Im Artikel wird einleitend definiert, was genau unter Kleinwuchs zu verstehen ist. Anschließend wird auf die Ursachen, Ausprägungsformen, Symptome und Therapiemöglichkeiten eingegangen.
Per Definition liegt ein Kleinwuchs, auch Minderwuchs genannt, dann vor, wenn die Körperlänge bzw. -größe unterhalb der 3. Perzentile der Wachstumskurve liegt. Dies bedeutet, dass mindestens 97% der Gleichaltrigen innerhalb der Allgemeinbevölkerung eine höhere Körpergröße aufweisen.
Wenn ein Kind beispielsweise auf der 2. Perzentile liegt, so sind 98% der gleichaltrigen Kinder größer und 2% kleiner als dieses. Für Erwachsene gilt dabei, dass nach abgeschlossenem Wachstum nur die Körpergröße unabhängig vom Alter ausschlaggebend ist. Derzeit betragen die Grenzen des Kleinwuchses für den Erwachsenen 150 cm beim Mann und 140 cm bei der Frau.
Kleinwuchs per se ist definiert als eine Körpergröße unter der dritten Perzentile. Dem liegt meist zu Grunde, dass die Wachstumsdauer verkürzt oder die Wachstumsgeschwindigkeit im Vergleich zur Normalbevölkerung geringer ist.
Auffällig wird ein Kleinwuchs meist im Kleinkindalter oder in der Pubertät.
Die Frage, ob eine Behinderung vorliegt oder nicht, hängt zunächst einmal mit der Ursache des Kleinwuchses zusammen.
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass ein Kleinwuchs in den meisten Fällen keine Behinderung darstellt und in Einzelfällen individuell entschieden werden muss über einen eventuellen Grad der Behinderung.
Es gibt unzählige Formen des Kleinwuchses, von denen im Folgenden die häufigsten genannt werden:
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Die Symptome, die in einem genetischen Syndrom enthalten sind, können sehr vielfältig sein und sind von der zugrunde liegenden Krankheitsursache abhängig.
Bei der Achondroplasie tritt neben dem disproportionalen Wachstum ebenfalls oft eine Spinalkanalstenose auf. Weitere Veränderungen der Wirbelsäule betreffen eine verstärkte Brust-Kyphose und eine Lenden-Lordose. Zudem kommt es auch zu Beinfehlstellungen, z.B. X- oder O-Beinen. Eine einfallende Nasenwurzel und eine verminderte Ausprägung des Mittelgesichts bewirken eine sehr prominente Stirn. Außerdem neigen diese Menschen zu einer erhöhten Infektanfälligkeit der oberen Atemwege und des Mittelohres.
Bei der Osteogenesis imperfecta kommt es aufgrund der Brüchigkeit der Knochen zu vielen Frakturen, auch bei geringen Traumen wie zum Beispiel einem Sturz aus geringer Höhe. Zudem kann es auch zu Schwerhörigkeit und einer Blaufärbung der Lederhäute der Augen kommen.
Die Diagnose des Kleinwuchses wird zumeist durch den Kinderarzt gestellt. Im Laufe der kindlichen Entwicklung gibt es diverse gesetzlich vorgeschriebene Vorsorgeuntersuchungen.
Zu diesen wird das Gewicht und auch die Körpergröße des Kindes im Untersuchungsheft des Kindes eingetragen. Dadurch ergibt sich ein Entwicklungsverlauf und man kann eine Wachstums- und Gewichtsverlaufskurve erstellen, die mit anderen Kindern verglichen werden kann.
Wichtig ist, dass für die Diagnosestellung populationsspezifische Referenzwerte für das Wachstum herangezogen werden.
So sind die Durchschnittwerte für das Längenwachstum eines Kindes, das aus Kanada stammt, unterschiedlich zu einem, das in den Niederlanden geboren wird und aufwächst.
Bei einem atypischen Verlauf, zum Beispiel bei einem Gleichbleiben des Gewichts oder einer Verlangsamung der Wachstumsgeschwindigkeit, sollte der Arzt weiterführende Untersuchungen durchführen, um die Ursache dafür zu finden. Dazu gehören zum einen weitere Messungen, um die Proportionalität des Wachstums (Körperproportionen) festzustellen, aber auch andere Untersuchungen, z.B. Labortests, um beispielsweise Hormonmängel oder Nährstoffmangelzustände aufzudecken.
Je nach Symptomatik des Patienten können auch andere weiterführende Untersuchungen notwendig sein, z.B. gastroenterologische bei Aufnahmestörungen oder genetische, falls ein Anhalt auf eine erbgutbedingte Erkrankung besteht.
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Schon pränatal im Ultraschall beobachtet der Gynäkologe über die gesamte Schwangerschaft hinweg das Wachstum und die Proportionalität des Körperbaus des Kindes.
Nach der Geburt wird anhand von Perzentilenkurven die Entwicklung von Körperlänge, Gewicht und Kopfumfang in regelmäßigen Abständen vom Kinderarzt bei den Vorsorgeuntersuchungen dokumentiert. Solche Aufzeichungen über das Wachstum müssen über einen längeren Zeitraum angelegt werden. Daher kann eine aussagekräftige Einschätzung erst nach ungefähr zwei Jahren stattfinden.
Das Knochenalter, normalerweise radiologisch an der linken Hand bestimmt, wird im ersten Lebensjahr vorzugsweise durch eine Röntgenuntersuchung des linken Knies festgestellt und mit dem biologischen Alter verglichen.
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Die Behandlung ist beim Kleinwuchs stark von der Ursache abhängig.
Bei dem bereits angesprochenen familiären Kleinwuchs ist keine Behandlung notwendig.
Bei einem verspäteten Eintritt in die Pubertät kann die genetische Zielgröße in der Regel ohne Behandlung erreicht werden.
Anders ist dies bei Erkrankungen, die einen Kleinwuchs hervorrufen. Mangelzustände können durch Ersatztherapien behoben werden. Dies ist bei Hormon- oder Vitaminmangel wichtig, jedoch auch bei genereller Mangelernährung. Teilweise kann aber keine elternentsprechende Größe erreicht werden, wenn diese eine normale Körpergröße aufweisen.
Erkrankungen, die sekundär zum Kleinwuchs führen, sollten behandelt werden, um die Ursache anzugehen. Dies kann genügen, um ein normales Wachstum wiederherzustellen. Ist dies jedoch nicht ausreichend, so können wachstumsfördernde Medikamente oder Hormone gegeben werden, um dennoch eine größere Körperlänge zu erreichen.
Darüber hinaus gibt es auch Erkrankungen, bei denen keine der konservativen Therapien zu einem erfolgsversprechenden Wachstum führen. Dies ist zum Beispiel bei der Achondroplasie der Fall.
Weitere Informationen hierzu: Wachstumshormon
Liegt dem Kleinwuchs eine hormonelle Störung zugrunde, so kann man unter gewissen Umständen zu therapeutischen Zwecken eine Hormonbehandlung in Anbetracht ziehen.
Der dafür zuständige Arzt, der Kinder-Endokrinologe, wird eine Reihe an wichtigen Labor- und körperlichen Untersuchungen durchführen. Beispiele für eine hormonelle Störung können eine Beeinträchtigung der Hypophysenfunktion mit nicht ausreichender Produktion der Wachstumshormone oder eine Schilddrüsenunterfunktion sein.
Als Medikament gibt man zur Therapie des Kleinwuchses das Wachstumshormon “Growth Hormone”, das nur dann fördernden Einfluss auf das Längenwachstums hat, wenn das Kind sich noch in der Knochenwachstumsphase befindet. Ein Einsatz des Hormons nach Abschluss der Wachstumsphase des Kindes ist also nicht korrigierend. Aus diesem Grund ist die Bestimmung des Knochenalters durch eine Röntgenuntersuchung so wichtig.
Da die Therapie auch negative Auswirkungen auf die Gesundheit des Kindes haben kann, muss die Indikation streng vom Kinder-Endokrinologen gestellt werden. Mögliche Nebenwirkungen sind eine pathologische Glucosetoleranz und eine Schilddrüsenunterfunktion.
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Die Ursachen für den Kleinwuchs sind sehr vielfältig. Am häufigsten ist dabei jedoch der familiäre Kleinwuchs, bei dem keine Wachstumsstörung vorliegt.
Die Eltern des Kindes sind klein, daher ist auch zu erwarten, dass das gezeugte Kind eine geringe Körpergröße im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung aufweist. Das Wachstum muss hierbei jedoch regelgerecht verlaufen und auch proportioniert sein, d.h. die Verhältnisse von Körper zu Gliedmaßen etc. müssen im Normbereich liegen.
Die zweithäufigste Ursache ist die konstitutionelle Wachstumsverzögerung. Diese ist durch eine geringere Wachstumsgeschwindigkeit und besonders durch einen verspäteten Eintritt in die Pubertät gekennzeichnet. Dabei ist die Wachstumsphase verlängert, sodass durchaus die genetisch durch die Eltern bestimmte Zielgröße erreicht werden kann. Häufig ist bereits bei den Eltern ein verspäteter Eintritt in die Pubertät bekannt.
Weitaus seltener sind Hormonmangel, z.B. Schilddrüsenunterfunktion, Minderproduktion von Wachstumshormon, oder chronische Krankheiten die Ursache. Zu den chronischen Krankheiten zählen besonders diejenigen, die ein Aufnahme von Nährstoffen erschweren, z.B. chronisch entzündliche Darmerkrankungen oder die glutenbedingte Zöliakie.
Darüber hinaus können auch verschiedenste genetisch bedingte Krankheiten zu einer verringerten Körpergröße führen. Diese können von den Eltern geerbt werden, auch wenn diese davon nicht betroffen sind, oder jedoch auch neu auftreten.
Darüber hinaus können auch Mangelernährung, Vernachlässigung und Misshandlung zu einem verringerten Wachstum führen.
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Wie bereits angesprochen, ist die Körpergröße des Kindes durch die Körpergröße der Eltern zu einem großen Grad vorbestimmt.
Mittels der elterlichen Körpergröße lässt sich eine Zielgröße für das Kind errechnen, wobei die Endgröße des Kindes dennoch gewissen Abweichungen unterliegt. Hierdurch kommt der familiäre Kleinwuchs zustande, der per se jedoch keine Krankheit darstellt.
Andererseits können genetisch bedingte Krankheiten auf die Kinder weitervererbt werden. Dabei spielt der Vererbungsweg der Krankheit eine Rolle und bestimmt mit welcher Wahrscheinlichkeit das Kind letztendlich erkrankt und damit auch kleinwüchsig wird. Dies ist von Krankheit zu Krankheit sehr unterschiedlich und kann von einem Facharzt oder einer Fachärztin für Humangenetik beurteilt werden.
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Es gibt verschiedene genetische Syndrome, die einen Kleinwuchs bedingen können.
Sehr bekannt hierbei ist die Achondroplasie, die häufigste Skeletterkrankung, bei der die Verknöcherung von Knorpel und damit das Knochenwachstum gestört ist. Diese Erkrankung wird autosomal-dominant vererbt, beruht jedoch in der Mehrheit der Fälle auf einer Neumutation, d.h. die Eltern waren weder erkrankt noch Träger der genetischen Veränderung. Bei dieser Erkrankung ist die zu erwartende Körperlänge unter 130 cm, wobei der Rumpf eine normale Länge erreicht und primär die Gliedmaßen zu kurz sind, da die Röhrenknochen sich nicht ausreichend entwickeln. Der Kopf wirkt dabei überproportional groß.
Eine weitere Erkrankung, die je nach Ausprägungsgrad zu einem Kleinwuchs führen kann, ist die sogenannte Glasknochenkrankheit (Osteogenesis imperfecta). Bei dieser Erkrankung kommt es zu einer gestörten Herstellung von Kollagen, welches für die Knochenbildung und -stabilität wichtig ist. Dies führt je nach Ausprägung der Krankheit zu sehr brüchigen Knochen und disproportioniertem Kleinwuchs. Die Vererbung dieser Erkrankung ist abhängig vom Typus, wobei sich die verschiedenen Typen in Ihrer Schwere unterscheiden.
Die Entwicklung des Fetus während der Schwangerschaft ist äußerst wichtig.
In diesem Stadium können schädigende Stoffe wie Nikotin oder Alkohol nicht nur zu Fehlbildungen und geistiger Einschränkung führen, sondern auch zu langfristigen Wachstumsstörungen. Die Kinder kommen nicht nur mit geringerem Geburtsgewicht zur Welt, sondern auch der Wachstumsverlauf kann beeinträchtigt sein.
Darüber hinaus können weitere mütterliche Faktoren zu einer Wachstumseinschränkung des Fetus im Mutterleib führen. Zu diesen gehören erhöhter Blutdruck, Diabetes Mellitus, Nierenfunktionseinschränkung, Nährstoffmangel und Blutarmut, aber auch Drogenmissbrauch. Ist ein Kind aufgrund dieser Faktoren bei Geburt zu leicht und klein, so kann ein Großteil dieses fehlenden Wachstums noch aufgeholt werden, jedoch bleibt bei einem kleineren Teil diese Wachstumsverzögerung bestehen und führt zu einer geringeren Endkörpergröße.
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Grundsätzlich ist Kleinwuchs ein vermindertes Körperlängenwachstum, was keine Auswirkung auf die Lebensdauer hat.
Insbesondere beim familiär bedingten Kleinwuchs geht man von einer der Normalbevölkerung gleichen Lebenserwartung aus.
Ist der Kleinwuchs Anzeichen einer anderen chronischen Erkrankung, so muss die Lebenserwartung dieser Krankheit in Betracht gezogen werden.
Liegt zum Beispiel ein schwerer Herzfehler vor, ist es wahrscheinlich, dass die Lebensdauer dieses Menschen eingeschränkt ist.
Das gleiche gilt für schwere Formen der Mangelernährung und toxischen Schädigung während der Schwangerschaft durch Rauchen, Drogen und Alkohol.
Auch viele hereditäre Syndrome (erblich bedingt) und die Osteogenesis imperfecta (Glasknochenkrankheit) gehen mit einer verminderten Lebenserwartung einher.
Außerdem ist zu erwähnen, dass bei einigen disproportionalen Formen des Minderwuchses eine unphysiologische Belastung der Gelenke mit verfrühtem Verschleiß zu befürchten ist.
Insgesamt kann man also sagen, dass durch einen Kleinwuchs nicht primär von einer verminderten Lebenserwartung auszugehen ist. Ausschlaggebend für die Prognose ist die individuelle Ursache für den Kleinwuchs.
Grundsätzlich ist das verminderte Wachstum der Körpergröße nicht als kritisch zu bewerten.
Wichtig ist dabei, die Hintergründe und Begleiterkrankungen zu betrachten und im Auge zu behalten.
Liegen Anzeichen auf Vernachlässigung oder Missbrauch vor, muss das Jugendamt in den Fall miteinbezogen werden.