Das Ehlers-Danlos-Syndrom umfasst eine heterogene Gruppe von Erkrankungen, die durch Symptome der Bindegewebsschwäche gekennzeichnet sind. Betroffen sind vor allem die Haut durch Hyperelastizität, erhöhte Verletzbarkeit und abnorme Wundheilung, innere Organe durch Darm- und Arterienrupturen, die Gelenke durch Hyperflexibilität und häufige Luxationen und Wirbelsäulenveränderungen.
Das Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS) fasst eine Gruppe von heterogenen, genetischen Bindegewebserkrankungen zusammen, die durch Störungen der Synthese des Kollagens, ein Strukturprotein des Bindegewebes, bedingt sind und charakteristische Symptome an der Haut, Gelenke und inneren Organen aufweisen.
EDS, Ehlers-Danlos-Meekeren-Syndrom, Van-Meekeren-Syndrom, Fibrodysplasia elastica generalisata, Dermatolysis, Cutis hyperelastica, „Gummihaut“, u.a.
Franz.: Laxité articulaire congénitale multiple
Engl.: Danlos’ syndrome, Meekeren-Ehlers-Danlos syndrome, Chernogubov's syndrome, Sack’s syndrome, Sack-Barabas syndrome, Van Meekeren’s syndrome I
Russisch: Tschernogubow-Syndrom
Durch die gestörte und verminderte Kollagensynthese sind beim Ehlers-Danlos-Syndrom die Teile des Körpers betroffen, die besonders bindegewebsreich sind: die Haut, Gelenke und Blutgefäße. Da die Festigkeit des Bindegewebes fehlt, ist es überdehnbar und zerreisst sehr schnell, was vor allem bei Blutgefäßen zu kleinen, manchmal aber auch zu massiven Blutungen führen kann. Eine wichtige Komplikation ist die Bildung von Aussackungen der Gefäße, sog. Aneurysmen, mit der Gefahr einer Ruptur.
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Das Hauptsymptom der Haut ist die ausgeprägte Cutis hyperelastica, die seitlich am Hals, über Gelenken und auch im Gesicht bis zu 4cm oder mehr abgehoben werden kann. Nach dem Loslassen schnellt sie sofort in ihre Ausgangsposition zurück, weshalb sie auch den Namen „Gummihaut“ trägt. Generell ist die Haut fühlbar dünn (zigarettenpapierartige), weich und samtartig („Marshmallow-Haut“).
Wunden zeigen eine verzögerte Wundheilung, sodass Nähte 3- bis 4-mal länger bis zur Verheilung benötigen. Aus den Nähten entwickeln sich oftmals atrophe bzw. hypertrophe, minderwertige Narben. Zusätzlich kommt es zur Bildung von flüssigkeitsgefüllten (sukkulenten) Aussackungen der Haut (molluskoide Pseudotumoren) an stark beanspruchten Körperarealen, wie Knie- und Ellenbogengelenk, zur Enstehung von Knöchelpolstern („knuckle pads“) an Hand- und Fußrücken und von Knötchen an der Ferse.
Die Gelenke sind überstreckbar (Hyperflexibilität), oft in ungewollte Richtungen beweglich und es fehlt ihnen an Festigkeit aufgrund gelockerter Gelenkbänder (Bandlaxizität). Dadurch können ungewöhnliche Bewegungen ausgeführt werden, wie man sie von „Schlangenmenschen“ kennt. Die Gelenke neigen zu Verrenkungen (Luxationen) und Fehlstellungen. Betroffen sind besonders die Schulter- und Sprunggelenke, die Kniescheibe (Patella), das Kiefergelenk (Temporo-mandibulargelenk) und seltener auch das Ellenbogengelenk. Die Dokumentation einer Überbeweglichkeit der Gelenke (Hypermobilität) erfolgt durch den Score nach Beighton, der bei 5 von 9 möglichen Punkten eine Hypermobilität bestätigt.
Weitere Symptome der Gelenke sind generalisierte Gelenkbeschwerden, chronische Nackenschmerzen, Rücken- und Hüftschmerzen, Gelenk- und Muskelschmerzen, die schwer therapierbar sind. Manchmal lassen sich auch Schmerzpunkte („tender ponits“) ermitteln, die definiert sind als ein Bereich, der auf Druckbelastung mit 4 kg oder weniger schmerzhaft reagiert. Zusätzlich besteht aufgrund verminderter Knochenmasse verbunden mit einer abnormen Knochenstruktur eine erhöhte Frakturgefahr.
Aufgrund der Brüchigkeit des Bindegewebes der Blutgefäße besteht eine ausgeprägte Neigung zu Hämatomen, spontan oder in der Folge von Traumata,
vorwiegend an verletzungsgefährdeten Arealen. Im Anschluss kommt es in den betroffenen Bereichen zu einer typischen braunen Pigmentierung.
Nach Verletzungen beobachtet man eine Neigung zu verlängerter Blutung bei normwertigen Gerinnungswerten. Die Brüchigkeit größerer Blutgefäße kann ausgelöst durch Anstrengung, Unfälle, Schwangerschaft oder Geburt zu massiven, lebensgefährlichen Blutungen führen.
Da auch andere Bindegewebsstrukturen minderwertig sind, kann es zu Eingeweidebrüchen (Hernien/Leistenbruch)), Wirbelsäulenverkrümmungen (Skoliose), Risse (Ruptur) des Darms und der Gebärmutter (Uterus), Aussackungen (Aneurysma) von Blutgefäßen und Einengung der Lunge durch freie Luft im Brustkorb (Pneumothorax) kommen.
In seltenen Fällen sind im Zusammenhang mit dem EDS Augenveränderungen wie Hornhautverkrümmung (Astigmatismus) oder grüner Star (Glaukom) zu beobachten.
Die Diagnose erfolgt aufgrund des klinischen Erscheinungsbildes, der Symptome, und wird durch eine Familienuntersuchung (Familienanamnese) ergänzt. Zusätzlich kann eine Hautbiopsie gemacht werden, bei der das entnommene Hautgewebe mithilfe eines Elektronenmikroskops untersucht und deren Kollagenstruktur beurteilt wird. Die Differenzierung in die verschiedenen Typen des Ehlers-Danlos-Syndroms erfolgt mittels Sequenzanalyse der DNA.
Typ I,II: Klassischer Typ; Erbgang: autosomal-dominant; Hauptsymptome: Hyperelastizität und –fragilität der Haut, atrophe Narbenbildung, Gelenkhypermobilität; Ursache: Kollagen-V-Bildungsstörung
Typ III: Hypermobiler Typ; Erbgang: autosomal-dominant; Hauptsymptome: generalisierte Gelenkhypermobilität, Hautbeteiligung (Hyperelastizität und/oder weiche verletzliche Haut); Ursache: Kollagen-V-Bildungsstörung
Lesen Sie mehr zu diesem wichtigen Typen unter: Ehlers-Danlos-Syndrom Typ III
Typ IV: Vaskulärer Typ; Erbgang: autosomal-dominant; Hauptsymptome: dünne durchscheinende Haut, Rupturen der Arterien, des Darms und des Uterus, ausgeprägte Hämatomneigung; Ursache: Kollagen-III-Bildungsstörung
Typ V: entspricht Typ I
Typ VI: Kyphoskoliotischer Typ; Erbgang : autosomal-rezessiv; Hauptsymptome: verminderte Spannung der Muskulatur schon bei Geburt („floppy-infant“), verzögerte Entwicklung von Halte- und Stützreflexen, Seitverbiegung der Wirbelsäule (Skoliose), Ursache: Mangel an Lsyslhydroxylase
Typ VII A/B: Arthrochalastischer Typ; Erbgang: autosomal-dominant; Hauptsymptome: schwere generalisierte Hypermobilität der Gelenke mit wiederholten Luxationen, angeborene, beidseitige Hüftluxation; Ursache: Bildungsstörung des Kollagens Typ I
Typ VII C: Dermatosparaktischer Typ; Erbgang: autosomal-dominant; Hauptsymptome: ausgeprägte Hautfragilität, hängende Haut, Ursache: Mangel an N-terminaler Prokollagen-I-Peptidase
Weder eine kausale noch eine symptomatische Therapie ist derzeit möglich, deshalb steht die Prophylaxe von Folgeschäden im Vordergrund. Dabei sollten Verletzungen und größere Belastungen der Gelenke vermieden werden. So sollten bestimmte Sportarten, die mit einem erhöhten Verletzungsrisiko einhergehen, nicht ausgeübt werden. Durch das erhöhte Risko von Komplikationen bei Schwangerschaft und Geburt bei den Typen I, II, IV und VI ist eine engmaschige Überwachung erforderlich.
Ebenso sollte bei Erkältungen auf hustenstillende Therapie und generell auf die Regulierung der Stuhlkonsistenz geachtet werden, da so eine Ruptur des Dickdarms (Colonruptur) und ein Pneumothorax vermieden werden können. Durch frühzeitige Krankengymnastik kann vor allem bei Kindern eine Stabilisierung der überdehnbaren Gelenke erreicht werden, was zur Linderung der Beschwerden des gesamten Bewegungsapparates führt.
Wunden müssen besonders sorgfältig gepflegt werden und Operationen sollten nur im Notfall durchgeführt werden, weil die Wundheilung 3- bis 4-mal langsamer als üblich benötigt.
Die Ursache der Erkrankung ist ein Gendefekt. Es kommt zu einer Veränderung (Mutation) der Gene, die das Strukturprotein Kollagen auf dem menschlichen Erbgut, der DNA, beschreiben. Durch die Mutation kommt es zu einem veränderten Aufbau und/oder zu einer reduzierten Synthese des Kollagens, was zu einer verminderten Festigkeit des gesamten Bindegewebes führt.
Bei den Typen I und II handelt es sich um eine Mutation in dem Gen Kollagen V, bei dem Typen IV um eine Mutation in Kollagen III.
Das Ehlers-Danlos-Syndrom ist selten. Die Prävalenz liegt in der Gesamtbevölkerung bei 1:5000; darunter sind 90% von den Typen I, II und III betroffen (zu je 30%), und ca. 10% vom Typ IV. Die übrigen Formen sind nur selten zu beobachten.
Die Typen I-III werden autosomal-dominat vererbt, d.h. es muss nur ein defektes Gen vorhanden sein, damit die Krankheit ausbricht. Die anderen Typen werden autosomal-rezessiv, d.h. es müssen zwei defekte Gene vorhanden sein, oder X-chromosomal, d.h. Übertragung über ein Geschlechtschromosom, vererbt.
Patienten mit Ehlers-Danlos-Syndrom haben in der Regel eine normale Lebenserwartung. Jedoch verläuft die Krankheit progredient, führt also zu einer immer weiteren Verschlechterung des Gesundheitszustandes. Wunden der Haut und Luxationen der Gelenke beeinträchtigen die Lebensqualität der Patienten, während Rupturen der großen Gefäße lebensbedrohlich sein können.
Das Ehlers-Danlos-Syndrom ist eine chronische Erkrankung, für die es bis heute keine ursächliche Behandlung und somit auch keine Heilung gibt. Das bedeutet, dass man nach heutigem Stand der Medizintechnik keine Möglichkeit hat, etwas gegen die Ursachen des Ehlers-Danlos-Syndroms zu tun und es vollständig zu heilen. Auch ist man leider noch immer nicht in der Lage, die auftretenden Symptome zu bekämpfen und zu therapieren. Man kann den betroffenen Patienten lediglich dazu anhalten, im Alltag stets darauf zu achten, die Gelenke nicht zu stark zu belasten und Verletzungen der Haut nach Möglichkeit zu vermeiden. Operative Eingriffe sollten nur im Notfall und wenn keine adäquaten Alternativen bestehen vorgenommen werden.
Sie verläuft in den meisten Fällen progredient mit einer zunehmenden Verschlechterung der Symptome und Beeinträchtigungen im Alltag der Patienten. Je nachdem welcher Erkrankungstyp vorliegt, hat die Erkrankung unterschiedliche Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen. Die Veränderungen an den Gelenken führen mitunter schon im frühen Kindesalter zu Arthrosen und Arthritis, sodass die Kinder später Laufen lernen und die Füße sich eventuell fehlbilden können. Durch das erhöhte Risiko einer Netzhautablösung oder einer Netzhautblutung ist auch das Sehvermögen gefährdet.
Wie stark die Symptome bei jedem einzelnen im Endeffekt ausgeprägt sind, ist stark vom Typ des Ehlers-Danlos-Syndroms abhängig und auch innerhalb der einzelnen Subtypen variieren sie mitunter stark. Bei den meisten Typen des Ehlers-Danlos-Syndroms ist die Lebenserwartung normal. Bei Patienten mit dem Ehlers-Danlos-Syndrom Typ IV, der die Gefäße betrifft, ist die Lebenserwartung aufgrund schwerwiegender Komplikationen, wie beispielsweise der Gefahr einer spontanen Ruptur einer Arterie, besonders der Hauptschlagader (med. Aortenriss) oder des Dickdarms allerdings deutlich verkürzt.
Bei Frauen beträgt sie etwa 37 Jahre und bei Männern 34 Jahre.
Auch beim Ehlers-Danlos-Syndrom Typ VI ist von einer reduzierten Lebenserwartung auszugehen.
Erstmals beschrieben wurde das Ehlers-Danlos-Syndrom im Jahre 1668 von Job Janszoon von Meekeren (1611-1666), ein Chirurg aus Amsterdam. Er hatte das Symptom der abnormen Überdehnbarkeit an einem Spanier entdeckt, der seine Kinnhaut bis zu den Augen und bis über die Brust ziehen konnte. Allerdings beobachtete er keine weiteren Auffälligkeiten.
Erst 1891 erstellte der Dermatologe Tschernogubow eine komplette Beschreibung des Krankheitsbildes einschließlich der Gelenk- und Gefäßbeteiligung, weshalb in der russischen medizinischen
Fachliteratur bis heute die Bezeichnung „Tschernogubow-Syndrom“ üblich ist.
Weitere Beschreibungen folgten 1901 durch den dänischen Dermatologen Eduard Ehlers (1863-1937) und 1908 durch den Pariser Hautarzt Henri A. Danlos (1844-1912). Erst 1933 konnte sich „Ehlers-Danlos-Syndrom“ als die Bezeichnung der Krankheit durchsetzen.
1949 gab es erste Erkenntnisse über die familiäre Häufung der Erkrankung und 1972 wurde ein Zusammenhang genetischer Fehler mit dem Ehlers-Danlos-Syndrom entdeckt. 1986 wurde eine vorläufige Klassifikation in 10 Typen festgelegt, die 1997 in eine vereinfachte Version mit der Unterteilung in sechs Haupttypen geändert wurde.
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