Verlauf der Demenzerkrankung

Als Demenz bezeichnet man eine Störung der allgemeinen Denkfunktionen, die zu einer Beeinträchtigung des alltäglichen Lebens führen. Diese Störungen sind in vielen Fällen fortschreitend und nicht heilbar (irreversibel).

Verlauf der Demenzerkrankung

Einleitung

Die Demenz ist ein psychiatrisches Syndrom, welches Teil unterschiedlichster psychiatrischer Erkrankungen sein kann. Sie stellt meist einen voranschreitenden, chronisch verlaufenden Prozess dar, in dem diverse Fähigkeiten nach und nach verloren gehen. Auffällig werden demenzielle Patienten oftmals durch ein schlechter werdendes Kurzzeitgedächtnis. Das Denken wird langsamer – die kognitiven Fähigkeiten nehmen ab – und emotionales sowie soziales Verhalten, schlichtweg das Verständnis dafür, wird verlernt. Zuletzt betrifft der Prozess des Vergessens auch die Bereiche des Gehirns, welche für Sprach oder Motorik zuständig sind.

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Der Verlauf kann sich individuell verschiedenartig darstellen, ähnelt sich aber meist im Auftreten der einzelnen Symptome. Dabei ist es wichtig, ob es sich um eine degenerative Grunderkrankung handelt oder nicht. Die häufigste Erkrankung mit einem demenziellen Syndrom ist Morbus Alzheimer. Die Alzheimer-Erkrankung verläuft chronisch und führt kontinuierlich zu einem Verlust der Fähigkeiten des Gehirns. Weitere verbreitete Krankheiten sind beispielsweise die frontotemporale Lobärdegeneration (FTLD; die Zurückbildung von Anteilen des Frontal- und Temporallappens des Gehirns) und die vaskuläre Demenz (vaskulär = gefäßbedingt).

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Stadien

Eine grundsätzliche Einteilung in Stadien ist bei Unwissenheit über die zugrunde liegende demenzielle Erkrankung schwierig. Je weiter die Krankheit jedoch voranschreitet, desto mehr Fähigkeiten gehen verloren. Welche Fähigkeiten zuerst verlernt oder vergessen werden, scheint bei vielen Fällen von Demenz Ähnlichkeiten aufzuweisen.

Beim Verlauf der Demenz werden zwei verschiedene Arten beschrieben: eine kontinuierlich voranschreitende Erkrankung oder eine schubweise schlechter werdende Demenz. Bei einer Demenz welche sich durch Schübe darstellt, sind zwischen diesen oftmals Phasen, in denen es den Patienten besser geht. Ihre Defizite zeigen sich nicht so stark wie vorher und von den meisten Angehörigen wird Hoffnung auf Heilung oder Stagnation der Krankheit geschöpft – meist werden diese jedoch enttäuscht.

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Frühstadium

Im ersten Stadium, einer leichtgradigen Demenz, büßt der Patient vor allem Fähigkeiten seines Kurzzeitgedächtnisses ein. Während vergangene Erlebnisse, Daten oder Namen einwandfrei aufgerufen werden können, vergessen die Betroffenen Personen häufig kleine, vor kurzem aufgenommene Informationen und Absprachen. Die zeitliche Orientierung nimmt ab, die Patienten vergessen den Wochentag oder irren sich im Datum. Das ständige Suchen nach verlegten Gegenständen wird auffällig und kann ein erster Hinweis auf eine beginnende Demenz sein. Der Patient kann, vom Stand der demenziellen Erkrankung her, noch selbstständig den Haushalt führen, ohne zusätzliche Pflege zu benötigen, findet sich aber zunehmend an fremden Orten nicht zurecht.

Alle Symptome nehmen nach und nach zu - die Patienten merken anfangs, dass etwas nicht stimmt und versuchen ihre Defizite auszugleichen. Diese ersten Veränderungen bei sonstiger Gesundheit des Patienten nämlich voll miterlebt. Das bewirkt viele Gefühle bei den Betroffenen, die von Angst, Frust und Niedergeschlagenheit bis hin zu Wut und Aggressivität reichen können.

Es ist ein weit verbreitetes Phänomen, dass sich demenzielle Patienten im Anfangsstadium zunächst zurückziehen, weil sie sich für ihre Unzulänglichkeiten schämen. Es ist keine Seltenheit, dass Personen, die den meist angehörigen Patienten helfen wollen, Verständnislosigkeit gegenüber gebracht wird. Dabei ist es wichtig Geduld zu bewahren. Viele Menschen die eine Demenz entwickeln wissen dies am Anfang nicht und wollen eventuell, zum Eigenschutz, eine Krankheit bei ärztlichem Beweis trotzdem nicht wahr haben.

Mittleres Stadium

Der mittelschwere Grad einer Demenz kennzeichnet sich durch weitere Einbüße des Erinnerungsvermögens und erster Beteiligung der kognitiven Fähigkeiten. Jetzt werden auch Ereignisse vergessen oder durcheinander gebracht, welche am Anfang der Krankheit noch behalten werden konnten. Auch vertraute Namen und Personen werden verwechselt oder sind nicht spontan abrufbar. Auch in vertrauter Umgebung nehmen die Orientierungsschwierigkeiten zu. Selbstständige Wege an unbekannten Orten sind kaum noch möglich. Die Patienten können sich nicht mehr gut konzentrieren, was sich auf die Fähigkeiten zu Rechnen und zu Lernen negativ auswirkt. Längere, im Ansatz komplexe Gespräche können nicht verfolgt werden oder Rätsel nicht mehr gelöst werden.

Mit voranschreiten der Krankheit geht die Eigenversorgung zurück: die Körperhygiene wird vernachlässigt und Handlungsabläufe im Alltag werden nicht mehr gemeistert. Der Zustand der Orientierungslosigkeit wird fester Bestandteil des Lebens des Patienten. Der Grund gemachter Wege wird vergessen und der Patient wird zunehmend hilflos. Es können Sprachstörungen oder Wahnvorstellungen auftreten. Satzgebilde werden vereinfacht wiedergegeben oder einmal gesagte Sätze mehrmals wiederholt. Stimmungsschwankungen erschweren den Umgang mit den Patienten und das Verhalten der Angehörigen wird oftmals negativ beeinflusst.

Unruhezustände lassen die Patienten auch nachts aktiv werden, was eine potentielle Sturzgefahr birgt. Ab einem bestimmen Punkt ist eine pflegerische Unterstützung des Patienten unumgänglich, weil dieser nicht mehr zu einem vollkommen eigenständigen Leben befähigt ist. Bereits bei einer mittelgradigen Demenz kann es zur Inkontinenz kommen und der Alltag kann nur noch mit Unterstützung gemeistert werden.

Endstadium

Im Endstadium einer schweren Demenz kommt es zu einem fast vollständigen Verlust des Gedächtnisses. Ehepartner und Kinder werden nicht mehr erkannt. Eine zeitliche und örtliche Orientierung ist meist nicht mehr möglich und selbst Informationen, welche den Patienten betreffen, können nicht mehr aufgerufen werden.

Zu diesem Zeitpunkt sind vitale Funktionen wie Kontinenz, aber auch die Fähigkeit selbstständig zu Essen oder zu Trinken ziemlich sicher verloren gegangen und machen den Patienten ganztags zu einem Pflegefall. Sprachliche Fertigkeiten werden nicht mehr sinnvoll eingesetzt und werden im Laufe der Krankheit schließlich ebenfalls verlernt.

Alle psychiatrischen Nebenerscheinungen der vorangegangenen Phasen sind wieder verschwunden. Die Fähigkeit zu gehen kann, wenn überhaupt, nur noch mühsam eingesetzt werden. Die Patienten sind im Endstadium bettlägerig und nehmen weder die Umgebung, noch sich selbst wahr. Der Tod setzt in der Regel durch eine Begleiterkrankung der Immobilität (Lungenentzündung) oder durch Altersschwäche (Herzstillstand) ein.

Alzheimer-Erkrankung

Im Sprachgebrauch werden die Morbus Alzheimer-Krankheit und Demenz oftmals auf die gleiche Stufe gestellt oder sogar synonym verwendet. Das ist ein Irrglaube, denn Morbus Alzheimer ist lediglich die häufigste Grunderkrankung, die in ihrer Symptomatik ein demenzielles Syndrom – die Demenz – beinhaltet. Die Alzheimer-Erkrankung ist eine primäre Demenz, was bedeutet, dass das klinische Bild durch krankheitsbedingte Veränderungen des Gehirns entsteht.

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Alle primären Demenzen sind zum heutigen Stand der Medizin nicht reversibel, können also nicht zurückgebildet werden. Im Gegensatz dazu steht die Gruppe der sekundären Demenz, bei der sich durch rechtzeitige Behandlung eine Besserung bewirken lässt.

Häufigkeitsverteilung

Demenz ist eine Erscheinung des Alters und entwickelt sich zunehmend zu einer Volkskrankheit. Jeder 10. Deutsche, der das Alter von 65 Jahren Überschritten hat, weist schon kognitive Defizite auf, welche teilweise bis zu einem demenziellen Syndrom hinreichen. Im Alter zwischen 65 und 70 Jahren liegt die Erkrankungsrate bei 2 %. Im Zeitraum zwischen 70 und 79 Jahren steigt der Satz auf 6 % an, wobei Frauen etwas häufiger betroffen sind als Männer. Dieser geschlechterspezifische Unterschied erhärtet sich ab 85 Jahren nochmals und eine Gesamterkrankungsrate von 20% kommt zustande. Inwiefern die hohe Rate an weiblichen Patienten mit dem höheren durchschnittlichen Lebensalter der Frauen zusammenhängt, ist fraglich.

Lebenserwartung

Die Lebenserwartung hängt mit dem Zeitpunkt der Erkrankung zusammen. Bei einer Alzheimer-Demenz, wie sie in 60 % der demenziellen Erkrankungen besteht, kommt es innerhalb von 10 bis 12 Jahren zum Tod des Patienten. Dabei ist nicht der Alzheimer verantwortlich, sondern den Zustand begleitende Erkrankungen.

Zum Beispiel steigt bei Bettlägerigkeit das Risiko, an einer Pneumonie (Lungenentzündung) zu erkranken. An dieser können besonders alte Menschen schnell versterben. Ein Beispiel: Erkrankt eine Person mit 67 Jahren an Morbus Alzheimer, so hat er eine wahrscheinliche Lebenserwartung von 77 bis 79 Jahren. Je älter der Patient bei seiner Erkrankung ist, desto wahrscheinlicher sind Nebenerkrankungen, die im Endeffekt für den Tod des Patienten sorgen.

Dauer

Die Dauer der Demenz hängt immer von der Art der Grunderkrankung ab. Patienten sterben in der Regel durch eine Begleiterkrankung, welche durch die zunehmende Unselbstständigkeit und Immobilisation, aber auch das hohe Alter der meisten Patienten zustande kommen. Häufige Krankheiten sind hierbei Entzündungen der Lunge (Pneumonie) oder der ableitenden Harnwege und bei hohem Alter Herz-Kreislauf-Erkrankungen bzw. altersbedingter Herzstillstand. Selten führt die demenzielle Erkrankung zum Tod des Betroffenen. Somit schwankt die Dauer je nach Grunderkrankung und Aggressivität des Verlaufs teilweise zwischen 3 und 20 Jahren. Eine genaue Prognose ist auch bei Kenntnis über die Grunderkrankung kaum möglich.

Therapie

Die Therapiemöglichkeiten sind bei Vorliegen einer primären Demenz mit der Ursache krankhafter Veränderungen im Gehirn eher beschränkt. Aussicht auf Heilung kann bislang nicht gegeben werden, jedoch kann symptombedingt eine medikamentöse Einstellung erfolgen, um die Belastung für die Patienten und deren Angehörige möglichst gering zu halten.

In diesem Sinne können Antidementiva (Medikamente gegen Demenz) eingesetzt werden, solang es die zugrunde liegende Krankheit indiziert. Wird die Demenz durch eine Depression begleitet oder treten im Verlauf andere psychiatrische Symptome wie Paranoia oder Wahnvorstellungen auf, kann auch hier mittels medikamentöser Behandlung (Antidepressiva und Antipsychotika) Linderung verschafft werden.

Zustände in denen sich der Patient ungewöhnlich unruhig verhält oder aber Schlafstörungen sind ebenfalls Symptome, die bei Bedarf durch verschiedene Arzneimittel abgeschwächt werden können. Ist die Demenz noch nicht zu weit vorangeschritten, kann ein kognitives Training in Betracht gezogen werden. Dabei kann der Patient seine Fähigkeiten weiterhin üben und sie somit eventuell länger erhalten.

Prognose

Es gibt Demenzerkrankungen, welche reversibel sein können. Der Verlauf wird durch den Krankheitsprozess bestimmt, welcher zugrunde liegt. Steht eine Behandlungsmöglichkeit zur Verfügung und wird mit dieser schnell begonnen, so können sich die entstandenen demenziellen Symptome vollständig zurückbilden.

Es sind nur etwa 10% aller Krankheiten mit demenziellem Syndrom bei rechtzeitiger und angemessener Behandlung reversibel. Hierzu gehören Krankheitsursachen wie der Missbrauch von Medikamenten, Alkohol oder Drogen, Hirntumore oder -blutungen, Depressionen mit Pseudodemenz und hormonell-verursachte Gehirnerkrankungen.

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 29.10.2015 - Letzte Änderung: 18.09.2024