Speiseröhrendivertikel

Divertikel können im gesamten Verdauungstrakt vorkommen. Am häufigsten findet man sie im Bereich des Dickdarms (Divertikulose), aber auch in der Speiseröhre (Speiseröhrendivertikel) sind sie anzutreffen. Als Ösophagusdivertikel (Speiseröhrendivertikel) bezeichnet man eine Wandaussackung der Speiseröhrenwand. Es werden verschiedene Formen von Speiseröhrendivertikel unterschieden, je nachdem welche Schichten der Speiseröhrenwand an der Divertikelausbildung beteiligt sind.

Speiseröhrendivertikel

Zenker-Divertikel, Pulsionsdivertikel, Traktionsdivertikel, Hypopharynxdivertikel, Zervikaldivertikel, Aussackung der Speiseröhre

Medizinisch: Ösophagusdivertikel

Englisch: diverticel

Als Divertikel bezeichnet man angeborene oder erworbene Ausstülpungen von Wandanteilen eines Hohlorganes (Speiseröhre, Darm, Harnblase). Divertikel können im gesamten Verdauungstrakt vorkommen. Am häufigsten findet man sie im Bereich des Dickdarms (Divertikulose), aber auch in der Speiseröhre sind sie anzutreffen.

Als Ösophagusdivertikel (Speiseröhrendivertikel) bezeichnet man eine Wandaussackung der Speiseröhrenwand. Es werden verschiedene Divertikelformen unterschieden, je nachdem welche Schichten der Speiseröhrenwand an der Divertikelausbildung beteiligt sind. Unterschieden werden Traktionsdivertikel („echte“ Divertikel) und Pulsationsdivertikel („falsche“ Divertikel).

Das Speiseröhrendivertikel (Ösophagusdivertikel) ist eine seltene Erkrankung, jedoch steigt das Risiko zu erkranken mit fortgeschrittenem Alter an. 80% der Betroffenen sind Männer, von denen zwei Drittel älter als 70 Jahre alt sind.

Dias am häufigsten anzutreffende Divertikel ist das Zenker-Divertikel mit ca. 70%, gefolgt von den parabrochchialen Divertikeln mit ca. 21%. Seltener kommen epiphrenale Divertikel in ca. 9% der Fälle vor.

Abbildung Speiseröhre

  1. Speiseröhre
    (Halsabschnitt) -
    Oesophagus, Pars cervicalis
  2. Nasenhöhle - Cavitas nasi
  3. Mundhöhle - Cavitas oris
  4. Luftröhre (ca. 20 cm) - Trachea
  5. Speiseröhre
    (Brustabschnitt) -
    Oesophagus, Pars thoracica
  6. Speiseröhre
    (Bauchabschnitt) -
    Oesophagus, Pars abdominalis
  7. Mageneingang -
    Cardia
  8. Magenkörper -
    Corpus gastricum
  9. Rachen -
    Pharynx
  10. Schilddrüse -
    Glandula thyroidea

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Normaler Speiseröhrenverlauf

Normal verlaufende Speiseröhre mit Übergang in den Magen

 

Speiseröhrendivertikel

  1. Divertikel
  2. Speiseröhre (Ösophagus)
  3. Magen (Gaster)

Beim echten Divertikel (Traktionsdivertikel) liegt eine Ausstülpung aller Speiseröhrenwandschichten vor. Diese Form entsteht durch einen Zug (Traktion) von außen an der Speiseröhrenwand. Besonders im Bereich der Aufgabelung der Luftröhre (Trachealbifurkation) und der großen Hauptbronchien (Äste der Luftröhre) kann diese Form von Divertikeln entstehen. Man nennt sie deshalb auch Parabronchiale Divertikel (=neben den Ästen der Lüftröhre liegende Divertikel). Die Ursachen für die Entstehung der Zugdivertikel sind unterschiedlich:

In der embryonalen Entwicklung (Zeitraum der vorgeburtlichen Entwicklung des Menschen) können Reste von Gewebsbrücken zwischen der Speiseröhre und der Luftröhre übrig bleiben und so an der Speiseröhrenwand einen Zug erzeugen. Das heißt die Speiseröhre trennt sich nicht vollständig von der Luftröhre.
Auch ein Narbenzug, z.B. nach einer Lymphknotenentzündung (Lymphadenitis), kann zur Entstehung eines Traktionsdivertikels führen (unspezifische Entzündung, Tuberkulose). Diese Narben führen dazu, dass die Speiseröhrenwand zipfelartig oder trichterförmig nach außen gezogen wird. Derartig entstandene Divertikel sind meistens ein Zufallsbefund, klein und verursachen gewöhnlich keine Beschwerden.

Im Gegensatz zum Traktionsdivertikel ist der falsche Divertikel (Pulsions- oder Pseudodivertikel) häufig mit Beschwerden für den Patienten verbunden. Das Pulsionsdivertikel entsteht infolge von Schwachstellen in der Muskelwand der Speiseröhre. Während des Schluckaktes kommt es durch die Muskelkontraktion der Speiseröhre und die Beförderung des Speisebreis zu einer Druckerhöhung in der Speiseröhre, als dessen Folge sich Schleimhautanteile (Mukosa und Submukosa) durch eine Muskellücke der Speiseröhrenwand nach außen stülpen können. Man kann sagen, dass ein Missverhältnis zwischen dem Druck in der Speiseröhre und der Muskelwandstabilität besteht.

Zu den Pulsationsdivertikeln gehört auch das Zenker-Divertikel. Das Zenker-Divertikel (benannt nach dem Pathologen Friedrich A. von Zenker 1825-1898) ist mit 70% das häufigste Divertikel der Speiseröhre und liegt kurz über dem Ösophagusmund (Speiseröhreneingang vor dem Magen) in der unteren hinteren Rachenwand (Hypopharynx). Die Zenker-Divertikel typische Muskelschwachstelle nennt man auch das Killiansche Dreieck. Hierbei handelt es sich um eine regelhaft angelegte Schwachstelle der Speiseröhrenwand, weshalb sich in diesem Bereich besonders viele Pulionsdivertikel ausbilden. Eine andere Annahme besagt, dass eine Funktionsstörung des oberen Speiseröhrenschließmuskels (Ösophagusmund) vorliegt. Diese Funktionsstörung führt zu einer Druckerhöhung auf die Kilian-Muskellücke, was zur Ausbildung der Divertikel führt.

In ca. 10% der Fälle liegen die Pulsionsdivertikel kurz vor dem Durchtritt der Speiseröhre durch das Zwerchfall (Diaphragma) in den Bauchraum (Abdomen). Dort nennt man sie Epiphrenale Divertikel (über dem Zwerchfell liegende Divertikel). Dieses Divertikel kann durch einen starken unteren Speiseröhrenschließmuskel (unterer Ösophagussphinkter) entstehen, der einen Nahrungsstau verursachen kann und dadurch den Druck auf die Speiseröhrenwand in diesem Bereich erhöht. Das epiphrenale Divertikel kann eine beachtliche Größe erreichen. Dementsprechend häufiger werden auch Beschwerden verursacht.

In seltenen Fällen kann durch einen Speiseröhrentumor oder durch eine Überfunktion der Speiseröhrenmuskulatur (Hyperkontraktiler Ösophagus) ein Speiseröhrendivertikel entstehen.

Komplikationen

Infolge einer Divertikelerkrankung der Speiseröhre können folgende Komplikationen eintreten:

  • Die eingeschlossene Nahrung kann als Nährboden für Keime (Bakterien) dienen. Derart kann es zu einer Entzündung der Speiseröhrenschleimhaut (Ösophagitis) kommen. Durch die Entzündungsvorgänge können wiederum Blutungen der Speiseröhrenschleimhaut entstehen. Kommt es durch eine chronische Entzündung zu Veränderungen im Speiseröhrengewebe, können röhrenförmige Infektgänge, so genannte Fisteln entstehen, die eine Verbindung zu benachbarten Strukturen, insbesondere zu anderen Hohlorganen herstellen können.
  • Durch das Wiederaufstoßen von Speiseresten kann es, insbesondere nachts, zum Einatmen von diesen Speiseresten (Aspiration) kommen. Dies kann zu wiederholten (rezidivierenden) schweren Lungenentzündung (Aspirationspneumonien) und Eitergeschwüren in der Lunge (Lungenabszess) führen.
  • In sehr seltenen Fällen kann es durch eine Überdehnung des Divertikels zu einem Riss (Ruptur) der Divertikelwand kommen. So wird ein Durchtritt von Speisebrei in den Brustraum ermöglicht. Eine lebensbedrohliche Entzündung des Mittelfells (Mediastinitis) kann hierdurch hervorgerufen werden.
  • Patienten mit einem Speiseröhrendivertikel haben auch ein erhöhtes Risiko an einem bösartigen (malignen) Speiseröhrentumor (Ösophaguskarzinom) zu erkranken. Durch die chronische Reizung auf die Speiseröhrenschleimhaut können Umbauvorgänge im Gewebe in Gang gesetzt werden, die im schlimmsten Fall zu einer Tumorentstehung führen können.

Diagnose

  • Röntgen - Breischluck:
    Bei dieser Untersuchung wird die Speiseröhre geröntgt, während der Patient ein Röntgen - Kontrastmittel schluckt. Das Kontrastmittel legt sich an die Speiseröhrenwand, worauf sie einer Beurteilung zugänglich wird. Charakteristisch für eine Divertikelerkrankung ist die Darstellung einer kontrastmittelgefüllten runden bis sackförmigen Speiseröhrenausstülpung.
    Bei Patienten mit schweren Schluckstörungen und bereits stattgehabten Aspirationspneumonien sollte wasserlösliches Kontrastmittel verwendet werden, weil eine besonders große Gefahr einer Aspiration (Einatmen) des Kontrastmittels in die Lunge besteht. Käme dabei ein nicht-wasserlösliches Kontrastmittel in die Lunge, hätte das eine schwer zu behandelnde Fremdkörperreaktion (Reaktion des Körpers auf das Kontrastmittel) und Entzündung des Lungengewebes zur Folge.
  • Dynamische Videofluoroskopie (Radiologische Untersuchung des Schluckens):
    Dieses Untersuchungsverfahren ist deutlich weniger röntgenstrahlenbelastend und dazu noch aussagekräftiger als der klassische Röntgenbreischluck.
    Mit einer Digitalkamera wird die Speiseröhre während des Schluckaktes gefilmt und aufgezeichnet. Divertikelaussackungen und v.a. Bewegungsstörungen der Speiseröhre während des Schluckaktes können gut diagnostiziert werden. Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass in der Beurteilung von Speiseröhrenbewegungsstörungen bei Wiederholungsuntersuchungen Vergleiche mit Voraufnahmen möglich sind und Therapiefortschritte dokumentiert werden können.
  • Ösophagomanometrie (Druckmessung der Speiseröhre):
    Hierbei wird ein dünner Schlauch (Katheter) durch die Nase zunächst in den Magen gelegt und dann langsam in Richtung Mund zurückgezogen, wobei vom Patienten regelmäßig etwas Wasser geschluckt werden muss. Beim Zurückziehen wird am Ende des Katheters permanent der innere Speiseröhrendruck gemessen. Eine Computergraphik zeigt die Druckverhältnisse im Verlauf der Speiseröhre an. Funktionsstörungen der Speisröhre können so diagnostiziert werden.
    Mit dieser Untersuchung können Funktionsstörungen der Speiseröhre erkannt werden, wie sie im Bereich des unteren Speiseröhrenschließmuskels im Rahmen der epiphrenalen Divertikelentstehung auftreten können. Da bei den parabronchialen Traktionsdivertikeln keine innere Druckerhöhung der Speiseröhrenwand als Entstehungsursache vorliegt, ist die Untersuchung bei dieser Art der Divertikel nicht aussagekräftig
  • Endoskopie (Ösophago-Gastroskopie):
    Die „Spiegelung“ (Endoskopie) der Speiseröhre ist kein standardisiertes Verfahren zur Diagnose eines Divertikels. Sie kommt zum Einsatz, wenn Unklarheiten bei den vorangegangenen Untersuchungen bestehen bleiben (Diagnosesicherung, Ausschluss Tumor), Komplikationen beurteilt werden sollen (Entzündung) oder eine Gewebeprobe (Biopsie) benötigt wird. Bei einer Magenspiegelung wird vom Patienten während einer leichten Narkose eine flexible Schlauchkamera (Endoskop) „geschluckt“, die anschließend Bilder vom Inneren der Speiseröhre und des Magens auf einen Monitor überträgt. Der häufigste Grund für die Durchführung einer Endoskopie ist einen Speiseröhrentumor auszuschließen.
    Bei einer Divertikelerkrankung muss die Spiegelung besonders vorsichtig vorgenommen werden, weil die Divertikelwand nicht sehr stabil ist und mit dem Endoskopes leicht durchstochen werden kann
    Lesen Sie mehr zum Thema: Endoskopie

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Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 21.05.2007 - Letzte Änderung: 12.01.2023