Die heparininduzierte Thrombozytopenie ist eine seltene, aber teilweise gefährliche Komplikation bei Heparingabe.
Ein Abfall in der Zahl der Bluttplättchen, durch die Gabe von Heparin wird als heparininduzierten Thrombozytopenie (HIT) bezeichnet. Man unterscheidet dabei zwei Formen, die nicht-immunologische (HIT Typ I) und die durch Antikörper bedingte Form (HIT Typ II).
Das Wort Thrombozytopenie bezeichnet einen Mangelzustand an Thrombozyten, also Blutplättchen. Die Wortbestandteile „thrombos“, „kytos“ und „penia“ stammen aus dem Griechischen und bedeuten übersetzt: Klumpen, Gefäß/Hülle und Mangel.
Thrombozyten übernehmen eine wichtige Rolle in der Blutgerinnung, denn sie haften sich an verletzte Stellen der Blutgefäße an und verschließen die Verletzung durch gegenseitiges Aneinanderheften. Zusätzlich setzen sie gerinnungsfördernde Substanzen frei. Normalerweise hat der Mensch zwischen 150 000 und 450 000 Thrombozyten pro Mikroliter Blut. Wenn weniger Thrombozyten vorhanden sind spricht man von einer Thrombozytopenie.
Eine heparininduzierte Thrombozytopenie (abgekürzt: HIT) ist eine seltene, aber gefürchtete mögliche Nebenwirkung des gerinnungshemmenden Mittels Heparin, bei der die Anzahl der Thrombozyten durch das Heparin abfällt.
Genau Angaben bezüglich der Häufigkeit sind schwer zu treffen. Allerdings ist davon auszugehen, dass jeder zehnte Patient, der mit Heparin behandelt wird, Antikörper bildet.
Eine Typ II Reaktion tritt bei etwa 3% auf, die mit unfraktioniertem Heparin behandelt werden und nur bei 0,1% der Patienten, die mit niedermolekularem / fraktioniertem Heparin behandelt werden.
Somit ist eine heparininduzierte Thrombozytopenie vom Typ II bei Patienten mit fraktioniertem Heparin 30 mal seltener als bei Patienten mit unfraktioniertem. Aus diesem Grund sollten die Patienten vorzugsweise mit fraktioniertem Heparin behandelt werden, um eine HIT II zu vermeiden.
Diese Form ist die häufigste HIT mit einem frühen Beginn und einem eher milden Verlauf. Sie betrifft ca. 1 -5% der Patienten, die mit unfraktionierten Heparin behandelt werden.
Bei der nichtimmunologischen Frühform der heparininduzierten Thrombozytopenie tritt kein massiver Abfall der Thrombozyten auf, sie gehen maximal um 30% des Ausgangswertes zurück.
Verantwortlich dafür ist die Wirkung des Heparins auf die Blutplättchen, denn es aktiviert die Thrombozyten direkt. Dadurch setzen sie gerinnungsfördernde Botenstoffe frei, die zur Anlagerung weiterer Thrombozyten führen. In der Regel normalisieren sich die Thrombozytenzahlen nach einigen Tagen spontan wieder, auch wenn die Therapie mit Heparin fortgesetzt wird. Bei dieser Form von HIT in der Regel keine Thrombosen auf und die Anzahl der Thrombozyten sinkt nicht unter 80 000 pro Mikroliter.
Patienten, die mit fraktionierten, niedermolekularen statt unfraktionierten Heparinen behandelt werden, zeigen deutlich weniger eine HIT Typ I.
Der zweite Typ der heparininduzierte Thrombozytopenie zeigt sich meist etwas später, kann dafür aber lebensbedrohlich verlaufen. Betroffen sind etwa 1 % der Patienten, die per Infusion mit unfraktionierten Heparinen behandelt werden.
Unbehandelt versterben 30% der Patienten an den Folgen einer heparininduzierte Thrombozytopenie vom Typ II, mit alternativen gerinnungshemmenden Medikamenten sind es mit acht bis zwanzig Prozent immer noch vergleichsweise viele Patienten.
Der Typ II basiert auf einer Antikörperbildung gegen den im Körper entstehenden Komplex zwischen Heparin und dem Protein Plättchenfaktor 4. Bei Patienten, die noch nicht sensibilisiert sind treten die Symptome zwischen dem fünften und zwanzigsten Tag nach Beginn der Heparingabe auf. Bei vorbestehender Sensibilisierung sind die Antikörper aus einer vorherigen Heparintherapie und der entsprechenden Reaktion schon vorhanden und die Typ II heparininduzierte Thrombozytopenie manifestiert sich innerhalb weniger Stunden.
Der Thrombozytenabfall ist deutlich gravierender als bei der heparininduzierten Thrombozytopenie vom Typ I, denn der Abfall ist meist größer als 50% des Ausgangswertes und es verbleiben nur weniger als 100 000 Thrombozyten pro Mikroliter.
Bei einer Behandlung mit fraktionierten Heparinen taucht die HIT Typ II im Gegensatz zur unfraktionierten Heparingabe, etwa 30 mal weniger auf.
Heparininduzierte Thrombozytopenien entstehen entweder als nicht-immunologische, ungefährliche Frühform (Typ I) oder basieren auf der Bildung von Antikörper gegen den Plättchenfaktor 4/ Heparin-Komplex (Typ II). Diese führen zur Verklumpung des Blutes und die Blutplättchen werden sozusagen „weggefangen“ oder „eingefangen“, sie können nicht mehr ihrer natürlichen Funktion nachgehen.
Unfraktionierte Heparine haben ein höheres Risiko eine HIT auszulösen, als beispielsweise Clexane, ein niedermolekulares, fraktioniertes Heparin.
Keine Symptome treten meist bei der heparininduzierte Thrombozytopenie vom Typ I auf, der Abfall der Thrombozyten normalisiert sich spontan wieder. Deshalb verläuft dieser Typ meist so ab, dass der Betroffene ihn gar nicht bemerkt.
Der massive Rückgang der Anzahl der Blutplättchen bei einer Typ II heparininduzierten Thrombozytopenie führt oftmals zu ausgeprägten Symptomen des Mangelzustands.
An der Injektionsstelle des Heparins können Hautnekrosen bemerkt werden, die Haut verfärbt sich bläulich-schwarz. Es ist Ausdruck des Zelltods an dieser Stelle.
Durch die heparininduzierte Thrombozytopenie werden die Thrombozyten aktiviert und verklumpen, es kommt zu Thrombosen (Gerinnseln) in den Blutgefäßen. Dadurch kann das zu versorgende Gewebe nicht mehr richtig mit Blut und Nährstoffen aus dem Blut versorgt werden und trägt massive Schäden davon. Wenn nicht rechtzeitig gehandelt wird, kann es notwendig werden, die betroffenen Gliedmaßen zu amputieren.
Wenn sich die Thrombosen in Organen manifestieren können Schlaganfälle, Herzinfarkte oder eine Lungenembolie entstehen, die lebensbedrohlich sind.
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Das Spektrum der Symptome zeigt, wie gefährlich eine heparininduzierte Thrombozytopenie vom Typ II werden kann.
Nachgewiesen wird eine heparininduzierte Thrombozytopenie vor allem im Blutbild. Dort lässt sich der Thrombozytenabfall messen. Ein Abfall um mehr als 50 Prozent ist alarmierend, die Werte sinken meist unter 100 000 Thrombozyten pro Mikroliter.
Eine genauere Abschätzung, ob eine HIT vom Typ II vorliegt, kann mit Hilfe des sogenannten 4 T-Scores getroffen werden.
Wichtige Parameter sind hierbei die verbliebende Anzahl der Thrombozyten (Thrombozytopenie), die vergangene Zeit zwischen Beginn der Heparingabe und dem Beginn des Abfalls (Timing des Abfalls), wie gravierend die Komplikationen sind, also ob eine Thrombose, Nekrose der Einstichstelle oder andere Manifestationen vorliegen und, ob mögliche andere Gründe für die Thrombozytopenie in Betracht kommen.
Es werden null bis zwei Punkte vergeben. Je höher die Gesamtanzahl der Punkte ist, desto wahrscheinlicher ist das Vorliegen einer heparininduzierten Thrombozytopenie vom Typ II.
Neue Methoden, der sogenannte ELISA oder HIPA-Test, ermöglichen den Nachweis von Antikörpern. Ein positives Testergebnis spricht bei gleichzeitigem Thrombozytenabfall für eine HIT, ein negativer Test schließt es hingegen aus. In Deutschland wird vor allem der HIPA-Test (Heparininduziertes Pättchenaktivierungsassay) verwendet.
Der wichtigste Schritt zur Therapie ist das sofortige Absetzen des Heparins bei dem Verdacht auf eine Typ II HIT.
Auch alle anderen Medikamente, die Heparin enthalten dürfen nicht weiter verwendet werden, um die möglichen Komplikationen zu verhindern. Dazu zählen auch heparinhaltige Salben oder Katheterspülungen. Die gerinnungshemmende Therapie muss auf nicht-Heparin basierte Substanzen umgestellt werden, um die Grundkrankheit zu behandeln und vor allem, die durch die HIT entstehenden Durchblutungsstörungen zu vermeiden.
Hierzu wird meistens das Mittel Argatroban (Argatra) verwendet. Das Medikament Danaparoid kann aufgrund seiner strukturellen Ähnlichkeit mit Heparin ebenfalls eine allergische Reaktion hervorrufen. Vor einer Anwendung sollte deshalb geklärt werden, ob die Antikörper, die die HIT ausgelöst haben, auch mit Danaparoid reagieren.
Wenn die HIT schon gravierende Thrombosen ausgelöst hat kann eine Fibrinolyse notwendig werden. Das bedeutet, dass die Blutgerinnsel mittels Medikamenten aufgelöst werden.
Um ein erneutes Auftreten einer heparininduzierten Thrombozytopenie zu verhindern, sollte die Allergie gegen Heparin in den Patientenausweis oder Allergiepass eingetragen werden und bei Neuvorstellungen im Krankenhaus oder beim Arzt nicht unerwähnt bleiben.
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Bei Verdacht auf eine HIT Typ II muss das Heparin sofort abgesetzt werden.
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