Das Nervernwasser ist eine körpereigene Flüssigkeit,der überwiegend in den Gehirnkammern gebildet wird.Der Mensch besitzt ungefähr 100-150ml Liquorflüssigkeit/ Nervenwasser. Man unterscheidet den äußeren vom inneren Liquorraum.

Nervenwasser

Synonyme

Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit

Medizinisch: Liquor cerebrospinalis

Definition

Das Nervenwasser (Liquor cerebrospinalis), kurz auch als Liquor bezeichnet, ist eine körpereigene Flüssigkeit, die zum Großteil in den Kammern (Ventrikeln) des Gehirns von spezialisierten Gefäßgeflechten, den sogenannten Plexus choroidei, gebildet wird. Die Bildung erfolgt über Filtration des Blutes. Der Mensch besitzt etwa 100-150 ml Liquorflüssigkeit (Nervenwasser). Da die spezialisierten Zellen der Plexus choroidei am Tag aber etwa 500 ml Liqour produzieren, muss das gesamte Flüssigkeitsvolumen zwischen 3 und 4 Mal täglich ausgetauscht werden. Dies geschieht durch Rückaufnahme (Resorption) des Liquors in das venöse Gefäßsystem über Ausstülpungen der Spinnengewebshaut (Arachnoidea). Die Ausstülpungen sind unter dem Namen Pacchioni-Granulationen oder Arachnoidalzotten bekannt. Gäbe es diese Wiederaufnahme nicht, würde der Hirndruck stetig ansteigen und zu einem Wasserkopf (Hydrocephalus) führen. Der normale Liquordruck liegt zwischen 70 und 220 mmH2O, kann aber durchaus im Tagesverlauf sowie bei Pressatmung oder bei Lagewechsel schwanken.

Da der Liquor/ Nervenwasser in Verbindung zur Gewebsflüssigkeit des Gehirns steht, ähnelt er dieser auch in seiner Zusammensetzung. Indem er das Gehirn und das Rückenmark umspült, schützt der Liquor das Zentralnervensystem vor äußeren Einflüssen wie beispielsweise Erschütterung. Außerdem wird ihm eine Ernährungsfunktion für Nervenzellen zugeschrieben. Genaueres ist hierzu allerdings noch nicht bekannt.

Liquorräume

Der Liquor/ Nervenwasser befindet sich in zwei anatomisch voneinander abgrenzbaren Räumen, die jedoch miteinander in Verbindung stehen: der äußere und der innere Liquorraum.

  1. Der äußere Liquorraum befindet sich zwischen den beiden Anteilen der weichen Hirnhaut, zwischen Pia mater und Spinnengewebshaut (Arachnoidea). Dieser Spalt, in dem der Liquor fließt, wird auch als Subarachnoidalraum bezeichnet und findet sich sowohl um das Gehirn als auch um das Rückenmark.
  2. Der innere Liquorraum besteht aus einem Hohlraumsystem im Gehirn, dem sogenannten Ventrikelsystem. In diesen Ventrikeln befinden sich auch die Gefäßgeflechte, in denen der Liquor produziert wird. Sie haben damit Transport- und Produktionsfunktion.

Das System besteht aus 4 hintereinander geschalteten Ventrikeln: 2 zueinander symmetrische Seitenventrikel im Großhirn (Telencephalon), einem 3. Ventrikel im Zwischenhirn (Diencephalon) und einem 4. Ventrikel im Rautenhirn (Rhombencephalon). Die Ventrikel haben Verbindung zueinander. Zwischen den beiden Seitenventrikeln und dem 3. Ventrikel gibt es eine Verbindung in Form von je einem Foramen interventricularis. Das Aquädukt führt von 3. in den 4. Ventrikel. Letzterer geht über in den Zentralkanal des Rückenmarks.
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Äußerer und innerer Liquorraum stehen außerdem über insgesamt drei Öffnungen miteinander in Verbindung: zwei Aperturae laterales sowie einer Apertura mediana, die vom Ventrikelsystem in den Subarachnoidalraum führen.

Bei der Untersuchung des bei der Punktion gewonnenen Nervenwassers können Rückschlüsse auf den Erreger der Erkrankung gezogen werden. Die Erreger der Erkrankungen können bakterieller oder viraler Herkunft sein. Manchmal sind die Erreger auch Pilze, es können außerdem bei einem Hirntumor Tumorzellen im Nervenwasser nachgewiesen werden. Anhand der Zusammensetzung der Elektrolyte, des Zuckers (Glucose) und Eiweiße (Proteine) lässt sich bestimmen, welche Therapie am sinnvollsten ist.

Am Beispiel einer Hirnhautentzündung (Meningitits) lässt sich dieses System gut veranschaulichen. So ist bei einer bakteriell bedingten Hirnhautentzündung das Eiweiß stark erhöht ist, während der Zucker sehr niedrig ist und das Laktat ebenfalls stark erhöht ist. Bei einer viralen Hirnhautentzündung hingegen sind die Eiweiße nur leicht erhöht, wohingegen Zucker und Laktat unauffällig bleiben. Einen Sonderfall besteht bei einer Hirnhautentzündung, die durch den Erreger der Tuberkulose ausgelöst wird. Auch hier ist das Eiweiß stark erhöht, das Laktat ist jedoch nur leicht erhöht, während der Zucker erniedrigt ist.

Natürlich werden nicht nur diese Parameter im Nervenwasser untersucht. Der sogenannte Liquor wird meist noch von Mikrobiologen untersucht. Bei der Untersuchung werden die Erreger aus dem Nervenwasser bebrütet, sodass nach einigen Tagen klar ist, um welchen spezifischen Erreger es sich handelt. Dabei kann es sich um Bakterien wie zum Beispiel Meningokokken oder Pneumokokken handeln. Diese können dann mit Antibiotika behandelt werden. Wichtig ist hierbei die Wahl des richtigen Antibiotikums, dieses wird über ein sogenanntes Antibiogramm bestimmt. Für dieses Antibiogramm werden Nährböden mit den Bakterien und mit verschiedenen Antibiotika beimpft und für einige Tage bebrütet.

Wenn das Bakterium trotz Antibiotikum wachsen kann, spricht man von einer Resistenz. Wenn das Bakterium an Stellen, an denen auch ein Antibiotikum ist, nicht wachsen kann, ist dieses Antibiotikum zur Behandlung dieses Bakteriums einsetzbar. Bei der Diagnostik der viralen Erreger spielen zunächst die Antikörper IgM und IgG eine wichtige Rolle. Diese Antikörper werden vom Körper produziert und lassen Rückschlüsse darüber zu, ob es sich um eine alte oder um eine neue virale Infektion handelt. Die viralen Proteine, welche sozusagen die Visitenkarte der Viren sind, können im Western Blot oder durch einen Immunfluoreszenstest untersucht werden. Wenn das Virus an sich aufgeschlüsselt werden soll, kann hierzu eine Genomsequenzierung durchgeführt werden.

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Zusammensetzung

Normalerweise ist der Liquor/ Nervenwasser klar und farblos, sodass er in seinem Aussehen Wasser ähnelt. Er enthält nur sehr wenige Zellen, etwa 0-3 oder 4 pro µl. Beim Neugeborenen kann diese Zahl etwa doppelt so hoch sein. Hauptsächlich finden sich im Nervenwasser Leukozyten, darunter vor allem die Lymphozyten, also Immunzellen. Seltener kommen auch andere Zellen vor wie beispielsweise Granulozyten, Monozyten oder die den Rückenmarkskanal auskleidenden Ependymzellen. Beim gesunden Menschen sind jedoch nie rote Blutzellen (Erythrozyten) darin zu finden. Wenn doch, kann dies ein Hinweis auf eine Blutung im Subarachnoidalraum sein.

Der Liquor enthält im Gegensatz zu Serum (60-80g/l) nur eine äußerst geringe Menge an Eiweißen (siehe auch Protein), etwa 0,2-0,4g/l und etwas mehr als die Hälfte des Blutzuckergehaltes, etwa 40-80mg/dl.

Punktion/ Nervenwasserentnahme

Wenn eine Erkrankung oder der Verdacht auf eine Erkrankung des Rückenmarks oder des Gehirns besteht, zum Beispiel eine Entzündung des Hirnhäute (Meningitis), bietet sich zur Diagnostik die Untersuchung des Nervenwassers (Liquors) an. Die Entnahme des Liquors erfolgt unter streng sterilen Bedingungen, um eine Infektion zu vermeiden. Um die bestmögliche Punktionsstelle zu finden, tastet der Arzt zunächst nach dem Beckenkamm und tastet sich von dort auf die Wirbelsäule fort. Hat er nun auf dieser Höhe den Wirbel ertastet, markiert er sich diesen und bittet den Patienten sich nach vorne zu beugen. Bei der Punktionsstelle ist es wichtig, dass diese unterhalb des Endes des Rückenmarks liegt, um so Verletzungen des Nervenstrangs zu vermeiden.

Bei Kindern muss man darauf achten, dass der Arzt noch tiefer punktiert als beim Erwachsenen, da bei Kindern das Rückenmark tiefer endet als bei einem Erwachsenen. Dann wird die Punktion steril vorbereitet. Zunächst wird die Stelle der Punktion großflächig desinfiziert und mit dem sterilen Lochtuch abgedeckt. Dem folgt die lokale Betäubung der Einstichstelle. Nach einer Einwirkzeit von circa fünf Minuten kann dann der Spinalkanal punktiert werden. Selten entstehen dabei Schäden am Rückenmark, da der Ort der Punktion tiefer gewählt wird als das Rückenmark endet. Bei erfolgter Punktion tropft das Nervenwasser in der Regel langsam heraus, schneller und mit mehr Druck läuft das Nervenwasser zum Beispiel bei erhöhtem Hirndruck.

Nach der Punktion ist es wichtig, dass die Patienten die ersten Stunden nach dem Eingriff auf dem Rücken liegen bleiben. Dadurch soll vermieden werden, dass sich das Nervenwasser nur in den Rückenmarksraum verteilt und das Gehirn auf diese Art und Weise nicht mehr von Nervenwasser umgeben ist. Dieses Absacken des Nervenwassers kann zu einer sogenannten oberen oder unteren Einklemmung des Gehirns führen und den Patienten so in einen lebensgefährlichen Zustand versetzen. Diese Komplikation tritt allerdings sehr selten auf. Eine weitere Komplikation können Infektionen durch die Punktion sein, dies kann von lokalen Infektionen der Haut reichen bis hin zu Infektionen, die den gesamten Körper befallen.

Erhöhter Hirndruck

Ein Anstieg des Hirndrucks kann angeboren oder erworben sein. Auch die Ursachen können unterschiedlich sein, entweder ist der Abfluss des Nervenwassers gestört oder es kommt zu einer erhöhten Produktion. Durch den Überschuss an Nervenwasser reicht der Platz in den sogenannten Ventrikeln des Hirns nicht mehr aus und die Hirnmasse wird an den Rand gedrängt. Dies kann so stark sein, dass es zu Durchblutungsstörungen des Gehirns kommen kann. Bei der Entnahme des Nervenwassers äußert sich dies in einem starken Heraussprudeln des Nervenwassers.

Diese plötzliche Druckentlastung kann allerdings auch zu Problemen führen, da nun das Gehirn in den Rückenmarksraum abrutschen kann, was eine lebensbedrohliche Situation darstellt. Bei Kindern, die mit einer Abflussstörung geboren wurden, lässt sich beispielsweise im CT erkennen, dass das Gehirn nicht an die Seite gepresst wird, sondern, dass diese Kinder stark vergrößerte Nerevenwasserräume im Gehrin (Ventrikel) haben. Dies ist mit einem so genannten Shunt, einer Art Überlaufventil, behandelbar. In manchen Fällen weisen Kinder mit einem solchen Wasserkopf (Hydrocephalus) geistige Retardierungen auf. Diese geistigen Einschränkungen können leichte bis schwere Ausmaße annehmen.

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Diagnostik

Um den Liquor/ Nervenwasser labortechnisch untersuchen zu können, muss er aus dem Rückenmarkskanal gewonnen werden. Dazu wird mit einer langen Nadel in den Rückenmarkskanal eingestochen und die Flüssigkeit kann so austreten (Lumbalpunktion).

Die Lumbalpunktion kann sowohl am sitzenden als auch am liegenden Patienten durchgeführt werden. Wichtig ist lediglich eine möglichst effiziente Krümmung des unteren Rückens, da dadurch die Fortsätze der Wirbelsäule weiter auseinanderweichen und somit die Punktion durch die Bandstrukturen der Wirbelsäule hindurch erleichtert wird. Die Punktion erfolgt auf Höhe des Raumes zwischen drittem und viertem bzw. viertem und fünftem Lendenwirbel, um Verletzungen des Rückenmarks zu vermeiden. Da das Rückenmark bereits etwa auf Höhe des ersten Lendenwirbels endet, besteht kaum die Gefahr einer Läsion. Sollte eine Liquorentnahme im Lendenwirbelbereich nicht möglich sein, wie es selten bei Tumorbefall der Wirbelsäule vorkommen kann, so ist prinzipiell auch eine Entnahme aus der sogenannten Cisterna cerebello-medullaris möglich, einem Raum zwischen Hinterhaupt und erstem Halswirbel.

Bei der üblichen Lumbalpunktion wird die Nadel bis in den Rückenmarkskanal vorgeschoben bis Liquorflüssigkeit Nervenwasser austritt. Diese wird in Proberöhrchen aufgefangen und untersucht. Um Komplikationen wie Infektionen zu vermeiden, sollten strikt sterile Bedingungen geschaffen werden und die Patienten nachfolgend Bettruhe einhalten. Auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist zu achten, um nach dem Eingriff Kopfschmerzen zu vermeiden. Blutungen durch den Einstich kommen nur selten vor.

Viele Erkrankungen des zentralen Nervensystems lassen sich nicht allein durch Blutuntersuchungen diagonostizieren, hier ist die Lumbalpunktion oft Methode der Wahl. Damit können virale oder bakterielle Infektionen, die Entzündungsreaktionen hervorrufen, nachgewiesen werden. Auch Blutungen des Subarachnoidalraums, also Blutungen aus Hirn/ Hirnblutung versorgenden Gefäßen der Schädelbasis, sowie tumoröse Veränderungen des zentralen Nervensystems können hiermit beurteilt werden. Seltener finden sich Infektionen durch Pilze und Parasiten.

Nach Entnahme des Liquors/ Nervenwasser wird dieser im Labor auf folgende Kriterien hin untersucht: makroskopisch auf Farbveränderungen und Trübungen, die oftmals schon eine erste Verdachtsdiagnose ermöglichen, mikroskopisch auf Zellart und –zahl, Eiweiß, Zucker- und Mineralgehalt, Antikörper sowie Bakterien und Pilze.

Da Erkrankungen des zentralen Nervensystems (ZNS) mit einer Veränderung des Liquors/ Nervenwasser bzw. dessen Zusammensetzung einhergehen, lassen sich durch die Liquordiagnostik oftmals Verdachtsdiagnosen bestätigen. Entzündliche Erkrankungen des ZNS wie beispielsweise Gehirnentzündungen (Enzephalitis), Hirnhautentzündungen (Meningitis), Rückenmarksentzündungen (Myelitis) oder entzündliche Autoimmunerkrankungen wie die Multiple Sklerose lassen sich beurteilen. Handelt es sich um bakterielle Infektionen, lassen sich vor allem neutrophile Granulozyten, eine Unterform der weißen Blutkörperchen, nachweisen. Bei viralen Infektionen hingegen finden sich vermehrt Lymphozyten. Tumorzellen im Nervenwasser lenken den Verdacht auf einen Tumorbefall der Hirnhäute (Meningeosis neoplastica), der bei Lymphomen, Leukämien oder Karzinomerkrankungen auftreten kann. Blutungen des Subarachnoidalraumes, die von hirnversorgenden Schlagadern ausgehen, werden durch das Auftreten von Erythrozyten (rote Blutkörperchen) im Nervenwasser bestätigt. Allerdings ist hierbei auf Artefakte zu achten, da geringe Blutmengen ebenfalls durch den Einstich bei der Punktion hervorgerufen werden können. Auch zur Diagnose von Lyme-Borreliosen und Neurolues (letztes Stadium der Syphilis) lässt sich die Liquoruntersuchung nutzen.

Eine absolute Kontraindikation für eine Lumbalpunktion stellt ein erhöhter Hirndruck dar, da es durch Liquorentnahme zum Absacken des Gehirnes und damit zu dessen Einklemmung kommen kann. Das Atemzentrum wird komprimiert und es besteht die Gefahr eines Atemstillstandes mit unmittelbarer Lebensbedrohung. Deshalb ist vor einer Liquorentnahme eine Hirndruckmessung unabdinglich.

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Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 04.04.2010 - Letzte Änderung: 25.07.2023