Das Serotonin-Syndrom ist ein Krankheitsbild, welches auf Grund von Medikamenteninteraktionen entsteht. Diese Interaktionen führen zu einer Erhöhung des Serotoninspiegels im Körper, welcher zu verschiedenen Symptomen führen kann. Besonders häufig tritt das Serotonin-Syndrom bei der Therapie mit Antidepressiva auf.
Das Serotonin-Syndrom, auch serotoninerges Syndrom genannt, ist ein lebensbedrohlicher Zustand, der durch einen Überschuss des Botenstoffes Serotonin zustande kommt. Dieser lebensgefährliche Überschuss entsteht durch eine Überdosierung von Medikamenten oder eine ungünstige Kombination verschiedener Medikamente. Das Serotonin-Syndrom führt zu Symptomen wie Fieber, einer muskulären Überaktivität und psychiatrischen Veränderungen. Die wichtigste Differentialdiagnose ist das maligne neuroleptische Syndrom.
Ein Serotonin-Syndrom entsteht nicht von selbst. Es ist die Folge einer Überdosierung mit Medikamenten, oder einer ungünstigen Kombination verschiedener Medikamente. Der Überschuss an Serotonin kann absichtlich, beispielsweise in der Absicht, sich selbst zu verletzen, oder versehentlich im Rahmen einer ärztlich verordneten oder einer Selbstmedikation entstehen. Meist besteht die Gefahr eines Serotonin-Syndroms bei der Therapie mit Antidepressiva, da diese die Konzentration von Serotonin erhöhen. Wenn nur ein solches Medikament (Monotherapie) eingenommen wird, besteht in der Regel keine Gefahr für ein Serotonin-Syndrom. Werden jedoch mehrere Medikamente gleichzeitig eingenommen, können sie sich gegenseitig beeinflussen (Arzneimittelinteraktion) und so zu einem gefährlichen Serotoninüberschuss führen.
Der Auslöser ist meistens die Kombination des Medikamentes Trancylpromin, das zu der Klasse der Monoaminoxidase-Hemmer gehört, mit anderen Antidepressiva (bspw. Citalopram, Venlafaxin, Clomipramin etc.). Das Medikament Trancylpromin hemmt den Abbau des Serotonins und zählt ebenfalls zu den Antidepressiva. Auch bei der Umstellung von Trancylpromin auf ein anderes Antidepressivum kann ein Serotonin-Syndrom entstehen, wenn zwischen beiden Medikamenten keine zweiwöchige Behandlungspause eingehalten wird. Das liegt daran, dass es circa zwei Wochen dauert, bis die Wirkung des Trancylpromins komplett verschwunden ist. Weitere Medikamente, die in Kombination miteinander die Gefahr für ein Serotonin-Syndrom bergen können, sind Opioidanalgetika (Tramadol, Pethidin, Fentanyl, Methadon), der Hustenstiller Dextrometorphan und Medikamente gegen Übelkeit, wie Ondansetron und Granisetron. Diesen Medikamenten ist gemeinsam, dass sie den Serotoninspiegel auf irgendeine Art und Weise erhöhen. Das bedeutet nicht, dass sie niemals zusammen verwendet werden dürfen, jedoch bedarf es einer strengen Abwägung und genauen Dosierung, um die Risiken zu minimieren. Weiterhin können Drogen wie Ecstasy, Kokain und LSD, insbesondere in Kombination mit Antidepressiva, zu einem lebensgefährlichen Serotonin-Syndrom führen. Auch die Kombination von dem Reserveantibiotikum Linezolid und Antidepressiva gilt als gefährlich und sollte unterlassen werden. Lange Zeit wurde auch vor der Kombination von Antidepressiva mit den Triptanen, welche häufig bei Migräne eingesetzt werden, gewarnt. Das Risiko wird jedoch heute bei guter ärztlicher Betreuung als eher gering eingeschätzt.
Weitere Informationen über Nebenwirkungen von Antidepressiva finden Sie in unserem Artikel Nebenwirkungen von Antidepressiva.
Bei Citalopram handelt es sich um ein sehr häufig verschriebenes Antidepressivum, dass der Klasse der sogenannten Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) zugeordnet wird. Es erhöht den Serotoninspiegel dadurch, dass die Aufnahme des Serotonins in die Zelle gehemmt wird. Abgesehen von Depressionen findet es auch bei anderen psychischen Erkranken wie Angststörungen und Panikstörungen Anwendung. Bei der Einnahme von Citalopram ist zu beachten, dass die gleichzeitige Einnahme von sogenannten Monoaminoxidase-Hemmern streng verboten ist. Dazu gehören die Wirsktoffe Trancylpromin und Moclobemid. Citalopram darf frühestens zwei Wochen nach Absetzen von Trancylpromin und frühestens einen Tag nach der Behandlung mit Moclobemid eingesetzt werden. Ansonsten besteht die Gefahr für ein Serotonin-Syndrom, da auch diese Wirkstoffe die Konzentration des Serotonins erhöhen.
Weitere Informationen über Nebenwirkungen von Citalopram finden Sie in unserem Artikel Nebenwirkungen von Citalopram.
Bei Triptanen handelt es sich um Medikamente, die zur Behandlung der Migräne eingesetzt werden. Sie erhöhen zwar nicht die Konzentration des Serotonins selbst, wirken jedoch an einem wichtigen Serotonin-Rezeptor. Dadurch führen sie typische Wirkungen des Serotonins herbei. Man bezeichnet sie auch als Serotonin-Agonisten. Lange Zeit herrschte eine sehr vorsichtige Haltung bei der Kombination von Triptanen mit Antidepressiva vor. Mittlerweile schätzt man das Risiko für ein Serotonin-Syndrom bei dieser Kombination jedoch als eher gering ein. Patienten, die eine Kombination aus Triptanen und Antidepressiva einnehmen, müssen regelmäßig Rücksprache mit ihrem behandelnden Arzt über Nebenwirkungen und die aktuelle Dosierung halten, sodass die Therapie gut überwacht wird.
Weitere Informationen über die Behandlung von Migräne finden Sie in unserem Artikel Therapie von Migräne.
Der Konsum von Alkohol kann per se noch kein Serotoninsyndrom verursachen. Ein regelmäßiger Alkoholkonsum erhöht jedoch das Risiko für Wechselwirkungen und Nebenwirkungen von Medikamenten. Daher sind gerade Patienten, die mehrere Medikamente einnehmen, dazu angehalten, keinen Alkohol zu konsumieren. Insbesondere bei psychischen Leiden, wie einer Depression oder Angststörungen, verschlechtert Alkohol den Zustand der Betroffenen und stört den Therapieerfolg. Ein hohes Risiko für Wechselwirkungen besteht vor allem dann, wenn mehrere Medikamente gleichzeitig eingenommen werden. Da die genauen Auswirkungen des Alkohols in Kombination mit Medikamenten nicht vorhergesagt werden können, sollte der Konsum unterlassen werden. Die Gefahr für ein Serotonin-Syndrom steigt durch zusätzlichen Alkoholkonsum nur weiter an.
Problematisch ist aber vor allem, dass Ärzte eine Therapie mit Antidepressiva und anderen Medikamenten, die den Serotonin-Spiegel beeinflussen, unter der Bedingung verordnen, dass keine zusätzlichen Medikamente, Drogen oder Alkohol eigenmächtig konsumiert werden. Ist dies jedoch der Fall, sind die Folgen nicht genau abzusehen und vor allen Dingen nicht gut abzufangen. Der Patient begibt sich in eine unkalkulierbare Gefahr.
Weitere Informationen über die Kombination von Alkohol und Antidepressiva finden Sie in unserem Artikel Antidepressiva und Alkohol.
Johanniskraut ist ein pflanzliches Arzneimittel, dass in der Therapie leichter bis mittelschwerer Depressionen eingesetzt wird. Seine Wirkung ist jedoch in Studien sehr umstritten. Als Hauptwirkstoff des Johanniskrauts gilt das Hyperforin, welches wahrscheinlich unter anderem zu einer Erhöhung des Noradrenalin- und Serotoninspiegels führt. Im Grunde ist die Wirkung des Johanniskrauts sehr schwach, die Gefahr für ein Serotonin-Syndrom ist daher gering. Problematisch wird es jedoch, wenn abgesehen von Johanniskraut andere Medikamente eingenommen werden, die den Serotonin-Spiegel erhöhen. Dazu gehören insbesondere andere Antidepressiva, aber auch gewisse Opioidanalgetika, Migränemedikamente oder einige Medikamente gegen Übelkeit. Da Johanniskraut frei verkäuflich ist und somit nicht ärztlich verordnet werden muss, besteht die Gefahr, dass Patienten es ohne ärztliche Absprache einnehmen und sich über Wechselwirkungen mit ihren Medikamenten nicht bewusst sind. Daher sollte die Einnahme von Johanniskraut immer erst nach Rücksprache mit einem Arzt erfolgen, der die restliche Medikation kennt. So kann dieser das Risiko für ein Serotonin-Syndrom abschätzen.
Informationen über Nebenwirkungen von Johanniskraut finden Sie in unserem Artikel Nebenwirkungen von Johanniskraut.
Die Diagnose eines Serotonin-Syndroms wird klinisch gestellt. Das bedeutet, dass keine speziellen Untersuchungen, wie beispielsweise Labortests notwendig sind, um die Diagnose stellen zu können. Allein durch die Symptome (siehe Abschnitt begleitende Symptome) des Patienten und die Kenntnis seiner Medikation lässt sich die Diagnose eines Serotonin-Syndroms ableiten, die sofortigen Handlungsbedarf erfordert. Es existiert kein spezifischer Labortest, der das Vorliegen eines Serotonin-Syndroms beweist. Als wichtige Differentialdiagnose kommt das maligne neuroleptische Syndrom in Betracht.
Ein Serotonin-Syndrom kann sich auf ganz verschiedene Arten äußern. Viele Symptome wirken insbesondere zu Beginn des Syndroms eher unspezifisch. Dazu gehören Fieber und grippeähnliche Beschwerden, die leicht als Virusinfekt verkannt werden können. Auch Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall sind mögliche Anzeichen für ein Serotonin-Syndrom. Weiterhin kann Schwitzen ein Zeichen dafür sein, dass ein Serotonin-Syndrom vorliegt. Ebenso können psychische Auffälligkeiten wie Unruhe, Angst oder Wahnvorstellungen auf ein Serotonin-Syndrom hindeuten.
Prinzipiell sollte gerade bei einer Erhöhung der Dosis einer bestehenden antidepressiven Medikation oder beim Ansetzen weiterer Medikamente Vorsicht geboten werden. Durch gezielte Aufmerksamkeit gegenüber Anzeichen eines Serotonin-Syndroms wird das Risiko minimiert, dieses zu übersehen. Neu aufgetretene Symptome, die sich nicht anderweitig erklären lassen, sollten einen in Kombination mit einer antidepressiven Medikation hellhörig machen.
Das Serotonin-Syndrom verursacht eine Reihe verschiedener Symptome, die verschiedenen Gruppen zugeteilt werden können. Sie beruhen alle auf der gesteigerten Serotoninwirkung.
Zu dieser Gruppe gehören Symptome wie Schwitzen, Fieber und hoher Blutdruck. Da sie zu Beginn einer Grippe ähneln können, werden sie leicht übersehen.
Welche weiteren Ursachen übermäßiges Schwitzen noch haben kann, lesen Sie in unserem Artikel Übermäßiges Schwitzen.
Ein Serotonin-Syndrom kann auch zu Symptomen wie
führen, die ebenfalls eine andere Erkrankung vortäuschen können.
Interessieren Sie sich für Hausmittel gegen Erbrechen? Dann lesen Sie auch unseren Artikel über Hausmittel gegen Erbrechen.
Manche Symptome, die dieser Gruppe zugeordnet werden, sind nur für den Arzt erkennbar. Dazu gehört die sogenannte Hyperreflexie, die eine Verstärkung der Reflexe bezeichnet. Sie kann in der Untersuchung entdeckt werden, fällt jedoch dem Betroffenen nicht direkt auf. Ein weiteres wichtiges Symptom sind unwillkürliche, kurze Muskelzuckungen, die als Myoklonien bezeichnet werden. Außerdem kommt es zu einem Zittern (Tremor) und einer sogenannten Ataxie, welche eine Störung koordinierter Bewegungsabläufe bezeichnet. Die Ataxie ist für Betroffene selbst nicht immer leicht zu erkennen. In ausgeprägten Fällen äußert sie sich in einer Gangstörung und einer Störung der Augenbewegungen. In vielen Fällen bringen jedoch nur gezielte Untersuchungen eine Ataxie ans Tageslicht.
Psychiatrische Symptome: Auch die Psyche ist von einem Serotonin-Syndrom betroffen. Die Symptome können sehr stark, aber auch nur sehr schwach ausgeprägt sein. Sie reichen von leichter Unruhe bis hin zu einem Delir mit Halluzinationen. Weiterhin kann begleitend Angst auftreten. Die Unruhe kann bis zu einem solchen Grad gesteigert sein, dass es für die Betroffenen nicht möglich ist, eine Minute ruhig zu sitzen. Insbesondere die psychischen Symptome verursachen einen hohen Leidensdruck bei den Betroffenen.
Die allerwichtigste Maßnahme bei einem Verdacht auf ein Serotonin-Syndrom ist das sofortige Absetzen aller Medikamente, die dieses verursachen können. Dazu gehören insbesondere Antidepressiva, aber auch gewisse Schmerzmittel (Opioide wie Tramadol, Methadon, Fentanyl, Pethidin), Medikamente gegen Übelkeit vom Setron-Typ (Ondansetron, Granisetron), das Antibiotikum Linezolid und Migränemedikamente wie Triptane und Ergotamin. Es existiert kein Medikament gegen das Serotonin-Syndrom. Im Vordergrund steht die Stabilisierung des Kreislaufs und der Atmung. Leichte Syndrome bessern sich dann meist nach 24 Stunden wird. Problematisch wird es jedoch, wenn das Syndrom durch Medikamente entstanden ist, die eine lange Zeit benötigen, bis sie vom Körper abgebaut werden. Dazu gehört insbesondere die Medikamente Trancylpromin und Fluoxetin, die ebenfalls zu den Antidepressiva zählen. Das Serotonin-Syndrom kann bei solchen Medikamenten selbst nach dem Absetzen mehrere Tage andauern und bedarf einer längeren klinischen Überwachung. Auf keinen Fall darf versucht werden, das Fieber mit fiebersenkenden Medikamenten zu behandeln. Diese sind hier wirkungslos, da die erhöhte Körpertemperatur durch eine überschießende Muskelaktivität zustande kommt. Solche Patienten müssen intensivmedizinisch betreut werden. Zur Beruhigung und symptomatischen Behandlung können Medikamente wie Lorazepam oder Propanolol eingesetzt werden. Bei einem schweren Serotonin-Syndrom kommt auch der Wirkstoff Cyproheptadin zum Einsatz, der als Gegenspieler am Serotonin-Rezeptor wirkt.
Die Dauer des Serotonin-Syndroms ist von Patient zu Patient unterschiedlich. Milde Serotonin-Syndrome klingen nach Absetzen der Medikamente meist innerhalb von 24 Stunden wieder ab. Schwere Syndrome können jedoch bis zu 2 Wochen anhalten. Insbesondere Antidepressiva, deren Wirkung auch nach dem Absetzen noch einige Tage anhält, verursachen bis zum vollständigen Abklingen der Wirkung noch Symptome. Das kann ebenfalls mehrere Tage dauern. Insbesondere Trancylpromin und Fluoxetin sind wichtige Beispiele für solche Medikamente. Die Dauer eines Serotonin-Syndroms kann nicht genau vorhergesagt werden und ist vor allem bei dem Zusammenwirken mehrerer Medikamente schwer abzuschätzen.
Ein früh erkanntes Serotonin-Syndrom hat in der Regel eine gute Prognose. Bei rechtzeitigem Absetzen der Medikamente und klinischer Überwachung klingen die Symptome meist nach 24 Stunden wieder ab. Die Prognose des Serotonin-Syndroms ist jedoch abhängig von der Schwere der Symptomatik und dem Allgemeinzustand des Betroffenen. Es handelt sich um einen potentiell lebensbedrohlichen Zustand und einen der wenigen psychiatrischen Notfälle. Daher darf die Diagnose eines Serotonin-Syndroms nicht unterschätzt werden. Die Prognose der Betroffenen verschlechtert sich insbesondere dann, wenn die Anzeichen übersehen werden und nicht schnell genug gehandelt wird. Daher ist eine Sensibilisierung für das Syndrom sowohl für Patienten mit einer antidepressiven Medikation als auch für die behandelnden Ärzte sehr wichtig.
Ein Serotonin-Syndrom ist eine potentiell lebensbedrohliche Erkrankung, die im schlimmsten Falle tödlich endet. Vor allem schwere Verlaufsformen und spätes Handeln verschlechtern die Überlebenschancen enorm. Es kann zu schweren Schädigungen von Organen wie einem akuten Lungenversagen oder einer Arrhythmie des Herzens kommen.
Eine Arrhythmie ist eine schwerwiegende Rhythmusstörung des Herzens, die in einem Herzstillstand münden kann. Weiterhin kann das Serotonin-Syndrom in ein Nierenversagen oder eine sogenannte DIC (disseminierte intravasale Gerinnung) münden.
Letztere ist eine schwere Störung des Gerinnungssystems, bei der es sowohl zu Blutungen als auch zu Gefäßverschlüssen kommt. Um das Eintreten dieser Komplikationen zu verhindern, sind eine frühzeitige Therapie und schnelles Handeln notwendig.
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