Gesichtsblindheit ist entweder angeboren (der häufigste Fall) oder erworben (im Laufe eines Unfalls). Sie beschreibt die Unfähigkeit, bekannte Gesichter wiederzuerkennen. Dabei liegt die Ursache an einer Fehlverschaltung in dem Teil des Gehirns, der die Sinneswahrnehmung Sehen mit anderen Hirnarealen verknüpft.
Die Gesichtsblindheit, in der Medizin als Prosopagnosie bezeichnet, beschreibt die Unfähigkeit, bekannte Gesichter wiederzuerkennen.
So werden Freunde, Bekannte und selbst Familienmitglieder nicht an den Gesichtszügen erkannt, wie es normalerweise der Fall ist, sondern an anderen Merkmalen wie der Stimme, der Frisur, der Bewegungen und so weiter.
In den meisten Fällen ist die Gesichtsblindheit angeboren. Es handelt sich dabei in erster Linie um einen genetischen Defekt, der alleine oder im Rahmen einer Grunderkrankung auftreten kann.
Selten ist eine Schädigung des Gehirns, wie z.B. nach einem Schädel-Hirn-Trauma oder einem Schlaganfall, Ursache der Gesichtsblindheit.
Mit einer Häufigkeit von 2,5% ist die Prosopagnosie gar nicht so selten.
Die Ursache der Gesichtsblindheit ist eine Fehlverschaltung in dem Teil des Gehirns, der die Sinneswahrnehmung Sehen mit anderen Hirnarealen verknüpft. Somit können die Eindrücke, die der Patient sieht, nicht richtig interpretiert werden, und die Gesichter der bekannten Personen werden zwar gesehen, aber nicht erkannt.
Es handelt sich daher also nicht um eine psychische Störung, wie sie z.B. nach einer Traumatisierung auftreten kann, sondern schlichtweg um einen Vermittlungsdefekt im Gehirn.
Bei der angeborenen Form macht sich die Gesichtsblindheit dadurch bemerkbar, dass die Kinder keinen Blickkontakt halten und bekannte Personen nicht sofort wiedererkennen. Es kommt daher oft der Verdacht auf eine autistische Krankheit auf.
Die emotionale und soziale Kompetenz wird von der Gesichtsblindheit allerdings nicht beeinflusst und sie ist folglich keine Unterform des Autismus.
Schwieriger wird die Unterscheidung bei manchen autistischen Patienten, die die Menschen in ihrer Umgebung wie Gegenstände wahrnehmen und bei denen die emotionale Verknüpfung im Gehirn beim Anblick dieser Menschen gestört ist. Auch dann tun sich diese Patienten schwer, andere Menschen am Gesicht zu erkennen.
Dies liegt jedoch nicht am für die Gesichtsblindheit ursächlichen Fehler der Verschaltung der Sinneswahrnehmung, sondern an der gestörten emotionalen Verknüpfung im Rahmen der autistischen Erkrankung.
Eine Gesichtsblindheit ist daher etwas völlig anderes als Autismus oder das Asperger-Syndrom, kann sich aber initial ähnlich äußern.
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Wenn der fehlende Blickkontakt und die Probleme beim Wiedererkennen bereits in der Kindheit besonders ausgeprägt sind, erfolgt aufgrund der genannten Parallelen zum Autismus eine medizinische und psychiatrische Abklärung.
Zeigen die Kinder eine normale emotionale und soziale Entwicklung, kann ein Autismus ausgeschlossen werden und die Diagnose Gesichtsblindheit wird nach Abklärung anderer Ursachen gestellt.
Werden die Kinder jedoch nicht sonderlich auffällig, können sie ihr Handicap in der Regel gut ausgleichen und die Gesichtsblindheit wird womöglich nie offiziell diagnostiziert.
Auf die sogenannte Prosopagnosie (Gesichtsblindheit) zu testen, gestaltet sich häufig als schwierig. Die Diagnose wird auch nicht aufgrund eines standardisierten Tests gestellt, sondern durch die Beurteilung der Symptome und Einschränkungen der Person durch den behandelnden Arzt.
Allerdings gibt es durchaus einen Bedarf für einen solchen Test, da die Gesichtsblindheit auch unter Ärzten eher unbekannt ist und gerade bei Kindern häufig als autistische Störung fehldiagnostiziert wird.
Es werden daher in der Forschung Fragebögen und Bildertests entwickelt, die die Prosopagnosie ganz klar von psychiatrischen Erkrankungen wie dem Autismus abgrenzen sollen.
Bei diesen Verfahren werden den Patienten beispielsweise am Computer die Gesichter berühmter Persönlichkeiten oder auch enger Angehöriger gezeigt, die sie erkennen und die erkannten Merkmale beschreiben sollen. Gesichtsblinde Menschen tun sich dabei schwer und konzentrieren sich mehr auf Merkmale wie die Haare oder die Kopfhaltung anstatt dem eigentlichen Gesicht.
Solche Bilderreihen sind aber leider nicht immer aussagekräftig, da gerade Prominente aufgrund markanter Merkmale trotz Gesichtsblindheit erkannt werden.
Genauere Ergebnisse liefern Bilder von unbekannten Personen, bei denen der Haaransatz, der Hals und der restliche Körper weggeschnitten wurden und somit nur noch das Gesicht zu sehen ist.
Diese Fotos werden den Probanden mehrmals gezeigt und diese sollen reagieren, wenn sie ein Gesicht wiedererkennen. Gesichtsblinde Menschen tun sich dabei sehr schwer und können dabei nur Personen unterscheiden, die beispielsweise eine andere Hautfarbe oder ein anderes Geschlecht haben. An den Gesichtszügen allein sind diese Bilder von gesichtsblinden Menschen daher nicht auseinander zu halten.
Solche rein bildlichen Tests müssen dennoch immer von einem Expertengespräch ergänzt werden, bei dem ein mit dem Krankheitsbild vertrauter Arzt typische Situationen im Alltag analysiert, da andere Ursachen für die Problematik bei der Gesichtserkennung ausgeschlossen werden müssen.
Somit gehören z.B. die Abklärung einer Sehschwäche oder anderer Wahrnehmungsstörungen mit zur der Testung. Denn Menschen mit einer Prosopagnosie können die Gesichtszüge ihrer Mitmenschen uneingeschränkt wahrnehmen und auch beschreiben, aber eben keiner Identität zuordnen und sie somit nicht wiedererkennen.
Besteht die Gesichtsblindheit von Geburt an, wie es bei den meisten Betroffenen der Fall ist, merkt man den Personen ihr Handicap in der Regel gar nicht an, da sie keine wirklichen Symptome zeigen.
Jedoch leiden gesichtsblinde Menschen häufig unter einer gewissen sozialen Unsicherheit und fühlen sich in größeren Menschenansammlungen unwohl, weil sie bekannte Menschen nicht auf Anhieb erkennen und es somit zu peinlichen Situationen kommen kann.
Häufig laufen sie beispielsweise an Freunden und Bekannten vorbei, ohne sie zu grüßen, weil sie sie schlichtweg nicht erkannt haben. Sie können daher versehentlich unfreundlich wirken.
Grade in der Kindheit sind gesichtsblinde Menschen daher häufiger Opfer von Ausgrenzung und finden schwerer Anschluss an Gleichaltrige. So etwas kann im schlimmsten Fall negativ auf die soziale Entwicklung des Kindes auswirken.
Von solchen sozialen Schwierigkeiten abgesehen haben Menschen mit einer Prosopagnosie allerdings keine weiteren Einschränkungen, da eine angeborene Gesichtsblindheit nichts mit psychiatrischen oder neurologischen Störungen zu tun hat. Ihre Wahrnehmung, Konzentrationsfähigkeit und Intelligenz sind daher vollkommen normal.
Die Gesichtsblindheit ist keine richtige Krankheit und auch nicht heilbar. In den allermeisten Fällen haben die Betroffenen ihr Handicap über die Jahre gut kompensiert und wissen ggf. gar nichts von ihrem Zustand. Liegen also keine Einschränkungen durch die Gesichtsblindheit vor, muss sie auch nicht behandelt werden.
Haben die Betroffene Probleme im Alltag, können sie lernen, Freunde und Bekannte anhand anderer Merkmale zu identifizieren, wie beispielsweise am Erkennen der Stimme. Solche Strategien können erlernt und trainiert werden, wenn der Betroffene das nicht bereits unterbewusst getan hat. Kommt die Person also mit ihren Problemen zum Arzt, würde therapeutisch ein Training dieser gesichtsunabhängiger Erkennungsstrategien erfolgen.
Bei der seltenen erworbenen Gesichtsblindheit, deren Auslöser beispielsweise ein Schädelhirntrauma oder ein Schlaganfall ist und die Störung eindeutig auf eine Schädigung der zuständigen Hirnregionen zurückgeführt werden kann, erfolgt in der Regel auch keine richtige Therapie.
In diesen Fällen kennt man zwar die genaue Ursache, jedoch haben die Betroffenen in der Regel neben der Gesichtsblindheit noch deutlich gravierendere Beschwerden, die eher therapiert werden müssen.
Die Gesichtsblindheit ist nicht heilbar, bleibt aber ein Leben lang stabil und verschlechtert sich in der Regel nicht. Mittels individueller Kompensationsstrategien haben die meisten Betroffenen daher ein ganz normales Leben und sind durch ihre Störung kaum eingeschränkt. Nur in den seltensten Fällen kommt es überhaupt zur Diagnose der Prosopagnosie.
Wirkliche Probleme damit haben nur Patienten, die erst im Rahmen eines Unfalls oder einer Erkrankung eine Gesichtsblindheit erworben haben und plötzlich nahe Angehörige und Verwandte nicht mehr erkennen können.
Diesen Menschen fällt ein nachträgliches Erlernen der Kompensationsstrategien deutlich schwerer und die Lebensqualität kann dadurch stark eingeschränkt werden. Glücklicherweise sind diese Fälle sehr selten.
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