Das Atemnotsyndrom bei Neugeborenen bezeichnet eine Luftnot, von der vor allem Frühgeborenen betroffen sind, da die Lungenreifung erst mit der 35. Schwangerschaftswoche abgeschlossen ist und somit ein Mangel des Proteins Surfactant herrscht, welches die Oberflächenspannung der Lungenblässchen herabsetzt.
Unter dem Atemnotsyndrom bei Neugeborenen (auch Infant Respiratory Distress Syndrome, oder kurz IRDS) handelt es sich um eine Luftnot, die akut bei Neugeborenen kurz wenige Stunden nach der Geburt auftritt.
Besonders häufig sind frühgeborene Kinder betroffen, da die Lungenreifung erst ab der 35. Schwangerschaftswoche abgeschlossen wird. Bei einer drohenden Frühgeburt wird daher stets eine medikamentöse Prophylaxe eines IRDS versucht.
Statistisch gesehen entwickeln mindestens 60% der Kinder, die vor der 28. Schwangerschaftswoche geboren werden, ein Atemnotsyndrom. Reife, also nach der 37. Schwangerschaftswoche geborenene Kinder sind nur zu etwa 5% betroffen.
Die Hauptursache für das Atemnotsyndrom ist die unzureichende Produktion eines bestimmten Proteins, dem Surfactant. Dieses Protein befindet sich bei allen Menschen auf der Oberfläche der Lungenbläschen (Alveolen) und sorgt dafür, dass diese offen bleiben und nicht in sich zusammenfallen.
Der Mechanismus dafür ist die Herabsetzung der Oberflächenspannung, die sonst so groß wäre, dass ihr die feinen Lungenbläschen nicht standhalten könnten. Surfactant ist damit der entscheidende Faktor für einen guten und ungestörten Gasaustausch in unserer Lunge.
Bei Neugeborenen und besonders bei frühgeborenen Kindern ist das Surfactant noch nicht in ausreichender Menge gebildet, da die Lunge zwar schon früh im Mutterleib angelegt wird, aber erst ganz am Ende der Schwangerschaft fertig ausreift. Surfactant wird normalerweise erst ab der 35. Schwangerschaftswoche von den Zellen der kindlichen Lunge gebildet.
Die Lungenbläschen fallen also beim Atemnotsyndrom teilweise in sich zusammen und das Kind muss sich unverhältnismäßig stark anstrengen, um genug Luft zu bekommen.
Nach einem Kaiserschnitt ist das Risiko für das neugeborene Kind, ein Atemnotsyndrom zu entwickeln, generell erhöht.
Es ist dabei egal, ob es sich um ein früh- oder ein reifgeborenes Kind handelt. Die Erklärung hierfür ist, dass der Geburtsstress, insbesondere die Presswehen, eine Beschleunigung der Surfactant-Produktion über die Ausschüttung bestimmter Hormone (Glucocorticoide) verursachen.
Ein Mangel an Surfactant ist der Hauptgrund für die Entwicklung eines Atemnotsyndroms.
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Erste, deutliche Hinweise auf ein Atemnotsyndrom bei einem neugeborenen Kind sind zunächst die für eine Atmenot typischen Symptomen und ein verhältnismäßig schwaches Atemgeräusch beim Abhören der Lunge.
Um die Verdachtsdiagnose zu sichern, nutzt man die Analyse des Sauerstoff- bzw. Kohlenstoffdioxid-Gehalts im Blut (Blutgasanalyse) und die Darstellung der Lunge im Röntgenbild.
Abzugrenzen ist das IRDS von anderen Erkrankungen, die ebenfalls eine Atemnot hervorrufen können, wie etwa eine Unterentwicklung der Lunge, eine Lungenentzündung oder Fruchtwasserrückstände in der Lunge.
Um den Schweregrad des Atemnotsyndroms zu objektivieren, hat man sich auf die Einteilung in vier Stadien eingeteilt.
Stadium I beschreibt dabei das leichteste Krankheitsbild, Stadium IV das schwerwiegendste.
Zur Einteilung zieht man keinerlei klinische Symptome heran, da diese bei Neugeborenen individuell variieren. Die Stadien werden ausschließlich nach dem radiologischen Befund des Röntgenbildes diagnostiziert.
Genauer gesagt wird darin beurteilt, wie groß der Anteil der bereits zusammengefallenen Lungenbläschen ist, die in Folge dessen dann nicht mehr zum Gasaustausch zur Verfügung stehen. Da ein höheres Stadium weniger noch nutzbares Lungengewebe bedeutet, hat es statistisch auch eine schlechtere Prognose.
Ein Röntgenbild ist zur Diagnosesicherung sowie zur weiterführenden Stadieneinteilung der Erkrankung grundlegend und sollte daher bei einem Verdacht auf ein Atemnotsyndrom angefertigt werden.
Selbstverständlich ist die Strahlenbelastung ebenfalls zu bedenken. Diese ist jedoch beim Röntgen mittlerweile eher gering, sodass der Nutzen durch die Diagnosesicherung und die dann mögliche gezielte Behandlung des Atemnotsyndroms meist größer einzuschätzen ist.
Die Stadieneinteilung erfolgt nach dem Grad der „Verschattung“, das heißt dem Anteil des im Röntgenbild weiß erscheinenden Lungengewebes. Je weißer die Lunge sich in der Aufnahme darstellt, desto undurchlässiger war das Gewebe für die Röntgenstrahlen, da es bereits viele zusammengefallene Lungenbläschen enthält, die das Gewebe dichter machen. Das höchste (IV.) Stadium dieser Erkrankung wird daher auch manchmal „Weiße Lunge“ genannt.
Bei einem Atemnotsyndrom fallen zunächst die für eine Atemnot kennzeichnenden Symptome auf. Dazu gehören zum Beispiel Nasenflügeln, eine schnelle Atmung und bläuliche Lippen oder Schleimhäute.
Da das IRDS gehäuft bei Frühgeborenen auftritt, können weitere Unreifezeichen beim Kind auftreten, beispielsweise schlecht ausgebildetes Unterhautfettgewebe, ein unzureichend ausgebildetes Immunsystem oder Lanugohaare, das sogenannte Flaumhaar, welches vor der Geburt als Temperaturisolierung dient.
Idealerweise beginnt die Behandlung eines IRDS bereits im Mutterleib: Bei einer drohenden Frühgeburt muss die Surfactant-Produktion immer medikamentös angeregt werden.
Das geschieht durch die Gabe von Glucocorticoiden, also Molekülen, die eng verwandt mit dem Cortison sind. Diese sorgen dafür, dass eine ausreichende Menge Surfactant innerhalb von 48 Stunden produziert wird.
Oftmals kombiniert man diese Therapie mit einem Wehenhemmer, sofern die Wehen bereits eingesetzt haben. So lässt sich genug Zeit gewinnen, damit das Glucocorticoid wirken kann.
Wird dagegen ein Atemnotsyndrom beim bereits geborenen Kind festgestellt, müssen bestimmte Sofortmaßnahmen im entsprechenden Geburtszentrum ergriffen werden: Da die Lunge des Kindes stets zusammenzufallen droht, muss der Druck in der Lunge mit Hilfe einer Beamtungsmaske, die fest auf dem Gesicht aufsitzt, aufrecht erhalten werden. Sie sollten mit genügend, aber nicht mit zu viel Sauerstoff versorgt werden, da dieser in zu hohen Konzentrationen schädlich für Neugeborene ist. Außerdem kann man in Erwägung ziehen, ob ein Zuführen des fehlenden Surfactant im Einzelfall hilfreich ist.
Dieses wird dann in flüssiger Form direkt in die Luftröhre gebracht, von wo aus es sich über die Bronchien in die Lungenbläschen verteilen kann.
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Wie lange das Neugeborene mit dem Atemnotsyndrom zurechtkommen muss, hängt stark vom Stadium der Erkrankung ab.
Wird das Atemnotsyndrom bereits in einem niederen Stadium schnell und gezielt behandelt, hält es meist nur noch wenige Tage an.
Der begrenzende Faktor bei der schnellstmöglichen Ausheilung des Syndroms ist, dass sich das Surfactant durch die medikamentöse Therapie in der Lunge des Kindes bildet bzw. dass sich das direkt in die Luftröhre applizierte Surfactant auf der Oberfläche der Lunge ausreichend verteilt.
Ist die Erkankung bereits in einem höheren Stadium, ist die Dauer schwieriger vorherzusagen. Besonders im Stadium IV sind lebenslange Folgen für das Kind nicht auszuschließen.
Ob und welche Folgen aus einem kindlichen Atemnotsyndrom entstehen, ist stark davon abhängig, wie zügig die Behandlung der Erkrankung eingeleitet wird und in welchem Stadium sich die Erkrankung befindet.
Unbehandelt kann dieses Erkrankung tödlich verlaufen, mit einer schnellen und angemessenen Behandlung ist die Sterblichkeit dagegen ausgesprochen niedrig.
Auch Komplikationen und Folgeschäden treten bei einem gut behandelten Atemnotsyndrom selten auf. Trotzdem seien hier mögliche Folgen eines Atemnotsyndroms genannt: Zunächst einmal kann sich der Sauerstoffmangel auf den kindlichen Körper auswirken. Dabei hat das Gehirn von allen Organen die geringste Toleranz und wird daher zuerst geschädigt. Durch die relative Steifheit der Lunge kann auch ein kompletter Lungenflügel kollabieren (Pneumothorax). Dieser lässt sich dann mit Hilfe einer Drainage behandeln.
Außerdem kann durch die Beatmung mit konstantem Druck und zusätzlichem Sauerstoff eine sogenannte „Beatmungslunge“ entstehen. Diese zeichnet sich durch eine Kombination minimaler druckbedingter Verletzungen, lokalen Entzündungen, eventuell einem Lungenödem, stellenweisen Überblähungen und kollabierten Lungenbläschen aus. Diese Folgeerkrankung kann normalerweise durch das Anpassen des Beatmungsdrucks und des Sauerstoffgehalts meist problemls therapiert werden.
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