreie Verfahren wird auch „Axilliäre Blockade“ genannt, da der den Arm versorgende Plexus brachialis im Bereich der Achselhöhle liegt.
Eine Operation dauert je nach Ausprägung des Bruches mindestens eine halbe Stunde. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Blut- und Nervenversorgung des Unterarmes. Eingeklemmte Arterien oder Nerven können im Heilungsverlauf Komplikationen wie Sensibilitätsverlust, Bewegungseinschränkung oder sogar das Absterben des Armes herbeiführen. Allerdings wird durch diverse klinische Tests und Röntgenkontrolle sichergestellt, dass solche Komplikationen eher zur Ausnahme gehören.

Prognose

Unterarmfrakturen heilen meist komplikationslos binnen 6-8 Wochen aus. Der Arm kann danach wieder voll belastet werden. Kritischer verhält es sich bei Patienten, die unter Osteoporose leiden. Bei dieser, den Knochenumbau betreffenden Erkrankung, wird der Knochen zunehmend porös, was ein erneutes Brechen oder eine Lockerung der Schrauben und Platten begünstigt. Bei diesen Patienten ist besondere Vorsicht geboten, da auch die Knochensubstanz von Operation zu Operation weniger stark belastbar ist.

Wie lange muss ich einen Gips tragen?

Ein Gips kommt sowohl bei einer konservativen, als auch bei einer operativen Behandlung zum Einsatz. Titanschrauben sind zwar sehr widerstandsfähig, sie können allerdings aus dem Knochen ausreißen. Zur Immobilisation und Ruhigstellung wird daher ein Gips angelegt. Er besteht aus einem Verbandmaterial, welches schnell aushärtet, nachdem es mit Wasser in Kontakt gekommen ist. Innerhalb von 10 Minuten entsteht so ein festes Gerüst um den Knochen, der dann in Ruhe wieder zusammenwachsen kann.
Die Osteosynthese ist bei Unterarmfrakturen in der Regel nach 6 Wochen abgeschlossen. So lange sollte auch der Gips getragen werden. Eine Nachkontrolle des Armes erfolgt durch Röntgenkontrolle und klinische Untersuchung.

Weitere Informationen

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Eine Übersicht der bisher erschienenen Themen der Orthopädie finden Sie unter: Orthopädie A-Z.

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 25.05.2016 - Letzte Änderung: 30.03.2024