Bei Knieschmerzen, die durch die Kniescheibe verursacht werden, kann ein Training der Oberschenkelmuskulatur helfen.
Neben den oben erwähnten nicht muskulären Ursachen können auch Muskelschwächen der Oberschenkelmuskulatur für eine veränderte Gelenkfunktion zwischen Kniescheibe und Oberschenkel verantwortlich sein. Eine verminderte Stabilisierungsfähigkeit des Kniegelenkes in den verschiedenen Phasen des Gehens (mangelnde muskuläre Führung) reduziert die Stoßdämpfung im Kniegelenk.
Analog zur Wirbelsäule gibt es am Kniegelenk ebenfalls ein lokales und ein globales Muskelsystem.
Der einzige lokale Stabilisator am Knie ist der Musculus vastus medialis obliquus (VMO), der innere Anteil des M. quadriceps (Oberschenkelstrecker). Seine Funktion ist es, die Kniescheibe aktiv nach innen/oben zu ziehen und den beim Patello-femoralen Schmerzsyndrom vorhandenen Zug nach außen auszugleichen.
Eine selektive Schwäche der inneren Muskelanteile (vastus medialis) kann als Ursache für den vorderen Knieschmerz weder exakt untersucht und nachgewiesen werden, noch kann dieser komplett isoliert ohne Beteiligung der anderen Quadricepsanteile auftrainiert werden.
Trotzdem ist es zu Beginn des Auftrainierens der Oberschenkelmuskulatur sinnvoll, besonderen Schwerpunkt auf die Wahrnehmungsschulung und Betonung der Anspannung der inneren Oberschenkelmuskulatur zu legen, d.h. das Training geht von Lokal zu Global.
Günstig ist der Einsatz eines Biofeedbackgerätes (elektronisches Gerät, mit dem die Anspannung und Entspannung eines Muskels sichtbar gemacht werden kann), so dass der Patient die bewusste nervale Ansteuerung und Anspannung des VMO besser wahrnehmen kann.
Wiederholungszahl:
3 Serien a 10 Wiederholungen und 10 sec. Haltedauer/tgl. über die Zeit von 3 Monaten, danach kann die Übungsfrequenz reduziert werden
Krafteinsatz:
nur ca. 20-30% der Muskelkraft, da das lokale Muskelsystem wenig Bewegungsfunktion, sondern überwiegend Stabilisierungs- und Ausdauerfunktion hat.
Ausgangsstellung
Sitz auf dem Boden mit langen Beinen, Gewichtsmanschette oder Sandsack über dem Fuß, Knierolle unter dem betroffenen Bein, das betroffenen Bein ist nach außen gedreht, Blick zum Kniegelenk
Übungsausführung
Die Kniekehle wird auf die Knierolle gedrückt, der Fuß spannt nach schräg oben in Richtung innere Zimmerdeckenecke.
Ausgangsstellung
wie bei 1. ohne Gewichtsbelastung
Übungsausführung
gleiche kontrollierte Anspannung des VMO ohne Anheben der Ferse
Wichtig: die Anspannung sollte unter Augenkontrolle und Tastkontrolle durchgeführt werden.
Ausgangsstellung
Stand, Schrittstellung, das betroffene Bein ist vorne und leicht gebeugt
Übungsausführung
die Ferse wird mit Schub nach vorne, innen in den Boden gestemmt und gehalten.
Ausgangsstellung
Stand auf dem betroffenen Bein
Übungsausführung
die Hände werden gefaltet und die Arme in Richtung Decke bewegt, die Augen folgen
Ausgangsstellung: Stand auf dem betroffenen Bein
Übungsausführung: die Hände werden gefaltet und die Arme von rechts nach links bewegt, die Augen folgen
Steigerung: instabile Unterlage (Therapiegeräte wie Air pad oder Wackelkissen, zu Hause reicht ein Schaumstoffkissen aus) benutzen.
Das Gleichgewichtstraining im Einbeinstand kann gut in den Alltag integriert werden! (Zähneputzen, Telefonieren, Kartoffeln schälen).
Cave: Einbeinstand sollte nicht länger als eine halbe Minute auf einem Bein erfolgen!
Zum globalen Muskelsystem des Kniegelenkes gehören der 4-köpfige Oberschenkelstrecker (Quadriceps) und die Oberschenkelbeugemuskulatur (Ischiocrurale Muskulatur).
Ihre Funktion besteht darin, die Streck- bzw. die Beugebewegung des Kniegelenkes beim
durchzuführen und das Kniegelenk in den verschiedenen Beugephasen zu stabilisieren.
Die/der Physiotherapeut/in untersucht den Patellastand - und Lauf (Stand der Kniescheibe und ihre Bewegung während der Anspannung des Oberschenkelstreckers) in Ruhe und unter Anspannung des M. Quadriceps. Außerdem wird der Kraftzustand und die Funktionalität des Oberschenkelstreckers und der Oberschenkelbeuger geprüft, da die muskuläre Balance (Muskelgleichgewicht) entscheidend für die Stabilisierung des Kniegelenkes ist. Die Folge einer durch Quadricepsschwäche verursachten muskulären Dysbalance (Muskelungleichgewicht) -link- ist eine Kniegelenksinstabilität, die wiederum eine verfrühte Knorpelschädigung begünstigen kann.
Die/der Physiotherapeut lässt den Patienten auf dem betroffenen Bein leichte Kniebeugen ausführen und achtet dabei auf die Ausführung und das Einhalten der Beinachse (z.B. das Abweichen des Kniegelenkes in die x-Beinstelllung). Anschließend testet sie/er die Übung auf dem gesunden Bein. Dabei wird die sogenannte exzentrische (abbremsende Muskelkraft, z.B. beim Treppe runtergehen) Quadricepsarbeit im Seitenvergleich getestet.
Treten bei dem Test Schmerzen auf wird bei der Kniebeuge die Rumpfstellung oder die Beinachse verändert. Wenn dadurch eine Symptomveränderung (z.B. Schmerzsenkung) auftritt, kann der Untersucher auf eine Führungsinstabilität der Kniescheibe Rückschluss ziehen und die Kräftigungsübungen modifizieren.
Das Aufschulen des M.Quadriceps erfolgt in gesicherten Kniewinkelbereichen, in denen das Patellofemoralgelenk den geringsten Scher- und Kompressionskräften ausgesetzt ist.
Dabei sind Übungen in der so genannten geschlossenen Kette (Fuß ist fest, Körper bewegt) den Übungen in der offenen Kette (Körper ist fest, Bein bewegt) vorzuziehen, da sie funktioneller sind und einen besseren Reiz zum Knorpelaufbau bieten.
In der geschlossenen Kette sollte das Kniegelenk während der Kraftübung nur von ca.45° Beugung bis in die volle Streckung belastet werden.
Auf keinen Fall ersetzt das “Selbst” - Diagnostikum den Besuch bei ihrem Arzt des Vertrauens! Auch besteht unsererseits kein Anspruch auf Vollständigkeit der dargestellten Differentialdiagnosen (alternativen Ursachen). Für die Richtigkeit der von ihnen erstellten Selbstdiagnose übernehmen wir keine Haftung! Jede Form der Eigentherapie ohne Rücksprache mit ihrem Arzt lehnen wir strikt ab!
Alles zum Patellofemoralen Schmerzsyndrom finden Sie unter den unten stehenden Themen.