Karpaltunnelsyndrom in der Schwangerschaft

Das Karpaltunnelsyndrom entsteht unabhängig von einer Schwangerschaft durch eine Enge im Raum, dem Karpaltunnel, der zwischen den Handwurzelknochen und dem darüber liegenden Karpalband, liegt. Dadurch kommt es zur Kompression des Nervus medianus, der unter anderem zuständig ist für die oberflächliche Empfindung des Daumen, des Zeige- und Mittelfingers, sowie die Muskulatur des Daumenballens. Typischerweise tritt als erstes Anzeichen ein Kribbeln im innervierten Bereich des Nerves auf, welches vor allem nachts auffällt. Erst im weiteren Verlauf leidet auch die Versorgung der Muskulatur, so dass es im fortgeschrittenen Stadium auch zum Muskelschwund kommen kann.

Karpaltunnelsyndrom in der Schwangerschaft

Definition des Karpaltunnelsyndroms

Unter dem Begriff „Karpaltunnelsyndrom“ versteht man eine Erkrankung bei der es zur Einengung des Medianus-Nerven (Nervus medianus) im Bereich des Handgelenks kommt.

Der Karpaltunnel ist ein schmaler Raum, der zwischen den Handwurzelknochen und dem darüber liegenden Karpalband (Ligamentum transversum; Retinaculum flexorum) liegt. Durch diesen schmalen Tunnel verlaufen sowohl die Sehnen verschiedener Muskeln, als auch der Nervus medianus. Die für das Vorliegen des Karpaltunnelsyndroms typischen Beschwerden erklären sich durch die Funktionen dieses Nerven.

Vor allem die Empfindungsfähigkeit (Sensibilität) des Daumens, des Zeige- und des Mittelfingers wird durch diesen Nerven vermittelt. Darüber hinaus dient der durch das Karpaltunnelsyndrom beeinträchtigte Nerv der Steuerung verschiedener Hand- und Fingermuskeln. Eine direkte Schädigung dieses Nerven im Zuge einer Kompression führt folglich zu Einschränkungen der Sensibilität, Taubheitsgefühlen und Bewegungseinschränkungen der Finger.
Desweiteren gehört das nächtliche Auftreten von Kribbeln zu den ersten Anzeichen für das Vorliegen des Karpaltunnelsyndroms. Im weiteren Verlauf entwickeln die betroffenen Patienten zudem Schmerzen beim Greifen.

Einleitung

Das Karpaltunnelsyndrom zeichnet sich auch während der Schwangerschaft durch eine Schädigung des Medianus-Nervens im Bereich des Handgelenks aus.

Im Allgemeinen gehört das Karpaltunnelsyndrom auch in der Schwangerschaft zu den häufigsten Kompressionssyndromen. Besonders gefährdet sind ältere Menschen, wobei Frauen ungefähr drei- bis viermal häufiger betroffen sind als Männer.
Da die langfristige Blockade des Medianus-Nerven im Karpaltunnel bleibende Schäden verursachen kann, sollte das Karpaltunnelsyndrom zeitnah behandelt werden. In der Regel erfolgt die Behandlung auch während der Schwangerschaft durch die nächtliche Ruhigstellung des betroffenen Handgelenks. Bereits diese einfache Maßnahme verschafft in vielen Fällen den Patienten Linderung.

Für weitere Therapiemaßnahmen eines Karpaltunnelsyndroms (beispielsweise die lokale Injektion von Kortison oder die operative Spaltung des Retinaculums) sind während der Schwangerschaft besondere Richtlinien zu berücksichtigen.

Ursachen

Die eigentliche Ursache für die Entstehung eines Karpaltunnelsyndroms liegt in einem ungünstigen Verhältnis zwischen dem Karpaltunnel und dem Raum, den die darin verlaufenden Strukturen tatsächlich benötigen. Auf Grund der Begrenzungen des Karpaltunnels ist dessen Raum stark begrenzt.
Kommt es nun zu einer Erhöhung des im Karpaltunnel herrschenden Drucks werden die darin verlaufenden Gefäße und der Medianus-Nerv komprimiert. Vor allem die Nähr- und Sauerstoffversorgung des Medianus-Nerven werden auf diese Weise stark beeinträchtigt. Auf lange Sicht kann dies dazu führen, dass die einzelnen Nervenfasern Schaden nehmen und ihre Funktion nicht mehr ausüben können. Die betroffenen Patienten verspüren nächtliches Kribbeln, Sensibilitätsausfälle und Schmerzen.

Auch während der Schwangerschaft können die üblichen Risikofaktoren zur Entstehung des Karpaltunnelsyndroms beitragen. Zu den wichtigsten Risikofaktoren gehören:

  • anlagebedingte Verengung des Karpaltunnels (beispielsweise durch bestimmte Varianten eines Handwurzelknochens)
  • Entzündliche Prozesse im Bereich der Sehnenscheiden
  • Schwellungen der Sehnenscheiden (besonders häufig während der Schwangerschaft, bei rheumatischen Erkrankungen oder durch Überbelastung)
  • Brüche im Bereich der Speiche oder Handwurzelknochen
  • Arthrose im Handgelenk
  • Raumfordernde Prozesse im Bereich des Handgelenks (beispielsweise Tumore)

Darüber hinaus kann es im Zuge der Schwangerschaft durch spezielle Einflussfaktoren zur Entstehung des Karpaltunnelsyndroms kommen. In diesem Zusammenhang spielen vor allem die hormonellen Veränderungen eine entscheidende Rolle. Gerade im letzten Drittel der Schwangerschaft neigt der Körper der werdenden Mutter dazu vermehrt Flüssigkeit einzulagern. Dies führt dazu, dass sich auch innerhalb des Karpaltunnels ein erhöhter Flüssigkeitsgehalt findet. Ist der Karpaltunnel aufgrund seiner individuellen Form schon vor der Schwangerschaft relativ eng, kann der steigende Flüssigkeitsgehalt zur Entstehung des Karpaltunnelsyndroms führen.

Lesen Sie mehr zum Thema unter: Ursachen eines Karpaltunnelsyndroms

Symptome

In der Regel macht sich das Karpaltunnelsyndrom auch in der Schwangerschaft schon zu Beginn der Erkrankung durch Schmerzen oder kribbelnde Finger bemerkbar. Im Anfangsstadium lassen diese Beschwerden jedoch bereits nach kurzer Zeit wieder nach.

Typisch für das Vorliegen des Karpaltunnelsyndroms sind vor allem während der Nacht auftretende Schmerzen und Kribbelparästhesien (Finger kribbeln). Im weiteren Verlauf nimmt sowohl die Dauer, als auch die Intensität der vom betroffenen Patienten verspürten Beschwerden zu. In den meisten Fällen geben die Betroffenen an, an Schmerzen im Bereich des Handgelenks, des Daumens, des Zeige- und Mittelfingers zu leiden, die bis in den Arm ausstrahlen. Typischerweise können die durch das Karpaltunnelsyndrom verursachten Beschwerden auch in der Schwangerschaft durch Reiben oder Schütteln der Hand gelindert werden.

Ist das Karpaltunnelsyndrom bereits weiter fortgeschritten, treten die Beschwerden an der betroffenen Hand nicht länger zeitweise auf. Die meisten der betroffenen Patienten verspüren im fortgeschrittenen Stadium dauerhafte Beschwerden. Darüber hinaus kann die ausgeprägte Schädigung des Medianus-Nerven dazu führen, dass bei der Durchführung von Greifbewegungen das Gefühl entsteht, der Patient hätte einen elektrischen Schlag bekommen. Desweiteren nimmt die Funktionsfähigkeit des Nerven im weiteren Verlauf des Karpaltunnelsyndroms deutlich ab. Daumen, Zeigefinger und Teile des Mittelfingers sind in der Regel vollkommen gefühllos (Sensibilitätsstörung). Zudem ist der Patient typischerweise nicht mehr dazu in der Lage mit der betroffenen Hand feinmotorische Tätigkeiten auszuüben.

Das Spätstadium des Karpaltunnelsyndroms zeichnet sich auch während der Schwangerschaft durch einen deutlichen Rückgang der seitlichen Muskulatur des Daumenballens aus (Daumenballen-Atrophie). Aus diesem Muskelschwund resultieren in der Regel eine Abspreiz- beziehungsweise Beugungsschwäche des Daumens und ein damit einhergehender Kraftverlust bei Greifbewegungen.

Lesen Sie mehr zum Thema: Symptome eine Karpaltunnelsyndroms

Diagnose

Auch während der Schwangerschaft gliedert sich die Diagnostik des Karpaltunnelsyndroms in mehrere Schritte. Bereits während des Arzt-Patienten-Gesprächs (Anamnese) kann die Schilderung der wahrgenommenen Beschwerden einen ersten Hinweis auf das Vorliegen des Karpaltunnelsyndroms liefern. Im Anschluss kann diese Verdachtsdiagnose durch weiterführende Maßnahmen erhärtet werden.

Während einer orientierenden körperlichen Untersuchung müssen beide Hände im Vergleich begutachtet werden. Der Arzt achtet in diesem Schritt vor allem auf sichtbare Auffälligkeiten wie beispielsweise Rötungen, Schwellungen, Blutergüsse und/oder Verletzungen. Im Anschluss kann sowohl die Beweglichkeit von Hand und Fingern, als auch deren Sensibilität mit verschiedenen Testverfahren überprüft werden.
Zudem gehören verschiedene Provokationstests auch während der Schwangerschaft zur Standarddiagnostik des Karpaltunnelsyndroms. Bei diesen Tests versucht der Arzt die für das Vorliegen des Karpaltunnelsyndroms typischen Schmerzen zu provozieren. So beklopft er beispielsweise den Karpaltunnel um zu überprüfen, ob eine Reizung des Medianus-Nerven vorliegt. Zudem kann eine anhaltende starke Beugung des Handgelenkes dazu führen, dass die für das Karpalsyndrom typischen Beschwerden auftreten.
Eine elektrophysiologische Untersuchung kann auch während der Schwangerschaft bedenkenlos durchgeführt werden. Diese Methode kann dabei helfen die Diagnose „Karpaltunnelsyndrom“ zu sichern und das Erkrankungsausmaß abzuschätzen. Während dieser Untersuchung wird die Nervenleitgeschwindigkeit, also die Zeit, die der Nervus medianus benötigt, um einen definierten Reiz weiterzuleiten, gemessen. Eine Erniedrigung der Nervenleitgeschwindigkeit ist für das Vorliegen eines ausgeprägten Karpaltunnelsyndroms typisch.

In einigen Fällen kann zudem die Durchführung weiterer bildgebender Verfahren notwendig sein. Während der Schwangerschaft sollte die Anfertigung von röntgenologischen, computerresonanztomographischen und magnetresonanztomographischen Aufnahmen wenn möglich vermieden werden. Aus diesem Grund kann die Durchführung einer Ultraschalluntersuchung gerade während der Schwangerschaft dabei helfen die Diagnose „Karpaltunnelsyndrom“ zu sichern.

Darüber hinaus stellt die sogenannte „Elektromyografie“ (kurz: EMG), als die Messung der elektrischen Aktivität in den vom Nerven versorgten Muskeln im Bereich des Daumenballens, eine wichtige Methode in der Diagnostik des Karpaltunnelsyndroms dar. Diese Untersuchungsmethode kann, wenn die Notwendigkeit besteht, auch während der Schwangerschaft durchgeführt werden.

Lesen Sie mehr zum Thema: Diagnose eines Karpaltunnelsyndroms

Therapie

Im Allgemeinen ist eine Behandlung des Karpaltunnels immer dann notwendig, wenn die Beschwerden besonders häufig auftreten oder über einen längeren Zeitraum anhalten. In diesem Zusammenhang sollte jedoch immer bedacht werden, dass während der Schwangerschaft eine Gefährdung des ungeborenen Kindes ausgeschlossen werden sollte.

Bei leichten Ausprägungen des Karpaltunnelsyndroms während der Schwangerschaft kann eine spezielle Handgelenksschiene verschrieben werden, die vor allem während der Nacht getragen werden sollte. Darüber hinaus kann die umsichtige Kühlung des betroffenen Handgelenks dabei helfen die Beschwerden zu lindern.

Lesen Sie mehr zum Thema: Schiene beim Karpaltunnelsyndrom

Besonders ausgeprägte Fälle des Karpaltunnelsyndroms werden außerhalb der Schwangerschaft mit Hilfe eines operativen Eingriffs behandelt. Während dieses Eingriffs wird das Retinaculum flexorum gespalten und somit der Raum innerhalb des Karpaltunnels erweitert. Während der Schwangerschaft hingegen sollte dieser chirurgische Eingriff nur bei Vorliegen von quälenden Beschwerden durchgeführt werden. Die mittlerweile vorhandenen modernen Narkoseverfahren (beispielsweise die sogenannte „Plexusanästhesie“) ermöglichen die Durchführung der Karpaltunnelsyndrom-Operation mit vertretbarem Risiko für Mutter und Kind.
Obwohl eine operative Behandlung des Karpaltunnelsyndroms während der Schwangerschaft demnach möglich ist, sollten die betroffenen Frauen stets beachten, dass die Beschwerden nach der Entbindung vollständig zurückgehen können.

Lesen Sie hierzu auch: Operation beim Karpaltunnelsyndrom

Man kann davon ausgehen, dass bei ungefähr 50 Prozent, der von einem Karpaltunnelsyndrom während der Schwangerschaft betroffenen Frauen die Symptomatik vollständig verschwindet, sobald das Kind entbunden ist und sich der Körper mitsamt des Hormonhaushaltes wieder umgestellt hat.

Lesen Sie mehr zum Thema unter: Therapie eines Karpaltunnelsyndroms

Zusammenfassung

Während der Schwangerschaft kommt es besonders häufig zu einem Karpaltunnelsyndrom. Dies ist für die betroffenen Mütter besonders frustrierend, da sie ihr Kind nach der Geburt häufig auf Grund der Schmerzen nicht in die Arme nehmen, oder streicheln können. Doch wieso ist das Karpaltunnelsyndrom in der Schwangerschaft so häufig?

Während der Schwangerschaft unterliegt der weibliche Körper einer großen Vielzahl hormoneller Umstellungen. Diese führen unter anderem dazu, dass vermehrt Wasser ins Gewebe eingelagert wird. Daher kommt es während der Schwangerschaft auch zu einer deutlichen Gewichtszunahme, und zum Anschwellen der Gliedmaßen.

Dieses Wasser befindet sich nun im Gewebe, und drückt dort auf die umliegenden Strukturen. Auch, bzw. gerade im Handgelenk lagert sich Wasser ein, da das Handgelenk am weitesten vom Körperstamm entfernt ist, und das Wasser regelrecht in die Hände hineinläuft.
Dies führt wiederum zur Einengung, sprich Kompression, des Nervus medianus, der für die sensible und motorische Versorgung großer Teile der Hand zuständig ist. In der Folge entsteht das Karpaltunnelsyndrom. Die gute Nachricht ist allerdings, dass mit der Normalisierung des Hormonhaushaltes auch die Wassereinlagerung zurückgeht, und Schmerzen sowie Gefühllosigkeit bald verschwinden.

Weiterführende Informationen

Weitere Informationen zum Thema "Karpaltunnelsyndrom in der Schwangerschaft" finden Sie unter:

Eine Übersicht über die bisher in der Rubrik Orthopädie erschienen Themen finden Sie unter Orthopädie A-Z.

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 01.04.2015 - Letzte Änderung: 30.03.2024