Behandlung des Bandscheibenvorfalls im subakuten Zustand

Behandlung des Bandscheibenvorfalls im subakuten Zustand

Im subakuten Zustand steht neben der Schmerzlinderung das Vermitteln von rückenfreundlichen Alltagsbewegungen und das funktionelle Auftrainieren der stabilisierenden Muskulatur zum Aufbau eines Rumpfmuskelkorsetts im Vordergrund.

ADL

Activities of daily life = rückenfreundliches Verhalten in Alltag und Beruf

Das aufrechte Stehen:

Ziele:

  • Erlernen des aufrechten Stehens
  • Ökonomische Anspannung der Haltemuskulatur
  • Entlastung des passiven Stützapparats
  • Ausgangsstellung: Stand

Als erstes sollte der Patient das Körpergefühl dafür entwickeln, wie sich der Unterschied zwischen dem “saloppen” Stehen und einer aktiven Haltung anfühlt. Beim saloppen Stehen hängt man im passiven Stützapparat der Wirbelsäule, bestehend aus den knöchernen Bestandteilen der Wirbelsäule, dem Kapsel- und Bandapparat und den Bandscheiben. Das passive Stehen führt auf die Dauer zu einer Überlastung des Stützsystems, einer verstärkten Hohlkreuzbildung und überstreckten Kniegelenken.

Zu einer aktiven Haltung wird ein gutes aktives Stützsystem (tiefe und oberflächliche Rumpfmuskulatur) benötigt, um die aufrechte Körperstellung auch über mehrere Stunden am Tag zu erhalten. Erst nach längerer Übungszeit wird eine aufrechte Haltung als Entlastung empfunden, da die aufgeschulte Muskulatur ökonomisch mit geringerem Spannungs- und Kraftzustand eingesetzt werden kann. Wenn möglich sollte das lange Stehen durch das Wechseln von einem auf das andere Bein und durch Entspannungsphasen im Sitzen unterbrochen werden.

Zur Schulung des Körpergefühls, die Vermittlung einer korrekten Haltung und ökonomischen Gewichtsverteilung ist die Hilfe eines Therapeuten und eines Spiegels sinnvoll. Durch den Spiegel ist der Patient in der Lage, seine Haltungskorrektur selbstständig zu Hause zu kontrollieren.

Übungsausführung:

  1. Aktives Hochziehen des Fußlängsgewölbes
  2. Leichte Kniebeugung
  3. Aktives Hochziehen der Beckenbodenmuskulatur
  4. Aktives Anspannen der tiefen Bauchmuskulatur
  5. Aufrichten des Brustbeins –Goldmedaille zeigen -
  6. Langstrecken des Nackens

Das korrekte Sitzen

Bei akuten Rückenschmerzen kann längeres Sitzen häufig den Schmerz verstärken, da der Belastungsdruck der Bandscheiben höher ist als in Stand oder Gang. Längeres Sitzen sollte von daher im Akutzustand vermieden werden.

Als erstes sollte der Patient mit Hilfe des Therapeuten und einem Spiegel – Selbstkontrolle zu Hause möglich - das Körpergefühl dafür entwickeln, wie sich der Unterschied zwischen dem “saloppen” Sitzen und einer aktiven aufrechten Sitzhaltung anfühlt. Beim saloppen Sitzen hängt man im passiven Stützapparat der Wirbelsäule, was zu einer erhöhten Druckbelastung der Bandscheiben und der Bänder in der Lendenwirbelsäule führt. Zusätzlich können bei der „Rundrückensitzhaltung“ durch die Überstreckung der Halswirbelsäule Nackenschmerzen entstehen.

Ausgangsstellung: Sitz auf einem Hocker oder Stuhl

Ziele:

  • Erlernen des aufrechten Sitzens
  • Ökonomische Anspannung der Haltemuskulatur
  • Druckentlastung der Bandscheiben

Übungsausführung:

  • Die Füße stehen fest auf dem Boden, Hüft- und Kniewinkel nicht kleiner als 90°, die Beine sind auseinandergestellt
  • Die Mittelstellung zwischen “Hohlkreuz” und “runder Lendenwirbelsäule” finden, auf den Sitzhöckern sitzen
  • Aktives Hochziehen der Beckenbodenmuskulatur
  • Aktives Anspannen der tiefen Bauchmuskulatur
  • Aufrichten des Brustbeins – Goldmedaille zeigen –
  • Schulterblätter in Richtung Hosentaschen
  • Langstrecken des Nackens = Andeutung des Doppelkinns

Selbstverständlich kann dieses aktive Sitzen von einem ungeübten Patienten nicht lange gehalten werden. Durch wiederholtes Üben der aktiven Sitzhaltung wird die Grundspannung der Muskulatur entsprechend aufgebaut und kann dann mit geringerem Kraftaufwand über längere Zeit aktiviert werden. Auf jeden Fall sollte der Bandscheibengeplagte Patient über die Anschaffung eines die Wirbelsäule entlastendes Sitzmöbel für zu Hause und am Arbeitsplatz nachdenken.

Entlastende Tipps:

  • Häufig die Körperhaltung wechseln, Aufstützen auf Lehnen oder Tisch
  • Positionswechsel auf dem Stuhl nach vorne und nach hinten. Nur durch die Kraft der Gesäßmuskeln rutschen ( Schinkenrutschen)
  • den Stuhl frontal zum Gesprächsnachbarn drehen
  • Kissen unter dem Gesäß (ev. ein angeschrägtes Keilkissen) und in der Lendenwirbelsäule zur besseren Unterstützung des Rückens benutzen
  • einen ergonomischen Arbeitsplatz einrichten
  • Beschreibung Sitzmöbel und ergonomischer Arbeitsplatz

Das rückenfreundliche Bücken und Heben

Beim Bücken und vor allem beim Heben mit gebeugtem und zusätzlich gedrehtem Rücken kommt es zu einer massiven Druckerhöhung auf die Bandscheiben.

Dieses haben die meisten Patienten mit lumbalem Bandscheibenvorfall bereits schmerzlich erfahren müssen. Jede Fehlhaltung beim Bücken und Heben kann wieder einen verstärkten Rückenschmerz hervorrufen und im schlimmsten Fall ein Rezidiv des Bandscheibenvorfalls begünstigen. Vor allem das längere arbeiten aus einer gebückten Ausgangsstellung wie im Haushalt, bei der Gartenarbeit oder in bestimmten Berufen und das “falsche Heben und Tragen” schwerer Gegenstände sollte vermieden werden. Daraus sollte allerdings nicht der Schluss gezogen werden, diese Tätigkeiten zu meiden und sich nur noch zu schonen, was schlussendlich nur weiteren Muskelabbau und fortschreitende Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit zur Folge hätte. Die Tätigkeiten müssen nur auf andere Art und Weise durchgeführt werden. Voraussetzung dafür sind allerdings gute Beinmuskulatur und möglichst gesunde Kniegelenke.

Ziele:

  • Erlernen des rückenfreundlichen schmerzfreien Bückens und Hebens
  • Druckentlastung der Bandscheiben beim Bücken und Heben
  • Verhinderung eines Rezidivs (Rückfall)

Ausgangsstellung: Schrittstellung

Ausführung des Bückens:

  1. unter Abstützen auf dem Oberschenkel in den Einbeinkniestand gehen
  2. der Oberkörper wird möglichst gerade nach vorne gebracht
  3. Leichten! Gegenstand aufheben oder z.B. die Schuhe binden
  4. unter erneutem Abstützen auf dem Oberschenkel zurück in den Stand
  5. wenn die Kraft der Beinmuskulatur nicht ausreicht kann man zum Aufstützen beim Rauf- und Runtergehen einen Hocker benutzen
  6. alternativ beim Schuhe zubinden oder Nägel schneiden einen Fuß auf eine Treppenstufe oder den Badewannenrand stellen
  7. Arbeiten am Boden im Vierfüßlerstand (Knieschoner) durchführen

 

Ausgangsstellung: Stand mit breit gegrätschten Beinen, Füße zeigen nach außen

Ausführung des Hebens:

  • möglichst nah an das zu hebende Objekt herangehen und gerade davor stellen
  • beim Beugen der Knie bewegt sich gleichzeitig das Gesäß nach hinten
  • der Oberkörper wird gleichzeitig unter Anspannung der Rumpfmuskulatur aus den Hüftgelenken heraus gestreckt nach vorne gebracht
  • der Gegenstand wird angehoben und nah am Körper getragen
  • den Gegenstand wieder direkt vor dem Körper abstellen
  • der Rückweg erfolgt in umgekehrter Art und Weise
  • beim Tragen die Gegenstände auf 2 Taschen verteilen
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Cave: asymmetrische, einseitige Belastung der Wirbelsäule sollte vermieden werden

Autor: Carla Hötten Schuhmacher Veröffentlicht: 11.08.2009 - Letzte Änderung: 30.03.2024