So wird übermäßiges Schwitzen therapiert

Übermäßiges Schwitzen ist ein häufiges Problem, das in der Fachsprache als Hyperhidrosis bezeichnet wird. Die Therapie sollte zunächst Psychotherapie, Verhaltenstherapie oder Hypnose beinhalten. Wenn diese Therapieversuche erfolglos sind, kann auch medikamentös oder operativ behandelt werden, indem die Grenzstränge des sympathischen Nervensystems durchtrennt werden.

Wie behandelt man übermäßiges Schwitzen?

Zur Behandlung der Hyperhidrose / übermäßiges Schwitzen gibt es unterschiedliche Ansätze, die unterschiedliche Erfolgsraten haben.

  • Psychotherapie, Hypnose, Entwicklung von Strategien zur Stressbewältigung.
    Da die meisten Patienten unter dem übermäßigen Schwitzen in Stress-Situationen leiden, setzt die Psychotherapie auf Entwicklung von Strategien zur Stressbewältigung an. Diese Therapieform ist praktisch risikofrei und sicherlich einen Versuch wert.
    Der Erfolgsaussichten sind in manchen Fällen gut, jedoch kommt es leider häufig zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis.
    An dieser Stelle möchten wir besonders die Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson nennen. Durch die Technik der progessiven Muskelrelaxation können psychische Stresszustände durch einfache Entspannungstechniken günstig beeinflußt werden.
    Mehr zu diesem Thema finden Sie unter: progressive Muskelrelaxation
  • Medikamente
    Es gibt Medikamente, die die Funktion des "sympathischen" Nervensystems dämpfen.
    Leider sind dabei alle Funktionen dieses Nervensystems betroffen, so dass es oft zu unangenehmen Nebenwirkungen kommt, die die Patienten nicht tolerieren können. Die Mundtrockenheit und die allgemeine Müdigkeit sind dabei Beispiele, die von Patienten am meisten beklagt werden.
  • Iontophorese
    Bei der Iontophorese handelt es sich um eine spezielle Therapieform, bei der versucht wird, durch Ionen von Mineralien, die Schweißdrüsenkanäle zu verlegen. Dazu werden die Hände und die Füße in Wasser gelegt, in dem sich elektrische Leiter befinden. Ein schwacher Strom setzt dann die Mineralionen in Bewegung, die dann in die Kanäle der Schweißdrüsen eindringen.
    Die Iontophorese zeigt bei manchen Patienten eine gute Wirkung. Leider gibt es Fälle, in denen keine Besserung erreicht werden kann.
  • Botulinumtoxin (Botox®)
    Das Botulinumtoxin (Botox®)ist ein Gift, das vom Bakterium Clostridium botulinum freigesetzt wird. Seine Wirkung beruht auf die Blockade des Stoffes, das die Nervenpotenziale auf die Schweißdrüsen überträgt. Dadurch wird die Nervensteuerung der Schweißproduktion aufgehoben oder zumindest stark vermindert.
    Bei der Therapie wird das Botulinumtoxin (Botox®) - wegen der sehr starken Wirkung des Toxins - extrem verdünnt unter die Haut der Körperregionen gespritzt, die am meisten betroffen sind. Meistens handelt es sich um die Achselhöhlen und die Hände.
    Diese Therapie muss in regelmäßigen Abständen wiederholt werden, weil das Botulinumtoxin (Botox®) im Laufe der Zeit vom menschlichen Körper abgebaut wird. Die dafür erforderliche Zeit ist bei jedem Menschen individuell. Manche Patienten beklagen jedoch eine Wirksamkeit dieser Behandlung von nur 3 Monaten.
    Weitere Informationen erhalten Sie auch unter unserem Thema: Botox®
  • Aluminiumchlorid
    Es handelt sich hier wieder um einen Ansatz die Kanäle der Schweißdrüsen zu verstopfen. Das Aluminiumchlorid wird auf die betroffene Haut aufgetragen und reagiert mit Verbindungen, die im Schweiß enthalten sind. Dabei kommt es zu neuen chemischen Verbindungen, die die Schweißdrüsenkanäle verlegen. Dadurch bilden sich die Schweißdrüsen im Verlauf zurück. Es bedarf jedoch längerer Zeit bis es dazu kommt.
    Das Aluminiumchlorid wird in Lösungen angeboten, die vor dem Schlafen aufgetragen werden. Anfänglich wird diese Behandlung täglich durchgeführt. Im Laufe der Zeit können sich die Anwendungsabstände verlängern.
    Wenn diese Behandlung dauerhaft angewandt wird ist die Erfolgsrate hoch. Die bekannten Nebenwirkungen des Aluminiumchlorids, wie Hautreizungen und die Verfärbung der Kleidung, sind jedoch Faktoren, die einige Patienten von der Daueranwendung abhalten.
  • Absaugen der Schweißdrüsen
    Die Schweißdrüsen können auch abgesaugt werden. Das ist ein chirurgischer Eingriff, der unter örtlicher Betäubung ausgeführt werden kann.
    Diese Methode wird häufig bei übermäßiger Schweißproduktion in der Achselhöhle angewandt. Die Schweißdrüsen neigen jedoch dazu sich wieder zu bilden, so dass die Wirkung dieser Behandlung nach einigen Jahren nachlässt.
  • Durchtrennung des Grenzstrangs ("Endoskopische Thorakale Sympathektomie" oder "ETS")
    Sollten alle andere Methoden versagen, bietet sich die operative Behandlung der Hyperhidrose an. Seit der Einführung der minimalinvasiven Verfahren, ist die Operation "endoskopisch" möglich. Dabei werden über kleine Schnitte eine Kamera, sowie Instrumente in den Brustkorb (= Thorax, deshalb "thorakal") eingeführt.
    Der Grenzstrang ("Sympathikus") wird aufgesucht und Bereich der oberen Brustwirbelsäule unterbunden: Sympathektomie. Die Unterbindung des Grenzstrangs wird von verschiedenen Chirurgen unterschiedlich durchgeführt.
    Während manche Operateure nur einen Clip auf den Nervenstrang setzen, ziehen andere eine Behandlung des Stranges mit hoher Temperatur vor und unterbrechen dadurch die Weiterleitung der Nervenreize. Die sicherste Methode zur Unterbindung des Grenzstrangs ist jedoch die Durchtrennung, die auch in den meisten Fällen angeboten wird.
    Weitere Informationen zur Anatomie des Brustkorbs finden Sie unter unserem Thema: Thorax

Wann sollte operiert werden?

Indikation für die Operation
Die ETS (Endoskopische Thorakale Sympathektomie) soll dann als Behandlung in Betracht gezogen werden, wenn die nicht invasiven Methoden keine zufriedenstellende Ergebnisse erbringen.
Besonders Erfolgreich ist diese Operation bei dem übermäßigen Schwitzen der Hände. Wenn das Gesicht betroffen ist, müsste der Grenzstrang etwas höher durchtrennt werden, wodurch das Risiko für ein Horner-Syndrom (s.u.) steigt.

Nicht indiziert ist die operative Behandlung bei einer isolierten Hyperhidrose der Achselgegend und der Füße. Falls jedoch in solchen Fällen die Hände auch betroffen sind, kann von der ETS profitiert werden, weil die Patienten insgesamt eine bessere Stressbewältigung entwickeln.

Ablauf der Operation
Der Patient wird seitlich gelagert, die Lungen werden getrennt beatmet, so dass die Beatmung der Lunge auf der jeweiligen Seite, die gerade operiert wird, ausgeschaltet werden kann.
Dadurch wird eine ausreichende Sicht im Brustkorb erreicht, die dem Chirurgen erlaubt, den Grenzstrang aufzusuchen und zu unterbinden.
Anschließend wird ein kleiner Schlauch gelegt, über den die Luft im Spalt zwischen Lunge und Brustwand ("Pleuraspalt") abgesaugt werden kann. In der Regel wird in gleicher Sitzung die Gegenseite operiert, nachdem der Patient entsprechend gelagert und die gegenseitige Lunge beatmet wird.
Die Drainageschläuche werden meistens am Tag der Operation entfernt und eine Röntgen-Aufnahme der Lungen durchgeführt, um ggf. Restluft im Pleuraspalt zu sehen.

Risiken der Operation
Auch bei der ETS gelten die allgemeine Risiken einer Operation. Es kann zu Blutungen, Nachblutungen, Wundheilungsstörungen, insbesondere bei einer Entzündung kommen.

Wie bei jeder Operation, können benachbarte Organe oder Strukturen auch bei der ETS beschädigt werden. In diesem Fall wird im Brustkorb operiert.
Neben der Lungen, befindet sich hier das Herz, dessen Verletzung lebensgefährlich werden kann. Zusätzlich verlaufen im Brustkorb die größten Gefäße des Organismus.
Nicht zu vernachlässigen ist die Leber auf der rechten und die Milz auf der linken Seite, die über das Zwerchfell ebenfalls verletzt werden können.

Horner-Syndrom
Zu einem Horner-Syndrom kommt es, wenn eine bestimmte Nervenzellansammlung ("Ganglion") betroffen wird, die sich im Verlauf des Grenzstrangs befindet. Dieses Ganglion liegt ganz nah an dem Bereich, in dem die Unterbindung des Grenzstrangs vorgenommen wird und ist deshalb gefährdet.
Als Horner-Syndrom wird eine Kombination von Gesichtsveränderungen genannt, die durch den Ausfall des Sympathikus im Kopfbereich zustandekommt.
Die Folgen davon sind, dass sich die Pupille nicht richtig erweitern ("Miosis") kann, wodurch es zu Sehschwierigkeiten im Dunkeln kommt. Zusätzlich tritt eine Verlagerung des Augapfels nach hinten, ins Schädelinnere ("Enophthalmus"). Des Weiteren verursacht der Ausfall des vegetativen Nervensystems in dem Bereich einen Herabhängen des Oberlids ("Ptosis").

Folgen der Operation
Geht man von der Annahme, dass dem übermäßigen Schwitzen ursächlich ein "verstellter Soll-Wert" zugrunde liegt, ändert sich dieser durch eine Operation nicht.
Diese Hypothese könnte eine Erklärung für das sog. "kompensatorische Schwitzen" darstellen. Es handelt sich dabei um eine gesteigerte Schweißbildung an anderen Körperteilen, wie Brust-, Bauch- und Rückenbereich, während die Hände trocken und warm bleiben. Das kompensatorische Schwitzen wird von den meisten Patienten, die sich operieren lassen, in Kauf genommen. In seltenen Fällen kommt es zu einer so stark gesteigerten Schweißbildung, dass sie die betroffenen Menschen extrem stört. Das ist ein Grund mehr sich vor der Operation mit den Gedanken der Risiken und Folgen auseinanderzusetzen.

Im Falle einer kombinierten Hyperhidrose im Bereich der Hände und Füße wird meistens eine Rückbildung der Schweißbildung im Fußbereich nach einer ETS beobachtet.
Dabei handelt es sich nicht um eine physiologisch erklärbare Tatsache. Vielmehr hängt die Besserung der Situation im Bereich der unteren Extremitäten eher mit der allgemeinen Steigerung der Lebensqualität zusammen, die durch die Sicherheit, dass die Hände jetzt trocken sind, entsteht.

Insgesamt berichten nach der Operation die Menschen über eine gewisse Gelassenheit in Stress-Situationen. Dies liegt sicherlich in der Diskrepanz zu dem Zustand vor der Operation.

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 01.05.2012 - Letzte Änderung: 27.06.2022