Beim Morbus Perthes handelt es sich um eine Durchblutungsstörung des kindlichen Hüftkopfes unbekannter Ursache. Ein nicht ausgeheilter Morbus Perthes kann zu einer Früharthrose der Hüfte führen. Meistens müssen die Kinder mit einem Morbus Perthes nicht operiert werden.

Morbus Perthes

Synonyme

Morbus Legg-Calvé-Perthes, ideopathische kindliche Hüftkopfnekrose

Definition

Beim Morbus Perthes handelt es sich um eine Durchblutungsstörung des kindlichen Hüftkopfes unbekannter Ursache.

Alter

3-12 Jahre, hauptsächlich 5.-7. Lebensjahr

Geschlechtsverteilung

Jungen / Mädchen 2 : 1 - 4 : 1, ca. 15 % - 50 % beidseits (je nach Quelle)

Auftreten

Auftreten ca 1:1000 - 1:5000

Ursache

Die Durchblutung des Hüftkopfes ist anatomisch gesehen kritisch. Die Hauptanteil der Durchblutung erfolgt vom Schenkelhals, eine individuell angelegte Arterie strahlt noch zusätlich in den Hüftkopf mit ein (siehe Bild rechts).
Ursächlich wird eine Minderanlage der Blutgefäßversorgung angenommen. Die größe der Durchblutungsstörung ist entscheidend für den Verlauf der Erkrankung Morbus Perthes und für die Regeneration des Hüftkopfes.

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Symptome

Die klinischen Anzeichen einer Pertheserkrankung sind zunächst häufig nur unspezifisch. In den meisten Fällen wird häufig als erstes ein Hinken des Kindes bemerkt. Im weiteren Verlauf geben 75% aller Kinder mit Morbus Perthes Schmerzen im Bereich der betroffenen Hüfte an, 25% geben hüftgelenksfern Schmerzen im Knie und Oberschenkel an. Die Beschwerdesymptomatik wechselt häufig aufgrund von Belastung und Reizzustand des Gelenkes.

Schmerzen bei einem Morbus Perthes

Schmerzen sind eines der unspezifischen Symptome bei bestehendem Morbus Perthes.
Durch den Abbau des Gelenkkopfes kommt es einerseits zum Hinken, welches den ersten Hinweis auf eine Erkrankung des Bewegungsapparates oder ein neurologisches Problem gibt.

Die Schmerzen bestehen häufig zunächst im Knie, was eine Fehldiagnose zur Folge haben kann. Deswegen sollte auch bei hüftschmerzfreien Kindern, die allerdings ein Hinken aufweisen, an Morbus Perthes gedacht werden.
Wird der Gelenkkopf nach und nach zerstört, kommt es auch vermehrt zu Schmerzen in der betroffenen Hüfte. Diese treten insbesondere bei Bewegung oder Belastung auf. Ein zum verwechseln ähnliches Schmerzbild zeigt sich beim sogenannten Hüftschnupfen (Coxitis fugas). Dies ist ebenfalls eine kindliche Erkrankung des Hüftgelenks.
Eine Differenzierung kann gegebenenfalls mit Hilfe eines Röntgenbildes erfolgen.

Diagnose

In den Anfangsstadien des Morbus Perthes kann die klinische Untersuchung häufig unauffällig sein. Mit fortschreitendem Erkrankungsstadium folgt eine zunehmende Bewegungseinschränkung des Hüftgelenkes. Besonders die Abspreizung und Rotation sind zunehmend eingeschränkt. Wie oben zu sehen, kann man im Röntgenbild die verschiedenen Stadien gut voneinander abgrenzen. Lediglich in der Frühphase kann die Diagnose eines Morbus Perthes sicher mit dem MRT (Magnetresonanztomografie) gestellt werden. Im Seitenvergleich fällt die Veränderung des linken Hüftkopfes (rechte Bildseite) auf.

Röntgen bei einem Morbus Perthes

In der Diagnostik bei Verdacht auf Morbus Perthes oder bei der Verlaufskontrolle bei bekannter Krankheit spielt Röntgen eine wichtige Rolle. Lediglich in der Früherkennung ist die Darstellung mittels Röntgen-Bild einer MRT-Aufnahme der Hüfte unterlegen. Mittels Röntgen kann also sowohl die Erkrankung diagnostiziert, als auch eingestuft werden.
Jedes Krankheitsstadium von Morbus Perthes stellt sich im Röntgenbild anders dar und kann von geübten Radiologen oder (Kinder-)Orthopäden erkannt werden.

Im ersten Stadium verbreitert sich die Wachstumsfuge, was im Röntgen nur schwer zu sehen ist und daher eher durch eine MRT dargestellt werden kann.
Im folgenden Kondensationsstadium verdichtet sich das Knochengewebe durch die krankhafte Zerstörung der Substanz.
Im Bild zeigt sich dies als Aufhellung, da die dichteren Knochenstrukturen mehr Röntgenstrahlen absorbieren. Der zerstörte Knochen wird nun im Fragmentationsstadium teilweise abgebaut.

Im Röntgenbild zeigt sich ein zersetzter Kopf des Oberschenkelknochens und das Bild dunkelt sich im Bereich des Gelenks durch die Abnahme an Knochenstrukturen ab. Im Reparationsstadium, welches in der Regel nahtlos in das Ausheilungsstadium übergeht, wird der Knochen erneut gebildet.
Im Röntgen zeigt sich der Wiederaufbau des Gelenkkopfes und die Normalisierung der anatomischen Gegebenheiten. Kommt es bei der Ausheilung zu Deformitäten, weil das Gelenk in dieser schwachen Phase zu sehr belastet wurde, kann dies ebenfalls mit Hilfe eines Röntgenbildes dargestellt werden. Typischer Weise zeigt sich diese krankhafte Veränderung als pilzförmiger Gelenkkopf.

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Einteilung

Die Einteilung des Morbus Perthes erfolgt nach den vier Graden nach Cattarall.

Die verschiedenen Catterall - Stadien werden nach Ausprägung der Hüftkopfbeteiligung eingeteilt. Im Stadium I ist nur ein kleiner oberflächlicher Teil des Hüftkopfes betroffen.

Im Stadium II des Morbus Perthes sind im Gegensatz zum Stadium I größere Teile des Hüftkopfs durchblutungsgestört. Die Ausprägung kann man am linken Bildrand erkennen. Man darf die Einteilung nach Catterall nicht mit den Perthes - Stadien vertauschen. Eine Prognose des Verlaufes der Erkrankung ist zu jedem Zeitpunkt schwierig und von vielen individuellen Faktoren abhängig. Maximal 50% des Hüftkopfes sind betroffen.

Im Stadium III des Morbus Perthes ist der gesamte Hüfkopf von der Durchblutungsstörung betroffen. Die Prognose ist insgesamt ungünstiger als die ersten beiden Cattarall - Stadien zu werten. Auch in diesem Stadium kann man leider keine Prognose über den weiteren Verlauf treffen. Maximal 75% des Hüftkopfes sind betroffen.

Im Stadium IV des Morbus Perthes kommt es zu einer vollständigen Destruktion des Hüft - kopfes, es besteht die Gefahr, dass der Resthüftkopf vom Schenkelhals abrutscht. Eine anatomischer Aufbau erfolgt nur, wenn die Erkrankung in sehr jungen Jahren auftritt. Der gesamte Hüftkopf ist betroffen.

Eine weitere wichtige Einteilung ist die Einteilung nach Herring. Sie hat für die Langzeitprognose entscheidende Bedeutung. Hierbei wird der Hüftkopf in drei Pfeiler eingeteilt. Entscheidende Bedeutung kommt dem äußeren / lateralen Pfeiler zu.

Gruppe A: lateraler Pfeiler ist nicht betroffen
Gruppe B: > 50% der Höhe des lateralen Pfeilers sind betroffen
Gruppe C: < 50% der Höhe des lateralen Pfeilers sind erhalten, somit die ungünstigste Langzeitprognose

Stadien des Morbus Perthes

1. Initialstadium: Dies Stadium ist häufig nur sehr schwierig auf dem Röntgenbild zu erkennen. Häufig kommt es zunächst nur zu einer verbreiterung der Wachstumsfuge. Eine höhere Aussagekraft dieses Stadiums kann man durch eine Magnetresonaztomographie (MRT) erzielen.

2. Kodensationstadium: Durch Zusammenbruch des Grundgerüstes der Knochenstruktur kommt es radiologisch (im Röngenbild zu einer Verdichtung der Knochenstruktur). Dieses Stadium wird je nach Ausprägung ca. 2 bis 6 Monate nach Erkrankungsbeginn erreicht.

3. Fragmentationsstadium: Nach dem dem Kndensationsstadium folgt das Fragmentationsstadium. Seine maximale Ausprägung wird nach etwa 12 Monaten erreicht. Dieses Stadium kennzeichnet einen Abbau der Knochenstruktur, daher das Fragmentation. Besonders in diesem Stadium ist der Hüftkopf vermindert belastungsfähig.

4. Reparationstadium: Während des Reparationsstadiums folgt ein Wiederaufbau des Hüftkopfes durch Neuein- sprossung von Gefäßen. Dieses Stadium wird nach 2 - 3 Jahren erreicht. Damit können sich wieder Knochenzellen ansiedeln und Knochengrundsubstanz bilden. Damit kommt es zum Wiederaufbau des Hüftkopfes.

5. Ausheilungsstadium: Das Ausheilungsstadium ist das abschließende Ergebnis der knöchernen Umbauvorgänge. Erfolgt die Ausheilung in einer Deformität, das heißt in einer unanatomischen Endrundung des Hüftkopfes, bleibt diese lebenslang bestehen. Dadurch besteht eine große Gefahr der Entwicklung einer Hüft- gelenksarthrose. Die Ausheilung erfolgt nach 3 - 5 Jahren.

Therapie

Ziel der Therapie muß es sein, eine Verformung des Hüftkopfes während der Phase der verminderten Belastbarkeit zu verhindern. Sofern es schon zu Verformungen gekommen ist, muß eine Wiederherstellung der Gelenkkongruenz das Ziel sein.
Eine Therapie des Morbus Perthes muß immer individuell Gestaltet werden und deshalb kann man keine pauschale Therapieempfehlung aussprechen.
Beim Fehlen von Risikofaktoren, niediegem Catterall-Stadium und jungem Alter ist teilweise eine Verlaufsbeobachtung unter voller Belastung des Hüftgelenkes möglich. Da der Morbus Perthes einen Krankheitsverlauf von mehreren Jahren hat und damit die kritische Phase monatelang bestehen bleibt, ist eine konsequente Therapie der betroffenen Kinder häufig schwierig.
Deutet sich ein ungünstiger Verlauf an (Risikozeichen nach Cattarall oder zunehmenden Bewegungseinschränkung), so muß das Hüftgelenk durch sogenannte Orthesen (siehe Bild links), während der kritischen Phase entlastet werden.
Droht ein Wiedeaufbau des Hüftkopfes in Deformierung gibt es verschieden Therapieformen. Ziel aller Verfahren ist das sogenannte Containment, die Überdachung des Hüftkopfes, die entscheinde Stimulation für einen anatomischen Wiederaufbau, verbessert werden soll. Hier seien nur zwei etablierte Verfahren erwähnt.

  1. Die Aufrichtungskorrektur des Schenkelhalses mit dem Ziel der besseren Zentrierung des Hüftkopfes in der Hüftpfanne (intertrochantere Varisationsosteotomie; IVO).
  2. Die Pfannendachschwenkung durch eine Beckenosteotomie nach Salter.

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Prognose

Die Prognose der Erkrankung des Morbus Perthes ist primär gut. Eine Gefahr für das Leben besteht natürlich nicht. Dennoch kann das Ausheilen der Erkrankung in einer ungünstigen Hüftkopfdeformierung in einer frühzeitigen Hüftarthrose münden. Grundsätzlich kann man jedoch sagen, dass sie Erkrankungen vor dem 10. Lebensjahr eine günstigere Prognose hinsichtlich der Deformität besitzen, da der Körper im jüngeren Alter eine höhere Regenerationspotenz besitzt. Rechts erkennt man ein ungünstiges Ausheilungsergebnis mit typischer walzen- oder pilzförmiger Deformierung des Hüftkopfes. Der ursprüngliche Schenkelhals ist eingestaucht, der Winkel zwischen Schaft und angedeutetem Schenkelhals ist statisch ungünstig zu steil. Eine Ausheilung des Morbus Perthes in dieser Fehlstellung führt mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zur einer frühzeitigen Hüftarthrose.

Als ungünstige Faktoren sind zu bewerten:

  • männliches Geschlecht
  • Alter des Auftretens > 6 Jahre
  • laterale / äußere Verkalkung im Röntgenbild
  • ausgeprägte Bewegungseinschränkung
  • Catterall Stadium 4
  • Herring Gruppe C

Verlauf

Die Erkankung des Morbus Perthes verläuft typischerweise in vier / fünf Stadien.
Der Verlauf wird entscheidend von der Ausdehnung der Durchblutungsstörung gekennzeichnet.
Die einzelnen Phasen des Morbus Perthes werden nachfolgend dargestellt.

Es gibt individuelle Unterschiede des Verlaufs, das nicht alle Stadien in der beschrieben Form und Ausprägung beim Morbus Perthes vorkommen müssen.

Intertrochantäre Varisationsosteotomie

Zu Erkennen ist die Aufrichtungs- korrektur des Schenkelhalses. Das Ergebnis wurde mit einer Platte und Schrauben fixiert

Beckenkorrektur nach Salter

Auf diesem Röntgenbild erkennt man die die Beckenosteotomie nach Salter.
Hierbei wird das Becken über den Hüftkopf geschwenkt.

Hinweis

WICHTIG: Die Therapie des Morbus Perthes gehört in die Hände eines Kinderorthopäden! Alle Informationen sollen nur eine informative Hilfestellung geben.
Ein M. Perthes kann im Alter zum Einsetzen einer Hüftendoprothese führen.

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 17.05.2007 - Letzte Änderung: 30.03.2024