Wundheilungsphasen

Als Wundheilungsphasen werden die verschiedenen Stadien bezeichnet, in der die vollständige Heilung einer Wunde von statten geht. Ein gesunder Körper ist in der Lage, Verletzungen durch komplette Neubildung von Gewebe oder Bildung von Ersatzgewebe (Narbengewebe) zu regenerieren.

Ablauf und Dauer der Phasen

Der Beginn der Wundheilung wird durch die direkt nach der Verletzung erfolgende Blutstillung (Hämostase) charakterisiert. Direkt nach der Schädigung des betroffenen Gewebes ziehen sich die Blutgefäße reflexartig zusammen (reflektorische Vasokonstriktion). Dies stillt den Blutfluss und ermöglicht den Verschluss der Wunde durch ein Fibrinnetzwerk. Fibrin ist ein Protein, welches vom Körper gebildet wird und bei Gewebeschäden durch verschiedene Enzyme aus seiner Vorstufe Fibrinogen, die im Blut zirkuliert, freigesetzt wird. Viele Fibrinproteine lagern sich am Ort der Gewebsverletzung zu einem ,,Pfropf“ zusammen und verschließen so die Wunde.

Diese erste Wundheilungsphase ist bereits nach wenigen Minuten (5-10) abgeschlossen.
Nun wandern Zellen des Immunsystems zur Wunde und lösen die Reinigungsphase (auch exsudative Phase) aus. Weiße Blutkörperchen (Leukozyten) und Fresszellen (Makrophagen) beseitigen den Fibrinpfropf und eventuell eingedrungene Keime. Klassische Entzündungszeichen wie Wärme, Rötung und Schmerz treten deshalb vor allem während dieser ca. 3-tägigen Phase auf. Während der darauffolgenden Granulationsphase bilden sich am Ort der Wunde neues Gewebe und neue Blutgefäße. Zunächst wandern Bindegewebszellen (Fibroblasten) ein und heften sich an die Reste des Fibrinnetzes. Dort beginnen sie mit der Bildung von Kollagen, dem Protein, das den Hauptbestandteil unserer Haut und des Bindegewebes ausmacht. Die Kollagenbildung wird aber nicht vollendet, vielmehr entsteht eine Art Füllgewebe, das sogenannte Granulationsgewebe. Wie auch die Reinigungsphase, dauert die Granulationsphase bis zu 3 Tagen. Als letzte Phase schließt sich nach etwa einer Woche die Regenerationsphase an. Kollagen wird nun vollständig gebildet, ebenso wie neue Hautzellen. Je nach Größe und tiefe der Wund kann diese Phase Tage bis Monate andauern.

Granulationsgewebe

Granulationsgewebe bezeichnet das in der Granulationsphase entstehende "Füllgewebe“ einer Wunde. Es verschließt die Wunde und bildet die Grundlage für die Entstehung neuer Hautzellen und Blutgefäße. Äußerlich erscheint diese Gewebeart oft rötlich mit körniger (granulierter) Oberfläche. Darin enthalten sind Bindegewebszellen (Fibroblasten), welche für die Neubildung von Bindegewebe und Haut verantwortlich sind sowie neu entstandene kleinste Blutgefäße (Kapillaren). Bildet sich kein oder nur wenig Granulationsgewebe, können die Wundheilungsphasen nicht vollständig abgeschlossen werden, da durch die fehlenden Gefäße keine ausreichende Sauerstoffversorgung möglich ist. In diesem Fall werden die Wundränder schmierig und verfärben sich stark rot bis bläulich. Abhilfe schafft eine Abschabung der Wundränder mit einem scharfen Löffel (Kürettage), wobei das veraltete Wundgewebe abgetragen wird und so Raum für gesunde Neubildung geschaffen wird.

Wundheilungsphasen beim Knochen

Der Heilungsprozess eines Knochenbruchs (Fraktur) wird in zwei Arten eingeteilt. Bei der primären Knochenheilung haben die Bruchstücke meist noch Kontakt zueinander, der Bruch heilt nach einigen Wochen durch Knochenneubildung. Haben die Bruchenden keinen Kontakt mehr, erfolgt die sekundäre Knochenheilung. Ähnlich wie die Wundheilung, lässt sich auch die sekundäre Knochenheilung in fünf verschiedene Wundheilungsphasen einteilen. Nach der ersten Phase, der Verletzungsphase, in der der Bruch und ein Bluterguss im Knochen entstanden sind, folgt die Entzündungsphase (Phase 2). Fresszellen (Makrophagen), weiße Blutkörperchen (Leukozyten), knochenbildende Zellen (Osteoblasten) und Knorpelbildner (Chondroblasten) beginnen mit dem Abbau des Fibrinnetzes und dem Aufbau von knochenbildendem Protein (Kollagen). Dieser Aufbau neuer Knochen- und Knorpelsubstanz setzt sich in der Granulationsphase (Phase 3) fort. Es entsteht ein ,,Kallus“ (Verdickung aus ,,junger“ Knochensubstanz), welcher sich in der 4. Phase, der ,,Kallushärtung“ immer mehr verdickt. Schlussendlich entsteht aus dem Kallus durch Einwachsen von Blutgefäßen wieder der ursprüngliche Lamellenknochen mit seinen typischen strukturellen Merkmalen, den Knochenkanälchen (längs und quer verlaufende Kanäle im Knochen, die Blutgefäße führen). Nach insgesamt 6 Monaten bis 2 Jahren ist ein Knochen komplett geheilt.

Wundheilungsphasen im Mund

Wunden im Mund weisen neben den typischen Wundheilungsphasen, also Reinigungsphase, Granulationsphase und Regenerationsphase noch eine Besonderheit auf. Die Mundhöhle ist bei gesunden Menschen von einem Speichelfilm überzogen. Im Speichel befinden sich neben Wasser, Schleim und Verdauungsenzymen auch das Protein Histatin. Dieses Protein enthält viel Histamin (eine Aminosäure) und hemmt eingedrungene Keime wie Bakterien oder Pilze an der Ausbreitung. Die Wundheilung im Mund geht aus diesem Grund unkomplizierter von statten, Infektionen sind seltener als an anderen Körperstellen.

Dekubitus

Die Wundheilung eines Dekubitus (durch Druck und Scherkräfte entstandene, großflächige Hautschädigung) folgt, wie die Heilung anderer Wunden den 3 Hauptphasen der Wundheilungsphasen. Da ein Dekubitus aber fast immer an Körperstellen entsteht, die konstantem Druck ausgesetzt sind, zum Beispiel am Steißbein oder den Schulterblättern beim bettlägrigen Patienten, ist diese Art chronischer Wunde extrem langwierig und schwer zu therapieren. Die körpereigene Heilung sollte nach Möglichkeit unterstützt werden, um die Wunde zu schließen.
In der ersten Phase, der Reinigungsphase ist es wichtig, dem Körper dabei zu helfen, die Wunde von Keimen frei zu halten. Verbände, die Blut und Wundsekret schnell aufnehmen sind von Vorteil, müssen aber bis zu sechs mal am Tag gewechselt werden. Nur so werden Bakterien und andere Keime zuverlässig aus der Wunde entfernt. Um die darauffolgende Granulationsphase voranzutreiben, kann der Dekubitus chirurgisch ,,ausgeräumt“ werden. Dabei werden abgestorbene (nekrotische) Hautareale entfernt, bis ein sauberer Wundgrund entstanden ist. Dem Körper wird hierbei die Bildung von Granulationsgewebe, aus dem neue Haut entstehen kann, erleichtert. Abschließend während der Regenerationsphase gilt es, die betroffene Körperstelle möglichst druckarm zu lagern, um die Wundheilung nicht zu stören und einen neuen Dekubitus zu vermeiden. Oft angewendete Hilfsmittel hierbei sind ,,Dekubitusmatratzen“ und häufiges Umlagern des bettlägrigen Patienten. Wird der Körper während der Wundheilungsphasen optimal unterstützt, können auch lange bestehende Dekubiti zur Ausheilung gebracht werden.

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Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 12.11.2015 - Letzte Änderung: 23.06.2022