Ein Hirnabszess ist eine abgekapselte Entzündung im Gehirn. Dabei wird Flüssigkeit im Gewebe eingelagert, was zu einem sogenannten Hirnödem und steigendem Hirndruck führen kann. Die Ursachen sind vielfältig. Symptome können Halbseitenlähmungen sein. Damit Folgeschäden verhindert werden, sollte schnell gehandelt werden. Therapiert wird entweder mit Antibiotika oder operativ. Durch die mögliche Druckerhöhung sind können die Folgen sehr vielfältig sein.
Bei einem Hirnabszess handelt es sich um eine abgekapselte Entzündung im Gehirn. Die Kapsel besteht dabei aus neu gebildetem Gewebe (Granulationsgewebe), welches im Rahmen der Abwehr der Krankheitserreger und des Heilungsprozesses natürlicherweise entsteht. In der Kapsel kommt es zu einer Zerstörung der vorhandenen Zellen und zur Bildung von Eiter. Durch den Entzündungsvorgang wird Flüssigkeit im umliegenden Gewebe eingelagert, was zu einem sogenannten Hirnödem führt. Dieses Hirnödem kann den Hirndruck (siehe: Erhöhter Hirndruck) steigern – ein für den Patienten potentiell gefährlicher Prozess.
Ein Hirnabszess kann unterschiedliche Ursachen haben. Die Möglichkeiten reichen von einer Infektion mit verschiedenen Krankheitserregern, über verletzungs- oder operationsbedingte Entzündungen, bis hin zu verschleppten Infektionen des Atemtraktes oder des Herzens.
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Die Ursachen von einem Hirnabszess sind vielseitig, lassen sich aber hauptsächlich in drei Gruppen einteilen.
Durch die Fortleitung einer Entzündung der Nasennebenhöhlen (Sinusitis), des Mittelohrs (Otitis media) oder bestimmter ohrnaher Schädelknochenstrukturen (Mastoiditis) kann sich im Vorder- oder Seitenlappen des Gehirns ein Abszess bilden. Die Erreger stammen dabei am häufigsten aus der Gruppe der Strepto- und Staphylokokken und sind kugelförmige Bakterienarten. Auch Bakterien der Gattung Bacteroides, die beispielsweise auch in unserer natürlichen Darmflora vorkommen und wichtig für den Menschen sind, können an falscher Stelle – im Gehirn – für einen Hirnabszess verantwortlich sein. Menschen mit geschädigtem Immunsystem sind auch anfällig für sonst seltene Krankheitserreger. Bei ihnen kann der Hirnabszess durch eine Pilzinfektion oder Toxoplasmose verursacht werden. Seltener kann eine andere Erkrankung wie eine Lungenentzündung (Pneumonie) oder eine Herzklappenentzündung (Endokarditis) für einen Hirnabszess verantwortlich gemacht werden.
Neben den erregerbedingten Hirnabszessen spielen noch die traumatischen Abszesse, welche durch Verletzungen oder Eingriffe wie Operationen entstanden sind, eine Rolle.
Bei manchen Patienten (10 – 20%) kann auch nach intensiver Diagnostik keine Ursache für den Hirnabszess gefunden werden. Das nennt der Arzt einen kryptogenen Hirnabszess.
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Die Symptome bei einem vorliegenden Hirnabszess sind sehr eindrücklich und verschlechtern sich mit der Zeit zunehmend. Da sich der Abszess zumeist nur auf einer Seite des Gehirns befindet, entsteht eine sogenannte Halbseitensymptomatik, eine Hemiparese. Dabei sind bestimmte Muskeln oder ganze Extremitäten (Arme und Beine) einer Körperhälfte teilweise oder vollständig gelähmt und somit bewegungsunfähig.
Außerdem kann der untersuchende Arzt durch einen Blick in die Augen des Patienten eine Stauungspapille beobachten. Das ist eine Hervorwölbung des Sehnervs im Augenhintergrund, welche durch eine Augenspiegelung (Funduskopie) gesehen werden kann. Sie entsteht durch das Hirnödem.
Ein weiteres auffälliges Symptom ist die Bewusstseinseintrübung oder der gänzliche Bewusstseinsverlust. In diesem Stadium sollte schnell gehandelt werden, damit Folgeschäden verhindert werden können. Der untersuchende Arzt sollte auch auf Infektionen achten, die ursächlich für einen Hirnabszess sein können, so zum Beispiel bekannte Entzündungen der Atemwege und Entzündungen oder Verletzungen im Gesicht oder am Kopf.
In seltenen Fällen tritt ein sogenannter Meningismus auf, ein starker Schmerz bei aktiver Beugung des Kopfes in flacher Lage des Patienten. Der Meningismus ist eigentlich ein Symptom einer Gehirnhautentzündung, kann aber auch bei randständiger Lage des Abszesses neben starken Kopfschmerzen Hinweis für einen Hirnabszess sein.
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Einen Hirnabszess kann man im CT (Computertomographie) oder MRT (Magnetresonanztomographie) gut von anderen Erkrankungen des Gehirns unterscheiden. Die Darstellung der Kapsel ist sehr eindrücklich und lässt sich oftmals einwandfrei als Hirnabszess identifizieren.
Im CT-Bild, was meist mit Kontrastmittel durchgeführt wird, stellt sich eine ringförmige Struktur dar, die viel heller als das umliegende Hirngewebe ist (hyperdens = große Dichte der Struktur). Das Gewebe in der Kapsel, der Eiter, ist aufgrund seiner flüssigen Form dunkler als das umliegende Gewebe (hypodens = geringe Dichte der Struktur).
Auch bei der Anfertigung eines MRT-Bilds wird normalerweise Kontrastmittel (siehe: MRT mit Kontrastmittel - ist das gefährlich?) eingesetzt, wenn Verdacht auf das Vorliegen eines Hirnabszesses besteht. Die Kernspintomographie (MRT vom Kopf) hat besonders im frühen Stadium – der Abszessbildung – eine höhere Diagnoserate als die Computertomografie und kann deswegen zur Früherkennung eingesetzt werden.
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Neben der CT- und MRT-Bildgebung stehen dem untersuchenden Arzt außerdem noch eine spezielle Szintigrafie und das EEG (Elektroenzephalogramm) für die Diagnosestellung zur Verfügung.
Im Frühstadium eines Hirnabszesses ist noch keine Kapsel um die Entzündung vorhanden. Der Therapieeinstieg erfolgt deswegen zunächst mit einer intensiven Gabe von Antibiotika.
Hat sich bereits eine Kapsel um den Hirnabszess gebildet oder schreitet der Krankheitsprozess trotz Antibiose fort, reicht eine medikamentöse Behandlung nicht mehr aus. Der Hirnabszess wird mit einem hochmodernen Operationsverfahren (stereotaktische Punktion) millimetergenau angestochen (punktiert), um einerseits eine Druckentlastung zu bewirken und andererseits eine Drainage, einen schlauchförmigen Abfluss für den Eiter, zu legen.
Die operative Entfernung von Hirnabszessen (Totalexstirbation) mit Öffnung des Schädelknochens (Kraniotomie) wird nur bei sehr oberflächlicher Lage erwogen, kann aber auch unbedingt notwendig sein, wenn sich beispielsweise ein Fremdkörper (Knochensplitter, Metallteil usw.) in der Abszesskapsel befindet. Das kann nach einer Verletzung des Kopfes der Fall sein.
Vor und nach jeglichen Operationen werden dem Patienten Antibiotika in hohen Dosierungen verabreicht, um die Ausbreitung der Entzündung zu verhindern und die verursachenden Erreger abzutöten. Wird die Antibiose nicht speziell auf den Erreger abgestimmt, wird normalerweise mit drei verschiedenen Antibiotika gearbeitet: Metronidazol, einem Cephalosporin der 3. Generation und einem Antibiotikum gegen Staphylokokken wie Methicillin oder Vancomycin. Vancomycin wird vor allem bei Verdacht auf einen multiresistenten Bakterienstamm eingesetzt, bei dem viele andere Antibiotika keine Wirkung zeigen würden.
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Da ein Hirnabszess eine sehr invasive Krankheit des Gehirns darstellt, versterben 5 – 10 % der Patienten trotz bestmöglicher Behandlung. Besonders die Druckerhöhung im Schädel kann zu lebensbedrohlichen Einklemmungen des Mittelhirns oder des Stammhirns führen – Beide sind Hirnteile zur Steuerung lebenswichtiger Prozesse.
Wird die Erkrankung lebend überstanden, wie es beim Großteil der Betroffenen der Fall ist, erholt sich die Hälfte der Patienten vollständig. Die Dauer des Heilungsprozesses kann individuell schwanken.
Die andere Hälfte trägt bleibende Schäden vom Hirnabszess. Diese können sich in einer weiter bestehenden Symptomatik, wie einer dauerhaften Hemiparese (Halbseitenlähmung) zeigen oder als Ausfälle anderer Hirnregionen, wo der Abszess sesshaft war. Durch den erhöhten Hirndruck, der die diagnostisch wichtige Stauungspapille verursacht (Beschreibung, siehe „Symptome“), kann der Sehnerv so weit beeinträchtigt werden, dass es zu sogenannten Gesichtsfeldausfällen kommt. Das sind Sehstörungen, bei denen sich das vom Auge erfassbare Bild verkleinert. Die Diagnostik einer Gesichtsfeldeinschränkung ist schwierig, da der Patient meist davon nichts mitbekommt – er sieht keine dunklen oder schwarzen Bereiche in seinem Sichtfeld, es werden schlichtweg keine Reize an das Gehirn weitergeleitet. Eine weitere Folge eines Hirnabszesses, die etwa ein Viertel aller Patienten betrifft, sind epileptische Anfälle. Durch die Narbe, die durch die Heilung entsteht, kommt es zu Fehlerregungen im Gehirn, in deren Rahmen der Patient unter Epilepsie leiden kann.
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