Die Hyperbare Sauerstofftherapie kann bei mehreren Krankheitsbildern helfen bzw. Linderung verschaffen. Noch ist die wissenschaftliche Lage in Bezug auf die Wirksamkeit unzureichend erforscht, momentane Untersuchungen scheinen aber vielversprechend.
Sauerstoff ist essentiell für die Funktionstüchtigkeit des menschlichen Körpers. Er wird über die Lunge aufgenommen und an das Blut abgegeben. Über dieses wird der Sauerstoff im gesamten Körper verteilt.
Die hyperbare Sauerstofftherapie, auch hyperbare Oxygenierung (HBO) genannt, hat die Funktion, die Konzentration des im Blut vorhandenen Sauerstoffs zu erhöhen. Auf diese Weise soll ermöglicht werden, dass auch Gewebe mit schlechter Durchblutung ausreichend Sauerstoff erhalten bzw. ein Sauerstoffmangel behoben wird. Erreicht wird diese Konzentrationserhöhung durch eine Beatmung mit reinem Sauerstoff in einer Kammer, in der ein erhöhter Umgebungsdruck von 1,5 bis 3 bar absolut herrscht.
Das Ziel einer hyperbaren Sauerstofftherapie ist immer eine Verbesserung der Sauerstoffversorgung. Dieses kann verschiedene positive Effekte haben, die bei den folgenden Krankheitszuständen zur Heilung beitragen können. Die HBO ist jedoch immer nur als Zusatz zur Standardtherapie zu sehen bzw. bei Versagen vorangegangener Therapien.
Zum Beispiel kann das Gasbrand auslösende Bakterium nur dann wachsen, wenn kein Sauerstoff vorhanden ist. Aus diesem Grund wird zur Therapie dieser bakteriellen Infektion die hyperbare Sauerstofftherapie eingesetzt. Dabei sterben die Bakterien infolge des hohen Sauerstoffdruckes ab. Lesen Sie mehr dazu unter: Gasbrand
Beim Tinnitus nimmt man an, dass ein Sauerstoffmangel im Innenohr ursächlich sein kann. Daher kann versucht werden, den Tinnitus mit einer hyperbaren Sauerstofftherapie zu behandeln, um die Sauerstoffversorgung des Innenohrs zu verbessern und das Immunsystem zu stärken.
Dieses Ziel wird auch bei der Behandlung eines Hörsturzes mittels HBO verfolgt.
Jedoch ist in beiden Fällen noch keine klare Evidenz für die Wirksamkeit einer hyperbaren Sauerstofftherapie gegeben.
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Die therapierefraktäre Knochenmarksentzündung (Osteomyelitis) stellt eine Indikation für die HBO mit hohem Evidenzgrad dar, da diese nicht nur die Durchblutung verbessern kann, sondern auch die Knochenbildung, Kollagensynthese sowie die Gefäßneubildung steigert.
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Außerdem kann die HBO im Frühstadium eines Morbus Ahlbäck, einer aseptischen Osteonekrose des Kniegelenks, oder eines Knochenmarködems zum Einsatz kommen. Die HBO unterstützt in diesem Falle die Gefäßneubildung, was zu besserer Durchblutung führt, wirkt antiödematös und unterstützt die natürliche Heilung.
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Auch chronische Wunden können mit Unterstützung durch die hyperbare Sauerstofftherapie zur Heilung angeregt werden. Hierzu zählen auch Wunden im Rahmen eines Diabetischen Fußsyndroms.
Bevor die Therapie begonnen werden kann, müssen verschiedene Untersuchungen durchgeführt werden, um eine Drucktauglichkeit festzustellen. Jeder Patient wird körperlich untersucht, dabei wird der Fokus besonders auf das Herz und die Lunge gelegt. Zusätzlich wird noch ein Ruhe-EKG und eine Lungenfunktionsprüfung veranlasst. Um sicherzustellen, dass ein Druckausgleich erfolgreich ausgeführt werden kann, wird das Mittelohr beurteilt. Unter Umständen werden auch eine Schalldruckmessung und eine Ohrspiegelung durchgeführt. Außerdem muss eine Röntgenuntersuchung des Brustkorbs vorliegen, die nicht älter als zwei Jahre sein darf.
Auch das Vorhandensein von Kontraindikationen muss ausgeschlossen werden. Zu diesen gehören zum Beispiel ein Asthma Bronchiale, eine Lungenüberblähung oder ein frischer Herzinfarkt.
In die Kammer dürfen keine entflammbaren Gegenstände, z.B. Tabak oder Elektronik mitgenommen werden. Auch abnehmbare Hilfsmittel, wie z.B. Kontaktlinsen und Hörgeräte, müssen vor Betreten der Kammer entfernt werden.
Die hyperbare Sauerstofftherapie kann entweder in einer Einzelkammer oder in einer Mehrpersonenkammer stattfinden. In jedem Fall hat der Patient während der gesamten Behandlung die Möglichkeit über eine Gegensprechanlage Kontakt zum Personal aufzunehmen.
Sobald die Patienten in der Druckkammer Platz genommen haben, wird langsam der Luftdruck in der Kammer erhöht. Während dieser Zeit führt der Patient regelmäßig einen Druckausgleich mittels Schlucken oder Valsalva-Manöver (Versuch des Ausatmens bei geschlossenem Mund und zugehaltener Nase) durch. Auch das Kauen von Kaugummi kann den Druckausgleich erleichtern.
Sobald der Zieldruck erreicht ist, setzt der Patient eine Sauerstoffmaske auf und atmet durch diese 100%igen Sauerstoff ein. Je nach Dauer der Behandlung können Pausen erfolgen, in denen Luft der gewöhnlichen Zusammensetzung eingeatmet wird. Um den Erfolg der Behandlung zu gewährleisten und zur Sicherheit des Patienten wird der Sauerstoffpartialdruck des Patienten kontinuierlich überwacht. Während der Behandlungsphase kann der Patient etwas lesen oder Musik hören.
Nach Abschluss der Behandlung wird der Druck wieder langsam auf normale Luftdruckwerte hinab gesenkt.
Je nach Indikation und Therapieschema werden mehrere Sitzungen durchgeführt, die alle dem gleichen Ablauf folgen.
Im Rahmen der hyperbaren Sauerstofftherapie kann es zu verschiedenen Komplikationen kommen. Da es sich bei der HBO um eine Beatmung mit einer hohen Sauerstoffdosis unter Überdruck handelt, kann es, ebenso wie bei einer maschinellen Beatmung mit Überdruck, zu einer akuten Schädigung der Lunge kommen (Acute Lung Injury oder Acute Respiratory Distress Syndrome). Jedoch sind bei sachgerechter Durchführung der Therapie keine bleibenden Schäden zu erwarten.
Als Folge der erhöhten Sauerstoffkonzentration kann es zu einer Kurzsichtigkeit kommen. Diese ist nur vorübergehend vorhanden und bildet sich vollständig zurück. Eine sehr seltene Komplikation des erhöhten Sauerstoffgehalts der Atemluft stellt der Krampfanfall dar. Relativ häufig kommt es hingegen zu einer durch den erhöhten Druck ausgelösten Trommelfellschädigung. Diese heilt aber im Allgemeinen ohne weitere Therapie innerhalb von wenigen Tagen ab. Außerdem kann es im Rahmen der Behandlung zu Übelkeit und Erbrechen kommen.
Neben den körperlichen Risiken besteht besonders in einer Einpersonendruckkammer mit 100% Sauerstoff eine erhöhte Gefahr für Brände und Explosionen.
Sowohl die Behandlungsdauer als auch die Anzahl der täglich durchgeführten Sitzungen variiert je nach Krankheitsbild. Für die meisten Krankheitsbilder gilt, dass an fünf bis sechs Tagen pro Woche je eine Sitzung durchgeführt wird. Diese täglichen Einheiten dauern in der Regel 60 - 135 min. In Notfällen sind mehrere Sitzungen pro Tag erforderlich.
Bei akuten Innenohrerkrankungen liegt die Anzahl der Sitzungen meist zwischen 15 und 20. Bei schwereren Erkrankungen, wie z.B. Knocheninfekten, können insgesamt 30 bis 60 Sitzungen nötig sein.
Die ambulant durchgeführte hyperbare Sauerstofftherapie wird im Allgemeinen nicht von der gesetzlichen Krankenkasse bezahlt. In äußerst seltenen Einzelfällen kann es bei Vorlagen eines ärztlichen Gutachtens und eines Kostenvoranschlages zu einer Kostenübernahme kommen.
Die einzige Indikation, bei der die gesetzliche Krankenversicherung die Kosten für eine ambulante HBO übernimmt, ist das Diabetische Fußsyndrom.
Private Krankenversicherungen hingegen übernehmen in der Regel die Kosten der HBO, falls mindestens eine hochqualitative Studie zum Nutzen der HBO bei dem vorliegenden Krankheitsbild vorhanden ist. Es empfiehlt sich, vor Beginn der Behandlung mittels Kostenvoranschlag die Kostenübernahme zu erfragen.
Für Beamte im öffentlichen Dienst gilt, dass eine Reihe an Indikationen auch ambulant beihilfefähig ist, dazu zählen beispielsweise periphere Ischämien, schwerste Verbrennungen, eine Kohlenmonoxidvergiftung oder eine Gasembolie.
Wird die hyperbare Sauerstofftherapie hingegen im Rahmen eines stationären Aufenthaltes wegen Kohlenmonoxidvergiftung, Dekompressionskrankheit, Arterieller Gasembolie oder Clostridialer Myonekrose durchgeführt, so wird die gesamte Behandlung auch von der gesetzlichen Krankenversicherung bezahlt.
Da die Kosten einer ambulant durchgeführten HBO-Therapie je nach Dauer und Anzahl der Sitzungen stark schwanken, empfiehlt es sich für Selbstzahler auf Basis der individuellen Diagnose einen Kostenvoranschlag zu beantragen.
Da noch nicht viele Studien zu der Wirksamkeit der hyperbaren Sauerstofftherapie vorliegen, ist die HBO ein umstrittenes Verfahren. Dieser Umstand bildet auch die Grundlage dafür, dass die gesetzlichen Krankenkassen die HBO weitestgehend nicht bezahlen.
Für die Therapie eines Tinnitus beispielsweise liegt keine Evidenz bezüglich des Erfolges einer HBO vor. Es wird jedoch angenommen, dass positive Effekte v.a. in akuten Situationen erreicht werden und der psychologisch erwartete Erfolg eine große Rolle spielt.
Für den Einsatz der hyperbaren Sauerstofftherapie bei chronischer Osteomyelitis, die zuvor bereits erfolglos mit den Standardtherapien (sowohl chirurgisch als auch antibiotisch) behandelt wurde, liegen hingegen positive Studien vor, die einen Therapieerfolg für wahrscheinlich halten. Ebenso verhält es sich mit der Behandlung von diabetischen Fußwunden. Auch hier gibt es Studien, die zeigen, dass die chronischen Wunden durch die Behandlung mit der HBO besser verheilen.
Insgesamt lässt sich die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Behandlung mittels HBO bisher nicht sicher durch Studien belegen. Sie stellt jedoch eine potentiell wirksame Alternative dar, falls die Standardverfahren versagen.
Weitere Informationen zum Thema finden Sie unter:
Diabetische Mikroangiopathie
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