Ein Neugeborenenikterus stellt die erhöhte Konzentration von Bilirubin im Blut des Neugeborenen dar. Bei mehr als 50 Prozent aller Neugeborenen tritt eine Gelbsucht auf. Die Therapie und Diagnose der Neugeborenenikterus ist jedoch gut.
Neugeborenenikterus, auch Neugeborenengelbsucht oder Neugeborenenhyperbilirubinämie genannt, stellt die erhöhte Konzentration von Bilirubin, einem Abbauprodukt des Blutfarbstoffs Hämoglobin, im Blut des Neugeborenen dar. Bei mehr als der Hälfte aller gesunden Neugeborenen tritt eine Gelbsucht auf, wobei eine Bilirubinkonzentration bis 15 mg/dl im Serum als normal angesehen wird und harmlos ist. Wird die Bilirubinkonzentration von 20 mg/dl im Serum überschritten, spricht man von einer schweren Gelbsucht.
Der Begriff Gelbsucht leitet sich von der gelben Farbe des Bilirubins ab, der bei stark erhöhter Konzentration im Blut die Haut und die Lederhaut des Auges (Sklera) gelb verfärben kann.
Unter Ikterus prolongatus versteht man eine besondere Form der Neugeborenengelbsucht: Dieser Ikterus hält länger als zwei Wochen an und bedarf einer engen medizinischen Kontrolle des betroffenen Kindes.
Der erhöhte Bilirubingehalt des Blutes färbt die Haut und das Weiße des Auges gelb. Bei besonders hohen Konzentrationen kann das fettlösliche Bilirubin in Nervenzellen eindringen und diese zerstören. Dadurch kommt es beim Neugeborenen zunächst zu Trägheit und Müdigkeit sowie massiver Muskelschwäche und einem herabgesetzten Trinkbedürfnis. Im weiteren Verlauf treten Schreckhaftigkeit und eine heftige Rückwärtsbeugung des Kopfes mit gleichzeitiger Überstreckung des gesamten Körpers hinzu (Opisthotonus). Im Endstadium können Krampfanfälle sowie komatöse Zustände bis zum Eintritt des Todes auftreten.
Beim sogenannten Kernikterus werden spezielle Anteile des Gehirns geschädigt, was zu ungewöhnlichen Bewegungen von Händen und Füßen (Choreoathetose) sowie Taubheit führen kann. In der Regel ist dann auch mit Entwicklungsstörungen und Intelligenzdefiziten zu rechnen.
Beim überwiegenden Anteil der Fälle ist die Prognose aber sehr gut und sind keine bleibenden Schäden zu erwarten.
Beim Neugeborenenikterus ist das indirekte Bilirubin erhöht, da es von der Leber nicht schnell genug in direktes Bilirubin umgewandelt werden kann. Das indirekte Bilirubin ist im Vergleich zum Erwachsenen also erhöht, das direkte entspricht den Werten von Erwachsenen. Durch das erhöhte indirekte Bilirubin ist aber auch das Gesamtbilirubin erhöht. Dementsprechend wird bei Laboruntersuchungen die Gesamtbilirubinkonzentration überprüft.
Der Grenzwert am ersten Lebenstag liegt bei 8,7mg/dl, alles darunter ist normal. Die Normalwerte bei 4-6 Tage alten Kindern liegen zwischen 0,1-12,6 mg/dl. Steigt der Wert, kommt es zu den typischen Symptomen. Von einem Icterus gravis, also schwerer Gelbsucht, spricht man ab Werten von über 20 mg/dl beim reifen Neugeborenen. Ist das Neugeborene noch unreif, kann bereits ab Werten von 10 mg/dl eine schwere Gelbsucht vorliegen. Eine frühe Gelbsucht (Icterus praecox) liegt vor, wenn das Neugeborene bereits am ersten Lebenstag einen Ikterus entwickelt. Hierbei steigt das Bilirubin bereits in den ersten 36 Stunden nach Geburt auf Werte über 12 mg/dl.
In der Kinderheilkunde (Pädiatrie) werden verschiedene Formen des Neugeborenenikterus unterschieden:
Physiologischer Neugeborenenikterus:
Am 3.-6. Lebenstag des neugeborenen Kindes tritt der sogenannte physiologische Neugeborenenikterus auf. Dieser bildet sich bis zum 10. Lebenstag wieder zurück.
Zugrunde liegt der Entstehung des physiologischen Neugeborenenikterus das Zusammentreffen von vermehrtem Hämoglobin-Abbau und die unreife Leberfunktion, sodass es zu einer Anhäufung von unkonjugiertem, wasserunlöslichem Bilirubin kommt.
Dieses sogenannte indirekte Bilirubin kann in der Leber nicht in direktes und somit wasserlösliches Bilirubin umgesetzt werden. Deshalb lagert es sich vorübergehend ab und ist so zum Beispiel in der gelben Hautfarbe zu erkennen. Genannt wird der Zustand Hyperbilirubinämie.
Wird das Neugeborene gestillt, so kann es durch Bestandteile der Muttermilch dazu kommen, dass ein an der Umwandlung beteiligtes Enzym (die Glukuronyltransferase) gehemmt wird. Man spricht dann von Muttermilchikterus.
Icterus praecox:
Icterus praecox bezeichnet im Gegensatzu zum „normalen“ Neugeborenenikterus (siehe oben) eine Gelbfärbung der Haut (Ikterus), der bereits am ersten Lebenstag besteht.
Das Bilirubin steigt hierbei bereits in den ersten 36 Lebensstunden auf Werte über 12mg/dl an.
Diese Stoffwechselstörung wird meist durch eine AB0-Blutgruppenunverträglichkeit zwischen Neugeborenem und Mutter verursacht.
Icterus gravis:
Bei dieser Ikterusform übersteigt die Konzentration an Bilirubin beim reifen Neugeborenen die 20 mg/dl.
Ist die Diagnose bei einem unreifen Neugeborenen zu stellen, so ist die Grenze niedriger anzusetzen. Je nach Alter (in Schwangerschaftswochen) und Gewicht bei Geburt besteht hier bereits ab einer Bilirubinkonzentration von 10 mg/dl ein Icterus gravis.
Icterus prolongatus:
Als Icterus prolongatus bezeichnet man einen Neugeborenenikterus, der länger als zwei Wochen besteht.
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Ist per Blutentnahme eine Gelbsucht bestimmter Intensität nachgewiesen worden, kommen Behandlungen zum Einsatz, um besonders neurologische Spätfolgen zu vermeiden.
Generell stehen zwei Therapieverfahren zur Auswahl: Die Phototherapie und die Blutaustauschtransfusion.
Bis zu einem bestimmten Grenzwert der Bilirubinkonzentration reicht die alleinige Phototherapie aus. Dabei wird der Säugling mit Blaulicht einer Wellenlänge von 460 nm bestrahlt. Das Bilirubin wird dabei strukturell so verändert, dass es, ohne in der Leber abgebaut werden zu müssen, über Niere und Galle ausgeschieden werden kann. Das Kind sollte dabei möglichst nackt sein, damit viel Fläche bestrahlt wird. Die Augen des Kindes müssen abgedeckt werden, um eine Schädigung der Netzhaut des Auges zu vermeiden. Die Lampe wird in einem Abstand von etwa 20 cm vom Kind positioniert. Mehrmalige Bestrahlungen von 5 Stunden Dauer reichen in der Regel aus, in schwereren Fällen sollte jedoch ununterbrochen bestrahlt werden.
Wird der Bilirubin-Grenzwert für eine Bestrahlung überschritten oder kein Abfall der Bilirubinkonzentration erreicht, kommt die Blutaustauschtransfusion zum Einsatz. Dabei wird über die Nabelvene das kindliche Blut gegen Erwachsenenblut der Blutgruppe 0 rh negativ ausgetauscht. Dadurch wird der weitere Abbau von Hämoglobin und damit Anstieg des Bilirubinspiegels gestoppt. Unterstützend wird häufiges Füttern und Flüssigkeitsgabe empfohlen, um die Ausscheidung von Bilirubin anzuregen. Die weitere Diagnostik kann photometrisch per transkutaner Multispektralmessung erfolgen, um die Bilirubinkonzenzration in der Haut zu prüfen.
Weitere Informationen zur Therapie von Gelbsucht finden Sie unter: Therapie der Gelbsucht
Ziel bei der Phototherapie ist es, durch die Bestrahlung der Haut das indirekte Bilirubin in Direktes umzuwandeln. Dieses ist wasserlöslich und kann dann über die Galle und den Urin ausgeschieden werden.
Die Bestrahlung erfolgt mit blauem Licht mit einer Wellenlänge von 420-480 nm. Therapiert werden reife Neugeborene mit einem Bilirubinwert von über 20 mg/dl. Bei Frühgeborenen liegt die Grenze schon bei 10 mg/dl. Die Phototherapie wird so lange durchgeführt, bis das Bilirubin auf die Normwerte gesunken ist.
Wichtig bei der Bestrahlung ist, dass das Neugeborene ausreichend Flüssigkeit erhält und einen Augenschutz trägt. Nebenwirkungen der Therapie sind Durchfall, Dehydratation und eine Trennung von der Mutter. Außerdem erhöht sich das Risiko, an einer akuten myeloischen Leukämie (AML) zu erkranken. Nicht durchgeführt werden darf die Therapie, wenn eine Erhöhung des direkten Bilirubins vorliegt, da es sonst zu nicht rückgängigen Veränderungen der Hautfarbe kommen kann (Bronze-Baby-Syndrom).
Ausführliche Informationen zu diesem Thema können Sie hier nachlesen: Phototherapie
Es gibt wenige homöopathische Mittel, die bei einem Neugeborenenikterus eingesetzt werden können und sinnvoll sind. Bevor diese Substanzen als alleinige Behandlungsform verwendet werden, sollte jedoch unbedingt ärztliche Rücksprache gehalten werden.
Neben dem physiologischen, unbedenklichen Neugeborenenikterus kommen nämlich auch andere Verlaufsformen in Betracht, die weiterführender Diagnostik sowie einer spezifischen, ärztlich überwachten Therapie bedürfen, um Komplikationen sowie bleibende Schäden zu vermeiden.
Homöopathische Verwendung findet beispielsweise Lebertee, den die stillende Mutter trinken und der in geringen Mengen auch dem Säugling verabreicht werden kann. Auch Grapefruit- oder Artischockensaft können durch die Mutter getrunken werden. Zudem wird leberschonende Kost mit Reduktion des Fleischanteils empfohlen. Auch Babymassagen oder Leberwickel beim Neugeborenen sollen unterstützend wirken.
Im Mutterleib erfolgt die Sauerstoffversorgung des Fötus über die Diffusion von Sauerstoff zwischen mütterlichen und kindlichen Gefäßen des Mutterkuchens. Da der Sauerstoffgehalt des kindlichen Bluts trotzdem relativ gering bleibt, entwickelt sich beim Kind kompensatorisch ein erhöhter Anteil des roten Blutfarbstoffes Hämoglobin, um den Sauerstofftransport zu optimieren.
Nach der Geburt steht dem Kind ausreichend Sauerstoff zur Verfügung und gleichzeitig wird das fetale Hämoglobin gegen adultes Hämoglobin ausgetauscht. Daraus resultiert in den ersten Lebenstagen ein erhöhter Hämoglobinabbau, den die noch unreife Leber nicht ausreichend bewältigen kann. Ein erhöhte Konzentration des Hämoglobinabbauprodukts Bilirubin im kindlichen Blut ist die Folge.
Bestimmte Faktoren, die vor allem mit einem erhöhten Zerfall von roten Blutkörperchen einhergehen, steigern das Risiko, dass das Kind an einem Neugeborenenikterus erkrankt. Besonders gefährdet sind Frühgeborene und kranke Kinder.
Auch das Vorliegen eines Gallengangverschlusses (Gallengangatresie) kann die Ausscheidung von Bilirubin verhindern und sollte daher abgeklärt werden. Ist der Abgang des ersten Stuhlgangs (Mekonium) verzögert, kann gespaltenes Bilirubin vermehrt aus dem Darm zurückresorbiert werden und die Gelbsucht verstärken.
Der physiologische, also normale, Neugeborenenikterus tritt in der Regel zwischen dem 3. und 6. Lebenstag auf und bildet sich bis zum 10. Tag nach Geburt wieder zurück. Diese Gelbsucht kann also bis zu einer Woche andauern. Von einem verlängerten Ikterus (Icterus prolongatus) spricht man, wenn nach dem 10. Lebenstag noch erhöhte Bilirubinwerte nachgewiesen werden können. Hierbei besteht die Gefahr eines Gehirnschadens.
Unter einem Ikterus prolongatus versteht man das anhaltende Auftreten erhöhter Bilirubinspiegel über die erste Lebenswoche hinaus, anderen Einteilungen zufolge auch erst nach dem zehnten oder gar dem vierzehnten Lebenstag des Neugeborenen. Das bedeutet, dass Abbauprodukte des Blutfarbstoffes Hämoglobin vermehrt messbar sind, jedoch den Wert von 15 mg/dl nicht überschreiten.
Aufgrund der erhöhten Spiegel des Abbauproduktes im Blut des Säuglings kommt es zu einer charakteristischen gelben Färbung der Haut, der sogenannten Gelbsucht. Etwa 3-15% aller Neugeborenen leiden unter der verlängerten Form des Bilirubinanstiegs. Der Ikterus prolongatus zählt wie der Ikterus praecox (erhöhte Bilirubinspiegel innerhalb des ersten Lebenstages) und des Ikterus gravis (Werte über 15 mg/dl) zu den pathologischen Verlaufsformen der Neugeborenengelbsucht und bedarf regelmäßiger ärztlicher Kontrollen.
In den meisten Fällen liegt der verlängerten Form des Ikterus eine unkonjugierte Hyperbilirubinämie zugrunde. Das bedeutet, dass aufgrund der noch nicht ausgereiften Leberfunktion des Neugeborenen die Überführung des unkonjugierten, nicht wasserlöslichen Abbaustoffs Bilirubin in seine wasserlösliche Form in nichtausreichendem Maße stattfindet.
Oftmals wird dieser Zustand durch Muttermilchbestandteile aufrechterhalten, da diese die für den Löslichkeitsvorgang des Bilirubins wichtigen Enzyme blockieren können. In dem Fall spricht man auch von einem Muttermilchikterus, der jedoch in der Regel vorübergehend ist und folgenlos abklingt.
Andere Gründe für ein längeres Bestehen erhöhter Bilirubinwerte können beispielsweise eine Schilddrüsenunterfunktion, ein Gallenstau, Gallengangsveränderungen sowie Lebererkrankungen des Neugeborenen sein. Darüber hinaus gibt es zahlreiche andere, zum Teil sehr ernste Gründe für einen Ikterus prolongatus, welche einer umfassenden diagnostischen Abklärung und spezifischer Therapie bedürfen.
Weiter zu diesem Thema können Sie hier nachlesen: Ikterus prolongatus