Die Aufgabe der Blut-Hirn-Schranke besteht darin den allgemeinen Blutkreislauf des Körpers vom so genannten Nervenwasser abzutrennen, welches das Gehirn direkt umspült. Dies dient vor allem dem Schutz des Hirngewebes.
Die Blut-Hirn-Schranke - viele haben diesen Begriff wahrscheinlich schon ein mal gehört und haben auch eine ungefähre Vorstellung davon, was das ist und wozu sie dient.
Denn der Name verrät es schon, es handelt sich um eine Barriere zwischen dem Blutkreislauf und dem Gehirn, genauer gesagt der Gehirnflüssigkeit (auch Nervenwasser genannt, Latein: Liquor).
Aber woraus genau wird diese Schranke gebildet, wie funktioniert sie, was hält sie zurück und wofür brauchen wir sie überhaupt? Diese Fragen sollen im Folgenden geklärt werden.
Die Blut-Hirn-Schranke ist also eine Barriere zwischen den kleinen Blutgefäßen im Gehirn und dem Nervenwasser.
Das Nervenwasser (lat. Liquor) wird von den Plexus choroidei gebildet und umspült das zentrale Nervensystem (ZNS), bestehend aus Gehirn und Rückenmark. Diese sind von drei Gehirnhäuten umgeben. Zwischen der inneren und der mittleren Hirnhaut, in dem sogenannten Subarachnoidalraum, fließt das wasserklare Nervenwasser. Produziert wird es in weiter innen liegenden Bereichen des Gehirns. Hier gibt es ein Hohlraumsystem, die sogenannten Ventriculi, in denen das Nervenwasser gebildet wird, und zwar durch eine Filtration aus dem Blut.
Der Liquor enthält aber letztendlich viel weniger Zellen und Eiweiße als das Blut.
Jeden Tag wird neuer Liquor gebildet und gleichzeitig wird alter Liquor über Venen oder Lymphgefäße wieder resorbiert.
Die Funktionen des Nervenwassers belaufen sich vor allem darauf, das ZNS gut abzupolstern und somit vor mechanischen Einflüssen von außen zu schützen.
Außerdem wird dadurch, dass das Gehirn quasi im Liquor schwimmt, sein Gewicht deutlich reduziert.
Zusätzlich spielt er eine Rolle bei der Ernährung der Nervenzellen.
Die Funktion der Blut-Hirn-Schranke liegt darin, die Zusammensetzung des Nervenwassers konstant zu halten, damit das Milieu der Nervenzellen möglichst wenigen Schwankungen unterliegt. Das ist möglich, in dem die Schranke den Stoffaustausch zwischen Blut und Liquor kontrolliert. Schädliche Stoffe wie Gifte, Krankheitserreger und Hormone lässt sie nicht durch. Nährstoffe hingegen wie zum Beispiel Zucker lässt sie hinein, Stooffwechselprodukte der Nervenzellen werden herausgelassen und können über das Blut in Richtung Leber transportiert und schließlich entsorgt werden.
Die Blut-Hirn-Schranke gibt es allerdings nicht in allen Bereichen des Gehirns. Bestimmte Organe sind auf den Kontakt mit dem Blut angewiesen. So gibt es beispielsweise einen Bereich im Gehirn, der die Bestandteile des Blutes misst und bei Notwendigkeit - wenn nämlich toxische Stoffe im Blut sind - einen Brechreflex auslöst.
Andere Organe wiederum stellen Hormone her, die in das Blut gelangen müssen, damit sie sich im Körper verteilen und an anderer Stelle ihre Wirkung entfalten können.
Die Blut-Hirn-Schranke besteht ganz einfach aus den Wänden der kleinen Hirngefäße, die hier anders aufgebaut sind als im restlichen Körper.
Eine wichtige Rolle spielen die Endothelzellen. Das sind die Zellen, die die Wände der winzigen Blutgefäße im Gehirn bilden. Diese sogenannten Kapillargefäße haben - im Gegensatz zu größeren Gefäßen im Kreislauf - nur eine einschichtige Wand.
Während die Wände großer Gefäße aus drei Schichten bestehen (zwei Bindegewebsschichten und in der Mitte einer Schicht aus Muskulatur zur Regulation des Durchmessers), haben kleine Kapillaren nur die innerste Schicht - die Endothelschicht. Diese Endothelzellen liegen einer sogenannten Basallamina auf (einer dünnen Schicht aus Proteinen) und umschließen das Gefäß ringförmig.
Im restlichen Körper, also außerhalb des Gehirns ist das Endothel der Blutgefäße nicht vollkommen dicht. Zwischen den Endothelzellen bleiben kleine Spalte.
Auf diese Weise können Wasser und gelöste Stoffe und beispielsweise Nährstoffe aus dem Blut in das umliegende Gewebe gelangen.
Innerhalb des Gehirns jedoch bilden die Endothelzellen der Gefäße eine quasi lückenlose Wand. Die einzelnen Endothelzellen sind über sogenannte Tight Junctions sehr eng miteinander verbunden.
Diese Endothelschicht kann also so einfach nicht durchdrungen werden - außer von fettlöslichen Substanzen, die durch die Zellmembran diffundieren können weil diese selbst aus Fett besteht, oder aber durch aktive Transportmechanismen wie Pumpen oder Kanäle.
Im Gewebe des Gehirns eingebettet werden die Kapillaren von Astrozyten umhüllt. Astrozyten sind neben den Nervenzellen (Neuronen) die wichtigste Zellart im Gehirn. Sie sind unter anderem für die Ernährung der Neurone zuständig. Ihre Fortsätze sind ebenfalls ein Teil der Blut-Hirn-Schranke.
Nährstoffe wie z.B. Zucker (Glucose) oder Elektrolyte wie Natrium und Kalium werden mithilfe von Pumpen oder Transportern aktiv durch das Endothel geschafft, Wasser wiederum kann durch bestimmte Kanäle (Aquaporine) die Blut-Hirn-Schranke überwinden.
Bestimmte Hormone - vor allem Stress- und Sexualhormone - können durch die Blut-Hirn-Schranke diffundieren und das Gehirn beeinflussen.
Auch fettlösliche Gase wie Sauerstoff und Kohlenstoffdioxid können die Endothelschicht ohne besondere Hilfsmittel überwinden. Ebenso andere fettlösliche Substanzen wie z.B. Alkohol, Nikotin und Heroin. Auf diese Weise können die Suchtmittel im Gehirn wirken.
Je besser ein Medikament also in Fett löslich ist, desto stärker ist auch seine ZNS-Gängigkeit. Zu diesen Medikamenten gehören beispielsweise Psychopharmaka, Narkose-, Schlaf- und Beruhigungsmittel. Bei Antibiotika hingegen wird in der Herstellung möglichst auf eine schlechte Fettlöslichkeit (also stattdessen eine gute Wasserlöslichkeit) geachtet, da sie neurotoxisch sind.
Stoffe, die potenziell gefährlich für das Gehirn sind, werden durch die Blut-Hirn-Schranke aufgehalten.
Allerdings gibt es Ausnahmen. Bakterien und Viren die Auslöser einer Meningitis, also einer Hirnhautentzündung, sind, oder auch das Humane-Immundefizienz-Virus (HIV) lassen sich von der Schranke nicht aufhalten.
Wieder andere Stoffe, die im ZNS eigentlich auch benötigt werden, die die Schranke aber ebenfalls nicht überwinden können, müssen eben innerhalb des Gehirns neu hergestellt werden. Ein Beispiel für einen solchen Stoff ist Cholesterin. Die Astrozyten produzieren Cholesterin also selber, da es unerlässlich für die Herstellung der Myelinscheiden der Neurone ist (Myleinscheiden wiederum sind eine unverzichtbare Ummantelung der Nervenzellen).
Ein weiterer wichtiger Punkt sind metastasierende Tumorzellen. Besonders die Zellen von Bronchialkarzinomen (Lungenkrebs), Mammakarzinomen (Brustkrebs) und malignen Melanomen (Hautkrebs) streuen hämatogen (also über das Blut) ins Gehirn, trotz Blut-Hirn-Schranke, wo sich Metastasen, also sekundäre Tumore bilden können.
Hier stellt die Barriere ein Problem dar, denn durch sie können die Medikamente der Chemotherapie die Metastasen schlechter erreichen.
Außerdem kann sich die Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke durch Tumorerkrankungen, Hirninfarkte, entzündliche Prozesse oder seltene genetische Erkrankungen (z.B. Defizite der oben genannten Kanäle) verändern. Dadurch können wiederum Substanzen, die eigentlich gefiltert werden sollen, in den Liquor gelangen, oder aber Nährstoffe, wie Glukose, die das Gehirn eigentlich braucht, erreichen es nicht mehr.
Strukturelle Veränderungen im Bereich der Blut- Hirn- Schranke führen zu einem Verlust der Integrität (Unversehrtheit der Blut- Hirn- Schranke), wodurch die Entstehung von verschiedenen Krankheiten, wie zum Beispiel der Multiplen Sklerose (MS), begünstigt wird.
Bei der Multiplen Sklerose kommt es, in Folge des Übertrittes von verschiedenen Immunzellen (Weiße Blutkörperchen und Fresszellen) ins Gehirn, zu entzündlichen, demyelenisierenden Prozessen im zentralen Nervensystem (Gehirn und Rückenmark).
Diese demyelenisierenden Prozesse führen zum Verlust bzw. zum Abbau der Myelinscheide (Markscheide der Nervenzellen im zentralen Nervensystem, vergleichbar mit der Isolierung einer Leitung), wodurch verschiedene neurologische Symptome auftreten (wie z.B. Störungen der Sehschärfe).
Der genaue Prozess des Übertrittes von Weißen Blutkörperchen und Fresszellen durch die Blut-Hirn-Schranke hindurch ist noch nicht vollständig geklärt. Grundlegend für die Entstehung der Multiplen Sklerose ist eine Fehlfunktion, die unter anderem durch eine verminderte Bildung der Zellkontakte (vergleichbar mit einer dichten Barriere) gekennzeichnet ist.
Im Rahmen der Multiplen Sklerose produzieren spezialisierte Zellen der Blut- Hirn- Schranke verschiedene Arten von Signalmolekülen (Moleküle, die Prozesse vermitteln). Mit Hilfe dieser ist der Übertritt von verschiedenen Immunzellen durch die Blut-Hirn-Schranke ins Gehirn möglich.
Allgemeine Informationen zum Thema finden Sie hier: Multiple Sklerose
Alkohol ist, neben Drogen und bestimmten Medikamenten, in der Lage, die selektive Filterbarriere des Gehirnes,die Blut-Hirn-Schranke, zu durchdringen.
Alkohol bzw. übermäßiger Alkoholkonsum führt zu einer gestörten Integrität (Unversehrtheit der Blut- Hirn- Schranke), wodurch die Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen (bei der Nervenzellen zugrunde gehen), begünstigt wird.
Durch den regelmäßigen Alkoholkonsum, sowie durch dessen Stoffwechselprodukte, kommt es zu strukturellen Veränderungen der Blut- Hirn- Schranke.
Somit wird durch den regelmäßigen und übermäßigen Alkoholkonsum die selektive Filterbarriere für giftige Stoffe und krankheitsverursachende Substanzen durchlässiger. Dadurch kommen strukturelle und funktionale Veränderungen des zentralen Nervensystems (Gehirn und Rückenmark) zustande.
Lesen Sie mehr zum Thema unter: Folgen von Alkohol
Trotz der selektiven Schutzfunktion der Blut– Hirn- Schranke gegen das Eindringen von nicht körpereigenen Stoffen ins Gehirn über das Blut, ist es für bestimmte Stoffe möglich, den selektiven Filter der Blut– Hirn– Schranke zu überwinden.
Neben Drogen und Alkohol, sind auch bestimmte Medikamente in der Lage, die Blut-Hirn-Schranke zu Überwinden. Zu der Gruppe von Medikamenten, welche die Blut- Hirn- Schranke durchdringen können, zählen unter anderem Antidepressiva, Antiepileptika (wie z.B. das Gabapentin), sowie die Vorstufe des Botenstoffes Dopamin, das L –Dopa (Levodopa). Dopamin ist ein Botenstoff, der zum Beispiel für Glücksgefühle oder die Konzentration mitverantwortlich ist.
Dopamin wird vor allem zur therapeutischen, medikamentösen Behandlung der Krankheit Alzheimer eingesetzt und kann in seiner eigentlichen Form, die Blut- Hirn- Schranke nicht passieren. Um das Dopamin, durch die Blut- Hirn- Schranke ins Gehirn zu transportieren, bedient man sich einer Vorstufe des Dopamins, dem L-Dopa (Levodopa). Im Gehirn angekommen, wird das L- Dopa wiederum zu Dopamin durch körpereigene Moleküle umgewandelt, um seine Wirkung zu entfalten.
Die Überwindung der Blut- Hirn- Schranke, sowie die Verbesserung der Durchlässigkeit der Blut- Hirn-Schranke für Medikamente zur Behandlung von neurodegenerativen Erkrankungen, wie zum Beispiel Alzheimer oder Amyotrophe Lateralsklerose (ALS), ist weiterhin aktueller Gegenstand medizinischer Forschung.
Die Blut-Hirn-Schranke ist also unverzichtbar für die Sicherheit und Funktionsaufrechterhaltung der Neurone. Manchmal wird durch sie die Wirksamkeit von Medikamenten erschwert. Funktioniert sie nicht richtig, kann das zu einer Reihe neurologischer Defizite führen.
Weitere Informationen zum Thema Blut-Hirn-Schranke finden Sie unter:
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