Physiotherapie bei Brustkrebs in der postoperativen Frühphase

Die Physiotherapie ist ein wichtiger Bestandteil der postoperativen Therapie eines Brustkrebs. Sie dient der Steigerung des Lymphabflusses und der Kräftigung des Operationsgebietes.

Physiotherapie bei Brustkrebs in der postoperativen Frühphase

Immer kürzere stationäre Liegezeiten nach Brustoperationen bedeuten für die Physiotherapie eine große Herausforderung. Um alle erforderlichen Maßnahmen vorzubereiten, empfiehlt sich eine vorbeugende Aufklärung über das weitere Procedere und Physiotherapie bereits vor dem Eingriff.

Zu den Aufgaben der Physiotherapie in der postoperativen Betreuung von Brustkrebspatienten zählt unter anderem:

  • Aufklärung (falls es keinen praeoperativen Kontakt gab)
  • Lagerung
  • schmerzlindernde Maßnahmen
  • Bewegungsübungen
  • Erstellung eines Übungsprogramms für zu Hause
  • Ödemvorbeugung
  • Anleitung bei Alltagsaktivitäten
  • Stressabbau

Außerdem sollten bereits im Krankenhaus die weiterführende ambulante Physiotherapie und der Rehabilitationssport auf den Weg gebracht werden.

Folgende Maßnahmen beziehen sich auf die Therapie ab den ersten Tag nach der Operation bis zur Entlassung.

Aufklärung

Bereits vor der Operation - entweder noch ambulant oder bereits stationär - empfiehlt sich eine frühe Kontaktaufnahme zwischen Patientin und Physiotherapeutin, die die Behandlung nach der Operation durchführen wird. Dieser Termin dient einerseits dem Kennenlernen und dem Angstabbau, andererseits der Information über die Physiotherapeutische Behandlung nach der Operation. Zur Vorbereitung des Gesprächs sollte sich die Physiotherapeutin bei dem Operateur über den Befund und den geplanten Eingriff informieren. Die Zusammenarbeit mit der betreuenden Ärztin/ dem Arzt, der Pflege, den Psychologen, der Diätassistenz… ist vor allem in den Brustkrebszentren selbstverständlich, da dort regelmäßige interdisziplinäre Teamsitzungen stattfinden.

Themen des Informationsgesprächs

  • Ziele der postoperativen Physiotherapie?
  • Wann beginnt die Physiotherapie?
  • Was beinhaltet sie?
  • Verhalten bei Schmerzen
  • Informationen zum selbstständigen Üben
  • Wie geht es nach dem stationären Aufenthalt weiter?

Da die operative Therapie des Brustkrebs und die begleitende (Chemo-/Antikörper-) Therapie des Tumors das Risiko von Komplikationen birgt, die entweder unmittelbar auftreten oder häufig auch erst nach Jahren sichtbar sein können, ist es von großer Bedeutung, die Vermeidung von Folgeproblemen bereits in der Frühtherapie einzuleiten.

Mögliche Komplikationen der begleitenden Behandlung

  • Ödeme (angestaute Gewebsflüssigkeit, häufiger bei übergewichtigen Frauen) im betroffenen Arm
  • Gefühlsstörungen im betroffenen Arm
  • Narbenbeschwerden
  • Bewegungseinschränkungen im Schultergelenk der Operationsseite, Entwicklung eines Impingementsyndroms oder einer frozen shoulder (schmerzhafte Schultersteife) auch noch 1-2- Jahre nach OP möglich
  • Fibrosierung – Bildung eines faserhaltigen, wenig dehnfähigem Ersatzgewebes
  • Kraftverlust im Arm, im Rumpf
  • Fehlhaltung des Rumpfes als Ausgleich
  • Beeinträchtigung der Lungenkapazität

Schmerzlinderung

Beginnend sollte immer das Gespräch stehen!

Zu den schmerzlindernden Maßnahmen gehören neben der Lagerung des Armes und der Brust- und Halswirbelsäule eine ganz weiche, ausstreichende Massage im Arm-, sowie im Nacken- oder Schulterblattbereich, Pumpübungen der Hand und leichte Bewegungsübungen, beginnend mit Ellbogen- und Schulterblattbewegungen.

Lagerung des Armes und Oberkörpers nach der Operation:

Die Lagerung nach dem Eingriff dient der Schmerzlinderung und der Verhinderung einer Belastungshaltung, der Reduktion von drohenden Bewegungseinschränkungen und der Vorbeugung von Lymphödemen. Der Oberkörper sollte möglichst flach gelagert werden, das Kissen sich nur unter dem Kopf befinden. Der Arm liegt am entspanntesten auf einem Kissen mit dem Unterarm auf dem Bauch, sollte aber immer wieder zwischendurch möglichst flach neben dem Körper und in einer außengedrehten Position gelagert werden.

Vorbeugung vor Lungenentzündung und Thrombose:

  • Atemübungen, vor allem Anleitung zum eigenständigen, mehrmals tgl. Üben, Inhalationen
  • Einsatz der Venenpumpe durch kräftige Auf-Ab und Kreisbewegungen der Füße bei entspanntem Kniegelenk mehrmals tgl.
  • So schnell wie möglich raus aus dem Bett!, Spaziergänge über den Klinikflur mehrmals tgl.

Verbesserung der Schultergelenksbeweglichkeit

Bei den Bewegungsübungen in der Frühphase nach der Operation steht das Beachten der Schmerzgrenze im Vordergrund. Mit den Übungen kann direkt am 1. Tag postoperativ begonnen werden.

Es wird mit unterstützenden (assistiv durch die Physiotherapeutin) Bewegungsübungen begonnen, die nach und nach in selbstständige aktive Übungen übergeleitet werden. Die Wundheilung darf durch die Übungen nicht gestört werden, da es sonst zu einer verstärkten Narbenbildung mit der Folge von Bewegungseinschränkungen und gestörtem Lymphabfluss kommen kann. Die Physiotherapie muss also mit entsprechender Vorsicht durchgeführt werden. Zwischen den Übungsabfolgen sollte eine Wahrnehmungs- und Entspannungsphase erfolgen.

  • Bewegungen Hand und Unterarm
  • Pumpübungen mit Ball
  • Bewegung Halswirbelsäule
  • Bewegung des betroffenen Schulterblattes aus Rückenlage und Seitlage
  • Bewegung des betroffenen Schultergelenkes, Bewegungsrichtungen sind das Anheben, Abspreizen und Außendrehung des Armes aus Rückenlage, Ausgangsstellungen: Rückenlage, Seitlage und Sitz
  • Anleitung zum mehrmals tgl. eigenem Übungsprogramm

Die Behandlungsintensivität richtet sich nach dem Operationsbefund, dem individuellen Zustand und der jeweiligen Vorgabe der Ärztin/ des Arztes. der Patientin.

Ab 3. Postoperativen Tag kann das Schultergelenk bis ca. 90° abgespreizt werden, ab ca. dem 8.Tag werden die Hebung des Armes und die Rotationsbewegungen forciert, aktives Bewegen ohne Unterstützung muss angeleitet und von der Patientin selbstständig mehrmals täglich durchgeführt werden. Diese Angaben variieren nach Klink und OPbefund.

Spätestens ab 14. Postoperativen Tag und/ oder sobald die Drainagen entfernt wurden, sollte das volle Bewegungsausmaß des Schultergelenkes erreicht sein.

Ödemvorbeugung

Ca. jede 5. Frau entwickelt nach dem Eingriff eine chronisch progressive Lymphproblematik. Aus diesem Grund sollte bereits direkt nach der Operation mit der Ödemvorbeugung begonnen werden. Mögliche Anzeichen für ein entstehendes Lymphödem können ein leicht ziehender Schmerz an der Innenseite des Oberarms oder ein Spannungsgefühl in der Achselhöhle sein. Schwellungen des Unter- und Ober Armes, sowie der Hand durch den Austritt von Flüssigkeit in den Raum zwischen den Zellen führen zu Schmerzen und funktionellen Einschränkungen. Lymphödeme treten am häufigsten nach einer Brustamputation (Mastektomie), Lymphknotenentfernung und Strahlentherapie auf. Das Risiko für das Auftreten eines Lymphödems ist in den ersten 3 Jahren nach der Operation am größten, wobei die Schwere in erster Linie von der Anzahl der entfernten Lymphknoten abhängig ist. Übertriebenes Ruhighalten des Armes aus Angst und Schmerz fördern die Entstehung des Lymphödems ebenfalls. Die folgenden Maßnahmen können vorbeugend wirken und sofort postoperativ begonnen werden.

  • Lagerung des Armes in leicht angehobener Position auf einem Kissen
  • Faustschlussübungen kombiniert mit Unterarmbewegung in liegender Position
  • Faustschlussübungen kombiniert mit Oberarmbewegungen in liegender Position,
  • da die Lymphflüssigkeit sehr zäh abfließt wird die angehobene Position über 2-3-tiefe Atemzüge gehalten
  • Faustschlussübungen in angehobener Schulterposition im Sitzen, Endposition wieder über 2-3 tiefe Atemzüge halten
  • Lymphdrainage

Fehlhaltung- und Schonhaltung vermeiden

  • Beachtung der symmetrischen Körperhaltung im Bett
  • Schulterblattbewegung in Rücken- und Seitlage
  • Vorsichtige passive Mobilisation des Schultergelenkes durch die Physiotherapeutin nach unten in Richtung Fuß, um die Bewegungsfreiheit des Schultergelenkes zu unterstützen
  • Dehnung der Halsmuskulatur vom Kopf her eingeleitet
  • Korrektur der Sitz - und Standhaltung in Richtung Symmetrie

Förderung der Elastizität des Gewebes rund um das Operationsgebiet

  • Konsequente Lagerung
  • Dehnung der Halsmuskulatur
  • Je nach Zustand der OPnarbe und der Schmerzempfindung vorsichtige Dehnungen der Haut über dem großen Brustmuskel und des eigentlichen Narbengewebes, sowie spezielle Massagetechniken der Narbe abhängig von der Wundheilung und Schmerztoleranz.

Weitere Informationen

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Autor: Carla Hötten-Schumacher Veröffentlicht: 15.02.2017 - Letzte Änderung: 30.03.2024