Humira

Einleitung

Humira ist der Handelsname für das Biologikum Adalimumab, welches zur Behandlung von beispielsweise rheumatoider Arthritis und anderen rheumatischen Erkrankungen, von Schuppenflechte und von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen eingesetzt wird.
Es wird zweiwöchentlich unter die Bauchhaut injiziert. Bemerkenswert ist neben seiner vielfältigen Anwendung auch sein Preis: Eine Anwendung kostet ca. 1000€. Damit gehört es zu den teuersten Medikamenten des deutschen Marktes.

Was ist Humira?

Humira bzw. sein Wirkstoff Adalimumab ist ein sogenannter monoklonaler Antikörper.
Antikörper sind Eiweiße, die vom Immunsystem produziert werden, um Eindringlinge wie Bakterien und Viren zu erkennen und abzuwehren. Monoklonal bedeutet, dass der Antikörper von einer einzigen Zelllinie abstammt und sich nur gegen eine bestimmte „feindliche“ Struktur richtet. Im Gegensatz dazu richtet sich ein durch die Immunreaktion im menschlichen Körper entstandener Antikörper stets gegen verschiedene Merkmale. Das „-mab“ am Ende des Namens weist darauf hin, es steht für das englische „monoclonal Antibody“. Humira richtet sich gegen den sogenannten Tumornekrosefaktor Alpha (TNF-α), welcher in der Entzündungsreaktion des Menschen eine wichtige Rolle spielt. Somit hemmt Humira eine überschießende Entzündungsreaktion.

Was sind eigentlich Biologika?

Biologika sind eine recht neue Gruppe von Medikamenten, die im menschlichen Körper vorkommenden Molekülen nachempfunden und biotechnologisch durch genveränderte Organismen hergestellt werden. Produziert werden zum einen Eiweiße (zum Beispiel monoklonale Antikörper, Hormone oder auch Impfstoffe) und Nucleinsäuren; das sind die Bausteine der DNA.
Da die Biologika den ohnehin im Körper vorkommenden Molekülen nachempfunden werden, greifen sie sehr gezielt in die Vorgänge im Körper ein und gewinnen aufgrund der Möglichkeit, sehr spezifische Probleme mit ihnen zu lösen, immer mehr an Bedeutung.

Indikationen für Humira

Humira hemmt überschießende Immunreaktionen des Körpers und wird zur Behandlung solcher eingesetzt: Es findet Anwendung bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa, bei vielen Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis, bei Schuppenflechte, bei Akne inversa und bei nicht-infektiösen Entzündungen der mittleren Augenhaut (Uveitis). In der Regel wird Humira erst bei mittelschwerer bis schwerer Krankheit eingesetzt und meist erst dann, wenn andere Therapieansätze versagt haben.

bei Morbus Crohn

Patienten mit Morbus Crohn leiden an in Schüben auftretenden Magen- und Darmbeschwerden, welche durch eine die Organwand durchdringende Entzündung des Magen-Darm-Traktes verursacht werden. Es wird zwischen Therapie im akuten Schub und Therapie zur Verhinderung des Auftretens eines Schubs unterschieden. TNF-α-Blocker wie Humira werden sowohl zur Verhinderung eines neuen Schubs eingesetzt, als auch zur Behandlung eines besonders schweren akuten Schubs. Es konnte in Studien auch eine Wirksamkeit in der Besserung der Beschwerden bewiesen werden.

bei Colitis ulcerosa

Ähnlich wie Morbus Crohn ist die Colitis ulcerosa eine in Schüben verlaufende chronisch entzündliche Darmerkrankung, die insbesondere den Dickdarm befällt. Auch bei Colitis ulcerosa können TNF-α-Blocker wie Humira angewendet werden, allerdings zumeist erst nachdem die Standardtherapie versagt hat oder nicht mehr vertragen wird. Da bei der Colitis ulcerosa eine im Regelfall gut verträgliche Standardtherapie vorhanden ist und auch im Schlimmstfall die chirurgische Entfernung des Dickdarms als heilende Möglichkeit zur Verfügung steht, ist der Einsatz der teils sehr nebenwirkungsträchtigen Biologika hier weniger gut vertretbar als bei dem schwieriger zu behandelnden Morbus Crohn.

bei Uveitis

Eine nicht-infektiöse Uveitis ist eine Entzündung der mittleren Augenhaut, welche unter anderem assoziiert mit verschiedenen Erkrankungen auftreten kann; dazu gehören u.a. chronisch entzündliche Darmerkrankungen, rheumatische Gelenkserkrankungen wie M. Bechterew und rheumatoide Arthritis oder auch die Sarkoidose.
Eine solche Uveitis, die nicht direkt durch einen Erreger wie Viren oder Bakterien ausgelöst wird, kann auch mithilfe von Humira behandelt werden, da es sich auch hier um eine überschießende Entzündungsreaktion handelt. Hier ist Humira aber ebenfalls keine Erstlinientherapie, zunächst finden andere Medikamente wie Kortison Anwendung.

Wirkstoff und Wirkung

Wie oben erwähnt ist Adalimumab ein Antikörper gegen den entzündungsfördernden Tumornekrosefaktor Alpha (TNF-α). Der TNF-α bewirkt im Körper die Ausschüttung von vielen anderen entzündungsfördernden Botenstoffen; man könnte sagen, er feuert die Entzündung an. Er ist daher im Blut erhöht bei vielen Krankheiten, welche mit einer überschießenden Entzündungsreaktion einhergehen. Humira bindet an den TNF-α, welcher daraufhin inaktiviert und abgebaut wird. Dadurch kommt es zu einer Entzündungshemmung und einer Verbesserung der Beschwerden. Da Humira ein Antikörper ist, würde es im Magen zersetzt werden und wird daher nicht oral verabreicht, sondern im Regelfall als Spritze unter die Bauchhaut. Bis es von dort aus komplett in den Blutkreislauf übergegangen ist, kann eine Weile dauern, das Wirkmaximum tritt daher auch erst nach ein paar Tagen ein.

Nebenwirkungen

Humira kann eine lange Reihe von Nebenwirkungen auslösen, von denen hier nur die häufigsten genannt seien:
Bei mehr als einem von zehn Anwendern kommt es zu allergischen Reaktionen; meist zu einer örtlichen Reaktion mit Rötung, Schwellung und Juckreiz. Seltener kann die allergische Reaktion bis hin zu einem manifesten allergischen Schock mit Atemnot, Schwellung im Gesicht, an Händen oder Füßen, Ausschlag am ganzen Körper und Herzrasen reichen. Bei einer schweren allergischen Reaktion sollte unverzüglich ein Arzt informiert werden.
Außerdem kann es bei mehr als einem von zehn Anwendern zu Infektionen der Atemwege, zu Kopf- oder Bauchschmerzen zu Übelkeit und Erbrechen, zu Hautausschlägen oder zu Muskel- oder Knochenschmerz kommen.
Da Humira das Immunsystem schwächt, kommt es unter einer Behandlung damit auch häufig zu Infektionen mit Viren, Bakterien oder Pilzen, beispielsweise der Ohren, der Haut oder der Geschlechtsorgane. Im schlimmsten Fall können diese Infektionen in eine lebensgefährliche Blutvergiftung übergehen. Des Weiteren kann es häufig zu Veränderungen im Blutbild kommen, zu Stimmungsveränderungen und Schlafstörungen, zu gutartigen Tumoren und Hauttumoren, zu Nierenproblemen und Problemen des Herz-Kreislaufsystems. Da noch eine Vielzahl anderer Nebenwirkungen möglich sind, sei auf den Beipackzettel verwiesen. Bei Unsicherheit, ob eine Beschwerde eine Nebenwirkung von Humira sein könnte, sollte ein Arzt oder Apotheker konsultiert werden.

Gewichtszunahme

Eine Gewichtszunahme im Sinne von einer Zunahme des Körperfetts wurde bisher unter Einnahme von Humira nicht beobachtet. Humira kann allerdings zu Wassereinlagerungen an diversen Körperstellen führen. Eine solche Wassereinlagerung macht sich dann auch sehr schnell auf der Waage bemerkbar; die Gewichtsschwankungen können hier schneller und größer ausfallen als bei einer Fett- oder Muskelmassenzu- oder -abnahme.

Depression

Unter Behandlung mit Humira klagt einer von zehn Behandelten über Stimmungsschwankungen. Diese können sich auch als Depression äußern. Wenn unter Anwendung von Humira Anzeichen einer Depression  auftreten, sollte der behandelnde Arzt zurate gezogen werden.

Haarausfall

Bei einem von zehn Anwendern kann es unter der Behandlung mit Humira auch zu Haarausfall kommen. Dies kann ohne medizinische Vorgeschichte mit Haut- oder Haarerkrankungen oder zum Beispiel auf dem Boden einer bestehenden Schuppenflechte passieren, welche sich unter Humira verschlechtern kann. Es ist bei Auftreten dieser Nebenwirkung ratsam, frühzeitig den behandelnden Arzt um Rat zu fragen.

Wechselwirkungen

Humira wird oft in Kombination mit Kortison, mit dem ebenfalls immunhemmenden Methotrexat  oder in Kombination mit anderen festgelegten ähnlich wirkenden Medikamenten eingesetzt.
Eine Ausnahme bilden hier die Wirkstoffe Etanacept, Abatacept und Anakinra, unter denen in Kombination mit Humira unter anderem schwere Infektionen und vermehrte Nebenwirkungen nachgewiesen werden konnten.
Rezeptfreie Schmerzmittel
wie beispielsweise Aspirin oder Ibuprofen können problemlos zusammen mit Humira angewandt werden.
Sollten Zweifel über eine Arzneimittelkombination bestehen, sollte ein Arzt oder Apotheker befragt werden.

Vertragen sich Humira und Alkohol?

Im Regelfall sollte das Trinken von Alkohol unter Anwendung von Humira verträglich sein. Humira ist ein Medikament, das unter die Haut injiziert wird. Es wird daher von über den Magen-Darm-Trakt aufgenommenen Lebensmitteln, inklusive Alkohol, nur wenig beeinflusst. Dazu kommt, dass Humira seinen maximalen Wirkspiegel im Blut erst nach etwa 5 Tagen erreicht. Wer auf Nummer sicher gehen wollte, kann daher an diesem Tag Alkohol meiden. Vorsicht sollte walten, wenn durch die Einnahme von Humira die Leberwerte verschlechtert sind oder eine aktive Erkrankung der Leber vorliegt.

Wann darf Humira nicht gegeben werden?

Humira darf nicht benutzt werden, wenn eine bekannte Allergie oder Überempfindlichkeit gegen Adalimumab besteht. Da Humira die Immunabwehr des Körpers hemmt, darf Humira außerdem nicht bei bestehenden Infektionen benutzt werden; dies gilt insbesondere bei aktiver Tuberkulose.
Erkrankte mit einer leichten Herzinsuffizienz oder Multipler Sklerose können unter engmaschiger Überwachung eines Arztes Humira bekommen.
Zur Anwendung bei Schwangeren und Stillenden sowie Leber- und Nierengeschädigten gibt es bisher keine Daten; daher wird von der Anwendung abgeraten.

Dosierung

Die Standarddosierung von Humira beim Erwachsenen beträgt 40mg einmal alle zwei Wochen. Das Medikament wird unter die Bauchhaut injiziert.
Bei Kindern und Jugendlichen ist die Dosis von Körpergröße und Gewicht abhängig, sie wird vom entsprechenden Arzt vor Beginn der Behandlung ermittelt.
Bei Schuppenflechte, nicht-infektiöser Uveitis und Morbus Crohn wird beim Erwachsenen mit der doppelten Dosis, also 80mg, begonnen und dann die Behandlung mit 40mg alle zwei Wochen fortgesetzt.
Bei Colitis ulcerosa, bei besonders heftigem Morbus Crohn und bei Acne inversa wird sogar mit 160mg als Anfangsdosis begonnen und dann vermindert.
Ist die Einzeldosis höher als 40mg, so wird sie in Etappen gespritzt: Bei 80mg in zwei Einzeldosen innerhalb eines Tages, bei 160mg entweder als vier Einzeldosen innerhalb von einem Tag oder jeweils zwei 40mg Dosen and zwei aufeinanderfolgenden Tagen. Der Regelabstand zwischen zwei Dosen beträgt zwei Wochen, kann aber bei Bedarf vom Arzt auf eine Woche verkürzt werden.

Warum sind die Kosten so hoch?

Wie oben erklärt, ist Humira ein Biologikum, also ein Medikament, das biotechnologisch mithilfe von genveränderten Organismen hergestellt wird. Im Falle von Humira handelt es sich um sogenannte CHO-Zellen (chinese hamster ovaries). Das bedeutet, dass man die Eizellen des chinesischen Hamsters nutzt, um den Antikörper Adalimumab herzustellen. Wie man sich denken, ist dies ein sehr aufwendiges Verfahren und kostet dementsprechend auch sehr viel Geld.

Alternativen zu Humira

Normalerweise werden vor der Anwendung von Humira andere Medikamente, sogenannte Basistherapeutika, wie zum Beispiel Kortison, 5-ASA oder Methotrexat ausprobiert. Es können je nach Krankheit ganz unterschiedliche Medikamente Anwendung finden. Alternativ zu Humira können auch einige andere Biologika angewendet werden. Insbesondere zu nennen sind da andere TNF-alpha-Blocker, wie zum Beispiel Infliximab, welches unter dem Handelsnamen Remicade verkauft wird oder auch Etanacept​​​​​​​, das unter dem Namen Enbrel vertrieben wird.

Ist die Einnahme in der Schwangerschaft und Stillzeit möglich?

Zu der Anwendung von Humira in der Schwangerschaft gibt es noch keine Daten. Daher wird Schwangeren davon abgeraten Humira anzuwenden, um das Kind nicht zu gefährden. Wenn Humira doch aus Versehen angewendet wurde, so sollte ein Arzt darüber informiert werden, da der Säugling unter Umständen ein höheres Risiko hat, an einer Infektion zu erkranken und gegebenenfalls eine Impfung benötigt. Unklar ist auch, ob Humira in die Muttermilch übergeht. Da Humira sehr lange im Körper bestehen bleibt, sollte mindestens fünf Monate nach der letzten Anwendung nicht gestillt werden.

Humira und Kinderwunsch

Die Möglichkeit ein Kind zu bekommen, wird von Humira prinzipiell nicht beeinflusst. Problematisch könnte es aber werden, wenn zu Beginn der Schwangerschaft noch hohe Wirkspiegel von Humira im Blut vorhanden sind. Daher sollte unter Anwendung von Humira bei Kinderwunsch der beratende Frauenarzt, der Arzt, welcher das Humira verordnet hat, oder auch ein Apotheker zurate gezogen werden.

Kann Humira gleichzeitig mit der Pille angewandt werden?

Humira und die Antibabypille sollten sich normalerweise nicht in die Quere kommen, da sie zum einen auf eine völlig andere Art und Weise angewendet werden und zum anderen an ganz unterschiedlichen Orten im Körper wirken. Es kann dennoch sicherlich nicht schaden, den verschreibenden Arzt auf die Anwendung des jeweiligen Medikaments hinzuweisen.

Weitere Informationen

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Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 15.11.2018 - Letzte Änderung: 18.09.2024