Wir hatten Corona - So gefährlich war es!

Wir hatten Corona - So gefährlich war es!

Dr. Nicolas Gumpert hat heute zwei Medizinstudentinnen aus Frankfurt am Main interviewt, die bereits im März 2020 an der Corona-Infektion COVID 19 erkrankten. Die beiden sind Zwillingsschwestern und studieren im 10. Semester Medizin an der Goethe-Universität Frankfurt.

Dr. Nicolas Gumpert: Wie habt Ihr Euch angesteckt?

Joanna: Ganz sicher kann man sich ja nie sein, wo man sich angesteckt hat. Da ich zur Zeit meiner Infektion die Isolationsempfehlungen jedoch sehr strikt eingehalten habe, kann ich ziemlich sicher sagen, dass ich mich bei der Arbeit bei einer Ärztin im Gesundheitsamt angesteckt habe, wo ich und meine Schwester in einer medizinischen Beratungshotline für Fragen rund um das Coronavirus gearbeitet haben. Ich hatte zu der Zeit neben der Arbeit kaum Kontakte nach außen und war nicht mal einkaufen.

 

Deborah: Ja, bei mir sieht es ganz ähnlich aus. Auch ich hatte außer zu meinem Freund und bei der Arbeit keine Kontakte zu anderen Menschen. Ich denke auch, dass ich mich bei der Arbeit im Gesundheitsamt angesteckt habe, nachweisen kann ich das natürlich nicht. Beim Einkaufen habe ich zwar immer auf Abstand geachtet, aber sicher sein kann man sich deswegen ja nicht.

Dr. Nicolas Gumpert: Was waren eure ersten Symptome?

Joanna: Meine ersten Symptome waren Kopfschmerzen. Zu dem Zeitpunkt ging ich noch davon aus, dass es am Schlafmangel liegen könnte, da ich ziemlich übermüdet war. Man könnte es beschreiben wie die Kopfschmerzen, die man auch bei starker Übermüdung oder bei einem Kater hat.

 

Deborah: Ich kann nicht genau sagen, ob ich überhaupt Symptome hatte. Ich habe zumindest keinerlei Symptome bewusst bemerkt. Im Nachhinein ist mir  aufgefallen, dass mir mal einen Tag etwas schwindelig war und mein Kreislauf irgendwie instabil war. Es war ein ganz komisches Gefühl, das ich schlecht beschreiben kann. Ob das aber tatsächlich vom Sars-CoV2 (Corona-Virus) kam, weiß ich auch nicht sicher. Außerdem ist uns beim Kochen eines Abends etwas im Backofen angebrannt und ich hatte es damals erst sehr spät gerochen. Da meine Nase aber auch sonst manchmal durch eine Allergie zu ist, habe ich das auch nicht mit dem Coronavirus verbunden.

Dr. Nicolas Gumpert: Was habt Ihr dann gemacht?

Joanna: Bei uns war der Ablauf ein bisschen anders als bei den meisten Patienten. Durch unsere Arbeit im Gesundheitsamt waren wir jeden Tag im Kontakt mit mindestens einer Ärztin oder einem Arzt und 9 Mitarbeitern. Da eine der Ärztinnen an COVID 19 erkrankte, wurden alle Mitarbeiter, die mit ihr zusammen in Schichten eingeteilt waren, prophylaktisch getestet. Als wir diese Nachricht erhielten, hatten wir beide noch keine Symptome.

 

Deborah: Der Kontakt zu der positiven Ärztin war eigentlich gar kein direkter Kontakt mit hoher Infektionswahrscheinlichkeit. Wir hatten alle chirurgische Mund-Nasen-Schutzmasken an und haben immer auf Abstand geachtet. Laut RKI Richtlinien hätte man uns gar nicht alle aus Vorsicht testen lassen müssen, das war nur die Kulanz des Gesundheitsamtes für ihre Mitarbeiter. Als wir jedoch die Nachricht bekamen, dass wir im Kontakt zu der positiven Person waren, haben wir bis zum Testergebnis rein aus Vorsicht das Haus gar nicht mehr verlassen. Symptome hatten wir zu dem Zeitpunkt wie gesagt noch keine.

Dr. Nicolas Gumpert: Wie war der Test für Euch?

Deborah: Wir kannten den Ablauf eines tiefen Nasen-Rachen-Abstriches ja schon aus dem Krankenhaus. Manchmal musste ich selbst solche Abstriche bei Patienten machen, das tat mir immer leid. Wirklich schlimm ist so ein Abstrich zwar nicht, aber schon etwas unangenehm. Für den Test braucht man Material aus der Nase und dem Rachen. Deswegen geht man mit einer Art langem Tupfer tief in ein Nasenloch und ganz hinter in den Rachenraum. Wenn der Test richtig durchgeführt wird, muss der Würgereflex ausgelöst werden. Bei meinem ersten Abstrich hab ich aus Reflex aus Versehen den Arm der Untersucherin weggeschlagen. Am Ende ist mir sogar eine Träne herunter gelaufen. 

 

Joanna: Ich habe schon bei manchen Zahnarztbehandlungen mit Würgreiz zu kämpfen. Dementsprechend unangenehm fand ich auch die Abstriche. Nach meinem ersten Abstrich hatte ich sogar einen halben Tag Nasenschmerzen. Aber es gibt Schlimmeres!

Dr. Nicolas Gumpert: Wie lange hat es gedauert, bis Ihr Euer Testergebnis bekommen habt?

Deborah: Unser Test war an einem Freitag Vormittag gegen 10 Uhr. Am Dienstag Abend gegen 20 Uhr haben wir unser Ergebnis bekommen. Es hat also etwas über 4 Tage gedauert. Die Ergebnisse lagen dem Gesundheitsamt eigentlich schon am Wochende vor, wurden aber an eine falsche Adresse geschickt und deswegen erst am Dienstag Abend abgerufen.

 

Joanna: Unsere Tests waren jedoch auch als Mitarbeiter des Gesundheitsamtes mit “dringlich” markiert. Sonst wären die Ergebnisse nicht so schnell da gewesen. 

Dr. Nicolas Gumpert: Habt Ihr Angst vor COVID gehabt?

Joanna: Wirkliche Angst würde ich nicht sagen, Respekt aber schon. An sich kann man sich ja nie ganz sicher sein, wie die Infektion bei einem selbst abläuft. Ich selbst zähle jedoch nicht zur Risikogruppe, daher war ein schwergiegender Verlauf äußerst unwahrscheinlich. Als ich am Abend des Testergebnisses ins Bett gegangen bin kamen dann trotzdem Gedanken wie “Was mache ich, wenn ich einen schlimmen Verlauf bekomme? Ich habe ja noch nicht mal eine Patientenverfügung.” Solche Gedanken habe ich dann aber schnell beiseite geschoben. Ich war einfach nur heilfroh, dass ich weder meine Großeltern, noch meine Eltern in der letzten Zeit besucht hatte! Da hätte ich mir totale Vorwürfe gemacht. 

 

Deborah: So ähnlich ging es mir auch. Klar, wir hatten beide keine Vorerkrankungen, aber durch unsere Arbeit im Gesundheitsamt und unser Studium sehe ich den Arzt schon lange nicht mehr als den “Halbgott in Weiß”. Mir ist bewusst, dass es für COVID-19 aktuell keinerlei Medikament gibt und die Ärzte im Ernstfall zwar ihr Bestes versuchen, aber auch nicht sehr viele Möglichkeiten haben. Deswegen war es schon etwas bedrückend, aber man konnte sich gut ablenken. Ich habe auch immer gehofft, dass ich nicht zufällig jetzt Zahnschmerzen bekomme oder mich sonst irgendwie verletzte und einen Arzt brauche. Klar wäre das auch irgendwie gegangen, aber als COVID-19 Erkrankter wird man ja doch nicht so gerne behandelt. 

Dr. Nicolas Gumpert: Wer hat Euch geholfen?

Deborah: Von ärztlicher Seite waren wir durch die Infektiologen des Gesundheitsamtes betreut. Da wir dort ja auch gearbeitet hatten und dort der Test gemacht wurde, betreute man uns weiter. Es war gut zu wissen, dass wir uns dort jederzeit melden können, falls Atemnot oder andere Symptome aufgetreten wären. Da wir unsere Wohnung nicht mehr verlassen konnten, haben unsere Nachbarn und Freunde für uns eingekauft. Ansonsten waren wir ja nicht eingeschränkt und nicht wirklich auf Hilfe angewiesen. 

 

Joanna: Gegen die Einsamkeit hat natürlich der Kontakt zur Familie und Freunden via Telefon und Videochat auch etwas geholfen. Wobei man sagen muss, dass man sich trotzdem sehr abgeschottet und isoliert gefühlt hat.

Dr. Nicolas Gumpert: Wie war die Quarantäne für euch?

Deborah: Die Quarantäne war in unserem Fall sicher erstmal das Schlimmste an der ganzen Erkrankung. Wir waren zu dritt in einer 54qm Wohnung und zu der Zeit war auch noch absolutes Traumwetter. Wir konnten ja nicht mal ohne Bedenken runter zum Briefkasten oder zu den Mülltonnen gehen. In einem großen Haus mit Garten wäre die Sache sicher viel leichter gewesen. Vor allem, dass wir bei dem Wetter den ganzen Tag drinnen sitzen mussten, fiel uns schwer. Als wir nach 14 Tagen Quarantäne erneut getestet wurden, war zumindest ich negativ und durfte endlich wieder raus! Das war ein unglaublich befreiendes Gefühl.

 

Joanna: Ja, Deborah lässt es schon anklingen. Für mich war die Quarantäne ein echt zermürbender Prozess. Klar, im Nachhinein hört sich das ja ganz cool an: zu Hause sitzen, nicht mehr arbeiten müssen und andere kaufen auch noch für einen ein. Aber ich war auch nach 14 Tagen noch positiv, obwohl ich keine starken spezifischen Symptome mehr hatte. Ich blieb also die 3. Woche zu Hause und machte dann noch einen Test. Bis ich schließlich nach vielem Hin- und Hertelefonieren mein negatives Testergebnis bekam, war ich ca. 3 ½ Wochen in Quarantäne gewesen. Manchmal kam ich mir wie in einem Luxusgefängnis vor. Die letzten Tage war ich ja auch ganz alleine, da meine Schwester wieder raus durfte. Geholfen hat mir, mir immer wieder zu sagen, wie dankbar ich sein sollte, nicht schwer erkrankt zu sein.

Dr. Nicolas Gumpert: Was war das Schlimmste in der Quarantäne?

Deborah: Wie gesagt, das Shlimmste war die Isolation nach außen. Dass man selbst bei bestem Wetter keine Minute Sonne mitbekam, mal Laufen gehen konnte oder Freunde sehen. Auch Arbeiten im Gesundheitsamt konnten wir nicht mehr, dadurch hatten wir keinen wirklich geregelten Tagesablauf. Ich habe mich aber trotzdem gezwungen, relativ früh aufzustehen und die Zeit für sinnvolle Dinge zu nutzen.

 

Joanna: Ähnlich war es bei mir auch. Zum Glück konnte ich von zu Hause aus an meiner Doktorarbeit arbeiten und mich so sinnvoll beschäftigen. Eigentlich saß ich wochenlang von morgens bis abends am Schreibtisch, Termine hatte ich ja keine mehr.

Dr. Nicolas Gumpert: Wie geht es euch heute?

Joanna: Uns geht es sehr gut! Wir haben bisher keine Spätfolgen oder Ähnliches bemerkt und genießen jetzt ein bisschen den Status, die Infektion schon hinter uns zu haben. Von einer Immunität kann man ja nicht ganz sicher ausgehen und natürlich halten wir uns nach wie vor an alle Hygieneregeln und tragen zum Beispiel bei der Arbeit weiterhin jederzeit einen Mundschutz. Allerdings trauen wir uns jetzt zu, unsere Eltern zu besuchen, was wir vor der Infektion gar nicht mehr gemacht hatten.

 

Deborah: Man fühlt sich definitiv freier und genießt auch die Freiheit, raus gehen zu dürfen, viel mehr als zuvor. 


Nachtrag im Juli:
 

Joanna: In den vergangenen Wochen hatten wir beide im Rahmen einer COVID-19-Studie an der Uniklinik ein Kontroll-MRT des Herzens. Dabei hat sich rausgestellt, dass wir beide eine Myokarditis, also eine Entzündung des Herzmuskels und einen Perikarderguss haben. Das bedeutet, dass sich im Herzbeutel Flüssigkeit gesammelt hat. Außerdem hat man zumindest in meinem Herzmuskel auch Narben festgestellt.


Deborah: Gemerkt hatten wir davon nichts und auch jetzt haben wir keine Symptome. In 6 Monaten haben wir dann wieder einen Kontroll-Termin, bei dem hoffentlich nichts mehr davon am Herzen zu sehen ist. Bis dahin achten wir darauf, nur moderaten Sport zu machen und uns nicht zu überlasten.

Dr. Nicolas Gumpert: Habt Ihr Folgen von COVID 19 davongetragen?

Deborah: Wie gesagt, Spätfolgen haben wir bisher keine bemerkt. Wir haben uns als Testpersonen für eine Studie an COVID-19 genesenen Patienten gemeldet. Nächste Woche steht für uns im Zusammenhang mit der Studie ein MRT-Termin an, um potenzielle Folgen an Organen zu überprüfen. Einschränkungen haben wir aber keine!


Nachtrag im Juli:


Joanna: Deborah hatte beim letzten Gespräch ja schon vom anstehenden MRT-Termin gesprochen. Bei eben diesem wurden bei jedem von uns eine Myokarditis und ein Perikarderguss festgestellt. Da wir beide keinerlei Symtome haben, sind wir im Alltag nicht besonders eingeschränkt. Beunruhigend ist es natürlich auf jeden Fall.

 

Deborah: Im Hinblick auf Sport versuchen wir uns nicht zu überlasten und lassen alles etwas ruhiger angehen. Das ist zwar schade, aber so lange wir nächstes Jahr wieder wie gewohnt Sport machen können, ist alles in Ordnung. Hoffentlich bilden sich die Entzündung und der Erguss im Herzbeutel innerhalb des nächsten halben Jahres ohne Folgen zurück!

Dr. Nicolas Gumpert: Was würdet Ihr beim nächsten Mal anders machen?

Joanna: Ohje, das ist eine ziemlich schwere Frage. An sich würde ich beim nächsten Mal eventuell weniger darauf vertrauen, bei vorliegenden Testergebnissen verlässlich kontaktiert zu werden. Viel Spielraum hat man da als Patient ohne Connections jedoch nicht. Ob man einen Anruf bekommt oder nicht liegt ja nicht in der eigenen Hand.

 

Deborah: Ich finde die Frage auch schwer zu beantworten. All die Dinge, die nicht optimal gelaufen sind oder uns bedrückt haben, konnten wir nicht wirklich ändern.

Dr. Nicolas Gumpert: Was sind Eure wichtigsten Tipps an andere Erkrankte?

Deborah: Ein bisschen hängt das natürlich auch von den Symptomen und Umständen ab. Man sollte sich wahrscheinlich nicht zu viele Sorgen machen und die Erkrankung erst einmal genauso behandeln wie eine normale Erkältung oder Grippe. Wenn man einen Garten oder eine Dachterrasse hat, tut Ablenkung bei Gartenarbeit oder in der Sonne liegen mit Sicherheit gut. Natürlich nur, wenn man nur leichte Symptome hat! Falls zum Beispiel Atemnot auftritt, sollte man sich nicht scheuen, einen Arzt zu kontaktieren.

 

Joanna: Um die Quarantäne gut zu überstehen würde ich empfehlen, sich einen Tagesplan zu überlegen und diesen auch grob durchzuziehen. Sonst fühlt man sich irgendwann, als würde man nur vor sich hin vegetieren. Wenn man nicht von zu Hause aus arbeiten kann, kann man sich auch eigene Projekte vornehmen. Eine neue Sprache lernen oder die Fenster, die man immer schon mal putzen wollte, in Angriff nehmen.

Dr. Nicolas Gumpert: Danke für das Gespräch, die vielen hilfreichen Informationen und die Tipps für mögliche Betroffene!

Autor: Joanna und Deborah Marly Veröffentlicht: 09.05.2020 - Letzte Änderung: 18.09.2024