Der Protein S-Mangel ist eine relativ seltene vererbbare Erkrankung, bei der die körpereigene Blutgerinnung überschießt. In der Folge kommt es bei Betroffenen zu einem erhöhten Thromboserisiko. Die Therapie zielt darauf ab, dieses Risiko vor allem in Risikosituationen zu minimieren, durch Stützstrümpfe oder auch medikamentös.
Beim Protein-S-Mangel handelt es sich um eine angeborene Erkrankung des körpereigenen Blutgerinnungssystems, welche durch einen Mangel an dem gerinnungshemmendem Protein S entsteht. Diese Erkrankung ist mit einer Verbreitung von circa 0,7 bis 2,3% in der Normalbevölkerung relativ selten. Protein S wird in der Regel in der Leber gebildet und sorgt mit weiteren gerinnungshemmenden Faktoren dafür, dass die Bildung eines Blutgerinnsels auf den Ort der Gefäßverletzung beschränkt bleibt.
Tritt ein Mangel dieses Proteins auf, überwiegen die für die Blutgerinnselbildung verantwortlichen Faktoren, so dass das Krankheitsbild zum Beispiel mit einer erhöhten Neigung zur Gerinnselbildung innerhalb intakter Blutgefäße einhergeht. Die Patienten weisen ein erhöhtes Risiko auf, eine Beinvenenthrombose oder einen durch ein Gerinnsel verursachten akuten Verschluss eines beliebigen Blutgefäßes zu erleiden.
Dieses Gerinnsel (Thrombus) kann dabei auch lebensnotwendige Gefäße verschließen, sodass eine Mangel-/Minderversorgung davon abhängiger Organe zu Gewebsuntergang zum Beispiel im Herz, der Lunge, dem Gehirn oder dem Darm führen kann.
Meist fallen die Patienten durch ein frühes Auftreten venöser Blutgerinnsel zwischen dem 15. und 45. Lebensjahr auf. Vor allem Frauen erleiden unerwartet und ohne vorher Kenntnis über ihre Erkrankung zu haben, eine Thrombose (Gefäßverschluss durch ein Blutgerinnsel), gehäuft in den tiefen Beinvenen.
Dies tritt meist in Risikosituationen unter anderem während der Einnahme von Östrogenen (Anti-Baby-Pille), Hormonpräparate gegen Wechseljahrsbeschwerden) oder Schwangerschaft auf, da diese zusätzlich mit einer Abnahme der Protein-S-Konzentration einhergehen.
Weitere Risikofaktoren eine tiefe Beinvenenthrombose zu erleiden, die beide Geschlechter gleichermaßen betreffen, sind:
Die Erkrankung kann lediglich durch eine Analyse des Patientenblutes erkannt werden. Steht der Verdacht einer erhöhten Gerinnungsneigung eines Patienten im Raum, erfolgt in der Regel eine venöse Blutabnahme und anschließend die labortechnische Analyse der Aktivität der sich im Blut befindlichen gerinnungshemmenden Faktoren, wie Protein S.
Zu beachten ist unter anderem, dass Protein S und die anderen Faktoren nur eine kurze Halbwertszeit haben, also ihre Aktivität nur innerhalb eines relativ kurzen Zeitfensters nachgewiesen werden kann, sodass es wichtig ist lange Transportwege zu einem Labor zu vermeiden. Es wird dementsprechend empfohlen, diese Untersuchungen bei einem Spezialisten mit angeschlossenem Labor oder im Krankenhaus durchführen zu lassen.
Des Weiteren ist die Synthese von Protein S und Protein C ebenfalls Vitamin-K-abhängig, so dass eine bereits vorliegende Medikation mit Vitamin-K-Antagonisten (Gegenspieler), wie zum Beispiel Marcumar, zu falsch niedrigen Werten führen kann.
Außerdem ist zu bedenken, dass die Konzentration an Protein S bei Frauen im Vergleich zu gleichaltrigen Männern grundsätzlich etwa zwanzig Prozent geringer ist und im Zusammenhang mit erhöhten Östrogenspiegeln (beispielsweise bei Einnahme der Anti-Baby-Pille oder Hormonpräparaten während den Wechseljahren), sowie während und kurzzeitig nach einer Schwangerschaft zusätzlich erniedrigt sein kann.
Daher wird ein Mindestabstand von acht Wochen nach der letzten Einnahme des Vitamin-K-Antagonisten, sowie dem Ende des Einflusses durch Östrogen empfohlen.
Die Erkrankung beruht auf einem vererbten genetischen Defekt, was die Behandlung erschwert, da es nicht möglich ist die zugrundeliegende Ursache zu therapieren.
Die Behandlung orientiert sich deshalb hauptsächlich am Zustand des Patienten, wobei symptomlose Betroffene, die noch keine Thrombose erlitten haben keine dauerhafte Medikation benötigen. Ihnen wird jedoch angeraten, im Falle einer oben beschriebenen Risikosituation ihre behandelnden Ärzte über das Vorliegen der Krankheit zu informieren, so dass eine ausreichende Versorgung mit gerinnungshemmenden Medikamenten, wie Heparin, erfolgen kann.
Meist bleiben die Patienten über Jahre unauffällig und die Erkrankung wird erst nach Auftreten einer ersten Thrombose diagnostiziert. Dies bedeutet jedoch, dass diesen Betroffenen zur Vorbeugung einer erneuten Gerinnselbildung eine Therapie mit einem die Gerinnung hemmenden Medikament anzuraten ist.
Da im Rahmen der Synthese wichtiger Gerinnungsfaktoren Vitamin K benötigt wird, bietet sich zu einer längerfristigen Behandlung der Einsatz von Vitamin-K-Antagonisten (Antagonist = Gegenspieler), wie zum Beispiel Marcumar, an. Diese verdrängen Vitamin K aus der Synthese der für die plasmatischen Gerinnung benötigten Faktoren, so dass die fehlende hemmende Wirkung von Protein S und C nicht mehr „ins Gewicht“ fällt.
Bei bekanntem Vorliegen eines Protein-S-Mangels bei Schwangeren wird eine engmaschigere Beobachtung und gegebenenfalls eine Behandlung mit gerinnungshemmenden Medikamenten, während der Schwangerschaft empfohlen, um das Risiko einer Thrombose und damit einhergehender Schwangerschaftskomplikationen zu vermeiden.
Im Vergleich zu anderen Krankheitsbildern ist bisher kein positiver Einfluss auf die Gerinnungshemmung im Rahmen einer speziellen Diät nachweisbar gewesen.
Ärzte empfehlen jedoch bei Vorliegen von starkem Übergewicht eine Umstellung der Ernährung auf eine vollwertige, vitaminreiche, möglichst mediterran angehauchte Kost mit dem Ziel einer generellen Gewichtsreduktion. Dies wirkt sich grundsätzlich positiv auf das Herz-Kreislauf-System aus, hat jedoch keinen speziellen vorbeugenden Nutzen im Rahmen eines Protein-S-Mangels.
Um einer Thrombose vorzubeugen ist regelmäßige sportliche Betätigung sowie das Tragen von Stütz-/Kompressionsstrümpfen vor allem in Risikosituationen, wie typischerweise einer langen Flug-/Busreise, sehr empfehlenswert.
Hat der Betroffene bereits eine Thrombose erlitten, sollte sich dieser genauestens an die Anweisungen seines Arztes halten, und gewissenhaft die verschriebenen Medikamente einnehmen, um das Wiederauftreten zu verhindern. Um das Auftreten einer häufigen Komplikation einer erfolgten Thrombose (dem sogenannten Postthrombotischen Syndrom) entgegenzuwirken, sollte der Patient täglich Kompressionsstrümpfe tragen.
Grundsätzlich ist das Krankheitsbild des Patienten unabhängig vom Vorliegen der verschiedenen Unterformen. Man spricht jedoch von drei Subtypen, die sich diagnostisch unterscheiden lassen:
Die Blutgerinnung teilt sich in den zellulären Anteil, welcher durch die Zusammenlagerung, Vernetzung und Aktivierung von Thrombozyten (Blutplättchen) geprägt ist, sowie dem plasmatischen Teil, währenddessen Blutbestandteile ein Art Netz bilden, indem sich zirkulierende rote Blutkörperchen (Erythrozyten) verfangen und das Gerinnsel damit stabilisieren.
Beim gesunden Menschen kommt es lediglich nach Verletzung eines Gefäßes zur Bildung eines Blutgerinnsels; dabei werden Fasern (bestehend aus Kollagen), welche sich außerhalb des Gefäßes befinden, freigelegt, an die sich Blutplättchen anlagern und damit einen ersten, instabilen Verschluss der Wunde induzieren.
Diese Anhaftung (Adhäsion) löst die Thrombozytenaktivierung aus, welche zur Freisetzung verschiedener Stoffe, wie Calcium und Thromboxan führt. Thromboxan unterstützt den Verschluss der Wunde durch die Vermittlung einer lokalen Gefäßverengung; Calcium hingegen ist essentiell für die Funktion verschiedener Faktoren der plasmatischen Gerinnungsphase.
Im Rahmen ihrer Aktivierung verändern die Plättchen außerdem ihre Struktur, so dass die Oberfläche der Thrombozyten zunimmt und deren Zusammenlagerung eine etwas höhere Stabilität aufweist.
Die endgültige Stabilität des Gerinnsels wird erst im Rahmen des plasmatischen Anteils gesichert, wobei infolge der Aktivierung der sogenannten Gerinnungskaskade (bestehend aus verschiedenen Vitamin-K-abhängigen Faktoren) durch Einlagerung roter Blutkörperchen und der Quervernetzung der Blutplättchen untereinander, der Thrombus bis zum endgültigen Verschluss der ursprünglichen Wunde stabilisiert wird. Im Rahmen der Wundheilung wird das Blutgerinnsel zunehmend abgebaut, so dass schlussendlich der Defekt durch neues Gefäßgewebe verschlossen wird.
Liegt keine Verletzung vor, kann es trotzdem zur Induktion der Blutgerinnung kommen, was der Körper wirkungsvoll mithilfe eines gegensätzlichen Systems verhindern kann; es herrscht ein ständiges Gleichgewicht zwischen Gerinnselbildung und -abbau, welches streng kontrolliert wird.
Die Gerinnselbildung wird durch verschiedene Faktoren gehemmt, die die Effektivität der Thrombusbildung herabsetzen und somit die Bildung eines Gerinnsels innerhalb eines unverletzten Blutgefäßes verhindern.
Zu diesen Faktoren gehört unter anderem ein Komplex bestehend aus Protein S und Protein C, welche im Zusammenspiel eine hemmende Wirkung auf die Stabilisierung des primären Blutgerinnsels in der plasmatischen Phase der Blutgerinnung ausüben.
Hierbei ist zu beachten, dass Protein C grundsätzlich in seiner aktiven Form vorliegt und somit die hemmende Aktivität der beiden Proteine lediglich von der Aktivierung und Zusammenlagerung mit Protein S abhängt.
Leidet ein Patient nun an einem Mangel des Protein S, ist die hemmende Wirkung von Protein S und Protein C herabgesetzt beziehungsweise kann theoretisch komplett entfallen, so dass das Risiko für die Bildung eines Thrombus ohne Vorliegen einer Gefäßverletzung erhöht ist.
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Da die Erkrankung nicht gekoppelt an die Geschlechtschromosomen vererbt wird, sind Frauen und Männern gleichermaßen betroffen.Des Weiteren spricht man von einem dominanten Erbgang, da bereits eine Veränderung auf nur einem der beiden verantwortlichen Gene zur Ausprägung des Mangels führt.
Die Wahrscheinlichkeit ebenfalls das genetische Merkmal eines Protein-S-Mangels zu tragen, beträgt infolgedessen für erstgradig Blutsverwandte Betroffener (Eltern, Kinder, Geschwister) 50 Prozent. Da der Mangel an sich jedoch nicht automatisch mit der Ausprägung einer Thrombose einhergeht, werden viele Patienten erst nach Jahrzehnten erkannt.
Ist das Vorliegen eines Mangels innerhalb der Familie bekannt, kann eine Untersuchung Verwandter ersten Grades, vor allem weiblicher Familienmitglieder im gebärfähigen Alter oder vor einer Therapie mit Östrogenen (weiblichen Geschlechtshormonen) durchaus sinnvoll sein. Eine Untersuchung ist im Normalfall ohne Probleme ab dem sechsten Lebensmonat möglich, wobei man in der Regel von "Screening-Untersuchungen" bei Vorliegen eines bekannten Falles innerhalb der Familie absieht.