Dranginkontinenz

Bei der Dranginkontinenz leiden die Betroffenen unter häufigem Harndrang, nächtlichem Wasserlassen und unfreiwilligem Urinverlust.

Dranginkontinenz

Synonyme

Überaktive Blase

Definition

Bei einer Dranginkontinenz handelt es sich um eine Blasenentleerungsstörung, bei der sich der Blasenmuskel unwillkürlich bereits bei einer geringen Füllmenge zusammenzieht.

Einleitung

Der Begriff „Dranginkontinenz“ beschreibt einen Symptomkomplex, bei dem die Betroffenen unter häufigem Harndrang bereits bei geringen Blasenvolumina, nächtlichem Wasserlassen und unfreiwilligem Urinverlust leiden.

Jedes dieser Symptome im Einzelnen und vor allem die Kombination dieser Beschwerden stellen für die betroffenen Personen eine große Belastungsprobe dar.
Aufgrund des nicht zu unterdrückenden Harndrangs kommt es bei den betroffenen Personen häufig zu einem unfreiwilligen Urinverlust.
Je nach Ausprägung der Dranginkontinenz kann selbst der gewöhnliche Tagesablauf nicht länger absolviert werden.

Im Allgemeinen kann davon ausgegangen werden, dass vor allem Männer unter Dranginkontinenz leiden. Bei Frauen sind andere Formen der Harninkontinenz hingegen wesentlich häufiger.
Beim männlichen Geschlecht stellt die Dranginkontinenz in jedem Lebensalter die häufigste Form der Harninkontinenz dar.

Bei Frauen unter 50 Jahren hingegen, lässt sich wesentlich häufiger eine sogenannte Belastungsinkontinenz beobachten.
Erst nach dem vollendeten 50. Lebensjahr steigt die Wahrscheinlichkeit der Entstehung einer Dranginkontinenz bei Frauen.
Sowohl die Harninkontinenz im Allgemeinen, als auch die Dranginkontinenz im Besonderen sind in der heutigen Gesellschaft durch eine starke Tabuisierung gekennzeichnet.

Da die Fähigkeit zur Kontrolle der Blasenmuskulatur einen Meilenstein in der frühkindlichen Entwicklung darstellt, kann ein Kontrollverlust für die betroffenen Personen psychisch sehr belastend sein. Personen, welche die Kontrolle über die Blase verlieren, beginnen häufig damit, sich aus Schamgefühl zu isolieren.

Auf Grund der weit verbreiteten Verheimlichung dieser Thematik, ist es besonders schwierig, genaue Angaben über die Häufigkeit der Dranginkontinenz zu treffen.
Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass allein in Deutschland ungefähr sechs bis acht Millionen Menschen unter Harninkontinenz leiden.
Zudem lässt sich beobachten, dass die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Dranginkontinenz mit steigendem Lebensalter zunimmt.

Lesen Sie hierzu auch unseren Artikel Blasenschwäche.

Ursachen

Die Ursachen für das Auftreten einer Dranginkontinenz können vielfältig sein.
Im Allgemeinen muss bei einer bestehenden Dranginkontinenz zwischen der motorischen und sensorischen Erkrankungsform unterschieden werden.

Die motorische Dranginkontinenz entsteht vor allem durch eine unkontrollierbare Kontraktion des Musculus detrusor vesicae (Synonym: Harnaustreiber).
Bei diesem Muskel handelt es sich um ein grob gebündeltes Netz glatter Muskelzellen, die in die Blasenwand eingelassen sind.
Die Kontraktion des Detrusor-Muskels führt zu einer Entleerung der Harnblase (sogenannte Miktion).

Grund für die bei der mechanischen Dranginkontinenz auftretenden unkontrollierten Kontraktionen ist der Ausfall der zentralen Hemmung des Blasenmuskels.
Die motorische Dranginkontinenz beruht demnach keinesfalls darauf, dass das Gehirn falsche Impulse bezüglich des Füllungsstandes der Harnblase erhält.
Motorische Formen der Dranginkontinenz lassen sich vor allem bei Personen, die an neurologischen Erkrankungen leiden, beobachten.

Typischerweise kommt es vor allem bei Morbus Parkinson, Morbus Alzheimer und Polyneuropathien zur Ausbildung einer mechanischen Dranginkontinenz. Darüber hinaus kommen verschiedene Hirntumore als Ursache für die Entstehung einer Dranginkontinenz in Frage.

Die sensorische Dranginkontinenz hingegen beruht auf einer Verstärkung der zum Gehirn aufsteigenden Impulse der Harnblasenwand. Typischerweise wird aus diesem Grund schon bei einem geringen Blasenvolumen das Signal einer vollständig gefüllten Blase ans Gehirn gesendet.

Die betroffenen Personen leiden in Folge dessen schon bei kleinen Urinvolumina unter ausgeprägtem Harndrang.
Eine unkontrollierte Kontraktion des Musculus detrusor vesicae kann bei der sensorischen Dranginkontinenz nicht beobachtet werden.
Häufige Ursachen für diese Form der Dranginkontinenz sind Tumore, Blasensteine oder entzündliche Prozesse.

Bei der Drangkontinenz gilt die Tatsache, dass nur bei etwa 20 Prozent der betroffenen Patienten tatsächlich eine Ursache gefunden werden kann. In den meisten Fällen bleibt die Genese der Dranginkontinenz unklar.

Symptome

Personen, die unter Dranginkontinenz leiden, beschreiben typischerweise ein ausgeprägtes Harndranggefühl.
Darüber hinaus kommt es im Zuge der Erkrankung zu immer wieder auftretendem unwillkürlichen Urinverlust. In der Regel bemerken Personen, die an einer Dranginkontinenz leiden, eine deutlich erhöhte Frequenz des Wasserlassens.

Je nach Ausprägung der Erkrankung berichten die Betroffenen davon, mehr als acht mal täglich die Toilette aufsuchen zu müssen.
Bei jedem Gang zur Toilette können jedoch nur kleinste Mengen an Urin ausgeschieden werden. Häufig kommt vor dem Gang zur Toilette bereits zum Harnverlust.

Des Weiteren lässt sich beobachten, dass Personen mit Dranginkontinenz auch häufig unter nächtlichem Harndrang leiden.
Der klassische Dranginkontinenz-Patient muss pro Nacht mehr als einmal die Toilette aufsuchen.
Dieses Phänomen wird im Allgemeinen als „Nykturie“ bezeichnet.
Bei älteren Patienten kann gerade der nächtliche Harndrang problematisch sein. Grund dafür ist die Tatsache, dass ältere Personen durch den nächtlichen Harndrang häufig nur bedingt wach werden.
Auf dem Weg zur Toilette kann es aus diesem Grund gehäuft zu Stürzen mit weitreichenden Folgen kommen.

Diagnose

Auf Grund der unterschiedlichen Formen der Harninkontinenz kann eine geeignete Behandlung nur nach einer ausführlichen ärztlichen Diagnostik eingeleitet werden.

Im Rahmen der Diagnostik muss ermittelt werden, welche Form der Harninkontinenz beim Betroffenen vorliegt und wie ausgeprägt die Beschwerden bereits sind.
Besonders problematisch ist vor allem die Tatsache, dass die meisten Patienten erst einen Arzt aufsuchen, wenn der Leidensdruck unerträglich geworden ist.
Die Furcht vor Untersuchungen und die Scheu davor, die vorliegenden Beschwerden einem Facharzt gegenüber zu beschreiben führen dazu, dass zumeist erst sehr spät eine geeignete Behandlung eingeleitet werden kann.

Die Diagnostik bei Verdacht auf das Vorliegen einer Dranginkontinenz umfasst mehrere Schritte.
In der Mehrheit der Fälle kann die Harninkontinenzerkrankung bereits während eines ausführlichen Arzt-Patienten-Gesprächs (Anamnese) als solche diagnostiziert werden.

Vor allem die sogenannte „Miktionsanamnese“, die verschiedene Fragen bezüglich des Harnverhaltens umfasst, spielt in der Diagnostik eine entscheidende Rolle. Darüber hinaus können die Lebensgewohnheiten des Patienten einen Hinweis auf mögliche Risikofaktoren liefern.

Bei Frauen, die womöglich unter einer Dranginkontinenz leiden, sind zudem der Menstruationszyklus, die Wechseljahre beziehungsweise das Einsetzen der Menopause, Schwangerschaften und Geburten wichtige Gesprächsinhalte.

Darüber hinaus ist das Protokollieren der Toilettengänge ein wichtiger Bestandteil der Basisdiagnostik bei Verdacht auf Dranginkontinenz. Betroffene Personen sollten über einen Zeitraum von zwei bis drei Tagen Anzahl der Toilettengänge und die Urinmenge notieren.

Im Anschluss an das Arzt-Patienten-Gespräch folgt eine körperliche Untersuchung.
Die klinische Diagnostik umfasst eine äußerliche Begutachtung des Bauches, die Untersuchung der äußeren Geschlechtsorgane, eine rektale Untersuchung und den sogenannten Hustentest.

Bei diesem Test wird ermittelt, ob der betroffene Patient bei mittlerer Blasenfüllung unter Belastung (also beim Husten) Urin verliert. Dies würde weniger auf eine Dranginkontinenz, als vielmehr auf eine Belastungsinkontinenz hinweisen.

Sollte sich der Verdacht auf das Vorliegen einer Dranginkontinenz erhärten, müssen dringend weitere diagnostische Maßnahmen in die Wege geleitet werden.

Zu den wichtigsten Methoden in der weiterführenden Diagnostik bei Verdacht auf Dranginkontinenz zählen

Therapie

Die Behandlung der Dranginkontinenz richtet sich maßgeblich nach der zugrunde liegenden Erkrankung. Die Behandlung der Erkrankung, die zur Dranginkontinenz führt, ist demnach obligat.

Falls keine direkte Ursache für die Entstehung der Dranginkontinenz gefunden werden kann, sollte eine medikamentöse Therapie eingeleitet werden.
Die Dranginkontinenz wird in der Regel mit Arzneimitteln therapiert, welche die parasympathische Innervation des Musculus detrusor vesicae hemmen oder unmittelbar am Blasenmuskel ansetzen.

Aus diesem Grund ist die Einnahme von sogenannten Parasympatholytika, Beta-Sympathomimetika oder trizyklischen Antidepressiva.
In Fällen, in denen eine rein sensorische Dranginkontinenz, ohne unwillkürliche Kontraktionen des Blasenentleerungsmuskels vorliegt, kann die Behandlung hingegen komplizierter sein.

Tritt eine Dranginkontinenz bei Frauen in Kombination mit Erkrankungen der inneren weiblichen Geschlechtsorgane auf, ohne dass eine Überaktivität des Musculus detrusor vesicae nachgewiesen werden kann, so kann die lokale Anwendung von Östrogenen unter Umständen zur Linderung der Beschwerden führen.

Darüber hinaus sollte die medikamentöse Therapie der Dranginkontinenz stets durch ein Blasentraining oder eine Psychotherapie ergänzt werden.

Vorbeugung

Ob sich die Entstehung einer Dranginkontinenz tatsächlich vorbeugen lässt, ist bislang eher umstritten. Dennoch sollten bestimmte Maßnahmen bei gefährdeten Personen frühzeitig ergriffen werden.

Da jede Form der Harninkontinenz häufig durch einen schwachen Beckenboden provoziert wird, sollten bereits junge Frauen damit beginnen, die Muskulatur zu stärken.
Je früher die Beckenbodenmuskulatur trainiert wird, desto geringer ist auch der Schaden.
In diesem Zusammenhang können sowohl gezielte Gymnastik, als auch regelmäßiges Reiten die Beckenbodenmuskulatur effektiv trainieren.

Darüber hinaus erhöht chronischer Husten ständig den Druck auf den Beckenboden und die Muskulatur der Blasenwand. Da Raucher besonders häufig unter chronischem Husten leiden, sollten gefährdete Personen unbedingt frühzeitig das Rauchen einstellen.

Des Weiteren kann übermäßiges Körpergewicht den Beckenboden belasten.
Adipöse Menschen sind aus diesem Grund nachweißlich deutlich gefährdeter eine Dranginkontinenz zu entwickeln. Zudem lässt sich häufig beobachten, dass viele Menschen mit Harninkontinenz absichtlich viel zu wenig trinken.
Auf diese Weise versuchen sie die Dranginkontinenz zu verringern. Tatsächlich kann eine dauerhafte zu geringe Trinkmenge die Harninkontinenz zusätzlich verschlimmern.

Nur das regelmäßige Füllen der Harnblase kann die Blasenmuskulatur trainieren. Wenn die Blase jedoch nur noch wenig gefüllt wird, kann sich ihr Fassungsvermögen im Laufe der Zeit deutlich verringern.

Darüber hinaus führt die Reduktion der täglichen Trinkmenge nachweislich zu einer Erhöhung der Gefahr für die Entstehung von Infektionen. Grund dafür ist die Tatsache, dass bakterielle Erreger nicht mehr ausgespült werden und sich in Blase und Harnröhre ansiedeln können.

Prognose

Sowohl der Verlauf, als auch die Prognose der Dranginkontinenz hängen in hohem Maße von der ursächlichen Erkrankung ab.
Da die Behandlung der Grunderkrankung einen wichtigen Pfeiler in der Behandlung der Dranginkontinenz darstellt, ist die Prognose dieser Form der Harninkontinenz bei bekannter Genese wesentlich besser.
Darüber hinaus spielt auch das Alter des betroffenen eine entscheidende Rolle.

Vor allem bei Betroffenen, die das 70. Lebensjahr vollendet haben, lässt sich die Dranginkontinenz nur noch bedingt behandeln. Aus diesem Grund ist es für die betroffenen Patienten wichtig, dass das nächtliche Wasserlassen auf kurzem Wege ermöglicht werden kann.

Ein sogenannter Toilettenstuhl, der in der Nähe des Bettes positioniert werden sollte, kann oftmals Abhilfe schaffen.

Weitere Informationen

Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie unter:

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 29.10.2015 - Letzte Änderung: 22.10.2021