Liquorverlustsyndrom

Durch Verlust von Nervenwasser im Rückenmark entsteht ein Zug, welcher die Hirnhäute reizt. Folglich entsteht ein starker Kopfschmerz. Die Diagnose erfolgt meist durch ein MRT. Die Behandlung erfolgt meist nicht operativ und die Prognose fällt relativ gut aus.

Das Liquorverlustsyndrom

Definition

Das Liquorverlustsyndrom ist eine immer häufiger vorkommende Erkrankung, die sich maßgeblich durch einen sogenannten orthostatischen Kopfschmerz präsentiert. Gekennzeichnet ist dieser dadurch, dass die Schmerzen beim Stehen deutlich zunehmen, im Liegen jedoch deutlich milder werden bzw. gänzlich verschwinden. Ursächlich für diese Symptomatik ist der Verlust von Nervenwasser, was eine Reizung der Hirnhäute zur Folge hat. Es gibt zahlreiche verschiedene weitere Bezeichnungen für diese Erkrankung wie Liquorunterdrucksyndorm, Hypoliquorrhoe, spontane intrakranielle Hypotension, usw., die unterschiedliche Aspekte der Erkrankung in den Fokus rücken.

Die Häufigkeit der Erkrankung wird mit 5 von 100.000 neu erkrankten Patienten angegebene und ist somit nicht so selten, wie viele Mediziner vermuten. Frauen sind im Durchschnitt etwa doppelt so häufig betroffen wie Männer.

Die Symptome

Das Leitsymptom des Liquorverlustsyndrom stellt der sogenannte orthostatische Kopfschmerz dar, der durch eine Verschlechterung der Schmerzen im Stehen gekennzeichnet ist. Dieser tritt, wenn auch in unterschiedlicher Intensität, bei allen Patienten im Verlauf der Erkrankung auf. Die Intensität dieser Schmerzen reicht hierbei von einem leichten bis mittelstarken Ziehen im Nacken bis hin zu einem heftigsten reisenden Kopf- und Nackenschmerzen.

Neben den Schmerzen können, je nach Ausprägung der Erkrankung, weitere Symptome auftreten. Hierzu zählen Übelkeit, Schwindel, Lichtempfindlichkeit und Lärmempfindlichkeit, aber auch schwerwiegendere neurologischen Ausfällen wie einer Einschränkung des Sehvermögens oder eine Hörstörung. Findet keine rasche Therapie des Liquorverlusts statt, kann dieser letztendlich auch zu einer Bewusstseinsstörung führen.

Die Kopfschmerzen bei Liquorverlustsyndrom

Die Kopfschmerzen, die im Rahmen eines Liquorverlustsyndroms auftreten, werden als orthostatisch beschrieben und zeigen somit eine Abhängigkeit von der Stellung des Körpers. Während im Liegen nahezu keine Beschwerden vorhanden sind, nimmt die Intensität der Schmerzen beim Stehen oder Sitzen deutlich zu.

Dieses Phänomen ist auf den vermehrten Liquorverlust während des aufrechten Stehens zurückzuführen. Da das Gehirn und das Rückenmark normalerweise in diesem Liquor „schwimmen“ führt ein Verlust dieser Flüssigkeit zu einem Absinken des Gewebes. Da die Hirnhäute jedoch an knöchernen Strukturen fixiert sind, kommt es zu einer Zugkraft, was als starke Kopfschmerzen wahrgenommen wird. Die Schmerzen betreffen hierbei meist den gesamten Kopf und breiten sich häufig auf den Nacken aus.

Erfahren Sie hier mehr zum Thema: Die Kopfschmerzen.

Die Ursachen

Unser Gehirn und Rückenmark sind ständig von Nervenwasser, dem sogenannten Liquor, umgeben. Dieser hat vor allem eine schützende Funktion, da durch diesen Einklemmungen oder Druckauswirkungen auf das Gewebe verhindert werden können. Die Bildung und der Abbau dieses Liquors ist ein ständig ablaufender Prozess. So werden täglich circa 500ml dieser Flüssigkeit gebildet und wieder abgebaut. Umgeben sind das Nervensystem und der Liquor hierbei von dem geschlossenen System der Hirnhäute.

Ein Liquorverlustsyndrom tritt dann auf, wenn durch eine sogenannte Liquorfistel große Anteile dieser Flüssigkeit verloren gehen. Die Bezeichnung Liquorfistel bezeichnet hierbei alle Defekte, die einen Austritt von Liquor aus den umgebenden Hirnhäuten ermöglichen. Häufig treten diese in Form von kleinen Rissen an den Hirnhäuten des Rückenmarks auf, was dann einem Liquorverlust führt. Verstärkt wird dieser Verlust nun vor allem im Stehen, da die Schwerkraft den Liquor nach unten drängt und dieser somit verstärkt aus dem kleinen Riss ablaufen kann. Im Liegen ist ein solcher Druck nicht vorhanden, weswegen nur sehr geringe Mengen abfließen können.

Der Verlust des Liquors hat nun eine Senkung des Gehirngewebes zur Folge, was zu einer Spannung der Hirnhäute führt, was als Kopfschmerzen wahrgenommen wird. Die stark variierende Stärke dieser Kopfschmerzen ist hierbei maßgeblich von der Größe des Risses abhängig. Ist dieser lediglich 1 Millimeter groß, berichten Betroffene lediglich von leichten Kopfschmerzen, die im Stehen schlimmer werden. Bei großen Defekten hingegen, können Patienten häufig vor Schmerzen nicht mehr Aufstehen oder dem Kopf heben.

Informieren Sie sich hier rund über das Thema: Das Nervenwasser.

Die Diagnose

Bereits das klinische Bild der Erkrankung kann den untersuchenden Ärzten einen deutlichen Hinweis auf das Vorliegen eines Liquorverlustsyndroms geben. So können ja nach Ausmaß dieses Verlusts, neben den starken Kopfschmerzen auch Einschränkungen des Sehvermögens oder Bewusstseinsstörungen auftreten. Dieses klinische Bild führt in den meisten Fällen zu einer raschen Durchführung eines bildgebenden Verfahrens, meist dem MRT.
Mit Hilfe dieser Untersuchung können zum einen der ausgeflossene Liquor, aber auch das „Absacken“ des Gehirns nach unten dargestellt werden. Zudem zeigen sich die inneren Liquorräume des Gehirns deutlich verschmälert.

Komplizierter stellt es sich hingegen häufig bei der Suche des Risses dar. Dieser ist häufig in der Bildgebung nur sehr schwer darzustellen und erfordert einen erfahrenen Radiologen und häufig den Einsatz weiterer diagnostischer Maßnahmen, wie dem Ultraschall oder einer Lumbalpunktion.

MRT der LWS

Im Rahmen der Diagnostik des Liquorverlustsyndroms wird in nahezu allen Fällen ein MRT der Lendenwirbelsäule (LWS) durchgeführt. Hierbei können bei Vorliegen der Erkrankung einige wegweisende Zeichen dargestellt werden. Zum einen kann häufig eine Liquoransammlung außerhalb der Hirnhäute nachgewiesen werden, was das Vorliegen einer Liquorfistel sehr wahrscheinlich macht. Häufig ist zudem eine Stauung der Venen der Hirnhäute nachweisbar.

In manchen Fällen kann die Liquorfistel ebenfalls zur Darstellung kommen, auch wenn hierfür meist andere bildgebende Verfahren zum Einsatz kommen.

Erfahren Sie hier mehr zum Thema: MRT der Lendenwirbelsäule.

Die Behandlung

Die Behandlung des Liquorverlustsyndroms stellt ein sogenanntes Stufenschema dar. So wird in den meisten Fällen zunächst eine konservativ-abwartender Behandlungsversuch mit einer Bettruhe über 3 Tage durchgeführt. Nicht selten findet in diesem Zeitraum bereits ein Spontanverschluss der Liquorfistel statt.

Ist dies nicht der Fall wird im nächsten Schritt ein sogenannter lumbaler Blutpatch durchgeführt. Bei diesem Verfahren wird ein Gemisch aus Eigenblut und röntgendichtem Kontrastmittel in den Raum um die Rückenmarkhäute (Epiduralraum) gespritzt. Diese Flüssigkeitsansammlung drückt nun auf den ursächlichen offenen Defekt der Rückenmarkshaut und führt in vielen Fällen zu einer vollständigen Rückbildung der Beschwerden. Die korrekte Lage der injizierten Flüssigkeit wird hierbei über eine Röntgenaufnahme sichergestellt. Die Durchführung dieses Eingriffs ist meist simpel und kann auf der Station durchgeführt werden.

In Fällen, in denen auch durch diese Behandlungsoption keine Beschwerdefreiheit erreicht werden konnte, steht nun ein operativer Eingriff als letzte Behandlungsoption zur Verfügung. Dieser wird meist mikrochirurgisch durchgeführt und der Riss wird durch eine Naht oder Verklebungen verschlossen. In sehr schweren Fällen des Liquorverlustsyndroms und einer anfangs bereits schweren Symptomatik kann der operative Eingriff bereits als erste Behandlungsoption zur Anwendung kommen. In den meisten Fällen ist bereits direkt nach der Operation mit einer Beschwerdefreiheit zu rechnen.

Wann braucht man ein Blutpatch?

Blutpatchs kommen immer dann zum Einsatz, wenn es nach ausreichender Bettruhe, nicht zu einem Spontanverschluss der Liquorfistel kam. Diesem Verfahren wird aufgrund der einfachen Durchführung und den äußerst geringen Komplikationsraten häufig der Vorzug vor operativen Maßnahmen gegeben. Als Blutpatch dient hierbei ein Gemisch aus Eigenblut, das aus der Vene abgenommen wird, und Röntgenkontrastmittel. Letzteres ermöglicht eine anschließende Lagekontrolle des Blutpatchs.

Die Anspruchsrate dieser Behandlungsform liegt bei circa 85%. Im Falle eines Nicht-Ansprechens kann das Verfahren mehrmals wiederholt werden. Zudem ist neben dem lumbalen Blutpatch, bei dem der gesamte Epiduralraum (Spaltraum im Rückenmark) gefüllt wird, eine lokalere Anwendung dieser Therapie möglich. Diese setzt jedoch eine exakte Lokalisierung des Defektes voraus.

Die Dauer

Die Dauer des Liquorverlustsyndroms kann deutlich variieren. Während Patienten mit kleineren Effekten aufgrund der milden Symptomatik erst nach wenigen Tagen eine Vorstellung bei einem Facharzt anstreben, präsentiert sich die Erkrankung bei vielen Patienten deutlich akuter, was häufig einer Krankenhauseinweisung zur Folge hat. Hier wird das Krankheitsbild in den meisten Fällen rasch diagnostiziert und erforderliche Behandlungsmaßnahmen angestrebt.

Abhängig vom Ansprechen der verschiedenen Therapieformen liegt die durchschnittliche Dauer der Erkrankung somit zwischen 3-5 Tagen. Unbehandelt kann der Krankheitsverlauf deutlich länger sein und es kommt im Verlauf zu einer immer deutlicheren Ausprägung der Symptomatik.

Die Prognose

Die Prognose des Liquorverlustsyndroms ist als sehr gut zu werten. So stehen verschiedene operative und nicht-operative Therapieoptionen in der Behandlung der Erkrankung zur Verfügung, die gute bis sehr gute Anspruchsraten zeigen.

Weiterhin sind die Komplikationsraten der Behandlungsoptionen als gering zu bewerten und es kommt häufig nach Ansprechen auf eine Therapie zu einer raschen Beschwerdefreiheit.

Weiterführende Information:

Nähere Informationen zu diesem Thema finden Sie hier:

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 29.05.2019 - Letzte Änderung: 18.09.2024