Ein verdrehter Hoden wird in der medizinischen Fachsprache als Hodentorsion bezeichnet. Hierbei handelt es sich um einen Notfall, da die Blutversorgung eingeschränkt oder ganz unterbrochen sein kann. Dies kann sich in starken Schmerzen, einer Schwellung und Rötung äußern. Es sollte auf jeden Fall ein Arzt aufgesucht werden. Die Therapie der Hodentorsion erfolgt meist operativ.

Hoden verdreht

Definition

Ein verdrehter Hoden wird in der medizinischen Fachsprache als Hodentorsion bezeichnet. Dabei handelt es sich um die ein- oder auch beidseitige Verdrehung des Hodens im Hodensack aufgrund einer akuten Überbeweglichkeit des gesamten Samenstrangs. Der verdrehte Hoden stellt eine bedrohliche Situation da, da die Durchblutung des Hodens eingeschränkt wird.

Einleitung

Die Verdrehung des Hodens kann auf unterschiedliche Weise und an verschiedenen anatomischen Stellen geschehen. Daher wird die Verdrehung je nach Art eingeteilt.

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Intravaginale Hodentorsion

Bei der intravaginalen Verdrehung des Hodens, entsteht die Drehung in der Hodenhülle selbst. Die Verdrehung des Samenstrangs liegt näher am Hoden dran. Zudem wird dadurch die Durchblutung gestört oder sogar komplett unterbrochen. Diese Form der Hodenverdrehung kommt häufig bei jungen Erwachsenen vor.

Extravaginale Hodentorsion

Bei dieser Form der Hodenverdrehung erfolgt die Verdrehung des Samenstrangs oberhalb der Hodenhülle. Dieser Vorgang kommt häufiger bei männlichen Säuglingen und Kleinkindern vor. Auch hier wird die Versorgung des Hodens massiv gestört.

Ursachen

Ein verdrehter Hoden kommt meistens bei solchen Personen zustande, die dafür eine gewisse anatomische Veranlagung haben. Von Geburt an liegt demnach eine Überbeweglichkeit der Hoden vor, die aufgrund anatomische Anomalien bedingt sein kann.
Ein kleiner Auslöser wie Anstrengung beim Sport kann dann schon genügen um die Verdrehung des Hodens zu bewirken. Eine fehlerhafte anatomische Anlage der Hodenhüllen, die sich während der embryonalen Entwicklung bilden kann, stellt daher ein großer Risikofaktor für einen verdrehten Hoden dar.

Bei vielen Fehlbildungen haben sich die Hodenhüllen im Laufe der Entwicklungsphase nicht richtig miteinander verbunden. Somit lassen sie zu viel Spielraum, wodurch es bei unglücklichen Bewegungen zu einer Verdrehung kommen kann. Eine weitere anatomischen Gegebenheit begünstigt einen verdrehten Hoden. Während der Embryonalphase wandert die Hodenanlage aus dem Bauchraum durch den Leistenkanal in den Hodensack hinein. Ein natürlicher Vorgang, der als Hodenabstieg (Descensus testis) bezeichnet wird. Verantwortlich für diesen Abstieg der Hoden ist das untere Keimdrüsenblatt. Ist dieses Keimdrüsenblatt nur unzureichend oder auch gar nicht ausgebildet, resultiert daraus schließlich ein inkompletter Hodenabstieg.

Die Hoden stehen dann höher und werden durch das Keimdrüsenblatt, welches später auch für die sichere Position der Hoden zuständig ist, nicht im Hodensack gehalten. Daraus kann dann leichter eine Hodentorsion entstehen. Wenn die Hoden während der Entwicklung sich absenken, werden sie dabei von einem Muskelstrang, dem Musculus cremaster begleitet. Dieser Muskel dient zum Schutz, ist beteiligt an der Temperaturregelung der Hoden und zieht bei Errektion den Hoden näher an den Körper ran. Der Muskel setzt dazu am Hoden an. Liegt die Ansatzstelle des Muskeln anatomisch ungünstig, kann die Kontraktion des Muskels ebenfalls eine Verdrehung des Hodens aufgrund der wirkenden Zugkräfte auslösen.

Bei einigen Patienten kann aufgrund von anatomischen Gegebenheiten ein verdrehter Hoden schon im Schlaf entstehen. Durch zu viel Spielraum der Hoden, reicht die Bewegung während des Schlafes aus, um den Hoden zu verdrehen. In diesen Fällen spricht man häufig von einer idiopathischen Hodentorsion. Des Weiteren kann eine Verdrehung bei sportlichen Aktivitäten auftreten. Auch bei Fahrradfahren kann eine Hodentorsion ausgelöst werden, weil der Hoden durch das Sitzen auf dem Fahrradsattel ständig hin und her bewegt wird. Auch im Rahmen von Unfällen können sich die Hoden verdrehen. Ein weitere mögliche Ursache kann auch die direkte Manipulation an den Hoden während einer Operation sein.

Symptome

Eine Verdrehung des Hodens geht meistens, gerade im jungen Erwachsenenalter, mit einem plötzlich einsetzenden starken Schmerzen in dem betroffenen Hodensack einher. Der Hoden ist sehr berührungsempfindlich und druckschmerzaft. Jede Berührung verschlimmert häufig die Schmerzen. Die unangenehmen Schmerzen können auch durch den Leistenkanal in die untere Bauchhälfte ausstrahlen. Dadurch kann manchmal auch die Suche nach der Ursache der Schmerzen irreführend sein.

Weiterhin können auch Übelkeit, Erbrechen und starkes Schwitzen auftreten. Durch die starken Schmerzen steigt bei den Patienten häufig die Herzfrequenz an. Durch die Verdrehung des Samenstrangs wird die Versorgung des Hodens mit Blut gestört. Zum einen kommt es dadurch zu einer Verfärbung des betroffenen Hodens nach blau- lila, zum anderen kann das angestaute Blut nicht mehr abfließen. Nach einiger Zeit wird der verletzte Hoden zunehmend anschwellen. Eine Schwellung des verletzten Hodens kann meistens daran erkannt werden, dass die typische Faltung des Hodens allmählich aufgehoben wird. Ein verdrehter Hoden sollte schnellstmöglich erkannt und direkt behandelt werden, da ohne gesicherte Durchblutung des Organs, der Hoden schließlich absterben kann.

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Hodenverdrehung ohne Schmerzen

Eine Hodentorison kann auch ohne Schmerzen auftreten. Auch eine kurzzeitige Linderung der Schmerzen kann erfolgen, wenn zum Beispiel die Durchblutung kurzfristig wieder gewährleistet wird. Dieser Verlauf kommt häufig bei einer inkompletten Verdrehung des Hodens vor. Die Beschwerden lassen dann vorübergehend nach und kommen schleichend wieder. Hat der Patient anfänglich keinerlei Schmerzen, können sie sich dann zunehmend entwickeln. Eine schmerzlose Hodentorsion kann auch dann gegeben sein, wenn sie bereits vor der Geburt entstand. Die Kinder haben dann meistens einen geröteten und verhärteten Hoden.

Diagnose

Häufig ist ein verdrehter Hoden sehr gut zu diagnostizieren ohne das viele Untersuchungen gemacht werden müssen. Die Symptome und die Anzeichen sind in den meisten Fällen eindeutig. Dennoch kann eine Verdrehung des Hodens auch atypisch verlaufen. Begleitsymptome wie Übelkeit und Erbrechen oder auch vermehrte Ausstrahlung der Schmerzen in die Bauchgegend, können zunächst auf eine andere Ursache hinweisen. Der Arzt sollte hier möglichst auch an einen verdrehten Hoden denken und kann weitere Diagnostik durchführen. So können bestimmte Parameter im Blut bestimmt werden, die dabei helfen, eine Hodentorsion von einer Entzündung des Nebenhodens abzugrenzen.

Bei einer akuten Entzündung steigen bestimmte Werte wie CRP, die Leukozyten und die Blutsenkungsgeschwindigkeit schnell an. Sie sind typische Entzündungsparameter. Bei einer Verdrehung des Hodens würden sie erst sehr viel später langsam ansteigen. Weiterhin stehen verschiedene bildgebende Verfahren zu Sicherung der Diagnose zur Verfügung. Der Ultraschall des Hodens ist dabei ein sehr beliebtes Mittel. Der Hoden kann dadurch samt seiner Beschaffenheit und Durchblutung dargestellt werden.

In der Dopplersonographie können die Gefäße nochmals genauer beurteilt werden, da hier der Blutfluss gemessen wird. Typischerweise ist dieser bei einem verdrehten Hoden vermindert oder sogar komplett verschlossen.

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​​​​​​​Weiterhin kann man noch eine Hodenszintigraphie durchführen. Dabei wird dem Patienten ein radioaktives Kontrastmittel verabreicht. Aufgrund der radioaktiven Substanz kann man die Verteilung des Stoffes im Körper messen, so auch im Hoden. Da bei einer Verdrehung die Versorgung des Hodens gestört ist, ist auch die Verteilung des Kontrastmittels im betroffenen Hoden verzögert oder bleibt sogar komplett aus. Diese Untersuchungsmethode ist zeitintensiv, weshalb sie nicht oft bei dem Verdacht auf einen verdrehten Hoden eingesetzt wird, da dann schnelles Handeln erforderlich ist.

Hodenverdrehung erkennen

Da ein verdrehter Hoden im schlimmsten Fall den Verlust des Organs bedeuten kann, ist es umso wichtiger, dass eine Verdrehung des Hodens schnell erkannt und entsprechend behandelt wird. Es gibt einige Untersuchungen und Anzeichen, die der Arzt beobachten kann und möglicherweise auf eine Torsion des Hodens hinweisen können. Sie treten neben den typischen Symptomen wie Schmerzen, Schwellung und Rötung des Hodens auf und können die Diagnose zusätzlich sichern. Liegt eine Verdrehung vor, lassen die Schmerzen, wenn der Hodensack angehoben wird, nicht nach. In diesem Fall spricht man von einem negativen Prehn-Zeichen, was typisch für eine Torsion ist.

Diesen Test macht man ebenfalls bei einer Nebenhodenentzündung. Bei der Entzündung bewirkt die Anhebung des Hodens eine Besserung der Beschwerden, das Prehn-Zeichen ist dann positiv. Ein weiteres Zeichen für eine Verdrehung ist das Brunzel- Zeichen. Dabei wird der verdrehte Hoden durch die Kontraktion des Musculus cremaster im Leistenkanal nach oben gezogen. Auch dabei kann der Patient Schmerzen haben. Durch diese reflektorische Anspannung des Muskels kann der Reflex (Cremasterreflex) auf der Gegenseite nicht mehr ausgelöst werden, da auch hier die Muskeln angespannt sind. Der Cremasterreflex bezeichnet die reflexartige Anspannung des Muskels nach Bestreichen der Innenseite des Oberschenkels wodurch der Hoden nach oben gezogen wird. Als Tenkhoff- Zeichen wird eine leises hörbares Knistern bezeichnet, das bei Berührung des verdrehten Hodens auftritt. Es gilt als ein recht später Hinweis auf eine Torsion des Hodens.

Behandlung

Die Behandlung einer Verdrehung des Hodens sollte schnellstmöglich erfolgen, denn dadurch das die Blutversorgung des Hodens nicht gewährleistet ist, besteht die Gefahr, dass zunehmend Gewebe abstirbt und somit auch letztendlich die Funktion des Hodens verloren geht. Bis der Hoden komplett abstirbt, verbleiben den behandelnden Ärzten circa vier bis sechs Stunden um die Versorgung wieder herzustellen. Je nach Schweregrad der Hodentorsion kann die Verdrehung auch ohne Operation gelöst werden.

Dabei versucht der behandelnde Arzt, meist ein Urologe durch gezielte Griffe den Samenstrang wieder zu entdrehen. Anschließend kann die Lage des Hoden mittels Ultraschall überprüft werden. In den meisten Fälle erfolgt diese manuelle Therapie als Erstbehandlung in der akuten Notfallsituation. Da aber nicht immer sicher gestellt werden kann ob die Rückdrehung erfolgreich war, wird meistens eine Operation direkt bevorzugt. Zudem kann in der Operation nach der Rückdrehung, der Hoden zusätzlich mit kleinen Nähten fixiert werden, um eine erneute Hodentorsion zu vermeiden.

Was tun?

Plötzlich eintretende Schmerzen im Hoden- und Leistenbereich können auf eine Verdrehung des Hodens hinweisen, besonders wenn gerade körperliche Aktivitäten oder Radfahren dem Schmerz vorangegangen sind. Der Patient sollte dann einen Arzt aufsuchen. Da jede Berührung die Beschwerden verschlimmern kann, sollte der Betroffene zudem jegliche eigeständige Manipulation am Hoden unterlassen. Dazu gehört auch das Kühlen des Hodens oder auch das Tragen von engen Hosen. Am besten sollte schnellstmöglich ein Arzt konsultiert werden, der die Ursache schnell finden kann.

Operation

Bei der operativen Behandlung wird der Hodensack selbst eröffnet oder der Zugang zum Hoden erfolgt durch den Leistenkanal. Zunächst wird der Hoden freipräpariert um eine genaue Übersicht zu erhalten und die Richtung der Verdrehung zu bestimmen. Nachdem der Hoden in seine ursprüngliche Lage zurück gebracht wurde, wird abgewartet ob die Blutversorgung wieder gesichert ist. Zudem beobachten die Ärzte ob der Hoden dazu neigt, sich erneut zu verdrehen. Um ein Wiederkehren der Verdrehung vorzubeugen, wird der Hoden im Hodensack durch kleine nähte festgenäht. Dadurch wird das Risiko einer Verdrehung deutlich gesenkt. Diese Maßnahme wird als Orchidopexie bezeichnet. Häufig wird dies auch auf der Gegenseite durchgeführt, denn auch dort besteht das Risiko, dass sich der Hoden irgendwann verdreht. Wenn das Gewebe bereits teilweise geschädigt ist, wird versucht das geschädigte Gewebe zu entfernen. Man hofft, dass der Hoden trotzdem eine Restfunktion hat und noch in der Lage ist Samenzellen zu produzieren. Wenn im Rahmen der Operation die Durchblutung des Hodens nicht wieder anspringt, ist das Gewebe zu stark geschädigt und bereits abgestorben. Dieser Hoden wird dann entfernt, da er seiner Funktion nicht mehr nachgehen kann.

Weitere Informationen

Weitere Informationen zum Thema Hoden finden Sie unter:

Eine Übersicht aller Themen aus dem Bereich der Urologie finden Sie unter: Urologie Online.

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 10.12.2015 - Letzte Änderung: 22.10.2021