Woran erkenne ich eine Migräne?

Die Migräne gehört zu den Kopfschmerzerkrankungen und ist für den Laien oft nicht leicht zu erkennen. Es gibt jedoch relativ charakteristische Symptome, anhand derer sie erkannt werden kann. Wichtig ist diese Abgrenzung insbesondere, da die Migräne anders als viele andere Kopfschmerzarten behandelt wird.

Woran erkenne ich eine Migräne?

Einleitung

Migräne ist wohl eine der bekanntesten Krankheiten überhaupt. Sie gehört zu der großen Gruppe der Kopfschmerzerkrankungen, zu denen auch Spannungskopfschmerzen, Clusterkopfschmerzen und viele weitere Formen zählen. Die Migräne selbst kann sich wiederum auf verschiedenste Arten präsentieren und selbst erfahrene Ärzte können sie nicht immer sicher diagnostizieren. Dieser Artikel soll eine Hilfestellung geben, ob bei Ihnen eine Migräne bestehen könnte und welche weiteren Schritte in diesem Fall unternommen werden sollten.

Was sind überhaupt Kopfschmerzen?

Kopfschmerz” bezeichnet keine bestimmte Krankheit, sondern eine Gruppe verschiedener Erkrankungen und Symptome. Man unterscheidet prinzipiell zwei Arten von Kopfschmerzen:
Primäre Kopfschmerzen sind eigenständige Erkrankungen, die als Hauptsymptom eben den Kopfschmerz haben. Zu ihnen gehört neben Spannungskopfschmerzen und Clusterkopfschmerzen auch die Migräne.
Sekundäre Kopfschmerzen sind hingegen nur ein Symptom einer anderen zugrunde liegenden Erkrankung und können bei fast allen Krankheiten begleitend auftreten. Die Ursachen für sekundäre Kopfschmerzen reichen von einfachen grippalen Infekten bis hin zu schweren Erkrankungen wie Schlaganfällen und Hirntumoren, sie sind also sehr unspezifisch. Bei sekundären Kopfschmerzen ist oberstes Ziel das Erkennen und Behandeln der Ursache.

Interessanterweise ist man sich bis heute gar nicht sicher, wie Kopfschmerzen überhaupt entstehen. Sicher ist, dass nicht das Gehirn selbst Schmerz empfindet, sondern nur die Hirnhäute (Meningen), da nur diese über Schmerzrezeptoren verfügen.

Hier erhalten Sie einen Überblick über weitere Kopfschmerarten

Was ist Migräne?

Die Migräne ist nach den Spannungskopfschmerzen die häufigste primäre Kopfschmerzform. Daher ist auch einer der wichtigsten diagnostischen Schritte, diese beiden Formen voneinander abzugrenzen.
Die Migräne verläuft anfallsartig, das heißt, sie kommt mehr oder weniger plötzlich und verschwindet nach relativ kurzer Zeit wieder, kehrt jedoch in unregelmäßigen Abständen wieder zurück.

Die Ursachen der Migräne sind Gegenstand aktueller Forschung und werden kontrovers diskutiert. Verschiedene Theorien gehen zum Beispiel von erweiterten Blutgefäßen, Übererregbarkeit von Nervenzellen, Entündungen oder auch genetischen Ursachen aus. Eine genaue Erläuterung würde jedoch den Rahmen dieses Artikel sprengen.

Im folgenden Artikel geht es um das Erkennen von Auslösern und Symptomen der Migräne. Für generelle Informationen lesen Sie gerne auch unseren Hauptartikel Migräne

Ursachen und Auslöser

Um zu erkennen, ob man an einer Migräne leidet, sollte man sich zunächst anschauen, welche Ursachen es für diese gibt. Ein wichtiger Faktor ist die familiäre Vorbelastung. Leiden in Ihrer Familie viele andere Personen unter Migräne, so ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie auch bei Ihnen Grund für Kopfschmerzen ist.

Außerdem kennt man heute einige sogenannte Triggerfaktoren, die eine vorbestehende Migräne auslösen können. Diese sind oft sehr individuell und auch nicht immer vorhanden. Hierzu gehören insbesondere:

  • klimatische Einflüsse wie starke/plötzliche Wetterwechsel

  • Genussmittel, v.a. Alkohol (Rotwein!), Nikotin, Schokolade und Milchprodukte

  • Veränderungen des Schlaf-Rhythmus oder unregelmäßiger Schlaf

  • hohe geistige oder psychische Belastung über einen längeren Zeitraum (sog. “Feiertagsmigräne”)

Bei Frauen spielt außerdem der Hormonzyklus eine große Rolle. Viele Frauen mit Migräne bekommen zum Beispiel immer zur Menstruation Migräne-Anfälle. Auch hormonelle Eingriffe wie die “Antibabypille” können Auslöser einer Migräne sein.

Symptome einer Migräne

Die Migräne-Kopfschmerzen haben in der Regel einen sehr eindeutigen Charakter, weshalb die Symptome und Begleitsymptome auch zur Abgrenzung von anderen Kopfschmerzarten genutzt werden. Vom eigentlichen Migräneanfall werden nochmal die Prodromi (Vorboten) und die Aura abgegrenzt.

Prodromi

Prodromi, also Vorboten, gibt es auch bei vielen anderen Erkrankungen. Sie treten bei ca. einem Drittel der Migräne-Patienten auf und kündigen einen nahenden Migräne-Anfall an. Wenn man “seine Migräne” und die individuellen Prodromi kennt, ist es sinnvoll, bereits zu diesem Zeitpunkt die Behandlung zu starten, da in der Migränetherapie das Prinzip “hit hard and early” (also möglichst früh effizient behandeln) gilt. Prodromi können sehr unterschiedlich und individuell anders sein, teilweise merkt man sie bereits zwei Tage vor der eigentlichen Attacke. Typische Prodromi sind:

  • Stimmungsveränderungen

  • Heißhunger

  • Vermehrtes Gähnen

  • vermehrtes Wasserlassen oder starker Durst

  • Konzentrationsschwierigkeiten

Wie man sieht, sind die Prodromi sehr unspezifisch und können auch bei vielen anderen Krankheiten oder ganz ohne Krankheit auftreten. Es ist für Migräne Geplagte daher empfehlenswert, zumindest eine Weile ein Kopfschmerztagebuch zu führen, um die individuellen Prodromi zu erkennen.

Migräne-Aura

Man unterscheidet grundsätzlich die Migräne mit und die ohne Aura. Unter einer Aura versteht man in der Neurologie neurologische Ausfälle, die jedoch nicht länger als 60 Minuten anhalten und stereotyp, also immer gleich oder sehr ähnlich ablaufen. Oft tritt die Aura kurz vor der Migräne auf, sie kann allerdings auch im Anfall bestehen.

Die bekannteste und häufigste Aura-Symptomatik ist das Flimmerskotom. Es kommt dabei zu einem umschriebenen Ausfall im Gesichtsfeld (Skotom), der von der Seite des Gesichtsfeldes ins Zentrum wandert.

Andere Auraphänomene sind Lichtblitze (Photopsien), Kribbeln, Sprachstörungen, Lähmungen, Schwindel und viele weitere. Wichtig ist hier vor allem bei einer erstmaligen Aura einen Schlaganfall auszuschließen. Besonders schwierig wird diese Abgrenzung dadurch, dass es auch Auren ohne Kopfschmerzen gibt, bei denen es also nur zu neurologischen Ausfällen kommt. Die Migräne gehört daher auch zu den sogenannten Stroke Mimics. Es gilt bei solchen Symptomen, insbesondere wenn man sie noch nie vorher hatte, lieber zum Arzt zu gehen. Besteht ein akuter Verdacht auf einen Schlaganfall muss unverzüglich der Rettungsdienst gerufen werden.

Migräne-Kopfschmerz

Die Kopfschmerzen selbst sind sehr charakteristisch und unterscheiden sich insbesondere von den Spannungskopfschmerzen, der wichtigsten Differentialdiagnose der Migräne. Typisch für Migräne-Kopfschmerzen (im Vergleich zu Spannungskopfschmerzen) sind:

  • eine Dauer von 4-72 Stunden (Spannungskopfschmerzen sehr variabel von bis zu 2 Wochen)

  • einseitige Lokalisation, meist an Stirn oder Auge (bei Spannungskopfschmerzen oft vom Hinterkopf nach vorne ziehend)

  • Schmerzcharakter pulsierend (bei Spannungskopfschmerzen eher drückend)

  • oft Begleitsymptome, siehe unten (bei Spannungskopfschmerzen nicht vorhanden)

  • Verschlimmerung durch körperliche Aktivität (hat bei Spannungskopfschmerzen keinen Einfluss)

 

Neben den Kopfschmerzen treten bei Migräne typischerweise Begleitsymptome auf, zu diesen gehören v.a.:

  • Übelkeit und Erbrechen

  • Lichtscheu (Photophobie)

  • nicht Ertragen von Lautstärke (Phonophobie)

Vorgehen bei Verdacht auf Migräne

Sollten Sie unter immer wiederkehrenden Kopfschmerzen leiden und den Verdacht einer Migräne haben, ist zu empfehlen, einen Neurologen zu konsultieren. Dieser wird zunächst mit Gespräch und Untersuchung herausfinden, wie wahrscheinlich eine Migräne ist. Oft wird dann noch ein MRT gemacht, um schwere Ursachen für die Kopfschmerzen auszuschließen. Treffen nun die diagnostischen Kriterien zu, so wird der Arzt zusammen mit Ihnen die für Sie passende Therapie suchen. Im Gegensatz zu “normalen” Spannungskopfschmerzen helfen Medikamente wie Aspirin oder Ibuprofen bei Migräne oft nur bedingt. Eine wichtige Medikamentengruppe ist hier die der Triptane. Auch die Begleitsymptome, insbesondere die Übelkeit, lassen sich mit entsprechender Medikation meist gut in den Griff bekommen. Zur Migräneprophylaxe bei häufigen schweren Anfällen ist außerdem der Betablocker Propanolol sowie einige weitere Medikamente zugelassen.

Ein relativ neuer Ansatz sind Antikörper gegen das Calcitonin-Gene-Related-Peptide (CGRP), ein sogenanntes Neuropeptid, das eine zentrale Rolle in der Entstehung von Migräne zu spielen scheint. So konnten in Studien durch die Gabe von CGRP bei Migräne-Patienten Migräne-Anfälle auslösen. Im Jahr 2018 wurde als erster CGRP-Antikörper Erenumab zugelassen, es folgten Fremanezumab und Galcanezumab. Diese Antikörper werden alle 4 Wochen über eine Spritze injeziert und sind daher auch als "Migräne-Impfung" bekannt. Sie eignen sich wie auch Propanolol für die schwere chronische Migräne.

Eine Heilung von Migräne ist bis heute leider nicht möglich.

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 17.07.2020 - Letzte Änderung: 18.09.2024