Nach einem Bandscheibenvorfall in der LWS gilt es die belasteten Strukturen zu entlasten und Fehlhaltungen und -Beanspruchungen zu vermeiden. Dies ist durch gezielte Übungen zur Kräftigung und Mobilisation, Gymnastik oder auch gerätegestütztes Training möglich.
Nach einem Bandscheibenvorfall in der LWS gilt es, die belasteten Strukturen zu entlasten und Fehlhaltungen und -beanspruchungen zu vermeiden. Dies ist durch gezielte Übungen zur Kräftigung und Mobilisation, Gymnastik oder auch gerätegestütztes Training zu Hause wie auch in der physiotherapeutischen Behandlung möglich.
Wichtig ist zu Beginn einen ausführlichen Befund zu machen, um genau herauszufinden, welche Strukturen dem Patienten individuell Probleme bereiten, oder welche Haltungen oder Tätigkeiten zum Bandscheibenvorfall geführt haben.
Gymnastische Übungen bieten sich beim Bandscheibenvorfall an, da sie einfach durchzuführen sind und es keiner gesonderten Geräte bedarf. Man kann mit dem eigenen Körpergewicht trainieren und verbessert somit gleichzeitig die Wahrnehmung für bestimmte Körperhaltungen, die gegebenenfalls der LWS schaden können. Als erstes ist es unerlässlich, eine gute Körperwahrnehmung zu schulen.
Dies kann man vor einem Spiegel üben. Die krankengymnastischen Übungen beim Bandscheibenvorfall in der LWS sind relativ einfach in der Umsetzung, müssen aber genau und richtig durchgeführt werden, um erneute schädigende Fehlbelastungen zu vermeiden.
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Die Körperwahrnehmung kann man gut im aufrechten Stand üben. Der Patient stellt sich frontal vor einen Spiegel und schließt die Augen. Als nächstes lenkt er seine Aufmerksamkeit auf seine Füße, die etwa hüftbreit nebeneinander stehen, und verlagert das Gewicht vom Vorfuß auf die Ferse und von rechts nach links. Ziel ist es, beide Füße gleichmäßig zu belasten. Der rechte und der linke Fuß drücken gleich schwer in den Boden.
Nun lenken wir die Aufmerksamkeit auf die Knie, diese sollten im aufrechten Stand nie ganz durchgedrückt, sondern ganz leicht gebeugt sein. Auch hier ist es einfacher, die richtige Position durch Testen zu finden, indem man zuerst die Knie ganz fest nach hinten durchdrückt und dann bewusst leicht in die Knie geht. Es soll eine angenehme Mittelposition gefunden werden. Zwischendurch beobachtet der Patient seine Haltung im Spiegel.
Nun nähern wir uns der LWS. Der Patient konzentriert sich nun auf sein Becken. Oft hilft es, anfangs die Hände an die hervorstehenden Beckenknochen zu legen. Nun wird die Beckenkippung beübt. Die Bewegung des Beckens läuft einher mit einer Bewegung der LWS, häufig ist die Beweglichkeit nach einem Bandscheibenvorfall durch Schmerz oder Schonhaltungen eingeschränkt und muss wiedererlangt werden.
Eine fehlende Beweglichkeit kann aber auch zur ständigen Fehlbelastung einzelner Wirbelsäulenabschnitte führen und somit mit ursächlich für das Entstehen des Bandscheibenvorfalls sein. Unsere LWS kann mehrere Bewegungen ausführen. Über das Becken lassen sich besonders gut die ventrale und dorsale Beckenkippung üben.
Das bedeutet das nach vorne Kippen des Beckens (ventral), bei dem ein vermehrtes Hohlkreuz in der LWS entsteht und das Einrollen des Beckens nach hinten (dorsal), bei dem die LWS sich rund macht und beugt. Der Patient spürt bei dieser Bewegung, wie sich die Beckenknochen erst nach vorn unten bewegen und anschließend nach hinten oben. Wichtig ist, dass der Brustkorb sich nicht mit bewegt (Selbstkontrolle Spiegel) und die Bewegungen aus der LWS kommen.
Fällt die Übung im Stehen schwer, kann man sie auch im Sitzen durchführen. Hier dienen als Kontrollpunkt die Sitzbeinhöcker, die beim Rollen des Beckens nach vorn und nach hinten über die Stuhloberfläche wandern (Hohlkreuz - Sitzbeinhöcker zeigen nach hinten, Rundrücken in der LWS - Sitzbeinhöcker zeigen nach vorn).
Diese Bewegungen sind grundlegend für das bewusste und richtige Training und sollten gut geübt und verinnerlicht werden. Anschließend kann je nach Befund ein spezifisches Übungsprogramm für den Bandscheibenvorfall in der LWS erarbeitet werden. Häufiger Bestandteil ist die so genannte Grundspannung oder auch Core-Aktivität.
Diese Übung dient der Kräftigung der hinten liegenden Muskulatur, also des Gesäßes, des hinteren Oberschenkels und der Rückenmuskulatur.
Der Patient liegt in Rückenlage auf der Matte und nimmt eine neutrale Wirbelsäulenstellung ein (wieder ausprobieren, erst vermehrtes Hohlkreuz machen, dann den unteren Rücken rund in die Unterlage drücken - die Mittelposition ist die richtige Ausgangsstellung für diese Übung). Der Patient stellt die Beine auf und zieht die Zehen hoch, sodass er nur mit den Fersen Kontakt hat. Es passen etwa zwei Fäuste zwischen die Knie. Die Hände liegen neben dem Körper mit den Handflächen nach oben, der Kopf liegt in Verlängerung der Wirbelsäule auf dem Boden auf, der Blick geht zu den Knien (damit man nicht in die Überstreckung der Halswirbelsäule kommt).
Dies ist die Ausgangsstellung für diese und viele weitere alternative Übungen. Nun baut der Patient mit der Ausatmung seine Grundspannung auf, das bedeutet er versucht seine Muskulatur so anzuspannen, dass der ganze Körper fest ist und, wenn man ihn an den Knien zur Seite drehen würde, der ganze Körper folgen würde.
Wir bauen diese Spannung systematisch auf, indem wir die Fersen fest in die Unterlage drücken, das Gesäß anspannen, den Bauchnabel sternförmig Richtung Wirbelsäule ziehen, die Schulterblätter und Arme fest in die Unterlage drücken und mit unseren Kopf ein leichtes Doppelkinn machen. Die Spannung wird über 2-5 Atemzüge gehalten und Stück für Stück wieder abgebaut.
Aus dieser Position lassen sich, wenn die Grundspannung sicher eingenommen werden kann, viele Übungen zur koordinierten Kräftigung der LWS machen, z.B. Heben des Gesäßes aus der Grundspannung (Bridging), Heben eines Beins, Heben der Arme evtl. mit einem Stab, ohne die Spannung aufzugeben.
Die einzelnen Übungen sollten auf den Patienten abgestimmt werden und mit seinem Physiotherapeuten oder Trainer zunächst besprochen und beübt werden, um eine möglicherweise fehlerhafte schädigende Durchführung zu vermeiden.
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Da bei einem Bandscheibenvorfall in der LWS häufig auch eine nicht ausreichend kräftige Bauchmuskulatur eine Rolle spielt, ist es auch wichtig, diese gezielt zu trainieren. Hierzu bieten sich Halteübungen aus der Ausgangsposition der Grundspannung in Rückenlage an. Zum Beispiel kann man mit der Ausatmung die leicht gebeugten Arme gegen die aufgestellten Oberschenkel drücken, während die Beine dem Druck nicht nachgeben wollen.
Es entsteht eine Spannung in der gerade Bauchmuskulatur. Durch das verstärkte Drücken auf einer Seite kann man die seitliche Bauchmuskulatur gezielt trainieren. Variationen von Crunches und Situps sollten dringend mit einem Therapeuten beübt werden, es können hier viele ungünstige Fehler gemacht werden.
Eine weitere gute Übung ist der Unterarmstütz, der, ähnlich wie die Grundspannung in Rückenlage, nun zur Kräftigung für die vordere Muskelkette (also Bauchmuskeln, vorderer Oberschenkel, Brustmuskulatur) führt. Der Patient befindet sich in Bauchlage und hebt den Oberkörper an.
Die Ellenbogen stehen unter den Schultern, die Unterarme liegen parallel nebeneinander. Die Knie bleiben zu Beginn am Boden und können später zur Verstärkung der Übung abgehoben werden. Die Wirbelsäule bildet mit den Oberschenkeln eine gerade Linie, der Blick zeigt Richtung Boden, die Halswirbelsäule ist lang und gestreckt.
Auch aus dieser Position können viele Übungsvarianten aufgebaut werden, die in einem individuellem Trainingsplan erarbeitet werden sollten. Beispielsweise können "Stützpfeiler" (also ein Arm oder ein Bein) vom Boden abgehoben werden, während der Patient versucht, den Rumpf im Gleichgewicht zu halten und keine Bewegung dort zuzulassen.
Weitere günstige Positionen sind der Vierfüßlerstand, der Sitz, die Kniebeuge und viele mehr. Wird die Grundspannung beherrscht, können Übungen in allen möglichen Positionen auf den Patienten abgestimmt werden.
Weiterhin gehört zum gymnastischen Übungsprogramm nach einem Bandscheibenvorfall der LWS natürlich auch das Auftrainieren etwaiger Muskelschwächen oder Paresen, die durch den Vorfall entstanden sein könnten.
Bei einer Fußheberschwäche kann das Anziehen des Fußes geübt werden, bei einer Schwäche in der Oberschenkelmuskulatur können beispielsweise Kniebeugen die geschwächte Muskulatur trainieren. Später kann die Gymnastik durch kleine Geräte wie Hanteln oder ein Theraband ergänzt werden.
Auch die Verbesserung der Sensibilität, sollte diese eingeschränkt gewesen sein, lässt sich in der Gymnastik erreichen. Der Patient trainiert mit seinem eigenen Körpergewicht und hat viel Kontakt zum Boden oder führt Übungen durch, die ein hohes Maß an Selbstwahrnehmung fordern.
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Bei einer OP gilt es immer, vorrangig die Anweisungen des Operateurs bezüglich Belastung, Bewegung und Belastbarkeit zu befolgen!
Häufig sind anfänglich nach einer Wirbelsäulen-OP Rotationsbewegungen eingeschränkt erlaubt oder verboten. Das heißt, sie sollten in der Therapie bis zu ihrer Freigabe vermieden werden. Die Übungen zur Grundspannung sind bestens geeignet, um nach einer Operation den Rücken schonend zu trainieren. Durch das gezielte Anspannen und Lösen verbessert sich nicht nur die Koordination und Kraft im betroffenen Bereich, sondern auch die Versorgung mit Blut, das Nährstoffe und Sauerstoff transportiert, und der Abtransport von Stoffwechselprodukten werden verbessert. Das fördert die Heilung.
Oft ist nach einer Operation die Rückenmuskulatur, die von Wirbel zu Wirbel geht und unsere Wirbelsäule stabilisiert, gehemmt. Durch die Grundspannung kann diese Muskulatur sanft wieder angesprochen werden. Außerdem schützt eine muskulär stabilisierte Position der LWS vor Fehlbelastungen im Alltag.
Nach einer OP sollten Transfers aus bestimmten Körperhaltungen immer mit einer guten Grundspannung durchgeführt werden. Das schützt die verletzen Strukturen vor Scherkräften. Das heißt, besonders beim Aufstehen aus dem Liegen in das Sitzen oder aus dem Sitzen in den Stand sollte der Patient bewusst seine Core-Muskulatur anspannen.
Ist im Rücken noch nicht viel Training erlaubt, kann man sich nach einer Operation besonders gut auf die peripher geschädigten Strukturen kümmern. Es wird also nicht der Schaden am Rücken trainiert, sondern die Folgeschäden in z.B. den Beinen. Hierzu können gymnastische Übungen für die Beinmuskulatur genutzt werden, eine Gangschule im Barren, an Stützen oder frei, oder auch ein Sensibilitätstraining. Falls die Operationsfolgen es erlauben, bietet sich auch die Beinpresse sehr gut an, um gezielt die Oberschenkelmuskulatur zu kräftigen.
Neben der Verbesserung der Kraft sollte, sobald die Beweglichkeit wieder freigegeben ist, auch die Beweglichkeit im erlaubten Rahmen wieder beübt werden. Der Rücken kann durch einfache Bewegungen zur Seite (Seitneigung), die Beckenkippung (siehe oben) nach vorne und hinten, oder vorsichtige Rotation beispielsweise auf einem Hocker) mobilisiert werden.
Später kann die stabilisierende Muskulatur durch Koordinationstraining aktiviert werden. Hierzu bietet es sich auch an, Übungen über die Arme und Beine einzuleiten. Werden die Arme im aufrechten, gesunden Stand (siehe oben) wie beim Sprinten schnell neben dem Körper hin und her bewegt, versucht sich der Oberkörper mit dem Schwung der Arme mit zubewegen. Hält man bewusst gegen diese Bewegung, spannt man die gesamte tiefe Rumpfmuskulatur an und übt Stabilität.
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Nach einem Bandscheibenvorfall ist es besonders wichtig, einen bewussten Umgang mit seinen Körper zu erlernen. Ein Hausaufgabenprogramm ist unerlässlich und sollte in der Physiotherapie dringend erarbeitet werden. Gute Übungen für zu Hause sind oben genannte gymnastische Übungen, da hierfür keine Geräte gebraucht werden.
Bridging (Anheben des Gesäßes aus der Grundspannung in Rückenlage) lässt sich einfach auf dem Fußboden, dem Sofa oder dem Bett machen. Werden Bauchmuskelübungen gut und sicher beherrscht, können auch diese hervorragend zu Hause durchgeführt werden.
Außerdem lässt sich der rückengerechte Umgang am besten in der häuslichen Umgebung trainieren. Das Anheben von einer Wäschekiste, erst leer und später vielleicht beschwert, bietet gute Voraussetzungen für das Erlernen des rückengerechten Hebens und kann gleichzeitig als Kräftigung für die Beinmuskulatur genutzt werden (Kniebeugen). Ein Dehn- und Mobilisationsprogramm sollte ergänzend durchgeführt werden.
Hierzu gehört, je nach Beschwerdebild und Ursache für den Bandscheibenvorfall, z.B. die Drehdehnlage oder der Päckchensitz. Für die Drehdehnlage dreht man aus der Rückenlage die Knie zur einen Seite Richtung Boden, der gegenüberliegende Arm und Kopf werden zur anderen Seite gedreht. Beim Päckchensitz wird das Gesäß im Knien auf den Fersen abgelegt, die Stirn auf den Boden gelegt, während die Arme nach hinten neben den Körper geführt werden.
Grundsätzlich gibt es ein breites Spektrum an Übungen nach einem Bandscheibenvorfall der LWS für zu Hause. Ein geeignetes zugeschnittenes Programm sollte mit einem Therapeuten erarbeitet werden.
In der Physiotherapie sollten die Übungen (die oben beschrieben wurden) erklärt und geübt werden, bis der Patient sie sicher und richtig durchführen kann. Die Körperwahrnehmung des Patient sollte, falls erforderlich, geschult und verbessert werden.
Das eigenständige Üben ist für den Therapieerfolg zwingend nötig. In der Therapie werden neben Übungen auch Weichteiltechniken und Mobilisationstechniken angewandt. Hierbei werden gezielt geschädigte oder veränderte Strukturen (z.B. verspannte Muskulatur und Faszien, blockierte Wirbel) beübt, was der Patient nicht allein zu Hause durchführen kann.
Zusammen mit einem guten Übungsprogramm, ergänzt durch gemeinsame Übungen während der Therapie, und dem wichtigen Training in Eigenregie lässt sich ein stimmiger, individueller Behandlungsplan für den Patienten mit einem Bandscheibenvorfall der LWS koordinieren.
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