Eine Epilepsie im Kindesalter unterscheidet sich in der Definition nicht von den Erwachsenen. Allerdings gibt es Formen, die nur in diesem Alter auftreten und mit der Zeit wieder verschwinden. Die Symptome können je nach Epilepsieform unterschiedlich ausgeprägt sein. Die Therapie richtet sich auch nach der Form der Epilepsie.
Die grundsätzliche Definition einer Epilepsie bei Kindern unterscheidet sich nicht von der bei Erwachsenen. Die Krankheit der Epilepsie beschreibt hierbei eine Funktionsstörung des Gehirns, bei der sich Gruppen von Nervenzellen für kurze Zeit synchronisieren und sich sehr schnell entladen, was dann zu einem epileptischen Anfall führt. Die genaue Art des epileptischen Anfalls hängt hierbei von der Lokalisation dieser Nervenzellgruppe ab und kann entweder das gesamte Gehirn betreffen (generalisiert) oder lokal (fokal) bleiben.
Mit einem Anteil von 0,5% stellt die Epilepsie kein seltenes Krankheitsbild bei Kindern dar. Zu erwähnen ist hier die deutliche Abgrenzung von Fieberkämpfen, da diese nicht automatisch dem Formenkreis der Epilepsie zugeordnet werden. Eine Epilepsie, die in der Kindheit beginnt, geht mit dem Risiko einer Intelligenzminderung einher. So leiden ca. 30% aller betroffenen Kinder im Laufe ihres Lebens unter einer Intelligenzminderung. Zudem ist bekannt, dass sich manche Epilepsiesyndrome nur in der Kindheit entwickeln und bis zu deren Ende abklingen, wie beispielweise die Rolando-Epilepsie oder das Landau-Kleffner-Syndrom.
Die möglichen Ursachen von Epilepsien im Kindesalter sind sehr divers und zum Teil noch nicht genau verstanden. Die Ursachen werden hierbei in folgende drei Hauptgruppen unterteilt: strukturell, genetisch, idiopathisch.
Der Begriff der strukturellen Ursachen umfasst hierbei alle organischen Störungen des Gehirns, wie Veränderungen der Anatomie, der Zustand nach einem Schädel-Hirn-Trauma, Tumore, Hirnblutungen, aber auch seltene Erkrankung wie die Tuberöse Sklerose (TSC).
Der Anteil der Patienten bei denen eine definierte genetische Veranlagung besteht, konnte in den letzten Jahren immer weiter aufgeschlüsselt werden. So wurden einzelne Gene identifiziert, die bei einer Mutation zur Entstehung einer Epilepsie führen bzw. das Risiko für diese erhöhen. Der Gruppe der idiopathischen Epilepsien werden alle Formen zugeordnet, bei denen keine genaue Ursache ausgemacht werden konnte. Je nach Epilepsieform liegt dieser Anteil bei zu 70%.
In den letzten Jahrzehnten wuchs zunehmend das Verständnis dafür, dass die Entstehung einer Epilepsie meist kein Geschehen ist, das auf einen konkreten Umstand zurückzuführen ist, sondern vielmehr viele verschiedenen begünstigende Faktoren zusammenkommen müssen, um zur Entstehung zu führen.
Informieren Sie sich hier rund über das Thema: Epilepsie.
Das Leitsymptom von Epilepsien ist zunächst immer das Vorliegen epileptischer Anfälle. Diese sind in ihrer Ausprägung jedoch deutlich unterschiedlich und reichen von kleinen Zuckungen, über kurze Dämmerungszustände, sogenannte Absencen, bis hin zu den Grand-Mal-Anfällen, die mit, den ganzen Körper betreffenden, Zuckungen und Anspannungen der Muskulatur, sowie einem Bewusstseinsverlust, einhergehen.
So ist es für Eltern nicht immer leicht die epileptischen Anfälle bei ihren Kindern als solche ausmachen zu können. Dies ist insbesondere bei sehr frühen Formen der Epilepsie der Fall, wie dem West-Syndrom. Dieses geht mit sogenannten infantilen Spasmen einher, bei denen die Arme vor der Brust zusammengeschlagen werden und der Kopf nach vorne gekippt wird. Für das ungeschulte Auge ist es äußerst kompliziert, diese Bewegung von einer normalen Motorik zu unterscheiden.
Neben diesen motorischen Anfällen, gibt es auch sogenannte Absence-Epilepsien. Diese gehen mit einem kurzen Dämmerzustand einher, an den sich Betroffene nicht erinnern können. Häufig fallen diese Zustände in der Schule auf und die Kinder werden als immer abschweifend und unkonzentriert beschrieben. Doch auch das zu langsame Erreichen von Entwicklungsstufen oder sogar der Verlust von bereits Erlerntem können Hinweis für bestimmte Epilepsiesyndrome sein und sollte mit Hinblick auf diese Fragestellung abgeklärt werden.
Lesen Sie hier mehr zum Thema: Symptome einer Epilepsie.
Es gibt zahlreiche Epilepsieformen bei Kindern, die nur bzw. gehäuft aus dem Schlaf heraus auftreten. Eine der häufigsten Epilepsieform bei Kindern, die sogenannte Rolando-Epilepsie, ist beispielsweise durch nachts auftretende Verkrampfungen und Zuckungen der Schlundmuskulatur, der Zunge und einer Gesichtshälfte gekennzeichnet, die sich in der Folge auf den gesamten Körper ausbreiten können.
Doch auch andere Formen, wie das Lennox-Gastaut-Syndrom gehen mit verschiedenen nächtlichen Anfallsformen einher. Weitere Epilepsiesyndrome, die mit einer nächtlichen Häufung von Anfällen einhergehen sind das CSWS oder das Ohtahara-Syndrom. Die Häufung der Anfälle in der Nacht ist, so wird aktuell vermutet, auf eine stärkere Grundsynchronisierung der Nervenzellen zurückzuführen, die somit schneller in eine übersteigende Synchronisierung umspringen kann
Die Diagnostik einer Epilepsie erfolgt in den allermeisten Fällen nach einem stattgefundenen Ereignis, im Sinne eines epileptischen Anfalls. Den Beginn jeder Epilepsiediagnostik bildet immer die ausführliche Erhebung der Krankheitsgeschichte und die genaue Beschreibung der Anfälle durch die Eltern oder andere Beobachtende. Zudem wird auf das Vorliegen einer familiären Häufung geprüft, was auf eine genetische Ursache hindeuten würde.
Dann erfolgt in fast allen Fällen die Durchführung einer Elektroenzephalografie, kurz EEG, bei der die elektrischen Signale der Nervenzellen aufgezeichnet werden. Dieses wird oft nachts oder über mehrere Stunden durchgeführt. Bestimmte Muster und Signalfrequenzen können hierbei gute Aufschlüsse über das grundlegende Vorliegen einer Epilepsie, der möglichen Lokalisation eines Epilepsieherdes (auslösende Region) und eine spezifische Zuordnung des Epilepsie-Syndroms ermöglichen.
Um strukturelle, also organisch manifestierte, Ursachen zu erkennen, wird in vielen Fällen ein MRT durchgeführt. Je nach Krankheitsgeschichte, dem EEG oder dem Fehlen von strukturellen Auffälligkeiten, wird in manchen Fällen die Suche auf genetische Ursachen ausgeweitet.
Erfahren Sie hier mehr zum Thema: Diagnose einer Epilepsie.
Mittlerweile gibt es über 25 verschiedene Medikamente, die zur Behandlung von Epilepsien angewandt werden. Welche Medikamente bei einem Kind infrage kommen, hängt hierbei maßgeblich an der Form der Epilepsie ab. So ist beispielsweise Sulitam nur für die Anwendung bei der Rolando-Epilepsie zugelassen. Nicht selten kann durch die erste medikamentöse Therapie die Entstehung der Anfälle nicht völlig unterdrückt werden. Oft wird dann zunächst die Dosierung angehoben oder das verwandte Mittel wird mit anderen Antiepileptika kombiniert. In seltenen Fällen führt dies dazu, dass Patienten bis zu drei verschiedene Antiepileptika einnehmen müssen.
Die meisten Therapien beziehen sich hierbei auf eine Dauerbehandlung, die über mehrere Jahre eingenommen werden muss. Doch auch für den akuten Anfall gibt es zahlreiche Medikamente, wie Midazolam, die die meisten Eltern als Notfallmedikament stets bei sich tragen.
In den letzten Jahren kamen neben den klassischen Antiepileptika noch weiter Formen der Therapie hinzu. Hierzu gehört neben einer besonderen Form der Diät (ketogene Diät), die Stoßtherapie mit Steroiden. Diese werden für wenige Wochen in sehr hohen Konzentrationen angewandt und erzielen für bestimmte Epilepsieformen gute Ergebnisse. Wie alle anderen Therapieoptionen auch, geht diese Steroidtherapie jedoch mit deutlichen Nebenwirkungen, wie Schlafstörungen, Gewichtszunahme und Gemütsveränderungen einher.
Bei manchen Patienten mit einer strukturellen Ursache, kann zudem ein chirurgischer Eingriff als mögliche Therapieoption in Frage kommen. Für dieses Fachgebiet haben sich mittlerweile eigene Zentren in Deutschland ausgebildet, da teils sehr drastische wirkende Eingriffe nötig sind.
Für weitere Informationen lesen Sie auch: Medikamente gegen eine Epilepsie.
Die genaue Dauer von Epilepsien im Kindesalter sind schwer zu beschreiben, da diese zum einen von der genauen Form der Epilepsie abhängen und zum anderen individuell sehr unterschiedlich sein kann. Im Gegensatz zu Epilepsien im Erwachsenenalter, kann jedoch festgehalten werden, dass viele frühe Formen zeitlich auf die Kind- und Jungendzeit beschränkt sind und von alleine abklingen.
Ein sehr früh auftretendes Epilepsie-Syndrom, das West-Syndrom, beginnt beispielsweise meist innerhalb des ersten Lebensjahres und dauert lediglich bis zum dritten Lebensjahr. Doch ist es auch ein Beispiel dafür, dass frühe Formen der Epilepsie in andere Formen übergehen können, die dann bis in das Erwachsenenalter andauern können.
Der Begriff der Heilung in der Behandlung von Epilepsie bedarf zunächst einer genaueren Definition. So kann eine Heilung in diesem Kontext als grundlegende Behebung der zugrundeliegenden Ursache verstanden werden, aber auch als Symptomfreiheit, im Sinne einer erfolgreichen Anfallsunterdrückung.
Ersteres ist nur in sehr wenigen Fällen möglich, nämlich dann, wenn ein chirurgischer Eingriff bei dem Kind möglich ist und die auslösende Gruppe von Nervenzellen, Epilepsieherd genannt, entfernt wurde. Dieser kann jedoch große Ausmaße annehmen, sodass in seltenen Fällen eine gesamte Gehirnhälfte entfernt werden muss. Eine Anfallsfreiheit kann meist durch die Anwendung einzelner Antiepileptika oder deren Kombination erreicht werden.
Per Definition gilt eine Epilepsie aber auch dann als geheilt, wenn ein Patient ohne Therapie, über 2 Jahre lang anfallsfrei war. Inwiefern die durchgeführte Therapie oder andere Behandlungen auf diese Entwicklung einen Einfluss haben, ist jedoch unklar. Für die Epilepsien im Kindesalter muss zudem Erwähnung finden, dass diese, wie oben beschrieben, in vielen Fällen selbstlimitierend sind und am Ende der Kinder- und Jugendzeit verschwinden. Nach 2 Jahren ist dann auch hier von einer Heilung zu sprechen.
Informieren Sie sich hier rund über das Thema: Epilepsie.
Bei viele Epilepsieformen der Kindheit ist mit keinen langfristigen Folgen zu rechnen, wie es beispielsweise bei der Rolando-Epilepsie der Fall ist. Jedoch sind auch mehrere Syndrome beschrieben, die zu einem hohen Anteil von Kindern führen, die eine Entwicklungsverzögerung aufweisen. Diese kann leichte Ausmaße annehmen und lediglich zu einem etwas verzögerten erreichen der Entwicklungsstufen führen, aber auch zu massivsten Einschränkungen der Intelligenz, die für den Rest des Lebens bestehen können.
Um diese Entwicklung zu verhindern wird versucht, diese Formen der Epilepsie möglichst früh zu identifizieren und zu behandeln, jedoch ist unklar, ob dies einen starken Einfluss auf den Krankheitsverlauf hat.
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