Viele Krankheitsfolgen der Magersucht werden sichtbar, wenn sie das körperliche Erscheinungsbild betreffen, wohingegen die psychischen Auswirkungen einer Magersucht lange unentdeckt bleiben.
Menschen mit Magersucht haben aufgrund der mangelnden Versorgung mit Nährstoffen und den psychischen Beeinträchtigungen ihrer Erkrankung ein hohes Risiko, ihrem Körper und ihrer Psyche dauerhaften Schaden zuzufügen.
Dieses Risiko steigt mit der Dauer, in der die Magersucht unbehandelt bleibt. Viele dieser Krankheitsfolgen werden sichtbar, wenn sie das körperliche Erscheinungsbild betreffen, wohingegen die psychischen Auswirkungen einer Magersucht lange unentdeckt bleiben.
Haarausfall ist ein häufiges Symptom der Magersucht, das durch die langfristige Unterversorgung mit essentiellen Nährstoffen zustande kommt.
Dabei handelt es sich zwar um ein eher kosmetisches Problem, belastet die Betroffenen jedoch sehr.
Auch Haut und Nägel leiden unter dem Mangel an Vitaminen und Spurenelementen.
Grund dafür ist die ständige Erneuerung dieser Zellen, welche viel Energie und spezielle Nährstoffe erfordert. Fehlen diese Baumaterialien, wird das Kopfhaar dünner und fällt schließlich aus, die Haut wird fahl und dünn und die Nägel werden brüchig.
Die Betroffenen sehen kränklich aus und werden verstärkt auf ihr ungesundes Aussehen angesprochen. Häufig führen sie erst diese ästhetischen Probleme zum Arzt.
Glücklicherweise ist der Haarausfall in den meisten Fällen reversibel, wenn wieder eine ausreichende Ernährung gewährleistet wird. Dann wachsen die Haare wieder nach und Haut und Nägel erholen sich. Dabei können Nahrungsergänzungsmittel eingesetzt werden, um die Regeneration zu beschleunigen.
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Die meisten Patienten mit Magersucht sind Frauen. Neben Haarausfall und anderen ästhetischen Folgen ihrer Erkrankung leiden sie außerdem an Unregelmäßigkeiten ihres Menstruationszyklus. Denn verliert der weibliche Körper zu viel an Fett, geht die Hormonproduktion drastisch zurück.
Das liegt zum einen am „Energiespar-Modus“, in den der Körper versetzt wird und bei dem leidglich die lebenswichtigsten Organe versorgt werden, und zum anderen am Verlust der Fettzellen an sich, die wie die Eierstöcke Östrogen produzieren können. Die Betroffenen haben daher einen Mangel an weiblichen Sexualhormonen, die den Zyklus nicht mehr ausreichend regulieren können.
Es kommt zu Zyklusstörungen, der Eisprung bleibt aus und die Frau hat keine Regelblutung. Folglich kann sie auch nicht schwanger werden. Denn das Ausbleiben der Regelblutung und die daraus resultierende Unfruchtbarkeit ist ein Schutzmechanismus des Körpers, um die Frau in diesem körperlich geschwächten Zustand nicht auch noch durch eine Schwangerschaft zu belasten. Besteht die Unterernährung für einen zu langen Zeitraum, kann der Hormonzyklus dauerhaft beeinträchtigt bleiben und im schlimmsten Fall zu einer anhaltenden Unfruchtbarkeit führen. Manche Frauen sind daher nach einer langjährigen Magersucht-Erkrankung auf Hilfe von Spezialisten angewiesen, um schwanger zu werden.
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Auch Verstopfungen finden sich häufig als Begleiterscheinung einer Magersucht. Denn der Darm arbeitet nur richtig, wenn er gefüllt ist, was vor allem durch Ballaststoffe zustande kommt. Fehlt der Reiz durch unzureichende Nahrungsaufnahme, wird der Darm träge und bewegt sich kaum noch.
Die geringen Massen an Stuhlgang verbleiben oft tagelang im Magen-Darm-Trakt, was mit Schmerzen und einem aufgeblähten Bauch einhergehen kann. Dies kann zusätzlich optisch stören.
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Das häufige Frieren bei magersüchtigen Patienten liegt nicht etwa an einer fehlenden Isolierung durch Körperfett, wie man zunächst annehmen würde. Schuld ist der Stoffwechsel, der durch den Nährstoffmangel heruntergefahren wird.
Der Körper befindet sich gewissermaßen im „Energiesparmodus“ und die Temperaturregulation ist gestört. Die Aufrechterhaltung der Körpertemperatur kostet Energie, die bei einer Magersucht schlichtweg fehlt. Die Wärme wird auf die lebenswichtigen inneren Organe beschränkt, weswegen der restliche Körper schnell unterkühlt und die Betroffenen leicht frieren.
Auch die Knochen unterliegen einem ständigen Auf- und Abbau, um sich der Belastung durch den Körper anzupassen. Dazu brauchen sie vor allem Calcium und Vitamin D, die mit der Nahrung zugeführt werden müssen. Bei Frauen spielt zusätzlich die Östrogenproduktion eine wichtige Rolle, die den Abbau des Knochens hemmt und den Aufbau stimuliert.
Bei einer Magersucht werden einerseits zu wenig Nährstoffe aufgenommen, zum anderen deutlich weniger Hormone produziert, weshalb gerade bei Frauen das Risiko für eine Osteoporose steigt. Knochenbrüche und -verformungen sind die Folge.
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Die Zellen der Haut unterliegen, wie Haare und Nägel, einem ständigen Regenrationszyklus, um den Körper vor der Umwelt zu schützen. Dafür sind verschiedenen Nährstoffe und Energie notwendig, die bei einer Magersucht nicht in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. Besonders wichtig sind in diesem Zusammenhang Vitamin B12, Folsäure und Eisen, die für die Neubildung aller Zellen unerlässlich sind.
Bei einem Mangel dieser Substanzen wird die Haut daher trocken, schuppig und fahl, Wunden heilen nur sehr langsam und die schwindende Elastizität lässt die Haut deutlich älter aussehen. Durch den Abbau des Unterhautfettgewebes treten außerdem Venen und Sehnen stärker hervor und die Haut schimmert an manchen Stellen bläulich.
An somit besonders dünn gewordenen Stellen kann zudem die sogenannte Lanugo-Behaarung auftreten, ein Überbleibsel der Embryonalentwicklung. Sie sitzt beim Fötus wie ein Flaum auf der Haut, soll diese vor Hitze und Kälte schützen und kann bei Magersüchtigen wieder zu Tage treten. Nimmt der Betroffene wieder zu und erhält alle wichtigen Nährstoffe, bilden sich die Schäden in der Regel zurück.
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Das Gehirn ist das wichtigste Organ unseres Körpers und wird daher am besten versorgt. Allerdings ist es auf eine ausreichende Kohlenhydrat-Zufuhr angewiesen, da es nicht auf Körperfett zur Energiegewinnung zurückgreifen kann. Ist die notwendige Versorgung mit Kohlenhydraten über einen längeren Zeitraum nicht gegeben, nehmen die Stoffwechselprozesse und somit die Leistungsfähigkeit des Gehirns ab und es kommt zu kognitiven Einschränkungen wie Konzentrationsproblemen.
Zudem führt eine andauernde Magersucht zum Abbau von Nervenzellen und einer Schrumpfung des Gehirns. Bei Erwachsenen geht diese Schädigung zumindest teilweise zurück, sobald wieder eine ausreichende Nährstoffversorgung gewährleistet ist. Betrifft die Erkrankung jedoch Kinder und Jugendliche, bei denen die Gehirnentwicklung noch nicht abgeschlossen ist, können manche Hirnareale dauerhaft beeinträchtigt bleiben.
Vor allem die Amygdala als zentrale Verschaltung der Emotionen und der Hippocampus als Integrationsstelle für Gedächtnis und Lernen sind davon betroffen. Eine hohe Anfälligkeit für Depressionen und andere psychiatrische Erkrankungen ist die Folge.
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Damit die Nieren richtig arbeiten können, brauchen sie eine ständige Zufuhr an Elektrolyten wie Natrium, Kalium und anderen geladenen Teilchen (Ionen). Dies ermöglicht den Nieren, den Urin zu konzentrieren und Schadstoffe auszuscheiden. Fehlen diese Elektrolyte, ist die Nierenfunktion eingeschränkt, Wasser wird im Gewebe eingelagert und Schadstoffe wie die Harnsäure nur noch ineffizient ausgeschieden. Der daraus resultierende hohe Harnsäurespiegel schädigt das Nierengewebe und kann sich in Form von Kristallen in Gelenken ablagern, was zu Schmerzen im Sinne einer Gicht führt.
Zudem werden in der Niere Hormone gebildet, die für den Knochenstoffwechsel und die Blutbildung wichtig sind, und bei Magersüchtigen folglich vermindert sind. Es kann also bei Schädigung der Niere zu Knochenproblemen und Blutarmut kommen. Leider sind die Nieren sehr empfindliche Organe, die sich häufig nicht mehr vollständig regenerieren. Eine Magersucht hat daher häufig eine chronische Niereninsuffizienz zur Folge.
Auch die Nebennieren, kleine den Nieren aufgelagerte Organe, die lebenswichtige Hormone wie das Cortisol produzieren, nehmen durch die mangelnde Versorgung mit Nährstoffen Schaden. Nach einer langjährigen Magersucht können Patienten daher auf die Einnahme dieser Hormone angewiesen sein, wenn ihr eigener Körper sie nicht mehr in ausreichender Menge produziert.
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Schaltet der Körper in Folge eines Nährstoffmangels auf Sparflamme, verlangsamt sich der Herzschlag und der Blutdruck sinkt. Dadurch sind die Betroffenen schnell müde, kaum leistungsfähig und geraten schon bei geringster Anstrengung außer Puste.
Zudem haben die bereits beschriebenen Elektrolytstörungen nicht nur Auswirkungen auf die Nieren, sondern auch auf das Herz. Die einzelnen Herzmuskelzellen sind auf eine ausgeglichene Elektrolytkonzentration angewiesen, um richtig aktiviert zu werden und sich zeitgleich zusammen zu ziehen. Bei einem Elektrolyt-Ungleichgewicht kann das Herz folglich nicht richtig schlagen und es kommt zu Herzrhythmusstörungen, die potentiell lebensgefährlich sein können.
Auch ein sogenannter Perikarderguss, also eine Flüssigkeitsansammlung im Bindegewebe um das Herz herum, kommt bei Magersüchtigen gehäuft vor. Dieser ist schmerzhaft und kann das Herz einengen. Besteht die Essstörung über einen längeren Zeitraum, bleiben solche Schäden am Herzen häufig mehr oder weniger ausgeprägt bestehen, selbst wenn die Betroffenen wieder normal essen.
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Der Magen-Darm-Trakt leidet je nach Form der Magersucht und Methode der Gewichtsreduktion unter der Erkrankung.
Die oberen Anteile, z.B. die Speiseröhre, wird vor allem bei erzwungenem Erbrechen im Rahmen einer Bulimie geschädigt, da die Säure aus dem Magen die Schleimhaut angreift. Die Folge sind Entzündungen an der Speiseröhre, die zum Teil narbig abheilen und Engstellen zurücklassen. Diese können im Laufe des Lebens immer wieder Probleme machen. Außerdem können die Schleimhautzellen durch die ständige Schädigung entarten, also bösartige Tumoren entwickeln.
Die unteren Teile des Magen-Darm-Trakts, sprich Dünn- und Dickdarm, werden dadurch geschädigt, dass sich die Zellen durch den Nährstoffmangel nicht richtig regenerieren können, der Anreiz durch die Passage der zugeführten Nahrungsmittel fehlt und die sensible Darmflora gestört wird.
Dadurch kommt es zu Verdauungsproblemen und Verstopfungen, die sehr schmerzhaft und quälend für den Patienten sein können. Gerade das empfindliche Milieu der Darmflora regeneriert es sich nur langsam, weswegen Probleme am Magen-Darm-Trakt auch noch einige Zeit nach einer Therapie bestehen bleiben können.
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Die Magersucht ist im Grunde eine psychische Erkrankung.
Sie kommt besonders häufig bei Personen mit ehrgeizigem und leistungsorientiertem Charakter vor, die unter einem geringen Selbstwertgefühl leiden und für die die Magersucht eine Art Machtgefühl darstellt. Die Nahrungsrestriktion gibt den Betroffenen in gewisser Weise Kontrolle über ihren Körper, die andere nicht über sich haben, und hebt sie somit aus ihrer Sicht von der Masse ab.
Außerdem reagiert das Gehirn (zumindest initial) mit einer Zunahme der Leistungsfähigkeit. Dieser Mechanismus soll dazu dienen, bevorstehende magere Zeiten besser zu überstehen, und basiert unter anderem auf einer Dopamin-Ausschüttung, die eine zentrale Rolle in der Sucht-Entstehung einnimmt.
Zu Beginn einer Magersuchterkrankung fühlt sich die Person daher sehr gut, geradezu berauscht, und wird durch biologische Mechanismen in ihrem Handeln bestärkt. Diese Vorgänge bestätigen die Betroffenen in ihrer Annahme, nur etwas wert zu sein, wenn sie die Magersucht aufrecht erhalten.
Über die Zeit kommen daher aufgrund des immer größer werdenden Drucks und des körperlichen Abbaus viele psychische Belastungen dazu. Vor allem Depressionen sind häufig bei magersüchtigen Patienten zu beobachten. Aber auch biologisch leidet das Gehirn unter der Minderversorgung und baut sich ab, was zu Konzentrations- und Leistungseinbußen und Wesensveränderungen führt. Die psychischen Folgen einer Magersucht sind somit in der Regel schwerwiegender als die körperlichen.
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Ein Verlust der Libido ist eine weitere typische Folge der Mangelernährung. Bei Frauen liegt das unter anderem am hormonellen Ungleichgewicht, bei dem der Eisprung und die damit verbundene Libidoerhöhung ausbleibt.
Bei Männern kommt es aufgrund der hormonellen Fehlregulation zum Potenzverlust. Zudem ist die Psyche ein wichtiger Faktor, da sich die Patienten in der Regel unwohl und unattraktiv in ihrem Körper fühlen. Zudem erschwert die körperliche Schwäche als direkte Folge der Mangelversorgung den Geschlechtsverkehr.
Die Magersucht wirkt sich zumindest anfangs häufig positiv auf das Leistungsvermögen der betroffenen Person aus, vor allem in der Schule oder am Arbeitsplatz.
Allerdings schwindet diese initiale Leistungssteigerung nach einigen Wochen der Nährstoffunterversorgung und der Körper und das Gehirn können nicht mehr richtig arbeiten. Konzentrationsschwierigkeiten, Erinnerungslücken und Leichtsinnsfehler sind die Folge.
Aber auch begleitende psychische Probleme können sich bemerkbar machen, beispielsweise Depressionen oder Konflikte mit Kollegen. Die Betroffenen stehen unter einem enormen Druck, besonders, wenn sie ihre Erkrankung in der Arbeit geheim halten wollen.
Auf Dauer ist dieser Zustand nicht tragbar und eine schwere Magersucht führt häufig zur Berufsunfähigkeit.
Besonders gefährdet sind Menschen in Berufen, bei denen das Aussehen oder die körperliche Fitness von elementarer Bedeutung sind, z.B. in der Modebranche oder unter Sportlern. An einem solchen Arbeitsplatz kann die Erkrankung lange unentdeckt bleiben.