Der Verzicht auf Schlaf über einen längeren Zeitraum kann vielfältige körperliche und psychische Auswirkungen haben. Schlafentzug kann therapeutisch als Schlafentzugs- und Wachtherapie bei Depressionen eingesetzt werden, aber auch zur Abklärung einer Epilepsie im Schlafentzugs-EEG.
Schlafentzug bezeichnet den willkürlich herbeigeführten bzw. erzwungenen Verzicht auf Schlaf über einen gewissen Zeitraum, der von Stunden bis hin zu Tagen dauern kann.
Schlafentzug kann sowohl unter therapeutischen Gesichtspunkten (als Schlafentzugs- oder Wachtherapie in der Psychiatrie), als auch unter dem Hintergrund von Folter eingesetzt werden. Ein längerer Verzicht auf Schlaf kann vielfältige Auswirkungen haben, die in den meisten Fällen aber durch nachgeholten gesunden Schlaf behoben werden können.
Man unterscheidet zwischen einem anteiligen, in der nur die zweite Hälfte der Nacht durchwacht wurde, und einem vollständgen Schlafentzug.
Nach einem Schlafentzug kommt es in vielen Fällen am folgenden Tag zu einer Verbesserung der Stimmungslage. Dieser Effekt wird bei dem Einsatz des Schlafentzuges als Therapieform bei Depressionen ausgenutzt.
Dauert der Schlafentzug über einen längeren Zeitraum an bzw. tritt ein dauerhafter Schlafmangel auf, kommt es zu körperlichen und geistigen Beschwerden, die das klare Denken negativ beeinträchtigen.
Der offizielle Weltrekord für den Zeitraum, in dem ein Mensch willentlich auf Schlaf verzichtet (ohne aufputschende Hilfsmittel oder Medikamente einzunehmen), beträgt 11 Tage und 24 Minuten. Das Experiment aus dem Jahre 1964 wurde ausführlich dokumentiert und zeigte keine schwerwiegenden längerfristigen körperlichen oder psychischen Folgen für den Versuchsteilnehmer, außer den mit Schlafentzug zusammenhängenden Auswirkungen, wie Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, sowie Stimmungsschwankungen und Wahrnehmungsstörungen. Diese legten sich allerdings nach Beendigung des Experimentes und durch den nachgeholten Schlaf wieder.
In den folgenden Jahrzehnten wurde Schlafentzug und seine Auswirkungen weiter erforscht.
Ein berühmtes Experiment (von Allan Rechtschaffen und Bernard Bergmann) aus Chicago erforschte die Langzeitauswirkungen von Schlafentzug an Ratten. Die Versuchstiere verloren trotz ausreichender Nahrungsaufnahme an Gewicht, entwickelten eitrige Beulen am Körper und verstarben schließlich.
Kritisch bei der Durchführung des Experiments sind das hohe Stresslevel und eine bewusste Unterdrückung des normalen Tag- und Nachtrhythmus (durch eine Dauerbelichtung) zu sehen, die ebenfalls die oben beschriebenen Folgen beeinflusst haben könnten.
Es ist daher fraglich ob Schlafentzug alleine tödlich enden kann. Auch Sonderfälle wie die tödliche familiäre Schlaflosigkeit (letale familiäre Insomnie) liefern darüber keine abschließenden bzw. auf gesunde Menschen übertragbare Aussagen.
Interessant ist die Beobachtung aus Experimenten, dass körperliche Auswirkungen weniger häufig auftreten als die psychischen Folgen von Schlafentzug. Grundsätzlich wird die Schlafbereitschaft am Tage durch eine Verkürzung der Schafenszeit erhöht.
Die sogenannte Schlafentzugs- oder Wachtherapie bezeichnet die kontrollierte Verringerung des Nachtschlafes in einem therapeutischen Rahmen unter ärztlicher Betreuung, z.B. während eines stationären Aufenthaltes im Krankenhaus.
Sie kann bei Depressionen eingesetzt werden, ist allerdings keine eigenständige Therapieform, sondern sollte in Verbindung mit Psychotherapie und einer medikamentösen Therapie eingesetzt werden.
Ein besonderer Schwachpunkt ist der hohe Arbeitsaufwand für das Pflegepersonal.
Weiterhin wird sie als zusätzliche Therapiemöglichkeit verwendet, wenn eine Depression besteht, zu deren Behandlung alle anderen Mittel erschöpft sind oder wenn die Wirkzeit der Antidepressiva zurückgegangen ist.
Außerdem kann durch sie der Unterschied zwischen depressiver Pseudodemenz und tatsächlichen Demenzerkrankungen festgestellt werden.
Depressive werden unter Umständen, in denen andere, gesunde Menschen einschlafen, oft nicht einmal müde. Ihr Gehirn läuft auf Hochtouren und sie fühlen sich vielleicht matt und müde, sind es aber nicht.
Eine Studie, die Hirnströme von depressiven, gesunden und manischen Menschen verglich, kam zu dem Ergebnis, dass Menschen mit einem stark gesteigerten Antrieb in einer langweiligen bzw. reizlosen Umgebung schneller einschlafen, Depressive hingegen Schwierigkeiten haben, Schlaf zu finden.
Durch eine Wachtherapie werden die gestörten Schlafrhythmen unterbrochen und im besten Falle wird die Regulation des Schlafes günstig beeinflusst.
Außerdem gibt es Hinweise, dass insbesondere die Schlafzyklen am Morgen Depressionen verstärken können. Die Patienten werden in Gruppen wachgehalten und durch Aktivitäten abgelenkt. Entweder die ganze Nacht, oder, wenn es sich um einen partiellen (also teilweisen) Schlafentzug handelt, wird der Schlaf in den frühen Morgenstunden verkürzt.
Der durch den Schlafentzug erzielte positive Effekt hält allerdings normalerweise nur für einen Tag an, was einen Nachteil darastellt, da man nicht ohne negative Folgen, die möglicherweise schlimmer sind als die Depression, über einen längeren Zeitraum auf Schlaf verzichten kann.
Durch eine Verlagerung der Schlafphasen kann man allerdings dem entgegenwirken und den positiven Effekt aufrechterhalten. Eine Verlagerung der Schlafphasen finden zeitlich gesehen nach vorne statt, da, wie oben besprochen, insbesondere die Schlafanteile am Morgen die Symptome der Depression verstärken können. Der Patient geht am Tag nach dem Schlafentzug folglich früher ins Bett und steht nach einer ausreichenden Schlafmenge auch wieder früher auf. Dieser Prozess wird wiederholt und zeitlich immer weiter nach hinten versetzt (man geht also immer später schlafen), bis der Patient wieder bei seinen normalen Schlafenszeiten angelangt ist.
Nebenwirkungen der Schlafentzugstherapie können manische Zustände, eine Verstärkung der Symptome oder eine Antriebssteigerung sein. Insbesondere im letzteren Fall ist Vorsicht geboten, da dies die Selbstmordgefahr erhöhen kann.
Aufgrund der negativen psychischen Auswirkungen wird methodischer Schlafentzug als Foltermethode angewandt. Insbesondere soll dabei klares Denken unterbunden und der Willen des Opfers gebrochen werden, um leichter belastende Aussagen oder Geständnisse zu erzwingen.
Schlafentzug gehört zur sogenannten “Weißen Folter”, da er keine körperlichen Spuren hinterlässt und auch die psychischen Folgen schwer nachweisbar sind. Schlafentzug ist völkerrechtlich als Foltermethode anerkannt und kann dementsprechend durch die UN und die dafür verantwortlichen Teilbehörden geahndet werden.
Die Methoden, die Schlafentzug als Folter einsetzen, beinhalten unter anderem:
Die Opfer werden durch Fesselung in schmerzhaften oder unbequemen Positionen, Dauerbeschallung mit Lärm, dauerhafte Bestrahlung mit Licht und insbesondere durch körperliche Strafmaßnahmen (Tritte, Schläge mit schweren Gegenständen etc.) vom Schlafen abgehalten.
Körperliche Auswirkungen:
Psychische Auswirkungen:
Es wird angenommen, dass die psychischen Störungen, die bei Schlafentzug auftreten, durch eine Beeinträchtigung des präfrontalen Kortex im Gehirn (Gehirnbereich im vorderen Kopfteil hinter der Stirn), der unter anderem für das rationale Denken zuständig ist, verursacht werden.
Zur Abklärung einer Epilepsie kann ein Schlafentzugs-EEG durchgeführt werden, wenn man eine Epilepsie für möglich hält, sich diese aber durch das normale EEG nicht beweisen lässt.
Schlafentzug kann die Wahrscheinlichkeit des Auftretens der epilepsietypischen elektrischen Potenziale, die bei einem EEG abgeleitet werden, erhöhen.
Zudem treten die epilepsietypischen Muster in vielen Fällen im Schlaf und besonders häufig während der Leichtschlafphase auf. Deshalb ist es das übliche Vorgehen, ein EEG nach einer Nacht, in der der betreffende Patient nicht geschlafen hat und sich daher in einem Zustand besonderer Ermüdung befindet, durchzuführen.
Es wird in der Wissenschaft noch darüber diskutiert, ob der eigentliche Schlafentzug oder der durch den Schlafentzug erhöhte Schlafanteil auschlaggebend für die Ausbildung der epilepsietypischen Potentiale ist. Üblicherweise findet das EEG in einem abgedunkteltem, ruhigem Raum statt, um sicherzustellen, dass der Patient auch wirklich einschläft.
Nicht vergessen sollte man dabei, dass diese Methode auch die Aktivierung von Anfällen auslösen kann.
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