Die Myasthenia gravis ist eine Autoimmunkrankheit mit zunehmender Muskelermüdung, die chronisch fortschreitend zu Lähmungen der Muskulatur führt. Eine heilende (kurative) Behandlung der Myasthenia gravis gibt es nicht. Um das Fortschreiten aufzuhalten kommt Kortison zum Einsatz.
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Die Myasthenia gravis ist eine Erkrankung der Schaltstelle zwischen Nerv und Muskel (neuromuskuläre Endplatte; Siehe Anatomie Muskulatur) aus dem Formenkreis der autoaggressiven Krankheiten. Das Immunsystem der Betroffenen produziert (Auto-) Antikörper gegen die Rezeptoren (Empfänger) für den Botenstoff, der die Übersetzung eines Nervenimpulses in eine mechanische Aktion (Muskelkontraktion) anstößt. Dies führt zu einer fortschreitenden Zerstörung dieser Rezeptoren mit der Folge, dass auf einen Nervenimpuls eine immer schwächere Muskelaktion erfolgt (Muskelschwäche).
Unbehandelt verläuft die Myasthenia gravis in unterschiedlichem Maße fortlaufend und unter Umständen tödlich durch Befall der Atemmuskulatur. Durch medikamentöse Maßnahmen, das Immunsystem der Betroffenen zu beeinflussen, kann der Krankheitsfortschritt verlangsamt oder sogar aufgehalten werden. Andererseits gibt es viele gängige Medikamente (z. B. Narkosemittel), die die Symptomatik einer Myasthenia gravis verschlechtern können, so dass es den Betroffenen anzuraten ist sich einen „Myasthenie-Pass“ ausstellen zu lassen, um Ersthelfer und Therapeuten von diesem Umstand in Kenntnis zu setzen.
Die Myasthenia gravis ist eine Autoimmunerkrankung, die zu fortschreitenden Schäden an der Übergangsstelle zwischen Nerven und Muskel führt. Die Zerstörung von Rezeptoren für den Botenstoff an der Kopplungsstelle bewirkt krankhaft gesteigerte Ermüdbarkeit und Schwäche der betroffenen Muskeln.
Die Myasthenia gravis tritt mit einer Häufigkeit von 4 – 10/100000 auf, die Erkrankung tritt gehäuft entweder im Alter von 20 – 40 Jahren oder im Alter von 60 – 70 Jahren auf, sehr selten auch einmal im Kindesalter. Frauen sind häufiger betroffen als Männer.
Ursächlich für die Myasthenia gravis ist ein autoaggressiver Vorgang des Immunsystems, bei dem das Immunsystem Antikörper gegen Rezeptoren der neuromuskulären Endplatte herstellt.
In vielen Fällen wird eine Veränderung des Thymus (immunologisches Organ in der Kindheit, das sich im Erwachsenenalter üblicherweise zurückbildet) nachgewiesen.
Wie bei vielen Autoimmunkrankheiten besteht eine gewisse erbliche Komponente. In seltenen Fällen können Symptome einer Myasthenia gravis auch im Zusammenhang mit anderen Erkrankungen auftreten, z. B. Schiddrüsenüberfunktion, rheumatoide Arthritis oder anderen autoimmunologischen Erkrankungen. Psychischer und körperlicher Stress sowie Zweiterkrankungen können die Symptomatik der Myasthenia gravis verstärken.
Die Erkrankung beginnt meist an Stellen, wo an einem neuromuskulären Übergang eine relativ kleine Anzahl an Muskelfasern von einem Nerven versorgt wird. Dies ist der Fall bei Muskeln, die fein abgestimmte Bewegungen ermöglichen sollen, so z. B. die Augenmuskulatur. Die betroffene Muskulatur zeigt bei Beanspruchung eine Tendenz zu vorschneller Ermüdung, die Symptome verschlechtern sich dementsprechend im Lauf des Tages und bei mehrmaliger Ausführung einer Bewegung.
Dies äußert sich z. B. im zunehmenden Hängen eines oder beider Oberlider (Ptosis) beim Blick nach oben (=Simpson-Test), frühzeitig zeigen sich auch Doppelbilder beim Seitwärtsblick durch Befall der Augenmuskulatur. Weitere früh betroffene Muskelgruppen sind die Gesichts-, Schlund- (während der Mahlzeit zunehmende Schluckbeschwerden) und Kaumuskulatur. Die Sprache kann verwaschen erscheinen, das Gesicht der Betroffenen schlaff und die Mimik spärlich.
Nach Alter beim Eintritt oder Schwere der Symptomatik werden klinisch verschiedene Einteilungen vorgenommen.
Im weiteren Verlauf zeigen sich vorschnelle Ermüdbarkeit und Schwäche bei Belastung auch an den Gliedmaßen, so können Erkrankte Schwierigkeiten beim Treppensteigen oder einen watschelnden Gang aufweisen. Der Befall der Atemmuskulatur kann auch krisenhaft, plötzlich, auftreten (myasthene Krise) und ist eine sehr ernste Komplikation der Myasthenia gravis.
Insgesamt zeigt die Erkrankung eine sehr große Variabilität im Erscheinungsbild: selbst bei einzelnen Betroffenen wechseln die betroffenen Muskelgruppen, die auslösende Belastung und die Stärke der Symptome.
Die wichtigste Differentialdiagnose ist das Lambert-Eaton-Syndrom, das insbesondere begleitend bei Tumorerkrankungen auftritt. Symptomatik und Krankheitsmechanismus sind grundsätzlich ähnlich, allerdings zeigen sich in der Blutuntersuchung andere Antikörper als bei der Myasthenia gravis, auch das Bild im Elektromyogramm (Elektromyographie/ EMG) ist ein anderes.
Desweiteren kommen theoretisch andere Erkrankungen des Nervensystems und der Muskulatur wie Multiple Sklerose, Muskeldystrophien oder Poliomyositis („Polio“) infrage, die z. T. ähnliche Symptome wie die Myasthenia gravis aufweisen. Meist sind diese Erkrankungen schon durch eine sorgfältige Erhebung der Krankengeschichte und körperliche Untersuchung auszuschließen.
Zur grundlegenden Diagnostik gehören die Erhebung der Krankengeschichte, die körperliche Untersuchung mit neurologischem Schwerpunkt und der „Tensilon-Test“.
Beim Tensilon-Test wird ein Medikament verabreicht, dass hemmend auf das Enzym wirkt, welches normalerweise für den Abbau des Botenstoffes an der Nerv-Muskel-Schaltstelle zuständig ist. Dadurch wird die Verfügbarkeit des Botenstoffes an der neuromuskulären Endplatte drastisch erhöht und die Symptome der Myasthenia gravis gehen innerhalb kürzester Zeit für etwa 5 Minuten deutlich zurück.
Bei der Untersuchung der elektrischen Aktivität des Muskels im Elektromyogramm (EMG) zeigt sich ein charakteristisches Bild (Abnahme der Höhe der Ausschläge bei anhaltender Belastung).
Im Blut können bei 80 – 90% der Betroffenen Antikörper gegen die Botenstoff-Rezeptoren an der neuromuskulären Endplatte festgestellt werden. Gelingt dies nicht, muss eine Gewebeprobe der Muskulatur entnommen werden, um sie mikroskopisch zu untersuchen. Um das Vorliegen einer Thymus-Veränderung auszuschließen, wird ein Röntgenbild des Brustkorbes angefertigt.
Grundlage der Therapie ist die Beeinflussung des Immunsystems der Patienten mit Cortison (Kortison) oder anderen Wirkstoffen, die die Antikörperproduktion gegen die Botenstoff-Rezeptoren drosseln. Symptomatisch werden Hemmstoffe für das Botenstoff-abbauende-Enzym verabreicht, in der myasthenen Krise werden selbige intravenös gegeben. Diese Hemmstoffe sind nicht völlig unproblematisch, da eine Überdosierung zu einer ernsten „cholinergen Krise“ führen kann, die sich klinisch wie eine Vergiftung mit Unkrautvernichter äußert (Übelkeit, Erbrechen, Muskelkrämpfe, Schwitzen).
Sollte in der abklärenden Untersuchung tatsächlich eine Vergrößerung oder Veränderung des Thymus nachgewiesen werden, wird dieser in der Regel operativ entfernt, was zu einer ursächlichen Besserung der Symptomatik führen kann. In diesem Fall kann versucht werden, die immunsuppressive Therapie nach 2 – 4 Jahren schrittweise zu beenden.
Die Erkrankung verläuft langsam fortschreitend, in 10 – 20% der Fälle immer noch tödlich. Bleibt die Erkrankung auf einzelne Muskelgruppen beschränkt, ist die Prognose gut. Der Kontakt zu Interessenverbänden ist Betroffenen anzuraten, um Informationen zum Leben mit der Erkrankung auszutauschen und sich einen „Myasthenie-Pass“ zu besorgen, der im Notfall Helfer und Therapeuten über das Vorliegen der Erkrankung informiert.
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