Therapie einer Sucht

Sucht, oder wie es in der Fachsprache heißt, der „schädliche Gebrauch und die Abhängigkeit von psychoaktiven Substanzen“, ist ein gewaltiges Problem, dass sich nicht an Schichten oder Bildungsstandards hält, sondern alle Bevölkerungsschichten betrifft.Fast jeder kennt jemanden, der an jedem Wochenende „mal so richtig voll tankt bis zum Pupillenstillstand“. Auch raucht fast jeder 5. Erwachsene in Deutschland, obwohl mittlerweile den meisten bekannt sein dürfte, was die Folgen sind bzw. sein können. Stoffe, die süchtig machen beeinflussen sowohl Körper, als auch unsere Psyche. Meist sorgen sie dafür, dass man kurzzeitig in einen Zustand kommt, der als schöner, ruhiger oder lockerer erlebt wird, als ohne die Substanzen. Das Problem hierbei ist nur, dass sich Menschen an solche Zustände gewöhnen können und sie so häufig wie möglich erleben wollen. Sie werden abhängig. Ein Sucht wird dabei verneint.

Therapie einer Sucht

Therapie

Das Wichtigste in der Therapie der Sucht ist die Motivation bzw. Änderungsbereitschaft des Kranken. Ohne eine Motivation wird sich die Krankheit niemals nachhaltig therapieren lassen. Der Grund, warum die meisten Abhängigen so große Schwierigkeiten haben sich zu motivieren, liegt an dem Unterschied zwischen positiven Effekten „im hier und jetzt“ und den negativen Konsequenzen „in der Zukunft“.

Beispiel: Zigarettensucht

Schon über 100 Jahre ist bekannt, dass das Rauchen eine sehr ungesunde Angewohnheit ist. Spätestens mit der Ausbreitung der Medien und umfassender Aufklärung der Bevölkerung in den 80er und 90er Jahren wusste nahezu jeder Raucher, dass er sein Leben aktiv verkürzt und seiner Umwelt Schaden zufügt. Trotzdem rauchen auch heute noch sehr viele Menschen, da die Bedrohung irgendwo im Nebel der Zukunft lauert. Das angenehme Gefühl, welches das Nikotin im Körper und der „Coolness-Faktor“ in der Psyche hervorruft ist hingegen direkt präsent.

Meistens ändert sich diese Einstellung, wenn die negative Konsequenz plötzlich und unerwartet in die Gegenwart „einschlagen“. Ein plötzlicher Erstickungsanfall während des Rauchens, ein Schlaganfall oder aber auch die Verursachung eines tödlichen Unfalls im alkoholisierten Zustand können die Behandlungsbereitschaft deutlich erhöhen. Weitere Faktoren, die die Wahrscheinlichkeit einer Änderungsmotivation erhöhen sind:

  • hohe soziale Kompetenz (z.B. die Möglichkeit die eigene Meinung zu vertreten, sich gegenüber anderen durchzusetzen etc.)
  • eine stabile Selbsterwartung („Wenn ich mich nur genug anstrenge, werde ich das schon schaffen!“)
  • Häufung von negativen Konsequenzen durch die Sucht (z.B. Partner verlässt mich, mein Führerschein ist weg, die Gläubiger drohen etc.)
  • Das Wissen um Hilfsangebote (Suchtberatung, stationäre Entgiftung, Selbsthilfegruppen etc.)

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Rückfälle in der Sucht

Rückfälle in die Sucht:

Auch wenn die Motivation durch solche Faktoren als gut oder schlecht eingeschätzt werden kann, so ist doch auch für den motivierten Patienten die sog. „Ambivalenz“ also das „Hin-und-her-Gerissen-Sein“ ein ständiger Begleiter. Selbst nach Jahren des Verzichtes auf die Droge, kann ein Patient einen Rückfall in die Sucht erleiden. Bei vielen Patienten gibt es auch einen häufigen Wechsel von Substanzverzicht und häufigen Rückfallen.

Die Wahrscheinlichkeiten für Rückfälle sind insgesamt recht hoch, variieren jedoch von Substanz zu Substanz. Die Wahrscheinlichkeit innerhalb von 2 Jahren nach der Behandlung mindestens einen Rückfall zu erleiden liegt bei Alkohol bei ca. 40-50%, bei illegalen Drogen bei etwa 60-70% und bei Tabak bei über 70%.

Der Grund für die Häufigkeit solcher Rückfälle liegt unter anderem darin, dass bestimmten Situationen und Reizen (Geräusche, Gerüche etc.) während der aktiven Sucht bestimmte positive Emotionen zugeordnet werden.

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Beispiel: Alkoholsucht

„Wann immer ich mit den Jungs in der Kneipe sitze und einen trinke, fühle ich mich richtig wohl.“ oder „Die Geselligkeit beim Kegelabend mit dem Eckes-Edelkirsch ist das Schönste was ich kenne.“

Ist die eigentliche Sucht auch quasi nicht mehr aktiv, so sind diese „antrainierten Reize“ (Kneipenlärm, Kegelbahn) nach wie vor sowohl mit dem angenehmen Gefühl als auch mit dem Alkoholkonsum verbunden. Das Verlangen nach dem Wiedererleben der angenehmen Situation geht also auch ggf. direkt mit dem Verlangen nach Alkohol einher.

Andere Faktoren , die die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls erhöhen, sind sich plötzlich verändernde Lebenssituationen (Trennung oder Tod eines nahe stehenden Menschen) oder auch psychische Störungen (Depressionen etc.).

Teil der Therapie muss somit die Verhütung von Rückfällen sein. In diesem Zusammenhang haben sich die Bearbeitungen folgender Punkte als nützlich erwiesen:

  • Erkennen von Situationen, die möglicherweise „gefährlich“ werden könnten
  • Besprechen von Möglichkeiten solchen Situationen aus dem Weg zu gehen.
  • Bearbeitung von „gefährlichen“ Reizen dahingehend, dass sie im Verlauf der Therapie wieder zu normalen, ursprünglichen Reizen werden. (Kneipenlärm ist einfach nur noch Lärm etc.)
  • Bearbeitung von Verhaltensweisen, wenn es zum ersten Ausrutscher gekommen ist. (Es wird quasi ein Notfallkoffer gepackt, der zum Einsatz kommt, bevor man wieder komplett in die alten Verhaltensmuster reinrutscht.)
  • Stärkung der Selbsterwartung

Kontrollierter Gebrauch

Kontrollierter Gebrauch von Substanzen:

Es gibt verschienene Meinungen über die Frage, ob nur der dauerhafte Verzicht auf eine Substanz, oder aber auch ein kontrollierter Gebrauch ein gutes therapeutisches Mittel im Kampf gegen die Sucht ist. Tatsächlich gibt es Erkenntnisse, dass manche Patienten eher in der Lage sind eine definierte Menge an Alkohol zu sich zu nehmen und darüber hinaus nichts weiter zu konsumieren.

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt man in der Behandlung von Opiat Abhängigen. Durch Substitution mit künstlichen Opiaten wie z.B. Methadon, kann man sowohl die hohen Infektionsgefahren, als auch häufigen kriminellen Verhaltensweisen entgegenwirken. Parallel hierzu werde an psychotherapeutische Maßnahmen durchgeführt.

Psychotherapeutische Verfahren

Psychotherapeutische Verfahren (vereinfachte Darstellung):

In den letzten Jahren, in denen sich das Wissen sowohl über die Störung als auch über mögliche Maßnahmen verbesserte, entwickelte sich ein spezieller krankenbezogener Ansatz. Hierbei stehen im Vordergrund:

  • die Therapiemotivation
  • Verhinderung eines Rückfall

Therapiemotivation:

Die therapeutische Arbeit zur Förderung der Therapiemotivation unterteilt sich in mehreren Stufen.

  1. Stufe:Analyse des Problems und seine Hintergründe
    In diesem ersten wichtigen Schritt klären Therapeut und Patient, welcher Anlass letztendlich dafür verantwortlich war, daß es zu einem Therapiebeginn kam. Weiterhin wird geklärt welche positiven Folgen eine solche Behandlung mit sich bringen kann. Darüber hinaus wird analysiert welche Erwartungen der Patient selbst an sich und an eine mögliche Abstinenz hat.
  2. Stufe: Erarbeiten von Faktoren, welche einer Veränderung helfen und welche eine Veränderung hemmen könnten.
    In dieser Stufe klären Patient und Therapeut z.B. welches Risiko der Patient hat einen Rückfall zu erleiden, wenn er in seinem gewohnten Umfeld verbleibt. Auch ist es in dieser Phase wichtig für den Patienten sich Gedanken über die Zeit nach Abschluss der Therapie zu machen (Zukunftspesrspektiven)
  3. Stufe: Ziele
    In dieser Stufe der Therapie müssen gemeinsam mit dem Patienten realistische Ziele erarbeitet werden. Hierbei kann man z.B. klären, ob ein echter Wunsch nach Abstinenz oder aber war nach kontrolliertem Trinken oder auch nach Fortführung der bisherigen Gewohnheiten besteht. Nur wenn ein Patient sich selbst glaubhaft realistische Ziele setzen kann, wird die Therapie dauerhaft erfolgreich sein können.
  4. Stufe Rangliste:
    In dieser Stufe werden teilt Siegel formuliert, welche für den Patienten besonders wichtig sind. Zu diesem Zwecke erstellt der Patient eine Rangliste, auf der vor allem Ziele formuliert sind, die möglichst schnell zu einem Erfolgserleben führen.
  5. Stufe Durchführung der Therapie:
    In diesem Schritt geht es darum die in den vorherigen Stufen erarbeiteten Ziele umzusetzen. Weiterhin erlernt der Patient z.B. Möglichkeiten die eigenen Fähigkeiten zu verbessern, welche für eine dauerhafte Verhaltensänderung notwendig sind. Darüber hinaus erlernt er sich selbst in verschiedenen Situationen zu beobachten, um dauerhaft die eigene Selbstkontrolle zu bewahren. Nicht zuletzt werden Reize, welche zu einem Rückfall führen können gelöscht.

Verhinderung eines Rückfalls

Verhinderung eines Rückfall:
Auch in diesen therapeutischen Ansatz verfolgt man unterschiedliche Stufen.

  1. Stufe welche Situationen können gefährlich werden:
    In dieser Stufe werden Situationen identifiziert in denen der Patient in der Vergangenheit bestimmte Stimmungen erlebt hat, die zu einem Konsum führten.
  2. Stufe Wie können gefährliche Situationen vermieden werden:
    Oftmals befinden sich Patienten mit einer Abhängigkeit in sehr problematischen Lebenssituationen. Aus diesem Grunde muss mit ihnen geklärt werden, ob und wie eine Veränderung eben dieser Lebenssituation herbeigeführt werden kann. Oftmals ist es z.B. nötig sich von alten " Freunde " zu trennen, um nicht erneut in Gefahr zu geraten.
  3. Stufe Veränderung von Verhalten:
    In dieser Stufe geht es ganz konkret darum alte Verhaltensweisen zu verändern oder zu löschen. Zu diesem Zwecke erlernt der Patient z.B. Entspannungsverfahren oder aber Verfahren, mit denen kritische Gedanken verändert oder gestoppt werden könne
  4. Stufe Veränderung des Selbstkonzeptes:
    In dieser Stufe ist es wichtig mit dem Patienten daran zu arbeiten, dass er quasi lernt an sich zu glauben. Nur wer sich selbst und das Erlernte Verhalten als positiv einschätzen kann, wird in gefährlichen Situationen einen Rückfall abwenden können.
  5. Stufe Was passiert nach einem Rückfall:
    Rückfälle sind häufig. Aus diesem Grunde müssen sie Teil der Therapie sein. In dieser wichtigen Stufe geht es darum, daß sich der Patient mit der Möglichkeit eines Rückfalls auseinandersetzt und sich quasi einen Notfallkoffer packt, welcher zum Einsatz kommt falls ein Rückfall nicht verhindern werden konnte. (z.B. wie vermeide ich weitere Substanzeinnahme, wo bekomme ich Hilfe her usw.).
    Studien haben gezeigt, dass o.g. therapeutische Ansätze deutlich bessere Ergebnisse erzielen, als andere. Etwa die Hälfte aller Alkoholabhängige in waren auch nach mehreren Jahren dauerhaft abstinent.
Autor: Christoph Barthel Veröffentlicht: 26.05.2007 - Letzte Änderung: 22.10.2021