Carbamazepin

Carbamazepin ist ein sogenanntes Antiepileptikum und wird vor allem zur Behandlung von Epilepsie eingesetzt. Es hemmt die Natriumkanäle, sodass keine plötzlichen Entladungen des Gehirn weitergeleitet werden können.

Carbamazepin

Definition

Carbamazepin ist ein Medikament, das hauptsächlich zur Behandlung der Epilepsie eingesetzt wird. Auch bei bestimmten Schmerzformen – insbesondere beim sogenannten neuropathischen Schmerz, der durch Schädigungen an Nervenzellen entsteht – sowie bei psychischen Erkrankungen wie Manie, Schizophrenie, bipolaren Störungen oder Borderline-Persönlichkeitsstörung ist die Wirksamkeit von Carbamazepin nachgewiesen. In diesem Beitrag wird jedoch vorwiegend die Nutzung von Carbamazepin bei Epilepsie beleuchtet.

Anwendung bei Epilepsie

Die Epilepsie ist eine Krankheit, die durch häufige epileptische Anfälle charakterisiert ist. Ein solcher epileptischer Anfall kann sich auf verschiedenste Art und Weise äußern: das Spektrum erstreckt sich von einfachen Zuckungen in bestimmten Muskelbereichen über komplette geistige Abwesenheit von mehreren Sekunden (sogenannte „Absencen“) oder Geruchs-Halluzinationen mit folgender Ohnmacht und Krämpfen bis zu plötzlichen Stürzen mit komplettem Verlust der Spannung in allen Muskeln.

Trotz der unterschiedlichen Formen ist die Entstehung immer gleich: die im Gehirn normalerweise vorherrschenden elektrischen Ströme werden durch unkontrollierte, verstärkte elektrische Entladungen ersetzt. Dadurch treten Störungen des Bewusstseins, der Muskulatur, von Bewegungen, des Denkens, der Erinnerung oder verschiedener Wahrnehmungen auf.
Welche Störungen einsetzen, hängt vom genauen Ort dieser Entladungen ab – sie können entweder auf einen ganz bestimmten Bereich des Hirns beschränkt sein oder auf das ganze Hirn übergreifen und so z.B. zum Verlust des Bewusstseins führen.

Epileptische Anfälle dauern normalerweise nur wenige Sekunden bis Minuten. Eine Ausnahme ist der „Status epilepticus“, bei dem sich eine Reihe solcher Anfälle für über 30 Minuten aneinanderreiht. Meist sind dies Anfälle, die Krämpfe beinhalten und durch Atemlähmung oder Kreislaufstörungen lebensgefährlich sind.

Allgemein werden Mittel zur Behandlung der Epilepsie als „Antikonvulsiva“ oder „Antiepileptika“ bezeichnet. Ziel der Therapie bei Epilepsie – auch bei der Behandlung mit Carbamazepin – ist das Ausbleiben oder zumindest eine Verminderung der Anzahl epileptischer Anfälle. Wichtig zu beachten ist dabei, dass bestimmte Formen von epileptischen Anfällen Veränderungen im Hirn auslösen, die weitere Anfälle begünstigen können. Deshalb ist es für den Langzeitverlauf wichtig, früh mit der Therapie zu beginnen. Je später begonnen wird, desto seltener wird eine andauernde Anfallsfreiheit erreicht. Das muss jedoch nicht bedeuten, dass direkt nach dem ersten epileptischen Anfall behandelt werden sollte – denn solche Anfälle haben viele Menschen einmalig im Leben, ohne eine Epilepsie zu haben. Typischerweise wird erst ab dem 2. Anfall, mit dem die Diagnose Epilepsie“ gesichert ist, behandelt.

Nach mehrjähriger Anfallsfreiheit kann versucht werden, die Dosis des Antikonvulsivums bzw. der Kombination von Medikamenten langsam zu verringern und schließlich abzusetzen. Erneute Anfälle treten danach bei etwa 40% der Erwachsenen und 20% der Kinder auf, wobei sich die Rückfallraten stark zwischen den verschiedenen Formen der Epilepsie und abhängig von der Dauer der Erkrankung vor der Behandlung unterscheiden.

Carbamazepin wird auch bei Nicht-Epileptikern eingesetzt, wenn diese einen Alkohol- oder Drogenentzug durchlaufen. So werden mögliche Anfälle verhindert, die durch einen Entzug ausgelöst werden können.

Wirkmechanismus von Carbamazepin

Wie bereits beschrieben liegt die Ursache der Anfälle in abnormen elektrischen Entladungen im Hirn. Die Basis dafür bilden elektrisch geladene Teilchen, sogenannte Ionen, die in die Nervenzellen ein- und aus den Nervenzellen ausströmen können.

Carbamazepin wirkt, indem es Ionenkanäle, die die Ein- und Ausgänge für Ionen darstellen, verschließen. In diesem Fall handelt es sich spezifisch um Kanäle für Natrium. Durch diesen Verschluss verlieren Nervenzellen die Möglichkeit, oft hintereinander elektrisch zu entladen und so einen epileptischen Anfall auszulösen oder zu begünstigen.

Carbamazepin wirkt besonders bei “fokalenAnfällen gut. Fokal bedeutet, dass die ursächlichen Entladungen örtlich auf einem bestimmten Bereich im Hirn begrenzt sind und nicht auf das ganze Hirn übergreifen. Auch bei Menschen, bei denen die Entladungen fokal beginnen und dann erst auf das ganze Hirn übergreifen, zeigt Carbamazepin eine gute Wirkung. Die oben genannten Absencen werden jedoch nicht beeinflusst. Carbamazepin hat neben der Wirkung auf die Epilepsie meist auch einen positiven Einfluss auf die Stimmung.

Normalerweise wird es 2 mal täglich als Tablette eingenommen. Die genaue Menge kann dabei zwischen ca. 150 und 1000 mg variieren – es muss individuell ausprobiert werden, bei welcher geringstmöglichen Menge die Anfälle verschwinden. Dazu wird mit einer geringen Dosis begonnen. Sie wird dann schrittweise erhöht.

Werden die Nebenwirkungen vor Erreichen der nötigen Dosis zu stark – was oft der Fall ist – können alternative Medikamente wie Oxcarbazepin oder Lamotrigin getestet werden.

Nebenwirkungen

Häufige Nebenwirkungen, die zu Beginn der Einnahme auftreten, später aber meist verschwinden, sind Schwindel, eine teilweise starke Müdigkeit und ein Abfall der Zahl der weißen Blutkörperchen, den Abwehrzellen des Körpers. Der Mangel an solchen Abwehrzellen kann dazu führen, dass Patienten häufiger an Infektionskrankheiten erkranken. Weiterhin kann es zum Sehen von Doppelbildern und Kopfschmerzen kommen. Der Salzhaushalt des Körpers – und dabei insbesondere der Natriumgehalt – kann gestört werden, wodurch manchmal mehr Wasser im Körper eingelagert und so an Gewicht zugenommen wird.

Im Gegensatz zu den genannten Nebenwirkungen kann unabhängig von der eingenommenen Dosis ein Hautausschlag und eine Entzündung der Leber durch eine allergische Reaktion auftreten.

Sehr seltene, aber mögliche Nebenwirkungen sind darüber hinaus psychische Veränderungen wie depressive Verstimmungen, Angststörungen oder Aggressivität.

Während des 1. Drittels einer Schwangerschaft sollte Carbamazepin nur eingenommen werden, falls keine alternative Möglichkeit zu dieser Behandlung besteht. Carbamazepin kann – wenn auch hauptsächlich geringe – Organfehlbildungen beim Kind hervorrufen. Das Risiko für solche Fehlbildungen kann durch folsäurehaltige Nahrung und durch Einnahme von Folsäuretabletten verringert werden. Mit der erhöhten Folsäureeinnahme muss jedoch 6 Monate vor der Schwangerschaft begonnen werden.

Nach dem 1. Drittel der Schwangerschaft sollte zusätzlich Vitamin K eingenommen werden, da Carbamazepin einen Vitamin-K-Mangel beim Kind verursachen kann.
Lesen Sie mehr zum Thema unter: Epilepsie und Schwangerschaft

Außer den Nebenwirkungen ist bei Carbamazepin auch wichtig, dass es mit vielen Medikamenten wechselwirkt und ihre Funktion einschränken bzw. verstärken kann. Deshalb sollte die gleichzeitige Einnahme anderer Medikamente mit dem Arzt genau besprochen werden.

Anwendung bei psychischen Erkrankungen

Nach der Entdeckung von Carbamazepin im Jahr 1957 wurden neben der Epilepsie auch Symptome von bei der Epilepsie entstandenen psychischen Erkrankungen gelindert. Auf diese Art und Weise wurde das breite Wirkungsspektrum von Carbamazepin immer deutlicher.

Typisch ist heute der Einsatz bei Manie. Die Manie ist eine Störung, die praktisch das Gegenteil zur Depression darstellt und die durch einen übertriebenen Antrieb und Ruhelosigkeit charakterisiert ist. Meist wird sie mit Lithium behandelt. Ziel dabei ist, eine manische Phase zu beenden und erneute manische Phasen zu verhindern. Sind die Nebenwirkungen des Lithiums zu stark oder die Wirksamkeit zu gering, ist Carbamazepin eine der möglichen Alternativen.

Weiterführende Informationen

Weitere Informationen zum Thema Epilepsie finden Sie hier:

Alle Themen zu den verschiedenen Medikamenten unter Medikamente A-Z.

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 22.01.2014 - Letzte Änderung: 18.09.2024