Vergiftung bei Kindern

Die Vergiftung (Intoxikation) stellt eine gefährliche Notfallsituation bei Kindern dar.

Vergiftung bei Kindern

Allgemeines

Die Vergiftung (Intoxikation) stellt eine gefährliche Notfallsituation bei Kindern dar. Während bei kleinen Kindern, die z.B. an den Medikamentenschrank der Eltern gelangt sind, oft nicht eruiert werden kann, welche Medikamente oder Mittel eingenommen wurden, stellt bei größeren Kindern und Jugendlichen die Alkoholintoxikation den häufigsten Notfall dar.

Symptome

Vergiftungen beim Kind treten häufig im Alter von 1- 4 Jahren auf und werden bevorzugt bei Jungen beobachtet. Etwa 1000 Fälle jährlich sind in Deutschland für die betroffenen Kinder lebensgefährlich und etwa 20 haben einen tödlichen Ausgang. In den meisten Vergiftungsfällen sind nur leicht ausgeprägte, bis gar keine Symptome wahrnehmbar. Die Symptome, die im Rahmen einer Vergiftung auftreten, können abhängig von der aufgenommenen Substanz sehr variieren. Vor allem Störungen des zentralen Nervensystems in Form von Bewusstseinsveränderungen, neu aufgetretenen Verhaltensauffälligkeiten oder auch Veränderungen des kindlichen Gangbildes und der Motorik können auf eine beginnende oder, bei starker Ausprägung, auf eine fortgeschrittene Vergiftung hinweisen.

Die ersten Anzeichen bei Kindern imponieren oftmals in Form von Übelkeit, Unwohlsein, Erbrechen oder auch Durchfall. Außerdem kann in vielen Fällen ein vermehrter Schweiß – oder Speichelfluss, einhergehend mit einer erhöhten Erregbarkeit, auftreten. Zusätzlich zählen zu den häufigen Symptomen Störungen des Herz – Kreislauf – Systems, wie ein Anstieg oder Abfall der Atem -/ oder Herzfrequenz. In besonders schlimmen Fällen kann bei dem betroffenen Kind eine Schocksymptomatik mit akutem Atemstillstand eintreten. An der Haut kann es ebenfalls, im Rahmen einer Vergiftung, zu Veränderungen kommen. Hierzu zählen neu aufgetretene Hautausschläge oder auch ein Ausfall der Haare. Bei vielen Kindern sind zusätzlich  Veränderungen der Pupillen oder Störungen der Sehfähigkeit zu beobachten. Zu beachten ist, dass viele Vergiftungen zunächst völlig symptomfrei verlaufen und erst nach 24 bis 48 Stunden die ersten spezifischen Auffälligkeiten hervorrufen können. Deshalb ist bei dringendem Verdacht auf das Vorliegen einer Vergiftung bei Kindern eine konsequente Überwachung unbedingt notwendig.

Notrufnummer

Liegt bei Kindern der Verdacht auf eine akute Vergiftung vor, sollte der Notarzt alarmiert werden, damit eine ausreichende Aufrechterhaltung des kindlichen Kreislaufes gewährleistet werden kann. Zudem erfolgt die Kontaktaufnahme mit der Giftnotzentrale. Die bundeseinheitliche Rufnummer setzt sich aus der Ortsvorwahl plus 19240 zusammen. Hier sollten genaue Angaben über das Alter, den aktuellen klinischen Zustand, die vermutlich aufgenommene Substanz, die Menge, sowie den Zeitpunkt und dem Aufnahmeweg der Substanz gemacht werden können, damit eine ausreichende und umfangreiche Empfehlung und Vorgehensweise ausgesprochen werden kann.

Erstmaßnahmen

Bei unklarer Substanz und Menge muss entweder ein Erbrechen herbeigeführt werden oder aber durch Kohlegabe evtl. über eine Magensonde die Substanz im Magen gebunden werden. Ausschlaggebend ist zum einen die Art der Substanz, zum anderen die verstrichene Zeit nach der Einnahme. Gerade erst eingenommene Substanzen können durch Erbrechen aus dem Körper befördert werden. Stark schäumende Substanzen, wie Spülmittel, dürfen nicht erbrochen werden.

In extremen Situationen stellt die Blutwäsche durch eine Dialysebehandlung die einzig rettende intensivmedizinische Maßnahme dar. Nachdem Eltern die Vergiftung festgestellt haben, sollten sie unbedingt einen Notarzt rufen. Ein selbstständiges Erbrechen sollte nicht induziert werden. Erbrochenes sollte aufbewahrt und dem Rettungsdienst gezeigt werden. Bis zum Eintreffen ist das Kind zu beruhigen und die Vitalparameter regelmäßig zu überprüfen.

Vergiftung mit Zigaretten

Vergiftungen, die durch Nikotin ausgelöst werden, zählen mit zu den häufigsten Vergiftungen im Kleinkindalter. Eine handelsübliche Zigarette mit 1g Tabak enthält ungefähr 15-25 mg Nikotin. Diese Dosis kann für ein Kleinkind bereits lebensbedrohlich werden. Allerdings enden Vergiftungen mit Zigaretten in der Regel nicht tödlich, da der extrem saure Magensaft verhindert, dass das Nikotin löslich wird und schnell aufgenommen werden kann. Das im Verlauf langsam aufgenommene Nikotin kann dann in der Regel sehr gut von der Leber eliminiert werden.

Die ersten Symptome einer Vergiftung durch Zigaretten manifestieren sich bei den Kindern erst nach 3-4 Stunden. Es können Symptome wie Unwohlsein, Übelkeit, Erbrechen, Blässe, Unruhe oder vermehrtes Schwitzen auftreten. Beim Verzehr von Zigarettenstummeln und dem Auftreten der zuvor genannten Symptome, besteht die strenge Indikation zu einer sofortigen Giftentfernung durch eine Magenspülung. Wenn die Zigarettenaufnahme mehr als 4 Stunden zurückliegt, die aufgenommene Länge weniger als 2 cm beträgt und keine Symptome zum Vorschein kommen, ist lediglich eine Beobachtung ohne therapeutischen Eingriff notwendig. Selten kann es bei den Kindern bei sehr schweren Vergiftungen zu Störungen des Herz – Kreislaufsystems oder zu Krampfanfällen kommen.

Vergiftung mit Eibe

Bei der Eibe handelt es sich um einen Nadelbaum, der vor allem in Mittel – und Südeuropa beheimatet ist und vorwiegend auf kalkhaltigem Boden wächst. Die Eibe trägt dunkelrote, bis schwarzbraune Samen, die für Kinder und auch Erwachsene sehr giftig sind. Da die Samen wie eine Beere erscheinen, besteht eine große Gefahr, dass kleine Kinder sie pflücken und essen. Das Fruchtfleisch, welches sehr schleimig und süßlich schmeckt, stellt keine Gefahr dar. Die Samenschale und die Nadeln der Eibe enthalten dagegen ein sehr giftiges Toxin, welches beim Zerkauen freigesetzt wird. Bereits ein oder zwei zerkaute Samen stellen für die Kinder eine kritische Dosis dar, die zu einer lebensbedrohlichen Vergiftung führen kann.

Ein paar Stunden nach dem Verzehr der Samen treten Mundtrockenheit, eine Rötung der Lippen und eine Erweiterung der Pupillen auf. Zusätzlich kann es zu Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen kommen. In besonders schweren Fällen können neben einem Bewusstseinsverlust auch Krampfanfälle oder schwerwiegende Herz – Kreislaufstörungen auftreten. Bei dem vorliegenden Verdacht auf eine Vergiftung durch Eibe müssen die betroffenen Kinder umgehend in eine Klinik eingewiesen werden, damit die lebensnotwendigen Körperfunktionen sichergestellt werden können und eine schnelle Elimination des Giftes vorgenommen werden kann.

Vergiftung mit Schneckenkorn

Eine Vergiftung bei Kindern, die durch Schneckenkorn ausgelöst wird, ist in den meisten Fällen lebensbedrohlich und bedarf einer sofortigen ärztlichen Versorgung. Das Schneckenkorn gehört zu den Insektiziden. Es handelt sich dabei um ein Präparat, welches zur Tötung und Vertreibung von Insekten eingesetzt wird. Aufgenommen wird das Schneckenkorn von den Kindern über den Mund, entweder in fester Form oder auch als konzentrierte Lösung. Nur ein Schluck kann bei Kleinkindern zum Auftreten einer akuten Lebensgefahr führen. Die Kinder klagen im Rahmen einer Vergiftung über Übelkeit, Erbrechen, vermehrtem Speichelfluss, Schwindel, Benommenheit oder auch Störungen des Bewusstseins.

Da eine große Gefahr einer akut auftretenden Störung des Herz – und Kreislaufsystems besteht, sollte bei vorliegendem Verdacht sofort eine Vorstellung in der Kinderklinik erfolgen oder bei bereits deutlicher Verschlechterung des Allgemeinzustandes der Notruf alarmiert werden. Als Erstmaßnahme wird empfohlen die Reste des Schneckenkorns unverzüglich aus dem Mund des Kindes zu entfernen und den Mund zu spülen. Ein Erbrechen sollte nicht ausgelöst werden, da es sich um ein ätzendes Gift handelt, welches zusätzliche Schäden im oberen Verdauungstrakt auslösen kann. In der Klinik kann eine intensivmedizinische Behandlung erfolgen. Hierbei wird vor allem auf eine hohe Flüssigkeitszufuhr mit einer verstärkten Darmspülung geachtet, um das Gift ausreichend zu eliminieren.

Vergiftung mit Blaukorn

Blaukorn ist ein Kunstdünger für Pflanzen, der gern im heimischen Garten verwendet wird. Kleine Kinder, die neugierig sind und die Umgebung erforschen, können schnell auf die kleinen blauen Kügelchen aufmerksam werden und diese zu sich nehmen. Blaukorn besteht aus Stickstoff, Kali und Phosphor und kann je nach aufgenommener Menge, sowie der Empfindlichkeit und der Größe des Kindes, zu einer sehr variablen Vergiftungssymptomatik führen. Von leichter Übelkeit und Erbrechen, kann es über blutige Stühle bis zu einer lebensbedrohlichen Verschlechterung des kindlichen Allgemeinzustandes führen, der im schlimmsten Fall tödlich enden kann. Eine besonders hohe Gefahr der Vergiftung besteht dann, wenn man das Blaukorn in Wasser auflöst und dann in der Gießkanne oder einem Glas stehen lässt.

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 07.10.2010 - Letzte Änderung: 18.09.2024