Die Agranulozytose ist eine starke Erniedrigung der Granulozyten, eine Unterform der weißen Blutkörperchen. Dieses Erniedrigung kann entweder angeboren oder erworben sein. Eine Agranulozytose kann ebenfalls eine Nebenwirkung gewisser Medikamente sein.
Bei der sogenannten Agranulozytose kommt es zu einem nahezu vollständigen Fehlen an Granulozyten. Die Granulozyten gehören zu den weißen Blutkörperchen (Leukozyten) und sind für die Infektabwehr zuständig. Bei einem beginnenden Infekt bzw. einer Schädigung des Knochenmarks, kann es zu einer Verringerung der Anzahl an Granulozyten kommen. Dies wird dann in der Fachsprache als Granulozytopenie bezeichnet. Folglich ist nun die Körperabwehr erniedrigt und die Infektanfälligkeit erhöht. Die Agranulozytose ist die Extremform dieses Zustands.
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Bei der Agranulozytose können drei verschiedene Formen unterschieden werden. Allgemeien unterschiedet man hierbei zwischen den angeborenen, sehr seltenen Agranulozytosen und den häufigeren erworbenen Typ I und Typ II-Agranulozytosen.
Die angeborene Agranulozytose wird auch als Kostmann-Syndrom bezeichnet und ist eine Erkrankung, bei der bereits bei der Geburt zu weniger oder überhaupt keine Granulozyten (genauer gesagt neutrophile Granulozyten, eine Unterklasse der weißen Blutkörperchen) vorhanden sind. Die Ursache liegt in einer Genmutation, welche letztendlich zu Reifungsstörungen der weißen Blutkörperchen führt, also nicht genug ausgereifte Granulozyten gebildet werden.
Bei der Typ-I-Reaktion richten sich körpereigene Immunprozesse gegen die Granulozyten und zerstören diese. Dagegen liegt dem Granulozytenmangel beim Typ II ein Mangel der Bildung zu Grunde, oft wird dies durch das Knochenmark schädigende Substanzen ausgelöst. Der Typ I kann daher plötzlicher (akut) auftreten als der Typ II, welcher sich im Laufe der Zeit verschlimmert.
Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, warum es zu einer starken Verminderung von Granulozyten kommen kann.
Eine Agranulozytose kann bei Unverträglichkeiten gegen einige Medikamente wie z.B. gegen bestimmte Schmerzmittel (Analgetika) wie z.B. Novalgin® (Metamizol), fiebersenkende Arzneimittel (Antipyretika), gegen Medikamente, welche die Schilddrüsenfunktion hemmen (Thyreostatika wie Thiamazol und Carbimazol), gegen sogenannte Neuroleptika zur Behandlung von psychischen Erkrankungen oder bestimmt Antibiotika (Sulfonamide, Cephalosporine, Metronidazol) entstehen.
Zudem kann es durch die Anwendung einer zellabtötenden Therapie durch sogenannte Zytostatika, z.b. in Form einer Chemotherapie zum Absinken der Granulozyten kommen.
Ferner sind Blutbildungsstörungen im Knochenmark ursächlich für eine Agranulozytose.
In der Regel kommt es bei der Agranulozytose zu einer Einschränkung des Allgemeinbefindens mit einem schweren Krankheitsgefühl (Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen, Unwohlsein, Muskelschmerzen). Auch können Schüttelfrost, Fieber, Übelkeit sowie Herzrasen (Tachykardie) auftreten. Da die Immunabwehr durch das drastische Absinken der Granulozyten geschwächt ist, können Krankheitserreger wie z.B. Parasiten, Bakterien oder Pilze nicht mehr adäquat bekämpft werden. Folgen sind Entzündungen und Infektionen an vielen Stellen im Körper. Im weiteren Verlauf ist das Auftreten einer Mandelentzündung (Angina tonsillaris) sowie der Mundfäule (Stomatitis aphthosa) möglich. Die drei typischen klinischen Anzeichen für eine Agranulozytose sind Fieber, eine Mandelentzündung und die Mundfäule.
Neben der ärztlichen Befragung (Anamnese) über den Krankheitsverlauf sowie Medikamenteneinnahmen in der letzten Zeit, nimmt die Untersuchung v.a. der Lymphknoten und Schleimhäute einen wichtigen diagnostischen Stellenwert ein.
Das wichtigste Mittel zur Diagnostizierung der Agranulozytose ist die Blutuntersuchung im Labor. Hierbei spielt das sogenannte große Blutbild eine entscheidende Rolle. In diesem werden die verschiedenen weißen Blutkörperchenunterklassen, zu denen auch die Granulozyten gehören, getrennt in ihrer Häufigkeit gemessen. Die Verminderung der Granulozyten (unter 500 Zellen/Mikroliter Blut) kann nun auf eine Agranulozytose hinweisen. Zudem ist die Bestimmung anderer Blutwerte zum Ausschluss anderer Erkrankungen (Differentialdiagnose) sehr wichtig.
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Des Weiteren besteht die Möglichkeit einer sogenannten Knochenmarkspunktion, bei der aus dem Knochenkamm eine kleine Knochenmarkprobe entnommen und auf eine Blutkörperchenbildungsstörung hin untersucht wird. Diese Untersuchung erfolgt mithilfe unterschiedlicher Anfärbungen der Probe, durch die unter anderem verschiedene (Oberflächen-) Merkmale der Zellen sichtbar gemacht werden, unter einem Mikroskop und wird üblicherweise durch einen Pathologen durchgeführt.
Da in den meisten Fällen eine Agranulozytose durch Medikamentennebenwirkungen entsteht, muss zunächst ein potentiell ursächliches Medikament herausgefunden und schnellst möglich durch den Arzt abgesetzt werden. Allerdings besteht durchaus auch die Möglichkeit, dass kein auslösendes Medikament gefunden werden kann. In diesen Fällen, aber auch im Falle einer Nebenwirkung eines Medikamentes, sollte eine Stimulationstherapie zur Granulozytenproduktion erfolgen. Hierbei besteht die Möglichkeit der Gabe eines sogenannten Granulozyten-Wachstumsfaktors (z.B. Granulozyten-Kolonie stimulierender Faktor = G-CSF). Dieser Wachstumsfaktor stellt ein Hormon dar, welches normalerweise auch von Körper bei Entzündungen ausgeschüttet wird und die Bildung von Abwehrzellen (Granulozyten) beschleunigt.
Außerdem sollten antiinfektiöse Therapien eingeleitet werden, da die Abwehr durch den Mangel an Granulozyten sehr geschwächt ist und häufig Infektionen entstehen.
Zunächst ist eine ärztliche Aufklärung bei der Verschreibung von potentiell die Agranulozytose auslösenden Medikamenten von großer Bedeutung. Des Weiteren sollten die Patienten darüber informiert sein, dass nach einer bereits durchgemachten Agranulozytose bei der Einnahme bestimmter Medikamente ein erneutes Abfallen der Granulozyten im Blut möglich bzw. wahrscheinlich ist.
Durch gute Hygienemaßnahmen im Rachen- und Mundraum und in der Analregion sowie durch das Meiden kranker und vieler Menschen lassen sich Infektionen während einer bestehenden Agranulozytose eindämmen oder sogar teilweise verhindern.
Je nachdem, welche Ursache der Agranulozytose zu Grunde liegt, kann die Prognose unterschiedlich sein. Allerdings lässt sich sagen, dass die akute Phase der Agranulozytose die komplikationsreichste und gefährlichste Zeit darstellt.