Zu den häufigsten und wichtigsten urologischen Notfällen gehört die Hodentorsion. Sie bezeichnet eine Drehung oder Verdrehung des Hodens um die eigene Achse. Die Hodentorsion führt in der Regel sofort zu einer Unterversorgung des Gewebes mit Blut und somit auch Sauerstoff. Sie ist daher eine sofortige Indikation zur operativen Behandlung.

Hodentorsion

Einleitung

Zu den häufigsten und wichtigsten urologischen Notfällen gehört die Hodentorsion. Torsion, nach lat. torquere (drehen), bezeichnet eine Drehung oder Verdrehung um die eigene Achse. Dies ist auch bei der Hodentorsion der Fall, was in der Regel sofort zu einer Unterversorgung des Gewebes führt. Die Hodentorsion ist daher eine sofortige Indikation zur operativen Behandlung; je schneller das Problem behoben ist, desto größer sind die Chancen auf eine vollständige Regeneration des Hodens.

Häufigkeit

Gerade Säuglinge im 1. Lebensjahr sowie Jungen, die sich in der Pubertät befinden, erleben häufig eine Hodenverdrehung. In 60% der Fälle ist es der linke Hoden, der von der Verdrehung betroffen ist. Jedes Jahr erlebt in der Altersgruppe bis 25 Jahren ein Junge oder junger Mann von 4000 statistisch gesehen diesen Notfall. Wenn eine Verdrehung passiert, ist sie häufig mit Wachstum in Verbindung zu bringen, was sich in den oben genannten Häufigkeitsgipfeln wiederspiegelt.
Aber auch ein anderes Alter schließt die Möglichkeit eine Hodentorsion zu erleiden natürlich nicht aus. So sind in den letzten Jahren vermehrt Fälle von Neugeborenen beobachtet worden, bei denen eine Verdrehung bereits im Leib der Mutter geschehen ist. Dies fällt nach der Geburt meist rasch auf und muss ebenfalls behandelt werden. Leider ist das Hodengewebe in diesen Fällen nur selten zu erhalten.
Zuletzt sind Hodentorsionen auch bei Erwachsenen keine außergewöhnlich seltene Erkrankung. In etwa der Hälfte der Fälle ereignet sich die Drehung nachts, aus dem Schlaf heraus. Auch bei sportlicher Betätigung ist die Gefahr einer Hodentorsion gegeben.

Symptome bei einer Hodentorsion

Eine Hodentorsion macht sich durch einen akut einsetzenden, sehr starken, bleibenden Schmerz im Bereich des Hodens und des Hodensacks (lat. Skrotum) bemerkbar.

Dieser Schmerz kann unter Umständen auch in Nachbargewebe ausstrahlend wahrgenommen werden. Von außen ist meist eine Rötung, eine Hodenvergrößerung und eine Schwellung des Hodens sichtbar.

Diese Zeichen können natürlich auch auf andere Erkrankungen des Genitalbereiches hinweisen, erwecken aber den Verdacht einer Hodentorsion.

Schon der geringste Verdacht kann eine dringende Notfallsituation sein. Der Betroffene sollte sofort ein Krankenhaus aufsuchen.

Manche Patienten klagen auch über eher allgemeine Symptome wie Übelkeit, Erbrechen und Schweißausbrüche, die das akute Ereignis begleiten können.

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Baby/ Kind

Wie bereits erwähnt, ist die Hodentorsion bei Kindern bis 2 Jahre sehr häufig. Zur Diagnose führende Hinweise sind bei Säuglingen naturgemäß schwieriger zu deuten als bei älteren Patienten. Lautes, anhaltendes Schreien deutet in diesen Fällen auf den starken Schmerz hin, der aber nicht genauer angegeben werden kann. Auch andere Gründe sind dafür denkbar, sodass gerade bei eher unruhigen Kindern die Gefahr besteht, die Dringlichkeit der Situation zu verkennen. In aller Regel ist der Schmerz allerdings so stark und langanhaltend, dass sich das Kind nicht beruhigen lässt und den Eltern schnell ein veränderter Hoden auffällt.
Ein erfahrener Kinderarzt erkennt die Notfallsituation, ebenso wie besonders gefährdete Altersgruppen, und kann durch Abtasten des Hodens schnell richtige Hinweise geben. Nichtsdestotrotz ist es ratsam, das Kind ohne Umwege, in das nahegelegenste Krankenhaus zu bringen.

Erkennen

Charakteristisch für eine Hodentorsion sind starken Schmerzen, die plötzlich auftreten und nicht mehr schwächer werden. Am Hoden beginnend können sie bis in die Leiste, unter Umständen auch bis in den Unterbauch, ausstrahlen. Das Skrotum ist gerötet oder blaurot verfärbt und aufgebläht. Die Hautfalten, die normalerweise sichtbar sind, sind verstrichen und nicht mehr erkennbar. Auf Berührungen oder Druck am Hoden empfindet ein Betroffener starken Schmerz. In absoluten Ausnahmefällen kann eine Hodenverdrehung schmerzlos ablaufen. Diese Fälle stellen die große Ausnahme dar.

Ursache

Das Problem, das einer Hodentorsion ursächlich zu Grunde liegt, ist ein Hoden, der sich um den Samenstrang und das Gefäßbündel, welches ihn versorgt, verdreht. Man spricht von einer sogenannten Stieldrehung, weil die Torsion um die eigene Befestigung geschieht. Das ist immer dann möglich, wenn ein Hoden vermehrt beweglich ist. Das kann passieren, wenn der Samenstrang beispielsweise sehr schnell wächst oder im Verlauf zu lang für Hoden und Skrotum ist. Dadurch vergrößern sich die Bewegungsmöglichkeiten des Hodens und eine Drehung wird anatomisch möglich.
Durch das Verdrehen schnürt der Hoden seine eigene Blutversorgung, die zusammen mit dem Samenstrang aus der Leiste bis in den Hodensack herunter zieht, ab und wird nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt. Durch die verminderte Durchblutung kommt es zu einem Sauerstoffmangel im Gewebe, der die akuten Schmerzen auslöst und den Hoden im Verlauf schnell irreversibel schädigen kann.

Diagnose

Die Diagnose einer Hodentorsion lässt sich relativ eindeutig an Hand der oben beschriebenen Symptome und einer körperlichen Untersuchung stellen. Weitere Hinweise ergeben sich aus einer Ultraschall des Hodens (Sonographie), die im besten Fall als sogenannte farbcodierte Doppler-Sonographie durchgeführt wird. Darüber lassen sich Aussagen zur momentanen Durchblutung eines Gewebes treffen.
Bei einer Hodentorsion ist eine normale Durchblutung nicht mehr ersichtlich.
Allerdings kann eine Torsion, selbst wenn der Befund der Ultraschalluntersuchung unauffällig ist, bei entsprechenden Symptomen nicht ganz ausgeschlossen werden.
Bei Zweifel zählt der Verdacht des untersuchenden Arztes. Man wird eine sofortige operative Kontrolle durchführen und, falls nötig, behandeln. Dieses Vorgehen ist bei der Hodenverdrehung gerechtfertigt, da es sich um einen Notfall handelt und das Nichterkennen des Problems und das Auslassen einer Therapie wesentlich schwerwiegendere Konsequenzen haben als die mögliche Operation.

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Therapie/ Behandlung

Die Therapie einer Hodentorsion ist eine absolute Notfalloperation, die unter Vollnarkose und sofort nach Eintreffen des Patienten im Krankenhaus erfolgen muss. Eine etwaige konservative Behandlung mit kühlenden Umschlägen oder Medikamenten ist auf keinen Fall angezeigt. Solche Maßnahmen können vielleicht unter Umständen den Schmerz lindern, sind aber sehr gefährlich, da die eigentliche Ursache dadurch nicht behoben wird. Eine Wiederherstellung der Blutversorgung des Hodens muss erreicht werden und ist oberstes Therapieziel.

OP einer Hodentorsion

Die operative Therapie beginnt mit dem Öffnen des Skrotums. Der Hodensack wird dafür in Längsrichtung eingeschnitten. Der Operateur tastet und begutachtet den Hoden mit den ihn versorgenden Gefäßen und entwindet die Torsion. Anschließend wird das Hodengewebe beobachtet um festzustellen, ob es sich wieder erholt. Im Regelfall wartet man bis zu 20 Minuten ab, wenn der Hoden dann immer noch nicht wieder gut durchblutet scheint, muss er leider entfernt werden.
Man versucht zuvor, mit warmen, feuchten Umschlägen intraoperativ das Wiedereinsetzen der Durchblutung zu stimulieren. Die Entfernung des Hodens ist immer nur die letzte Möglichkeit, wenn man sich absolut sicher ist, dass das Gewebe bereits abgestorben ist. Besteht nur die geringste Hoffnung auf Erholung belässt man den Hoden in jedem Fall. Hat sich der Hoden nach angemessener Wartezeit erholt, wird er im zweiten Schritt mit zwei Nähten (sowohl an der Außen- als auch an der Innenseite des Hodens) von innen am Hodensack fixiert, um eine erneute Verdrehung zu verhindern.

Nach der OP

Rechtzeitig erkannt und behandelt hat eine Hodentorsion meist keine einschneidenden Konsequenzen. Es kann eine leichte Funktionseinschränkungen zurück bleiben, die sich aber häufig nicht bemerkbar macht. Je früher die Durchblutung wieder hergestellt wurde, desto besser ist im weiteren Verlauf das Ergebnis. Die Hautnaht zum Verschluss der Wunde wird nach erfolgreicher Operation in aller Regel mit resorbierbaren Fäden gemacht, die sich nach einigen Tagen von selbst auflösen. Für die inneren Fixierungsnähte dagegen verwendet man bleibende Fäden, damit der Hoden auch in Zukunft fest fixiert ist. Bei einer zeitnahen Wiederherstellung der Durchblutung erholt sich das Gewebe des Hodens, der Bluterguss beziehungsweise die Verfärbung verschwindet und auch die Schwellung geht rasch zurück. Je nach benötigtem Schnitt verbleibt eine kleine bis mittlere Narbe, die im sowieso eher faltigen Hautrelief des Hodensackes verschwindet und schon bald nahezu unsichtbar ist.

Prognose

Der wichtigste Prognosefaktor bei einer Torsion des Hodens ist Zeit. Nach Eintreten des Ereignisses bleiben noch etwa vier bis sechs Stunden. Bereits nach nur vier Stunden kommt es zu irreversiblen Gewebeschäden als Folge der Sauerstoffunterversorgung. Nach sechs Stunden ist das gesamte Gewebe in aller Regel abgestorben und nicht mehr zu retten. Deswegen sind schnelles Handeln, ein sofortiger Krankenhausaufenthalt sowie eine Notfalloperation zu jeder Tages- und Nachtzeit absolut nötig.
Die Wiederholungsrate von Torsionen ist sehr hoch, da die Ursache in der Überbeweglichkeit des Hodens liegt. Aus diesem Grund folgt nach der Wiederherstellung der Blutversorgung des Hodens immer eine Fixierung des Organs. Nach erfolgreicher Fixierung des Hodens ist die Wiederholung des Ereignisses nahezu ausgeschlossen. Ein erhöhtes Torsionsrisiko für die zweite Seite bleibt aber natürlich bestehen.

Folgen

Die drastischste Folge einer Hodentorsion ist die Nekrose des Gewebes im Falle einer lange bestehenden Unterbrechung der Blutversorgung. Das bedeutet, dass das Gewebe des Hodens abstirbt und sich nicht wieder erholen kann. Geschieht dies, muss der Hoden komplett entfernt werden. In einer zweiten Operation kann eine Hodenprothese eingesetzt werden, sofern der Patient das wünscht. Optisch sind so durchaus ansprechende ästhetische Ergebnisse zu erzielen. Dennoch fehlt einer der beiden Spermienproduktionsorte, das heißt die Fruchtbarkeit dieses Mannes wird eingeschränkt sein und bleiben. In den meisten Fällen ist die Menge und die Qualität der auf der anderen Seite produzierten Spermien immer noch ausreichend, so dass trotzdem Kinder gezeugt werden können. Gerade in diesen Fällen sollte jedoch die zweite Seite prophylaktisch behandelt werden, um eine Gefährdung des verbleibenden Hodens auszuschließen.

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Prophylaxe

Nach einer Notfalloperation bei Hodentorsion auf einer Seite ist immer auch die operative Fixierung der anderen Seite sinnvoll. Es besteht dann der Verdacht, dass der andere Hoden ebenfalls vermehrt beweglich ist und es nur eine Frage der Zeit bleibt, bis auch dort mit einer Torsion zu rechnen ist.
Gerade wenn ein Patient einen Hoden aufgrund einer späten Diagnose oder einer zu langsamen Behandlung oder auch aus anderen Gründen entfernt bekommen hat, operiert man prophylaktische die andere Seite, um diese auf keinen Fall einem Risiko aus zu setzen. Verlöre ein Patient durch unglückliche Umstände beide Hoden, würde ihm der gesamte Spermienproduktionsort fehlen; er wäre unfruchtbar. Da dies nach Möglichkeit vermieden werden soll, entscheidet man sich relativ zügig für eine prophylaktische Behandlung.
Sofern die Gewebeverhältnisse es zulassen, ist es möglich die zweite Seite schon im Rahmen der Notfallversorgung ebenfalls zu operieren. Der Patient spart eine um weitere Narkose und einen weiteren Eingriff. Falls das Gewebe noch entzündet oder geschwollen ist, wartet man bis zur Stabilisierung des Gewebes und führt nach etwa sechs Wochen eine sogenannte elektive Operation durch. Ziel ist es den zweiten Hoden zeitnah zu fixieren, aber da bis zum Operationszeitpunkt keine akute Gefahr besteht, kann der Termin nach Absprache geplant werden.
Ohne vorhergehende Hodentorsion besteht kein Grund für eine prophylaktische Fixierung der Hoden, auch nicht wenn der Vater oder Brüder betroffen waren. Der Regelfall ist ein normales Wachstum der Hoden und des Samenstranges und die damit einhergehende stabile Fixierung des Hoden im Hodensack. So lange keine Torsion nachweisbar war, geht man von unauffälligen anatomischen Gegebenheiten aus.

Weiterführende Informationen

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Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 12.02.2016 - Letzte Änderung: 22.10.2021