Krankengymnastik bei einem Bandscheibenvorfall

Krankengymnastik bei einem Bandscheibenvorfall

Synonyme

  • Diskusprolaps
  • Protrusio
  • NPP
  • Bandscheibenprolaps
  • lumbaler Discusprolaps
  • Bandscheibenprotrusion

Einleitung

Auf dieser Seite werden Hilfestellungen zur Selbsthilfe für Patienten mit einem in der Lendenwirbelsäule lokalisierten (lumbalen) Bandscheibenvorfall gegeben. Es wird eine Übersicht darüber gegeben, was Betroffene selbst zusätzlich zur ärztlichen konservativen (nicht operativen) Therapie zu Ihrer Besserung und zur langfristigen Rezidivprophylaxe (Verhinderung des Wiederauftretens von Beschwerden) beitragen können.

Der Bandscheibenvorfall ist eine häufige Erkrankung der Wirbelsäule. Er kann in allen Abschnitten der Wirbelsäule auftreten. Es kommt zum Austritt von Bandscheibenmaterial und gegebenenfalls zur Reizung von umliegenden Gewebe. Ein Bandscheibenvorfall kann eine Muskelschwäche, Schmerzen und Lähmungen hervorrufen.

Der Bandscheibenvorfall kann in den meisten Fällen konservativ, durch Krankengymnastik (Physiotherapie), physikalische Therapie, Schmerztherapie etc. behandelt werden. Eine OP kann bei Therapieresistenz oder schweren Vorfällen nötig sein.

Was ist ein Bandscheibenvorfall?

Der Bandscheibenvorfall ist eine degenerative Erkrankung, das heißt es handelt sich um eine Verschleißerscheinung. Diese kann durch einseitige langfristige Fehlbelastung (schwere Arbeit z.B. in gebeugter Haltung) aber auch durch genetische Vorbelastung oder vorangegangene Traumata entstehen. Fehlhaltungen und angeborene Achsenfehlstellungen (z.B Skoliose) können diese Fehlbelastung begünstigen.

Es kommt zu einem Verschleiß der Bandscheibe, die zwischen den Wirbelkörpern eine Stoßdämpferfunktion einnimmt. Beim Bandscheibenvorfall hat sich Bandscheibenmaterial (man unterscheidet den fasrigen festen äußeren Anteil, den Anulus fibrosus, vom galertartigen inneren Nucleus pulposus) aus der Bandscheibe verlagert.

Man unterscheidet drei Stufen, die häufig im Alltagsgebrauch alle unter dem Begriff Bandscheibenvorfall zusammengefasst werden. Die erste Stufe ist die Bandscheibenvorwölbung (Protrusion), es hat sich noch kein Gewebe ausgelöst, es kam einzig zu einer Verlagerung.

Es folgt als zweite Stufe der Bandscheibenvorfall (Prolaps), der äußere Anulus fibrosus ist gerissen, Bandscheibenmaterial hat sich verlagert.

In der dritten Stufe (Sequester) hat das ausgetretene Material keinen Kontakt zur Bandscheibe mehr. Je nach Lokalisation der Verlagerung können unterschiedliche Symptome auftreten. Der Bandscheibenvorfall kann auch vollständig asymptomatisch verlaufen.

Ein Bandscheibenvorfall kann in jedem Abschnitt der Wirbelsäule vorkommen. In der Brustwirbelsäule (BWS) kommt er allerdings nur sehr selten vor.
Am häufigsten lokalisiert ist der Bandscheibenvorfall in der Lendenwirbelsäule (LWS), auch in der Halswirbelsäule (HWS) kommt er häufig vor, abhängig von der vorangegangenen Fehlbelastung.

Wenn das Bandscheibenmaterial umliegende Strukturen reizt, kann es zu Schmerzen oder Funktionsausfällen von Muskeln und Nerven kommen. Man spricht von einer segmentalen Störung, wenn Bandscheibenmaterial auf die aus dem Wirbelkanal austretenden Nerven drückt und in Folge dessen die Strukturen, die durch diese Nerven versorgt werden, nicht mehr richtig versorgt werden können.

Es kann zu Missempfindungen, Muskelschwäche und Lähmung oder Schmerzen im Versorgungsgebiet kommen, auch Reflexe (z.B. Patellasehnen-Reflex) können Ausfallen.

In schweren Fällen können auch Funktionsstörungen an Blase und Darm auftreten, diese sollten sofort (not)ärztlich abgeklärt werden!

Der Bandscheibenvorfall kann in den meisten Fällen konservativ, d.h. ohne operative Eingriffe behandelt werden.

Lesen Sie viele weitere Informationen zu diesem Thema unter: Was ist ein Bandscheibenvorfall?

Krankengymnastik / Physiotherapie bei einem Bandscheibenvorfall

Kommt ein Patient mit der Diagnose Bandscheibenvorfall zur Physiotherapie, wird zunächst vom Therapeut ein erneuter Befund gemacht um auf die individuelle Situation des Patienten eingehen zu können. In einer Anamnese werden versucht Ursachen für die Fehlbelastung herauszufinden, es werden eventuelle Vorerkrankungen abgeklärt, die Einflüsse auf das Entstehen des Bandscheibenvorfalls haben oder die Genesung beeinflussen könnten. Auch wird noch einmal eine körperliche Untersuchung gemacht, um genau herauszufinden, wo die Probleme des Patienten liegen.

Ein Bandscheibenvorfall kann viele verschiedene Symptomen zeigen, abhängig davon in welche Richtung das Bandscheibenmaterial ausgetreten ist und welche Strukturen gereizt werden.

In der Physiotherapie wird ein gezielter Behandlungsplan individuell auf den Patienten abgestimmt und Behandlungsziele mit ihm vereinbart.

Unabhängig von der Lokalisation des Bandscheibenvorfalls ist das Ziel der Krankengymnastik eine möglichst vollständige Funktionswiederherstellung zu erreichen und eine Schmerzreduktion zu erzielen. In Abhängigkeit von der Schwere des Bandscheibenvorfalls können auch Funktionserhalt und Kompensationsstrategien erarbeitet werden.

Im Verlauf der Erkrankung ist es wichtig dem Rücken die richtigen Reize zur Heilung zu geben und die Fehlbelastungen zu minimieren. Keine Bewegung ist keine Lösung. Eine Haltungskorrektur sollte während der Therapie erarbeitet werden. Ein gesunder Rücken ist ein beweglicher Rücken.

Der Bandscheibenvorfall (ob operiert oder konservativ behandelt) heilt mit der Zeit mehr und mehr ab. Je nach Verlauf ist eine volle Genesung möglich, sind Strukturen irreversibel geschädigt, können Kompensationsmechanismen erarbeitet werden. Während der Krankengymnastik können auch Haltung am Arbeitsplatz oder im Alltag analysiert werden und Verbesserungsvorschläge gefunden werden. Der Patient sollte die in der Therapie gemachten Übungen zu Hause eigenständig machen und ein Bewusstsein für eine gesunde Haltung entwickeln. Schonhaltungen sollten weitestgehend vermieden werden, eine bewusste Haltung und ein bewusstes Verhalten verhindern das Wiederauftreten vom Bandscheibenvorfall oder dessen Verschlechterung.

Lesen Sie mehr zum Thema: Übungen nach einem Bandscheibenvorfall der LWS

Wann sollte mit Krankengymnastik begonnen werden?

Der Bandscheibenvorfall ist eine Verletzung und geht mit einer natürlichen Entzündungsreaktion einher. Sollte der Patient operiert worden sein, so ist auch durch die Operation eine Entzündungsreaktion in Gang. Diese äußert sich anfangs u.a. durch Schmerz und soll den Körper vor Überbelastung schützen.

In dieser Phase sollte den verletzen Strukturen Ruhe gegönnt werden, damit diese sich selbst regenerieren können. Im schmerzfreien Bereich kann eine Bewegung im Rahmen einer Physiotherapie erfolgen. In der Therapie kann mit Weichteilbehandlungen (z.B. sanfte Massage ) die Versorgung des betroffenen Gebietes verbessert oder eine Schmerzreduktion erzielt werden. Gegebenenfalls sind Techniken aus der manuellen Lymphdrainage unterstützend möglich. Eine sanfte Therapie steht im Vordergrund.

Nach einer Operation sind unbedingt die Vorgaben des Operateurs zu beachten. Bestimmte Bewegungen können eingeschränkt oder bestimmte Belastungsformen untersagt sein.

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Übungen und Techniken

Zusammen mit dem Therapeuten werden Strategien erarbeitet, wie der Patient seinen Rücken im Alltag schonen kann (Arbeitsplatzgestaltung, rückengerechtes Heben...). Der richtige Umgang mit dem Rücken wird in der Rückenschule erarbeitet. Eventuell kann dies auch in Gruppentherapie stattfinden.

Die Beweglichkeit des Rücken sollte in alle Richtungen so gut es geht wiederhergestellt werden. Hierzu kommen Mobilisationstechniken (Dehnung, Manuelle Therapie, Gymnastische Übungen) in Betracht.

Um den Rücken vor weiteren Fehlbelastungen zu schützen ist ebenso Stabilität wichtig. Ein gezieltes Kräftigungsprogramm ist also Teil der physiotherapeutischen Behandlung bei einem Bandscheibenvorfall. Je nach Status des Patienten werden gezielt Muskelgruppen gekräftigt. Die Bauchmuskulatur stabilisiert den Rücken von vorne und kann einem Hohlkreuz entgegenwirken. Die Rückenmuskulatur stabilisiert den Rücken von hinten. Die Halswirbelsäule kann ebenfalls durch gezielte Bewegungen mobilisiert werden, auch hier gibt es Kräftigungsübungen, die die Haltung verbessern. Verkürzte Muskulatur (z.B. Schulter-Nacken-Muskulatur) kann gedehnt werden.

Die sogenannte autochtone Rückenmuskulatur geht von Wirbel zu Wirbel und spielt eine wichtige Rolle bei der Stabilisation der Wirbelsäule. Sie kann nicht oder nur sehr schwer willkürlich angesteuert werden. Durch gezieltes koordinatives Training kann die Rückenmuskulatur jedoch gestärkt werden.

Lesen Sie mehr zum Thema Rückenmuskulatur aufbauen

Wichtig ist der Aufbau einer starken funktionsfähigen Rumpfmuskulatur, oder auch Core-Muskulatur. Die Übungsauswahl ist vielseitig, sollte aber mit dem Therapeuten abgesprochen werden, da bei es fehlerhafter Ausführung schnell wieder zu Überbelastung geschädigter Strukturen kommen kann.

Unsere Wirbelsäule macht es möglich, dass wir uns den ganzen Tag in einer aufrechten Körperstellung halten und uns bei unzähligen Alltagstätigkeiten beugen, strecken und drehen können. Unsere Bandscheiben, die sich als Puffer zwischen den einzelnen Wirbelkörpern befinden und sich bei jeder Bewegung passiv mitbewegen, sind eine Schwachstelle in diesem System. Bei wiederholten einseitigen Bewegungsabläufen und lang anhaltenden statischen Belastungen, wie z.B. bei dauerndem Sitzen weicht der gallertartige Bandscheibenkern dem einseitigen Druck aus und wandert in die Gegenrichtung. Auch gebeugte Tätigkeiten wie Gartenarbeit oder „falsches Heben“ über längere Zeit führen auf die Dauer zu einer Druckbelastung auf den hinteren Faserring, in den der Bandscheibenkern eingebettet liegt. Konstantes Übergewicht, eine schwache Rumpfmuskulatur und schwaches Binde- und Stützgewebe können als Risikofaktor hinzukommen.

Irgendwann hält der Faserring der Druckbelastung nicht mehr stand, es kommt erst zu kleinen Einrissen, bis meist bei einer plötzlichen Bewegung oder einem Hebevorgang ein akut schmerzhafter Bandscheibenvorfall entsteht. Diesem akut schmerzhaften Geschehen geht also ein langer Prozess voraus, der sich meistens schon durch immer wiederkehrende Rückenschmerzattacken bemerkbar gemacht hat.

Allerdings kann auch ein Bandscheibenvorfall als Zufallsbefund bei einem Kernspin (MRT) festgestellt werden, ohne dass die/der Betroffene Beschwerden hat oder in der Vergangenheit hatte. Das Schmerzbild ist also u.a. von der Lokalisation des Bandscheibenvorfalls abhängig.

Mehr als 100.000 Menschen werden jährlich in Deutschland an einem Bandscheibenvorfall operiert, viele davon klagen leider auch nach erfolgter Operation weiterhin über Schmerzen. Die Entscheidung zu einer Operation sollte von daher erst nach gezielter konservativer Therapie und genauer Abwägung aller Faktoren erfolgen, falls nicht akute Lähmungserscheinungen oder eine Blasen- und Mastdarmschwäche vorliegen.

In jedem Fall, unabhängig davon, ob der Bandscheibenvorfall konservativ oder operativ behandelt werden muss, benötigen die Patienten sofort eine gezielte und konsequente ärztliche Schmerztherapie, um den Akutschmerz zu beseitigen und einer Chronifizierung vorzubeugen. Begleitend sollte möglichst früh eine physiotherapeutische Behandlung eingleitet werden, damit der Patient aktiv am Heilungserfolg beteiligt wird und auf lange Sicht hin Spätschäden und Rezidiven (Rückfall) vorbeugen kann.

Lesen Sie hierzu auch unser Thema: Übungen bei einem Bandscheibenvorfalls

Optimales Verhalten bei akutem Bandscheibenvorfall

  • Exakte Diagnostik und konsequente Schmerztherapie durch den Arzt
  • Vorrübergehende Entlastung - hierbei liegt die Betonung auf vorrübergehend für einige Tage - Hinlegen in einer möglichst bequemen Lage. Dabei ist nicht entscheidend, ob Rückenlage im Stufenbett, Seitlage oder sogar Bauchlage, die je nach Lokalisierung des Bandscheibenvorfalls durchaus auch Entlastung bringen kann. Erfahrungsgemäß ist es am sinnvollsten, die eingenommenen Positionen je nach empfundener Entlastung häufig zu wechseln und bereits im Liegen so bald wie möglich mit leichten Bewegungsübungen zu beginnen.
  • Wärmeanwendungen in Form von Wärmflasche, Körnersäckchen oder einmal verwendbare Fangopackungen werden häufig durch die erreichte Mehrdurchblutung und Muskelentspannung als angenehm und schmerzsenkend empfunden.
  • Laufen, normalerweise kann das Bett nach wenigen Tagen wieder verlassen werden und die Liegephasen durch Laufen unterbrochen werden. Durch das Fortbewegen im –schmerzbedingt mehr oder weniger- aufrechtem Gang wird bereits eine geringfügige Mobilisation der Beckengelenke und der Lenden- und Brustwirbelsäule eingeleitet. Durch die bei Bewegung angesprochenen Bewegungsfühler in Gelenken und Muskeln werden schmerzfeuernde Nervenrezeptoren überlagert und es kommt zu einer Schmerzlinderung im Rücken. Wenn möglich sollte auch Treppensteigen und das Gehen im Freien durchgeführt werden.
  • Tapen der Lendenwirbelsäulen
    Von Beginn an ist es sinnvoll, ein Tape in der Lendenwirbelsäule anzubringen.
    Dieses dient vor allem der muskulären Entspannung und der Verbesserung des Stoffwechsels.
    Die sogenannten Kinesiotapes haben nicht die Aufgabe die Wirbelsäule zu stützen. Da die Kinesiotapes ständig einen Reiz über die Haut durch die Bewegung auslösen kommt es zu einer nebenwirkungsfreie Schmerzlinderung und eine Erleichterterung des Bewegen erreicht.
    Lesen Sie mehr zu diesem Thema unter: Bandscheibenvorfall tapen

Das "richtige Liegen"

Ausgangsstellung: Rückenlage/ Seitlage im Bett

Ausführung: Grundsätzlich, der Patient muss sich in seiner gewählten Lage möglichst gut entspannen können, egal, was ihm von Arzt oder Therapeut empfohlen wurde.

Erfahrungsgemäß bevorzugen die meisten Bandscheibenpatienten eine nachgiebige punktentlastende Matratze, die sich an die Körperoberfläche anschmiegt. Eine harte Matratze wurde jahrelang in Fachkreisen empfohlen und ist zum Glück mittlerweile aus den Köpfen der Hersteller, Orthopäden und Physiotherapeuten verschwunden. Häufig ist die harte unnachgiebige Auflage vor allem in der Seitlage durch den verstärkten Druck auf Schulter- und Beckengürtel eine Foltermethode für den schmerzgeplagten Bandscheibenpatienten.

Zusätzlich zur punktelastischen Matratze können als entlastende Hilfsmittel ein weiches, der Halswirbelsäulenform angepasstes Nackenstützkissen und eventuell ein Schaumstoffwürfel, eine Decke unter den Unterschenkeln oder eine Knierolle benutzt werden (sogenannte Stufenlagerung.) Als Ersatz für den Schaumstoffwürfel kann man einen passend hohen Koffer mit einer Decke polstern und unter den Unterschenkeln platzieren. Es sind auch aufblasbare, preisgünstige Lagerungswürfel im Fachhandel erhältlich.

Manche Patienten bevorzugen die Lagerung in der Lendenlordose, d.h. sie benötigen zur Unterstützung der Lendenwirbelsäule ein kleines Kissen oder ein zusammengerolltes Handtuch unter dem Rücken.

In der Seitlage kann ein kleines Kissen in der Lendenwirbelsäule oder ein Kissen zwischen den Knien zusätzliche Entlastung bringen, da die Lendenwirbelsäule dadurch nicht so weit in die Drehbewegung nach vorne gebracht wird.

Das schmerzarme Aussteigen aus dem Bett

Ausgangsstellung: Rückenlage im Bett

Ausführung: Grundsätzlich gilt, der Rumpf sollte beim Aufstehen aus dem Bett über Anspannung der Bauch, Beckenboden und Rückenmuskulatur stabilisiert werden und dann “en bloc” bewegt werden.

Als erstes werden die Beine in einen 90° Winkel eingestellt, der untere Arm wird nach vorne ausgestreckt und dann unter Anspannung der Muskulatur in die Seitlage gedreht. Gleichzeitig werden mit Aufstützen des oberen Armes die Beine aus dem Bett gebracht. Durch das Gewicht der Beine wird das Hochkommen zum Sitzen erleichtert.

Beim Drehen „en bloc” wird die muskulär stabilisierte Wirbelsäule wenig rotiert und evt. auftretendem Schmerz vorgebeugt.

Der Rückweg in die Rückenlage erfolgt in umgekehrter Weise.

 

Wenn der Schmerz soweit nachgelassen hat, dass das Verlassen des Hauses wieder möglich ist, ist eine physiotherapeutische Behandlung begleitend zur medikamentösen und physikalischen Therapie angezeigt.

Der physiotherapeutischer Befund

Erheben der Anamnese = Schmerzvorgeschichte: oft besteht eine langjährige „Rückenkarriere“

Erheben des Sichtbefundes: hier ist häufig eine deutliche Schmerzschonhaltung zu beobachten

Tastbefund: hier fühlt man häufig eine starke, oft einseitig betonte Schutzspannung der Muskulatur

Bei der physiotherapeutischen Befunderhebung werden zunächst Anamnese, Sichtbefund- und Tastbefunde durchgeführt. Danach folgen Funktions- Provokations- und Nerventeste, die in regelmäßigen Abständen während der Behandlungsserie überprüft werden, um eine Verlaufskontrolle zu erheben und eventuelle Verbesserungen zu dokumentieren. Der Patient ist dadurch verstärkt motiviert, seine Behandlung und sein aktives Übungsprogramm intensivst weiterzuführen.

Therapie am Gerät

Zur Therapie können auch Geräte (z.B. Beinpresse bis hin zum Theraband) eingesetzt werden, unter anderem durch den Bandscheibenvorfall verursachte muskuläre Defizite z.B. in der Bein oder Armmuskulatur aufzutrainieren oder um den Rücken/Bauch selbst zu kräftigen.

Der Patient sollte immer eine genaue Einweisung in die Geräte, die Durchführung und die Intensität der Übungen erhalten. Bei einer operativen Versorgung sollten die Angaben des Operateurs bezüglich Beweglichkeit und Belastung beachtet werden.

Die Therapie kann auch in diesem Stadium durch Weichteiltechniken (passive Dehntechniken, Massage, Triggerpunkttherapie, Faszientechniken) ergänzt werden um veränderte Strukturen zu behandeln, die Ernährungssituation des Gewebes zu verbessern oder Schmerzen zu lindern. Auch Techniken der manuellen Therapie können Teil der Therapie sein um Funktionsstörungen der Strukturen zu mindern und die Mobilität in bestimmten Abschnitten der Wirbelsäule wieder her zu stellen.

Weitere therapeutische Verfahren

Zur Unterstützung der Therapie des Bandscheibenvorfalls kommt unter anderem die Elektrotherapie in Frage, die durch bestimmte Stromarten gezielt geschädigte Nerven oder schwache Muskulatur stimulieren kann oder Schmerzen lindert. Eine Schmerzreduktion kann mithilfe von Schmerzmitteln erreicht werden.
Es gibt verschiedene Angebote der Krankenkasse im Bereich Reha- und Prävention, die zur Therapie des Bandscheibenvorfalls ergänzend in Frage kommen. Entlastung durch Hilfsmittel im Alltag, eine Umgestaltung des Arbeitsplatzes zur Verbesserung der Ergometrie können weiterhin hilfreich sein.
Lesen Sie zu diesem Thema auch mehr unter: Reha nach einen Bandscheibenvorfall

Schmerzen bei der Krankengymnastik

Es kann sein, dass während der physiotherapeutischen Übungen Schmerzen auftreten. Dies ist nicht zwingend Grund dafür, die Therapie zu beenden. Die Schmerzen sollten vor erneuter Durchführung der Übungen mit dem Therapeuten besprochen werden. Es kann sich bei den Schmerzen um einen Muskelkater handeln oder um verkürzte Strukturen die durch die Dehnung Schmerzen verursachen. Auch eine Fehl- oder Überbelastung kann als Ursache der Schmerzen vorliegen .

Zusammenfassung

Der Bandscheibenvorfall ist ein vielseitiges und sehr individuelles Krankheitsbild, welches in der Krankengymnastik durch schmerzreduzierende Maßnahmen wie Massagetechniken, Weichteilbehandlung, Triggerpunkte, Mobilisationstechniken wie Manuelle Therapie, Dehnungen, und Kräftigungsübungen behandelt werden kann.

Die Behandlung ist stark befundabhängig und bezieht den Alltag des Patienten (Haltung am Arbeitsplatz, Rückengerechtes Verhalten im Alltag) mit ein. Der Erfolg der Behandlung ist von der Lokalisation und Schwere des Bandscheibenvorfalls und von der konsequenten Mitarbeit des Patienten abhängig.

Schon bereits im Akutzustand des lumbalen Bandscheibenvorfalls können gezielte Verhaltensweisen und Übungen begleitend zur medizinischen Schmerztherapie eine Entlastung bringen. Mit Abnahme der Schmerzen und Zunahme an Kraft durch gezieltes Krafttraining verbessert sich je nach Trainingsintensität und Schmerzbefund innerhalb einiger Wochen und Monate die körperliche Leistungsfähigkeit für Alltag und Beruf. Durch die Zunahme an Stabilität und durch rückenfreundliches Verhalten in Alltag und Beruf kann die Chance, über lange Zeit beschwerdefrei zu bleiben, deutlich erhöht werden. Wachsendes Vertrauen in den eigenen Körper, Abnahme von Ängsten und die zunehmende Verdrängung des akuten Schmerzgeschehens aus dem Kopf lassen wieder Normalität ins Leben einkehren.

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 04.05.2009 - Letzte Änderung: 30.03.2024